In der Tat wird das Problem für Kommunen immer größer. Ich will gar nicht von dem Stärkungspaktkommunen reden, die überhaupt keine Möglichkeit haben, diese Dinge vernünftig aufzugreifen, es sei denn durch Steuererhöhungen. Im Endeffekt wird nämlich diese Mehrbelastung dazu führen, dass diese Willkommenskultur zu kippen droht. Das ist aber nicht unser Interesse. Deshalb wollen wir jetzt schon darauf hinwirken, gemeinsam dafür zu sor
gen, dass das Land – genauso wie andere Länder auch – in Verantwortung tritt und eine Spitzabrechnung vornimmt.
Der Kollege Abruszat hat heute etwas ganz Wichtiges angesprochen, nämlich das Wort „Konnexität“. Das bedeutet, die Verantwortung dort anzusiedeln, wo sie politisch hingehört. Da sind wir bei Ihnen. Auch wir sind der Auffassung, dass der Bund Verantwortung übernehmen muss. In der Tat müssen die Verfahren schneller und kürzer werden; sie müssen konzentrierter durchgeführt werden. Beispiele sind hier hinreichend genannt worden.
Es heißt aber auch, dass sich das Land in die Verpflichtung nehmen lassen muss. Es kann nicht richtig sein, dass wir Asylsuchende schon nach zwei Wochen – am Anfang waren es zwei oder drei Tage, jetzt sind wir immerhin bei zwei Wochen, wofür wir auch schon dankbar sind – in die Kommunen weiterreichen, teilweise ohne dass die entsprechenden Voraussetzungen – wie zum Beispiel gesundheitliche Untersuchungen, Erstantragsabfertigung usw. usf. – erfüllt sind.
Denn das Problem, das in den Kommunen entsteht, ist, dass dort natürlich mit der Zeit ein Integrationsprozess stattfindet – je länger diese Verfahren laufen, desto stärker wird dieser Integrationsprozess –, und es dann ebenso natürlich immer schwieriger wird, mit denjenigen umzugehen, deren Asylanträge abgelehnt werden. Es ist hier und heute nicht meine Aufgabe, den Asylartikel der Verfassung zu hinterfragen. Aber dort ist von politischer Verfolgung die Rede. Deshalb sind wir sehr dafür, dass ein rechtsstaatliches Verfahren durchgeführt wird, das zu entsprechenden Ergebnissen führt.
Das heißt auch, dass man mit denjenigen, die kein Asyl bekommen, entsprechend umgehen muss. Das heißt im Umkehrschluss, dass man die Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit den 33.000 abgelehnten Asylbewerbern – die weiterhin bei den Kommunen kostenmäßig hinterlegt sind – nicht im Regen stehen lassen darf.
Deshalb ist diese Zahl, Herr Jäger, hier bewusst angesprochen worden. Ich denke, da sollten sowohl das Land als auch der Bund finanzielle Verantwortung übernehmen, damit die Kommunen dieser ihrer Aufgabe nachkommen können.
Ich freue mich daher auf die gemeinsame Diskussion in den nun hier zu beauftragenden Ausschüssen und bin sicher, dass wir diese Dinge inhaltlich sehr intensiv diskutieren werden. Ich hoffe, dass wir am 18. Juni 2015 ein gutes Ergebnis für unser Land – aber bitte auch für unsere Kommunen – erzielen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/8639 an den Ausschuss für Kommunalpolitik – federführend –, an den Haushalts- und Finanzausschuss, an den Integrationsausschuss sowie an den Innenausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dieser Überweisungsempfehlung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.
kunft von Handwerk und Mittelstand in Nordrhein-Westfalen gestalten – Qualifikation und Fachkräftenachwuchs für Handwerk 4.0 sichern, Chancen der Digitalisierung nutzen, Gründungskultur und Wettbewerbsfähigkeit stärken“
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende FDP-Fraktion als erstem Redner Herrn Kollegen Bombis das Wort.
Ganz herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! 200.000 Betriebe, 100 Milliarden € Umsatz, deutlich mehr als 1 Million Beschäftigte – das ist das Handwerk hier in Nordrhein-Westfalen. Eine erstklassige duale Ausbildung und damit ein hervorragender Berufseinstieg für 85.000 junge Menschen, eine darauf aufbauende Qualifizierung – besonders zu nennen ist natürlich der Meisterbrief – und damit einer der Wege zu Wohlstand und gesellschaftlichem Aufstieg in unserem Land – auch das ist das Handwerk in Nordrhein-Westfalen.
Aber die gesellschaftliche Bedeutung des Handwerks geht weit darüber hinaus. Unsere in den Städten und Kommunen verhafteten Betriebe des Handwerks und des Mittelstand bedeuten unternehmerisches und bürgerschaftliches Engage
ment – vor Ort. Sie bedeuten ehrenamtlichen Einsatz für Aus- und Fortbildung sowie in der Selbstverwaltung der Wirtschaft – vor Ort. Und sie bieten jungen Menschen Zukunfts- und Karriereperspektiven – vor Ort.
Ohne das Handwerk wäre Nordrhein-Westfalen insgesamt weniger stark. Es wäre weniger vielfältig. Es wäre einfach ärmer. Wegen dieser Bedeutung des Handwerks gehört es auch in den Mittelpunkt der politischen Aufmerksamkeit.
Aus Sicht der FDP-Fraktion sollten wir dabei die Ebene der Alltagspolitik durchaus einmal verlassen, denn derzeit sind, wie wir alle wissen, gewaltige gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbruchprozesse im Gange. Die fortschreitende Digitalisierung und der demografische Wandel sind zwei der hierbei entscheidenden Stichworte. Wir sind davon überzeugt und sehen es bereits heute, dass sich diese Prozesse massiv auf die Wettbewerbsfähigkeit von Handwerk und Mittelstand auch hier bei uns in Nordrhein-Westfalen auswirken werden.
Diese Herausforderungen gebieten es nach unserer Auffassung, dass wir einmal stärker eine längerfristige Perspektive einnehmen, dass wir vielleicht auch einmal querdenken und dass wir im Austausch mit Experten aus dem Handwerk, aber ausdrücklich auch darüber hinaus Ansätze finden, um jenseits dieses Alltagsgeschäfts Ideen zu formulieren, der Bedeutung von Handwerk und Mittelstand mittel- und langfristig gerecht zu werden. Dann können aus diesen Herausforderungen auch mehr Chancen entstehen, als Risiken real werden müssen.
Ich will kurz zwei Punkte nennen, die aus meiner Sicht hierbei eine zentrale Rolle einnehmen werden; Sie kennen sie alle. Zunächst ist die Nachwuchsproblematik zu nennen. Dem Handwerk fehlt schon heute eine signifikante Menge an Fachkräften. Das schwächt nicht nur die Betriebe in ihrer täglichen Arbeit, es vermindert auch die Zahl der möglichen Kandidaten, die einen der Tausenden von Betrieben, die in den nächsten Jahren zur Übergabe anstehen, weiterführen können. Hierin liegen Risiken für die Altersvorsorge der betroffenen Menschen, aber darüber hinaus besteht auch die Gefahr eines Verlustes von beachtlichen Vermögenswerten und Wertschöpfungspotenzialen für unsere Wirtschaft insgesamt.
Wenn es uns aber gelingt, Wege aufzuzeigen, um zum Beispiel mehr Frauen, mehr Migranten, mehr Menschen, die sich zunächst für andere Berufe entschieden haben, im Handwerk zu beschäftigen, wenn neue Formen der Kooperation von Betrieben gefunden und begleitet werden können, dann werden auch zukünftig die Betriebe, die diese mittelständische Struktur in NRW bilden, eine beachtliche Bedeutung haben können.
Ich will einen zweiten Punkt nennen: die Digitalisierung. Unter dem Stichwort „4.0“ ist diese inzwischen im Bereich der Industrie in aller Munde. Diesbezüglich verweise ich auf das diesjährige Motto der Hannover Messe.
und Mittelstand haben. Ein plakatives Beispiel hierfür kennen wir ebenfalls alle: Das ist der 3DDrucker, der bestimmte Handwerkerleistungen perspektivisch überflüssig machen wird, der aber auch Perspektiven und Chancen für das Handwerk und seine Angebote schaffen kann, zum Beispiel durch eine hohe Expertise, die nicht überflüssig wird, durch Wiedergewinnung von Wertschöpfung, die vielleicht schon aus Deutschland abgewandert war, oder auch als teilweise Kompensation für den angesprochenen Fachkräftemangel.
Es wird darauf ankommen, notwendige Voraussetzungen zu schaffen. Es wird darauf ankommen, notwendige Weichenstellungen in der Bildungspolitik vorzunehmen, Strukturen vorzuschlagen, die auch zukünftig in der Lage sind, sich einer schneller wandelnden Umgebung anzupassen.
Deswegen schlägt die FDP-Landtagsfraktion die Einsetzung einer Enquetekommission vor, die sich mit der Zukunft von Mittelstand und Handwerk in Nordrhein-Westfalen befasst. In den verbleibenden knapp zwei Jahren sollen die großen Chancen und Herausforderungen für das Handwerk in NordrheinWestfalen identifiziert und detailliert analysiert und konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, um zukunftssicher die Ausbildung und die Qualifizierung zu gestalten, um zukunftssicher den Fachkräftenachwuchs und die Unternehmensnachfolge sowie die Wettbewerbsfähigkeit mit Blick auf die Digitalisierung und Weiteres mehr gestalten zu können.
Aus Sicht unserer Fraktion wäre eine Enquetekommission für diese Thematik nicht nur dringend erforderlich, sondern sie würde auch das Handwerk in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken, was dieser Wirtschaftszweig dringend verdient. Ich wäre für die Unterstützung der Fraktionen für diesen Vorschlag sehr dankbar. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf Antrag der FDP wird heute die letzte Enquetekommission dieser Wahlperiode eingesetzt mit dem Titel „Zukunft von Handwerk und Mittelstand in Nordrhein-Westfalen gestalten“. Weiter heißt es: „Qualifikation und Fachkräftenachwuchs für Handwerk 4.0 sichern, Chancen der Digitalisierung nutzen, Gründungskultur und Wettbewerbsfähigkeit stärken“. Man merkt schon am Titel: Daraus spricht ein hohes Zutrauen in staatliches Handeln. Dass dies von der FDP kommt, ist nur zu begrüßen.
Dass sich der Landtag des Themas „Handwerk“ annimmt, ist ebenfalls zu begrüßen. Zu Recht wird im Einsetzungsantrag auch auf die wichtige Rolle von Handwerk und Mittelstand für Wirtschaft und Gesellschaft hingewiesen. Schon frühzeitig hat die rotgrüne Landesregierung darum die Handwerksinitiative NRW ins Leben gerufen mit dem Ziel, Fördermaßnahmen des Landes und des Handwerks weiterzuentwickeln. Schließlich leistet das Handwerk einen stetigen Beitrag zur Fachkräftesicherung und zur Umsetzung der Energiewende.
Fördermittel von 20 Millionen € unterfüttern die Handwerksinitiative. Das wurde seinerzeit folgendermaßen begrüßt: „Ein positives Signal für das Handwerk, ja, gar eine Liebeserklärung“, nannte Prof. Wolfgang Schulhoff, Präsident des NRW Handwerktages, 2011 das Neunpunkteprogramm der Landesregierung, das unter anderem die Stärkung der Zusammenarbeit mit dem Handwerk in NRW vorsieht, die Sicherung und Neuschaffung von Arbeitsplätzen im Fokus hat, die Stärkung der Innovation und der kreativen Potenziale im Handwerk fördern will und das die Bündelung und Abrundung von Konzepten und Initiativen, die sich mit Handwerk befassen, zum Ziel hatte.
Die Zukunftsinitiative Handwerk NRW 2.0 griff dies auf und setzte die Arbeit 2013 fort. Dabei wurden folgende zentrale Handlungsfelder benannt: Chancen der Globalisierung, Bewältigung des demografischen Wandels, Konsequenzen der Energiewende, Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik, Professionalisierung von Klein- und Kleinstunternehmen. Das alles geschah vor dem Hintergrund – Sie sagten es auch, Herr Bombis – dramatischer Änderungen im Handwerk, angesichts der Probleme bei der Fortsetzung von Betriebsführungen oder bei der Qualifizierung. Die Welt ringsherum ändert sich. Auf das alles müssen wir uns einstellen.
Die FDP legt nun einen Schwerpunkt auf das Thema „Handwerk 4.0“ sowie auf die Bereiche Qualifikation, Ausbildung und Fachkräfte. Ob wir tatsächlich einen ungesunden Akademisierungstrend haben, wie es in Ihrem Antrag heißt, oder woran es liegt, dass immer weniger Betriebe ausbilden, wie das Problem zu lösen ist, dass 37.000 Ausbildungsplätze im Jahr 2014 unbesetzt blieben, aber 21.000 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz fanden – das sollten wir sorgfältig und ernsthaft miteinander diskutieren. Wir sollten vielleicht auch ein bisschen schärfer trennen zwischen Handwerk und Mittelstand, um zu passgenaueren Ergebnissen zu kommen.
Diese Enquetekommission steht unter einem enormen Zeitdruck. Keine vollen zwei Jahre stehen uns mehr zur Verfügung. Am Ende unserer Arbeit werden wir uns alle miteinander schon im Wahlkampf befinden. Gestern wurde die Arbeit der Enquetekommission zur Zukunft der chemischen Industrie
Nordrhein-Westfalens abgeschlossen und feierte ihren feierlichen Abschluss hier nebenan in der Villa Horion.
Als diese Enquetekommission eingesetzt wurde, befürchteten manche das Ende der Chemieindustrie in Nordrhein-Westfalen. Das Gegenteil war der Fall: Ein fundiertes, an der Sachlichkeit und Fachlichkeit ausgerichtetes Ergebnis, das einstimmig zu 58 Handlungsempfehlungen kam, wurde allgemein gewürdigt und gerade von der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen als wichtiger Beitrag für ihre zukünftige Entwicklung anerkannt. Das Handwerk in Nordrhein-Westfalen hat die Einrichtung einer Enquetekommission mit einem solchen Ergebnis am Ende ebenfalls verdient. Ich kann mir, ehrlich gesagt, auch nicht vorstellen, wer denn da ein Minderheitenvotum abgeben will.
Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit in dieser Enquetekommission, an deren Ende stehen soll: Soll das Werk den Meister loben…
Vielen Dank, Herr Kollege Thiel. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Spiecker das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es ist guter Brauch in diesem Hause, jedem Antrag zur Einrichtung einer Enquetekommission zuzustimmen. Umso schöner, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Thema gewählt wird, das tatsächlich von besonderer Bedeutung für unser Land ist. Das Handwerk ist mit über 1,1 Millionen Erwerbstätigen und mit mehr als 100 Milliarden € Jahresumsatz die Wirtschaftsmacht von nebenan in unserem Land.
Das Handwerk ist vor allem ein Wirtschaftszweig mit eigener Kultur. Diese Kultur zeichnet sich durch individuelle Produkte und Dienstleistungen von hoher Qualität aus, basierend auf Tradition und Handwerk. Das Handwerk ist vor Ort verwurzelt und verknüpft daher sein wirtschaftliches Handeln mit gesellschaftlicher Verantwortung für die Region. Das Handwerk ist damit das Musterbeispiel für unser Verständnis von sozialer Marktwirtschaft. Deshalb ist es wichtig, dass wir für die Handwerksbetriebe in unserem Land gute Rahmenbedingungen schaffen und erhalten.
Der vorliegende Antrag zeigt die wesentlichen Herausforderungen, vor denen das Handwerk in Nordrhein-Westfalen in den kommenden Jahren steht. Es macht Sinn, in einer Enquetekommission gemeinsam mit dem Handwerk Antworten auf diese Herausforderungen zu suchen.