Ralf Nettelstroth

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Unterhaltsvorschuss wird wieder einmal im Parlament behandelt, weil sich auf der Bundesebene mittlerweile einiges getan hat. Vom Grundsatz her begrüßt die CDU-Fraktion, dass die Unterhaltsvorschussleistungen heute auch Kindern bis zum 18. Lebensjahr gewährt werden. Wir finden es auch richtig, dass die Begrenzung auf 72 Monate entfällt.
Aber Sie erinnern sich an die Diskussion, die wir letztens im Plenum geführt haben: Es waren noch einige Fragestellungen offen, insbesondere die Frage, wie die Deckung etwaiger Mehrkosten aussieht, nicht nur für die Länder, sondern auch für die Kommunen, die von den Ländern mit vertreten werden.
Wir nehmen zur Kenntnis, dass mittlerweile eine Einigung erzielt worden ist, die vorsieht, dass sich der Bund anstatt wie bisher mit einem Drittel nun mit 40 % beteiligt – er beteiligt sich also stärker – und dass die Beteiligung der Länder 60 % beträgt. Das heißt für die nordrhein-westfälischen Kommunen – hier haben wir die Situation, dass die Kommunen den höchsten Anteil haben – 80 % dieser 60 %. Das sind auf die Gesamtsumme gerechnet 48 %.
Vor diesem Hintergrund waren zwei weitere Fragen zu beantworten: Die eine Frage bezog sich darauf, in welchem Zeitraum das umgesetzt wird. Seinerzeit stand der 1. Januar zur Diskussion. Wir sind dankbar, dass das jetzt auf den 1. Juli verschoben worden ist; denn das gibt allen Beteiligten die Möglichkeit, sich auf die neue Gesetzeslage einzustellen.
Der zweite Aspekt war die Abgrenzung zu SGB-IILeistungen – Unterhaltsvorschussleistungen –; denn leider haben wir die Situation, dass viele Alleinerziehende mit unterhaltsberechtigten Kindern Leistungen nach dem SGB II beziehen. Das würde in der Tat entsprechende Mehraufwendungen bei der Darstellung der Ansprüche mit sich bringen. Vor diesem Hintergrund halten wir den Kompromiss für richtig, zu sagen, dass nur dann, wenn eine Aufstockung möglich
ist – die wird hier bei 600 € festgemacht –, die Leistungen über den Unterhaltsvorschuss gewährt werden sollen, ansonsten über die SGB-II-Regelung.
Diese Regelung ist aber auf die Erweiterung beschränkt, also auf Jugendliche vom zwölften Lebensjahr an bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Da musste man in der Tat darüber nachdenken, das zu erweitern.
Deshalb komme ich jetzt zu unserem Antrag. Wir sagen unter Punkt 1 ganz klar, dass wir eine stärkere Beteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen an den Mehrkosten des Unterhaltsvorschusses wünschen. Wir haben die Situation, dass in Nordrhein-Westfalen in dem letzten Jahr, für das die Zahlen vollends vorliegen – 2015 –, ca. 205 Millionen € aufgewandt worden sind. Also braucht man nicht viel zu raten, sondern es ist klar, dass erhebliche Mehrkosten, sicherlich im dreistelligen Bereich, auf alle Beteiligten in Nordrhein-Westfalen zukommen werden.
Vor diesem Hintergrund sind wir der Auffassung, dass man es nicht bei dieser 80%igen Beteiligung innerhalb Nordrhein-Westfalens belassen darf, sondern dass man es halbieren muss: dass also nur noch 50 % der Landesaufwendungen – anders gesprochen: 30 % der Gesamtaufwendungen – bei den Kommunen ankommen dürfen.
Zweiter Punkt. Unterhaltsvorschussleistungen sind, wie der Name schon sagt, eine Vorschussleistung. Nur leider wird sie oft zur endgültigen Leistung, wenn man nicht mehr die Möglichkeit hat, im Wege des Rückgriffs auf den Unterhaltspflichtigen zuzugreifen. Vor diesem Hintergrund wollen wir uns nach dem Motto „Best Practice“ daran orientieren, wie andere Länder mit dieser Thematik umgehen.
Da stellen wir fest, dass wir in Nordrhein-Westfalen derzeit 20 % der aufgewendeten Beträge des Unterhaltsvorschusses zurückholen. In Bayern sind es 35 %, in Baden-Württemberg 33 %. Wenn man sich ansieht, wie das dort gemacht wird, stellt man fest, dass in der Zusammenarbeit mit der Finanzverwaltung deren große Erfahrungen genutzt und Synergien gezogen werden und dass das letztendlich dazu führt, dass die Rückholquote höher ist.
Deshalb lautet unsere zentrale Forderung unter Punkt 2, dass man diese Kompetenzen zusammenfasst und die Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen an dem Wiederholen der Unterhaltsvorschussleistungen beteiligt.
Der dritte Punkt bezieht sich auf die Evaluierung. Ich habe es eben angesprochen. Wir müssen sehen, wie sich jetzt in der konkreten Umsetzung die SGB-IILeistungen zu den Unterhaltsvorschussleistungen entwickeln. Wir werden darüber nachzudenken haben – der FDP-Antrag wirft das auch auf, und das werden wir im Fachausschuss vor diesem Hintergrund diskutieren müssen –, ob man diese Regelung
auch auf die Unterhaltspflichtigen gegenüber den Null- bis Zwölfjährigen ausdehnt. Dazu sollte man im Rahmen einer gewissen Zeit eine Evaluierung vornehmen und aus der Auswertung entsprechende Rückschlüsse ziehen, die die Verwaltungsarbeit erleichtern.
Denn den Kommunen entstehen nicht nur Mehrkosten dadurch, dass sie mehr Leistungen aufbringen müssen, sondern auch durch die damit verbundene Bürokratie, die möglichst gering gehalten werden sollte. Das ist das Interesse der Spitzenverbände und auch unser Interesse.
Vor diesem Hintergrund werden wir heute der Weiterleitung des Antrags an den Ausschuss zustimmen. Ich freue mich schon auf die sehr intensive Diskussion dort. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Becker, was war eigentlich der Ausgangspunkt, als wir 2013 kurz nach der seinerzeitigen Landtagswahl diesen Gesetzentwurf eingebracht haben? – Der Ausgangspunkt war, dass wir es in Nordrhein-Westfalen, weil wir eben einen so hohen Kommunalisierungsgrad haben, immer schwerer haben, vor Ort Straßen zu refinanzieren. Das führt dazu, dass die entsprechende Straßenbaulast immer mehr auf die einzelnen Bürger übertragen wird.
Wir haben zum Beispiel in Bielefeld die Situation, dass bei Anliegerstraßen ca. 80 % von den Anliegern zu zahlen sind. Das führt zu den berühmten Zeitungsartikeln, die Sie auch alle kennen, wonach die arme Rentnerin für ihr Häuschen 40.000 € berappen muss, weil die Straße neu hergestellt werden muss, und nicht weiß, woher sie das Geld nehmen soll.
Diese Artikel wiederum führen dazu, dass viele Bürger keine veränderten und neuen Straßen wollen. Wir führen die Diskussion auch in Bielefeld, zum Beispiel in der Sennestadt, wo Anwohner sagen: Nein, wir wollen keine neue Straße, weil wir befürchten,
hinterher mit riesigen Beträgen belastet zu werden. Vor allem wollen wir keine Neuerungen, die dazu führen, dass womöglich hinterher der Aufwand, der auf uns umgelegt wird, vergrößert wird.
Vor diesem Hintergrund machen wir ein Angebot. Die Abrechnungseinheiten, die Sie auch aus Ihrer kommunalpolitischen Tätigkeit kennen, bleiben bestehen. Sie haben nach wie vor die Möglichkeit, den Straßenbaubeitrag wie bisher abzurechnen. Wir schaffen eine neue Option, einen zweiten Weg. Wir sagen, hier kann man durch wiederkehrende Straßenbaubeiträge – Klammer auf: in einem Bereich, wo das möglich ist, denn in der Tat setzt das voraus, dass ich einen Bezirk abgrenzen, dieses Gebiet benennen kann – vor Ort in der Kommune im Rahmen einer subsidiären Handlung entscheiden, an welcher Stelle man das bezirklich machen will, weil sich das so fassen lässt, und an welcher man es bei den alten Beiträgen belassen will.
Sie haben eben eingewandt, dass wir uns damit sehr viel Zeit gelassen haben. Das ist richtig. Das haben wir deshalb getan, weil es uns um die Sache ging. Sie wissen, dass sich das Bundesverfassungsgericht im April des Jahres 2014 unter anderem mit dieser Frage befasst hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass man eine solche Regelung verfassungskonform treffen kann. Es gibt – Sie haben es angesprochen – in der Tat einige Bundesländer, zum Beispiel Rheinland-Pfalz, das Saarland, Thüringen, die diese Option eingeführt haben.
Da es diese Option erst seit einigen Jahren gibt, muss es nicht verwundern, dass sie noch nicht umfassend genutzt worden ist. Nichtsdestotrotz haben wir viele Anfragen auch gerade aus kleineren Kommunen, die geradezu darum bitten, dass man ihnen diese Möglichkeit einräumt, alternativ zu der bisherigen Abrechnung der Straßenbaubeiträge die sogenannten wiederkehrenden Straßenbaubeiträge abzurechnen.
Die Evaluation und die neuen Erkenntnisse haben wir zum Anlass genommen, einen Änderungsantrag zu formulieren, mit dem unser Gesetzentwurf – um den geht es hier heute – entsprechend verändert wird.
Wir haben heute die Chance, den Kommunen eine weitere Alternative zu verschaffen und im Rahmen der Subsidiarität den Kommunen vor Ort die Entscheidung zu überlassen, ob sie bei der alten Regelung verbleiben oder Bezirke so schneiden und vorfinden wollen, dass sie wiederkehrende Beiträge nutzen. Diese Chance sollten wir den Kommunen geben. Deshalb werbe ich nochmals dafür: Stimmen Sie bitte heute unserem Gesetzentwurf zu. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns beschäftigt heute der Unterhaltsvorschuss, und zwar in erfreulicher Weise, denn der Bund plant, den Unterhaltsvorschuss von 12 auf 18 Jahre auszudehnen und die zeitliche Beschränkung von 72 Monaten aufzuheben. Das ist eine in sich sicherlich sehr begrüßenswerte Entwicklung.
Auf der anderen Seite fragen wir uns natürlich auch: Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Wir nehmen sehr wohl wahr, dass sich mit dieser Ausweitung der Berechtigten der Kreis derer, die demnächst einen entsprechenden Unterhaltsvorschuss beziehen werden, natürlich erheblich vergrößern wird.
Wir haben hierzu entsprechende Berechnungen vorliegen. Der Landkreistag rechnet allein für den kreisfreien Raum mit Mehrkosten in Höhe von mehr als 120 Millionen €. In meiner und der Heimatstadt der Ministerin, die gleich sprechen wird, in Bielefeld, werden die Mehrkosten von derzeit 4,4 Millionen € wahrscheinlich auf 14,8 Millionen € ansteigen. Das ist eine Verdreifachung. Das ist auch damit zu begründen, dass diejenigen, die zwischen 12 und 18 Jahre alt sind, einen höheren Bedarf haben und daher auch höhere Mittel zugewiesen bekommen müssen.
Meine Damen und Herren, warum diskutieren wir das heute in Anknüpfung an die Diskussion von eben? Wenn wir in Bayern, Brandenburg oder SchleswigHolstein wären, dann müssten wir dazu keinen Antrag stellen, um die Beteiligung der Kommunen sicherzustellen; denn dort übernimmt das Land die Kosten zu 100 %. Nordrhein-Westfalen ist das einzige Land, das die Kommunen an den Unterhaltsvorschusskosten, die zu zwei Dritteln vom Land zu tragen sind, mit 80 % beteiligt. Mit 80 %, meine Damen und Herren!
Genau dahin geht unser Antrag, der mehrere Facetten hat. Er enthält zum einen die Forderung, dass zumindest die Mehrkosten, die entstehen, weil wir die Altersgrenze von 12 auf 18 Jahre ausdehnen, entsprechend kompensiert werden müssen. Diesbezüglich soll bitte entweder das Land oder aber das Land in Kooperation mit dem Bund darüber verhandeln, wie eine entsprechende Deckung gewährleistet werden kann. Zum anderen soll das Land von dem Gesamtaufwand ein Drittel der Kosten übernehmen, wovon wir auch noch weit entfernt sind.
Es geht nicht nur darum, dass mit der Leistungsausweitung mehr Aufwendungen verbunden sind, sondern es geht auch darum, dass natürlich auch weitaus mehr Aufwand damit verbunden ist. Schließlich muss eine Vielzahl von Mitarbeitern vor Ort eingestellt werden, um diese Mehranträge entsprechend zu bearbeiten.
Ein zweites Thema ist dabei der Bürokratieabbau. Es besteht leider die Situation, dass viele derer, die Unterhaltsvorschussleistungen in Anspruch nehmen dürfen, auch Sozialleistungen in Anspruch nehmen, und daher eine Doppelinanspruchnahme der Verwaltung stattfindet. Wir sind der Auffassung, dass man das besser koordinieren sollte, damit man die Möglichkeit hat, die entsprechenden Leistungen ordnungsgemäß abzuwickeln.
Das setzt voraus, dass dieses hehre Ziel, zumindest im Bund schon zum 1. Januar 2017 dieses Gesetzesvorhaben umzusetzen, nicht zu erfüllen sein wird. Daraus resultiert unser Antrag, es bis zum 1. Juli umzusetzen, weil wir den Behörden und Kommunen vor Ort die Gelegenheit geben wollen, eine entsprechende Umstellung vorzunehmen, Personal aufzubauen und die sächlichen, personellen und datenmäßigen Voraussetzungen zu schaffen, um diese Leistungen dann auch rechtzeitig entsprechend auszahlen zu können.
Meine Damen und Herren, ein anderer Aspekt ist dabei die Frage nach der Regressierung. In dem Moment, in dem Unterhaltsvorschussleistungen gezahlt werden, die eigentlich der Unterhaltspflichtige zu zahlen hätte, gehen diese Ansprüche auf denjenigen über, der zahlt. Das bedeutet, dass man zusehen muss, mehr Geld davon zurückzuholen. Die Quoten
liegen, unterschiedlich in den jeweiligen Gebietskörperschaften, in der Regel zwischen 20 und 30 %, wobei Bayern diesbezüglich auch wieder vorne liegt, weil sie dort sehr eng mit den Finanzbehörden zusammenarbeiten.
Deshalb sagen wir in einem Part unseres Antrages, dass wir zu einer verbesserten Zusammenarbeit kommen müssen. Als jemand, der damals selber Unterhaltsvorschussleistungen für Kommunen eingeklagt hat, kann ich Ihnen sagen: Darin liegt auch ein ganz großes Potenzial, weil oft einfach das Problem besteht, festzustellen, über welches Einkommen der Unterhaltspflichtige überhaupt verfügt. – Wenn man zu einer vernünftigen Zusammenarbeit käme, zum Beispiel mit den Finanzverwaltungen, hätte man ganz andere Rückgriffsmöglichkeiten.
Ich habe nicht mehr viel Redezeit, deshalb komme ich zum Schluss. Es besteht heute die Situation, dass unser Antrag zumindest in den Ausschuss geht. Wir werden ihn dort noch intensiv diskutieren können.
Es gibt allerdings auch noch einen Antrag der FDP, der gleich vorgestellt werden wird. Dazu werden wir uns enthalten, weil er sich im Wesentlichen auf die Frage bezieht, wie mit dem Gesetzesvorhaben umgegangen werden soll. Sie wissen, dass unsere Bundestagsfraktion den Gesetzentwurf erst einmal angehalten hat, um noch die Frage der Kostendeckung und Kommunalbeteiligung zu klären.
Von daher sehen wir nicht den Bedarf, es heute abzulehnen.
Dann gibt es noch einen Entschließungsantrag der Piraten. Dazu würden wir klar sagen, dass wir ihn ablehnen, weil wir natürlich die Maßnahme des Unterhaltsvorschusses für richtig halten, die Ausgestaltung aber noch diskutiert werden muss. Das machen wir im weiteren Verfahren. Daran können Sie sich beteiligen. Deshalb macht es heute keinen Sinn, ihn anzunehmen.
Ich darf mich entschuldigen, dass ich gleich nicht mehr da bin und der weiteren Diskussion nicht mehr folgen kann, weil ich noch eine Besuchergruppe habe. Ich bitte das zu entschuldigen. Ich werde es aber im Livestream nachher nachvollziehen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Minister Lersch-Mense, Sie hatten eben im Rahmen der Vorbefragung bei der Einschätzung der Frage der „Vorwärts-Gespräche“ geäußert, dass sie keinen privaten Charakter hätten. In Abgrenzung dazu frage ich: Hatten diese „Vorwärts-Gespräche“ damit einen dienstlichen Charakter? Oder wie würden Sie den Charakter einstufen?
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Lersch-Mense, von meiner Seite folgende Frage: Ist Ihnen bekannt, ob die sogenannten „Vorwärts-Gespräche“ von den hier angesprochenen Ministern Duin und Groschek im Vergleich zu anderen Terminen prioritär behandelt worden sind?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Investitionsfähigkeit der Kommunen stärken“ lautet unser Antrag.
Wenn man sich mit diesem Antrag befasst, dann muss man zunächst die Frage stellen, was eigentlich die Ausgangslage hier in Nordrhein-Westfalen ist. Die Ausgangslage in unserem Land ist leider so, dass wir eines der Bundesländer mit der niedrigsten Investitionsquote sind. Bayern und Baden-Württemberg geben 2,5-mal mehr für Investitionen aus als wir. Wir stellen leider auch fest, dass die Investitionskredite abnehmen. Das heißt, in den Kommunen wird weniger investiert, weil die Kommunen andere Leistungen zu erfüllen haben – Sozialhilfe, Jugendhilfe und andere Aufgaben –, die sogar dazu führen, dass die Kassenkredite zunehmen.
Was ist der Grundgedanke unseres Antrags? Der Grundgedanke unseres Antrages ist, dass wir die kommunale Selbstverwaltung, wie sie in Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes aufgeführt ist, ernst nehmen wollen, und zwar, indem wir Entscheidungsprozesse wieder stärker auf die kommunale Ebene vor Ort zurückholen. Das ist gelebte Subsidiarität im Sinne der CDU. Dafür stehen insgesamt fünf Ziele, die Sie in unserem Antrag finden.
Das erste Ziel ist, dass die bisherigen pauschalierten Zweckzuweisungen wie zum Beispiel die Investitionspauschale zur Verbesserung der Altenhilfe und Altenpflege, die Investitionspauschale für die Eingliederungshilfe, die Schul- und Bildungspauschale und die Sportpauschale alle in der allgemeinen Investitionspauschale zusammengefasst werden. Das heißt, das Volumen, das wir bisher in diese verschiedenen Zuweisungsebenen gebracht haben, wollen wir jetzt in ein großes Paket packen und den Kommunen dann zur Verfügung stellen, damit diese selbst priorisieren, welche der einzelnen Maßnahmen vor Ort als die wichtigere eingestuft wird.
Das zweite Ziel ist, diese gemeinsame Investitionspauschale beginnend ab 2017 zu dynamisieren, und zwar durch zusätzliche Landesmittel, die sich am Aufwuchs des GFG orientieren. Das GFG hat gerade in den letzten Jahren immer wieder zugenommen, was auch mit der Steuerkraft zusammenhängt, die durch unsere Bürger erwirtschaftet werden. Das soll dann auch dieser Zulage zugutekommen. Das soll aber nicht dadurch geschehen, dass man womöglich die Pauschale erhöht und dafür die Schlüsselzuweisung reduziert, sondern insgesamt die Summe erhöht, die dafür zur Verfügung steht.
Meine Damen und Herren, ich darf in dem Zusammenhang auch feststellen, dass die Schulpauschale seit 2009 oder die Sportpauschale seit 2007 nicht mehr erhöht worden sind. Diese Dynamisierung führt dann eben auch dazu, dass mehr Mittel zur Verfügung stehen und damit etwaige Sonderprogramme,
die wir am Freitag noch einmal diskutieren, von daher erst gar nicht nötig werden.
Das dritte Ziel, das wir damit verbinden, ist, dass die Zweckbindung der Investitionspauschale weiter zu fassen ist. Das heißt, auch die Deckung des Investitionsbedarfs für Instandsetzung, für Erneuerung, für Erstellung sowie für Erhalt von Einrichtungen und Anlagen der infrastrukturellen Grundversorgung wird möglich. Darüber hinaus können auch Eigenmittel erwirtschaftet werden, die zum Beispiel im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes notwendig sind. Das sind die 10-%-Anteile, die notleidende Kommunen teilweise nicht erbringen können.
Das setzt auch voraus, dass das NKF und nachfolgende Regelungen natürlich entsprechend anzupassen sind. Auch das ist ein Wunsch in unserem Antrag, das mit aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, unser viertes Ziel ist es, die kommunalen Investitionen im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes durch eine
darlehnsmäßige Komplementärfinanzierung durch das Land zu unterstützen. Wir haben die Situation, dass mit Stand 30.06. dieses Jahres bisher nur gut ein Drittel der Komm-Invest-Mittel abgerufen worden sind. Das macht deutlich, dass durchaus viele Kommunen das Problem haben, ihren Eigenanteil von 10 % zu finanzieren. Auch an dieser Stelle wollen wir helfen.
Last but not least besteht der fünfte Punkt darin, zu prüfen, wie durch interkommunale Kooperation auch im Bereich von Investitionen die Infrastruktur verbessert und unterstützt werden kann.
Bei all dem sind wir der Auffassung, dass dies ein sinnvoller Antrag ist, um die Kommunen vor Ort zu stärken und einen Beitrag zu leisten, um vorhandene Mittel zu bündeln und vor Ort zu priorisieren. Deshalb freue ich mich auch auf die Diskussion im Ausschuss. Ich denke, das wird eine interessante Diskussion. Ich freue mich, das dort gemeinsam mit Ihnen besprechen und diskutieren zu dürfen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, jetzt steht der dritte Ostwestfale hier und wirbt für OWL; denn OWL hat ja einiges zu bieten, nämlich dieses Spitzencluster.
Ich will nicht das wiederholen, was meine Kollegen eben eingeführt haben, für Sie aber noch einmal deutlich machen, wie dieser Transferprozess auch stattfindet. Denn es ist nicht nur ein Transferprozess zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, sondern es ist eben auch ein Transferprozess der Wirtschaft untereinander.
Bislang wurden bereits mehr als 70 Transferprojekte in Ostwestfalen-Lippe umgesetzt, und die nächsten 100 Transferprojekte sind in Planung. In der Regel können Unternehmen mit Hilfe eines Forschungspartners in fünf bis zehn Monaten innovative Technologien aus dem Spitzencluster in ihren Betrieb einführen, beispielsweise in den Bereichen Selbstoptimierung, Mensch-Maschine-Interaktion, intelligente Vernetzung oder ganzheitliche Produktentwicklung.
Dabei werden die Leistungen der Forschungspartner im Durchschnitt mit 40.000 € vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Dank der Plattform „it`s OWL“ verlaufen diese Projekte erstmalig abgestimmt, organisiert und transparent. Das ist letztendlich die Erfolgsformel dieser Plattform.
Daneben wird Industrie 4.0 in Demonstrationszentren erfahrbar gemacht. An verschiedenen Orten in Ostwestfalen-Lippe erhalten Anwender weitreichende Einblicke in Technologien und Lösungen der Industrie 4.0.
So erforscht das Transferlabor „Mensch-MaschineInteraktion“ in Bielefeld Potenziale intuitiver Benutzerschnittstellen. Die SmartFactoryOWL in Lemgo, eine gemeinsame Initiative der Fraunhofer Gesellschaft und der Hochschule OWL in Lemgo, zeigt die Wandlungsfähigkeit und Effizienz der intelligenten Fabrik. Im „Systems Engineering LIVE LAB“ in Paderborn erfahren Besucher alles über die neuesten Methoden für die vorausschauende Entwicklung technischer Systeme.
Ferner wird der Wissenstransfer auch zwischen Unternehmen gefördert. So wurde der Firma topocare GmbH aus Gütersloh, die sich auf Hochwasserschutz spezialisiert hat, durch den Landmaschinenhersteller CLAAS geholfen, indem ein Simulationsmodell entwickelt worden ist, welches den Einsatz der Materiallogistik, Einsatzort und Helfereinsatz optimal aufeinander abstimmt. Durch dieses Projekt kann die Firma topocare GmbH die von ihr entwickelte Deichbaumaschine, die in einer Stunde so viele Barrieren aus sandgefüllten Geotextilschläuchen herstellen kann wie sonst 420 Helfer mit 10.000 Sandsäcken, über eine Smartphone-App nun in ITbasierter Dienstleistung anbieten.
Mit den bereits erzielten positiven Erfahrungen der Transferprojekte gehen die Aktivitäten jetzt weiter in die Breite und über die Region Ostwestfalen-Lippe hinaus. „it’s OWL“ ist mit Forschungseinrichtungen aus Bielefeld, Lemgo und Paderborn gemeinsam mit dem EffizienzCluster LogistikRuhr und der RWTH Aachen Träger eines der ersten fünf nationalen Kompetenzzentren Mittelstand 4.0 des Bundeswirt
schaftsministeriums.
Wie sieht der Ausblick aus? Wir haben die Situation, dass für 70 % des Mittelstands der Einsatz digitaler Technologien noch keine bzw. derzeit nur eine sehr geringe Relevanz hat. Dabei repräsentiert der Mittelstand 99 % aller deutschen Unternehmen, verzeichnet 60 % aller Beschäftigungen und erbringt 55 % der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung.
Damit gibt es hier noch viel zu tun bei der Sensibilisierung für Industrie 4.0. Unter dem Motto „Stärken stärken“ bzw. „Gutes noch besser machen“ sind wir gehalten, dieses erfolgreiche Projekt über den 31. Dezember 2017 hinaus fortzuführen. Dabei soll auch der Themenbereich „Arbeit 4.0“ einbezogen werden, jedoch nicht das derzeit erfolgreiche Transferprojekt insgesamt dominieren. Außerdem macht es Sinn, auch andere Landesteile von den Erfahrungen von „it’s OWL“ profitieren zu lassen.
Am Ende lässt sich das Erfolgsmodell von Ostwestfalen-Lippe auf das gesamte Land übertragen. Und – das sei an dieser Stelle angeführt – von Ostwestfalen-Lippe lernen heißt Erfolg lernen. Wir sind in der Tat eine der erfolgreichsten Wirtschaftsregionen nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch im
Bund, und wir haben mit einer sehr erfreulichen Wirtschaftsentwicklung allein schon dieses Jahr dazu beigetragen, indem wir 2,8 % in dem Gesamtbereich der Produktionsentwicklung zugelegt haben. Der Durchschnitt in Nordrhein-Westfalen lag übrigens bei minus 0,8 %, der des Bundes bei 0,8 %. Also, von OWL lernen heißt Erfolg lernen.
Deshalb sind alle herzlich eingeladen, an diesem Projekt mitzuwirken. Wir bitten heute um Zustimmung für diesen gemeinsamen Antrag. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist in der Tat der zweite Akt. Frau Steinmann als Vorsitzende der Ehrenamtskommission hat es gerade angesprochen. Wir hatten im letzten Jahr die Ergebnisse vorgestellt, die hier mit breiter Mehrheit des Hauses beschlossen worden sind. Wir haben auch erste Entscheidungen auf den Weg gebracht. Ich darf daran erinnern, dass die Aufwandsentschädigung Anfang des Jahres entsprechend angepasst worden ist, wie wir es beschlossen haben.
Nun folgt der zweite Teil. Dieser zweite Teil bezieht sich in der Tat auf den Verdienstausfall. An der Stelle darf ich daran erinnern, dass es eine Entschädigungsleistung ist. Manche meinen, das sei eine Art Aufwandsentschädigung obendrauf. Nein, das ist eine Entschädigungsleistung für Leistungen, die ich nicht bekomme, weil ich eben ein Ehrenamt wahrnehme und zum Beispiel vor 17 Uhr im Rat oder Ausschuss tätig und eben nicht im Büro unterwegs bin.
Von daher sind wir der Auffassung, dass wir hier eine adäquate Regelung gefunden haben. Sie wird sich zwischen dem Mindestlohn von 8,50 €, der jetzt angepasst wird, und 80 € aufhalten. Wir denken, das ist eine adäquate Regelung, um auch Leuten den Einstieg in das Ehrenamt zu ermöglichen, die vielleicht vorher noch davon abgeschreckt waren, einer solchen Tätigkeit nachzugehen.
Meine Damen und Herren, 20.000 Menschen in diesem Lande machen ehrenamtlich Politik. Wir haben in der Tat auch die Aufgabe, diesen Kolleginnen und Kollegen das Leben etwas leichter zu machen. An der Stelle sind wir aufgefordert, neben der Frage des Verdienstausfalles auch andere Fragen anzugehen.
Eine Frage war dabei die der Ausschussvorsitzenden, wobei wir jetzt hier noch eine kleine Nachjustierung vorgenommen haben.
Ein Wahlprüfungsausschuss, der in der Regel einmal im Jahr tagt, soll sicherlich nicht dazu berechtigen, dass der Ausschussvorsitzende eine zusätzliche Aufwandsentschädigung bekommt. Aber vom
Grundsatz her sind wir schon der Auffassung, dass ein Ausschussvorsitzender, der sich engagiert einbringt und der in der Diskussion mit den Fraktionsvorsitzenden, mit den Sprechern, aber auch mit den Bürgern ist, eine zusätzliche Entschädigung verdient. Das werden wir sicherlich auch im weiteren Verfahren mittragen.
Dieser Gesetzentwurf zeichnet sich aber auch dadurch aus, dass er über diese Empfehlung der Ehrenamtskommission hinaus noch andere Punkte angesprochen hat. Das ist einmal die Frage, wie die Landschaftsversammlung aufgestellt ist. Das ist die Größe der Räte.
Wir sind in der Tat der Auffassung, dass wir das noch einmal in Ruhe diskutieren sollten. Mit der Verweisung heute werden wir eine Verfahrensabsprache treffen. Man wird die Beteiligten noch einmal anhören dürfen, ob sich ein Rat zum Beispiel statt um sechs um zehn Mitglieder verkleinern soll.
Gleiches gilt bei der Kappungsgrenze der Landschaftsverbände. Auch das werden wir uns sehr genau ansehen. Da hat die leidvolle Erfahrung der SPD beim RVR sicherlich eine Rolle gespielt. Auch das nehmen wir sicherlich noch mit in die Diskussion.
Der dritte Punkt passt aber so gar nicht in dieses Gesetzeswerk. Das ist die Frage, wie man mit Hauptamtlichen umgeht. Sie haben gemerkt, ich habe bisher immer über das Ehrenamt gesprochen. Hier tauchen auf einmal Hauptamtliche auf. Hier wird ein Passus herausgenommen, wo es um das Sparkassengesetz und um die Frage geht, ob das eine Nebentätigkeit ist oder nicht, und wie ich das abrechne.
Wir sind schon der Auffassung, dass es hier wirklich sinnvoll wäre, ein umfassenderes Bürgermeistergesetz anzugehen. Das würden wir auch im Ausschuss noch einmal sehr intensiv diskutieren wollen. Wir sind schon der Auffassung, dass es neben diesem Regelungsgegenstand noch eine Vielzahl anderer Regelungsgegenstände gibt. Ich nenne nur die Versorgungssituation. Ich nenne nur die Entgeltsituation gerade auch in kleineren Kommunen, in denen der Bürgermeister immer mehr zum Manager vor Ort wird.
Diese Dinge müssen wir mit aufgreifen. Wir würden uns in dieser Hinsicht eigentlich einen etwas größeren Wurf wünschen.
Abschließend bleibt mir nur zu sagen, wir werden heute natürlich der Verweisung an die Fachausschüsse nachkommen. Wir freuen uns auf eine intensive Diskussion dort. – Vielen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute nun die dritte Lesung zur Sperrklausel. Ich meine, dass die wesentlichen Argumente in der Tat ausgetauscht sind. Wir haben uns gestern sehr intensiv nochmals mit der Frage befasst.
Für uns als CDU-Fraktion ist wichtig, dass die über 20.000 ehrenamtlichen Ratsmitglieder, die tagtäglich wirklich tolle Arbeit leisten und versuchen, die Dinge vor Ort unter teils sehr widrigen Bedingungen zu regeln, Rahmenbedingungen vorfinden, die eine politische Arbeit vor Ort überhaupt noch ermöglichen.
Wenn man es auf das Wesentliche zurückführt – der Kollege Körfges hat es eben schon angesprochen –, dann unterhalten wir uns doch über Folgendes: Wir unterhalten uns darüber, dass die faktische Sperrklausel – und die ist in diesem Saal, wo die Anhörung stattgefunden hat, auch von allen Verfassungsrechtlern als unstreitig akzeptiert und als bestehend anerkannt worden – von um die 0,9 % auf jetzt 2,5 % moderat angehoben wird.
Wenn wir genau hinsehen, stellen wir fest, dass es im Wesentlichen die großen Räte dieses Landes betrifft. Wir haben nun einmal eine Vielzahl von Großstädten, und wir müssen daran interessiert sein, dass auch in diesen Großstädten politisch tragfähige Entscheidungen getroffen werden.
Ich werbe deshalb heute zum letzten Mal insbesondere in Richtung der Piraten dafür, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Gestern ist noch einmal sehr
Landtag
10.06.2016
deutlich geworden, dass diese Verfassungsänderung von dem Hohen Hause hier in großer Mehrheit mitgetragen wird.
Lassen Sie mich abschließend noch darauf eingehen: Herr Sommer hat mich gestern noch einmal persönlich gefragt, da ich auch kommunalpolitisch aktiv bin, ob ich denn selber den Eindruck hätte, dass man hier teilweise an die Grenzen der politischen Arbeit komme.
Herr Sommer, Sie waren, glaube ich, dabei, als wir am 29. April im kommunalpolitischen Ausschuss die Auswertung der entsprechenden Anhörung vornahmen. Ich durfte davon berichten, dass ich just am Vortag neun Stunden Sitzung hinter mich gebracht habe, und ich sage offen: Man kommt an seine Grenzen, wenn man irgendwann um halb zwölf dann noch nach Düsseldorf fährt und am nächsten Tag mit schmalem Auge
an den Ausschussberatungen hier teilnimmt.
Das hat auch damit zu tun, dass viele dieser kleinen Gruppen natürlich die Veranlassung sehen, sich in den Reden zu produzieren und ihr Rederecht dort wahrzunehmen. Das führt dazu, dass eine Vielzahl von Punkten viel länger diskutiert wird, als sie vielleicht diskutiert werden müsste, wenn man sich vorher in kleineren Gruppen oder Fraktionen zusammenfinden würde.
Deshalb nochmals meine Bitte: Stimmen Sie heute zu. Ich denke, es ist ein historischer Moment für unser Land. Wir sollten diese Sperrklausel von 2,5 % heute mit breiter Wirkung dieses Landtages ins Land hinausschicken. Das ist ein wichtiges Signal für die Kommunalpolitiker vor Ort, und wir sollten möglichst breit daran mitwirken.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute in der Tat über die Einführung der Sperrklausel. Veranlassung dafür war, wie soeben auch vom Kollegen Körfges erwähnt, die Entscheidung des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichthofs vom 6. Juli 1999, in der die 5-%-Klausel damals als verfassungswidrig erkannt worden ist.
Meine Damen und Herren, derselbe Verfassungsgerichtshof hat aber in der Ausführung zu diesem Urteil auch deutlich gemacht, dass es grundsätzlich zusätzlich sein kann, eine Sperrklausel einzuführen, und zwar insbesondere dann, wenn die Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungen nicht mehr gegeben ist.
Darüber kann man in der Tat rechtlich und intensiv streiten. Ich spreche jetzt insbesondere die Piraten noch einmal an, die in den Vorberatungen immer wieder deutlich gemacht haben, dass Funktionsunfähigkeit für sie bedeutet, dass Räte grundsätzlich keinerlei Beschlüsse mehr fassen. Das ist aber ein falscher Ansatz.
Denn Maßstab für diese Überlegung ist das Leitbild des ehrenamtlich tätigen Kommunalpolitikers, der neben seinen vollschichtigen beruflichen Tätigkeiten noch kommunalpolitische Arbeit leisten können muss, und nicht der Ansatz dessen, dass jemand quasi voll erwerbstätig oder voll umfänglich kommunalpolitisch tätig ist.
Was heißt das konkret, meine Damen und Herren? Wir haben über 20.000 ehrenamtliche Kommunalpolitiker hier in Nordrhein-Westfalen, die tagtäglich darum bemüht sind, die Dinge vor Ort zu regeln, BPläne zu beschließen, Satzungen abzufassen, mit den Bürgern in Kommunikation zu treten. Deshalb will ich durchaus noch einmal erwähnen, weil den Piraten dieses Thema anscheinend nicht so ganz zugänglich ist, was Ratsarbeit heute eigentlich bedeutet.
Ratsarbeit bedeutet nicht nur, Herr Kollege, dass man in den Räten vor Ort tätig wird. Es bedeutet Ausschusstätigkeit. Es bedeutet natürlich die Vor- und Nachbereitung der entsprechenden Sitzungen. Das sind die Abstimmungsgespräche, die man allseits zu führen hat. Es geht also um die Vermittlung von Entscheidungsprozessen oder der Entscheidung selbst gegenüber seinen Mitstreitern, aber vor allen Dingen auch gegenüber dem vorpolitischen Raum – und das alles, meine Damen und Herren und liebe Piraten, neben der vollschichtigen Tätigkeit, die man auszufüllen hat.
Ich glaube, das macht schon sehr deutlich, dass die Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungen, insbesondere der größeren kommunalen Vertretungen, hier an ihre Grenzen geraten ist.
Dazu haben wir entsprechende Feststellungen getroffen. Wenn wir uns die letzten vier Kommunalwahlen ansehen, dann stellen wir fest, dass im Jahre 2014 in 22 Räte 86 Mandatsträger in 43 Zweiergruppen gesandt worden sind. Bei 22 Räten waren es 64 Einzelmandatsträger.
Darf er.
Lieber Herr Kollege, wenn Sie noch ein bisschen gewartet hätten, wäre ich gleich genau auf dieses Problem gekommen, weil ich sehr genau weiß, dass Sie darauf herumreiten.
Ich sage Ihnen so viel dazu: Es ist äußerst schwierig, als Einzelbewerber die komplette Ratsarbeit zu leisten. Ein Beleg dafür ist, dass sich Ihre Kollegen vor Ort, die als Einzelkämpfer tätig sind, Partner suchen, um gemeinschaftlich diesen Weg zu gehen. Wie gesagt, werde ich darauf gleich noch zu sprechen kommen.
Meine Damen und Herren, bei den Kreistagen sieht es ähnlich aus. In 28 Kreistagen haben wir 112 Mandatsträger, die sich ebenfalls in 56 Zweiergruppen zusammengefunden haben, und letztendlich 23 Kreistage mit 39 Einzelmandatsträgern. Die Folge davon ist das, was der Kollege Körfges angesprochen hat: lange Sitzungen und erschwerte Verantwortungsbildung, da Koalitionsbildung immer
schwieriger wird und Partikularinteressen zunehmend an Oberhand gewinnen.
Dadurch entsteht genau der Trend, von dem der Kollege eben sprach, nämlich der Trend zu Großen Koalitionen, weil nur noch diese in der Lage sind, die entsprechenden Entscheidungen innerhalb verantwortungsvoller Zeit mit breiter Mehrheit zu tragen.
Zudem, meine Damen und Herren, müssen wir auch feststellen, dass sich die kommunalpolitischen Rahmenbedingungen in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Sie sind nämlich erheblich schwieriger geworden. Die Kollegen aus dem kommunalpolitischen Ausschuss wissen sehr wohl, dass sich insbesondere die finanziellen Spielräume in vielen Kommunen, die Haushaltssicherungskommunen oder gar Stärkungspaktkommunen sind, gegen null bewegen.
Das führt natürlich dazu, dass man verstärkt darüber diskutieren muss, öffentliche Angebote entsprechend zurückzuführen, dass man teils unpopuläre Entscheidungen treffen muss, indem man lieb gewonnene Einrichtungen vielleicht auch einstellen muss. Das setzt natürlich voraus, dass man dennoch versucht, diese Verantwortung, die man vor Ort hat, wahrzunehmen. Das fällt zunehmend schwerer, wenn insbesondere eine Vielzahl von Einzelbewerbern da ist, die nur aus ganz partikulären Interessen heraus gewählt worden sind und nur das Ziel haben, genau dieses partikuläre Interessenmoment auch weiterzutragen und entsprechend umgesetzt zu bekommen.
Jetzt komme ich zu Herrn Herrmann. – Das führt letztendlich dazu, dass die Einzelkämpfer in diesem Sinne, die Einzelbewerber, auch sehr schnell feststellen, dass sie nicht in der Lage sind, das umfassende Bild dessen, was Kommunalpolitik heute bedeutet, mit all der Verantwortlichkeit, die damit verbunden ist, mit der Vielzahl der Interessenlagen, die man zu durchschauen und zu durchdringen hat, bevor man sich selber zu einer politischen Meinung dazu durchringt, selber abzuarbeiten.
Deshalb stellen wir zunehmend fest, dass wir immer mehr Zusammenschlüsse haben – zu Gruppen oder Fraktionen, die wir technische Gruppen oder technische Fraktionen nennen, die das Ziel haben, genau diesen Punkt zu überwinden, nämlich Partner zu finden, mit denen man gemeinsam diese Aufgabe angehen kann, was natürlich auch voraussetzt, dass man sich politisch darüber verständigt, was man gemeinsam erreichen will, um diese Interessen dann auch gemeinsam vorzutragen, aber auch um Mittel zu generieren, aus denen heraus dann die eigentliche politische Arbeit geleistet werden soll.
Meine Damen und Herren, wir haben im Vorfeld sehr oft auch die Frage nach dem Erfolgswert der Wahlstimme diskutiert. Dabei haben wir Folgendes festgestellt: Eine faktische Sperrklausel existiert in Nordrhein-Westfalen gerade bei den kleineren Kommunen allein schon durch die zahlenmäßige Beschränkung; sie liegt zwischen 2,5 % und 2,8 %. Bei den großen Räten stellen wir eine noch viel größere Spreizung fest; da geht sie teilweise bis auf 0,8 % herunter.
Das führt letztendlich dazu, dass Bewerber in großen Räten – beispielsweise in meiner Heimatstadt Bielefeld – teilweise schon mit 0,9 % ein Ratsmandat bekommen, während die Kollegen der größeren Koalitionen alle 1,5 % brauchen. Würde man das entsprechend umsetzen, hätte man eine Vielzahl von Mandaten mehr.
Herr Herrmann, ich gehe gerne darauf ein. Nein, ich habe nichts dagegen, dass sich Einzelbewerber zusammentun, um technische Fraktionen oder Gruppen zu bilden. Warum spreche ich das Thema an? Weil ich der Auffassung bin, dass genau dieser Prozess eigentlich schon vorher stattfinden müsste, damit sich diese Bewerber eben gemeinsam darstellen.
Deshalb geht auch der Vorwurf der Piraten, dass das ein undemokratisches Verfahren sei, vollkommen fehl; denn diese Bewerber sind durchaus in der Lage, auch mit anderen Mehrheiten vorzugehen, wenn sie ihr politisches Programm anders aufstellen.
Herr Herrmann schaut mich mit großen Augen an. Er weiß, dass ich aus Bielefeld komme. Er weiß auch, dass dort ein Pirat mit einem Vertreter der Bürgernähe zusammenarbeitet; die beiden kommen auf 3,1 %. Da frage ich mich: Warum tun sie sich nicht schon vorher zusammen?
Die Stimme ist mit Sicherheit nicht verloren. Da ist immer eine Möglichkeit gegeben, sich im Vorfeld entsprechend zusammenzuschließen, damit auch der Öffentlichkeit gegenüber deutlich zu machen, wie man politisch unterwegs ist, und so für entsprechende Stimmen zu werben.
Nunmehr stehen wir vor dem Schritt, diese Problemlage in Angriff zu nehmen. Mit der moderaten Sperrklausel von 2,5 %, die wir nun in Art. 78 der nordrhein-westfälischen Landesverfassung entspre
chend absichern wollen und heute mit gebotener qualifizierter Mehrheit beschließen werden, machen wir deutlich, dass wir dieses Problem sehr wohl erkannt haben und der Auffassung sind, dass es einer solchen Sperrklausel bedarf.
Die Größenordnung von 2,5 % ist weise gewählt; sie bildet einen guten Mittelwert; ich hatte ja vorhin schon darauf hingewiesen, dass wir auch faktische Sperrklauseln von 2,8 % haben. Dadurch wird es allen, auch kleineren Parteien, ermöglicht, am politischen Leben teilzunehmen, wenn die Bereitschaft zur Zusammenarbeit da ist. Daher wird niemand ausgeschlossen.
Das ist ein Grund mehr, auch für Sie, heute dieser Sperrklausel zuzustimmen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen aus dem kommunalen Arbeitskreis! Soweit ich weiß, darf jeder Landtagsabgeordnete zu allen Themen sprechen. Insofern, denke ich, tut es auch mal ganz gut, dass auch vielleicht andere Abgeordnete ihr Fachwissen hier einbringen.
Nach den ersten Irritationen: Wir sprechen heute über das Flüchtlingsaufnahmegesetz in einer Novellierung, bei der es um die Frage geht, den Kommunen mehr Gelder zukommen zu lassen.
In der Tat, Herr Stotko – da sind wir bei Ihnen –, ist das der richtige Weg. Aber – wie so oft – ist er einfach zu kurz gegriffen. Wir wissen heute schon, dass die Zahlen, von denen Sie ausgehen, nicht richtig sind. Dem will ich mich gerne zuwenden.
Wir haben die Problematik, dass bei diesem Flüchtlingsaufnahmegesetz hier mit Prognosezahlen gearbeitet wird, die teilweise noch aus dem Oktober letzten Jahres stammen, mit 181.000 Flüchtlingen. Wir wissen über eine Verteilungsstatistik, dass wir schon 35.000 darüber liegen. Das heißt, wir hätten jetzt schon eine Anpassungssituation.
Da Herr Stotko ja gerade noch einmal betont hat, wie toll die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Körperschaften aus dem kommunalen Bereich klappt, sei darauf verwiesen, dass es heute eine
Pressemitteilung des Städte- und Gemeindebundes gibt, der darauf aufmerksam macht, dass sie davon ausgehen, dass 20.000 Flüchtlinge mehr berücksichtigt werden müssen. Hinterlegt mit der Summe von 10.000 € pauschal pro Jahr ist das immerhin ein Betrag von 200 Millionen €, der hier mehr bereitgestellt werden müsste.
Nichts anderes gilt auch für die geduldeten Flüchtlinge. Auch da wissen wir, dass die Zahlen höher sind. Auch da müssten wir entsprechende Anpassungen vornehmen. Das wäre jetzt angezeigt gewesen. Ich glaube, dass hier die Landesregierung teilweise wider besseren Wissens mit diesen Zahlen arbeitet.
Es ist überhaupt interessant, dass wir kaum valide Zahlen zu diesen Fragestellungen haben. Denn wir befinden uns – wie der Innenminister eben ausgeführt hat – durchaus in einer Phase der Konsolidierung, in der wir jetzt auch die Möglichkeit haben, diese Zahlen valide zu hinterlegen.
Wir meinen, dass es an der Zeit wäre, jetzt schon entsprechende Anpassungen vorzunehmen, damit dann die Mittel dort ankommen, wo sie gebraucht werden, nämlich bei den Kommunen, die hier eine tolle Arbeit leisten und die das Recht haben, diese Mittel möglichst schnell zu vereinnahmen.
Gerne.
Das kann ich mir jetzt nicht erklären. Das hängt davon ab, wie die Zahlen im Einzelnen aufgenommen werden. Ich weiß nur, Herr Kollege, dass der Bund das Meiste zu diesen 10.000 € beiträgt, über die wir jetzt hier diskutieren.
Von daher wäre in der Tat die Frage zu stellen: Was ist der Landesanteil? – Sie merken daran, dass ich
das sehr wohl aus kommunaler Sicht heraus betrachte. Da wäre in der Tat die Frage, ob da die Mittel ankommen, die tatsächlich gebraucht werden. Daran haben wir Zweifel.
Ich darf in meiner Rede fortfahren. Es geht in der Tat um die Frage der tatsächlichen Zahlen. Man muss wirklich schauen: Wie sehen die aus?
Wir haben im FlüAG übrigens eine Regelung, die vorsieht, dass wir diese Zahlen quartalsmäßig erfassen. Das heißt, wir müssten eigentlich wissen, wie viele Flüchtlinge an welcher Stelle sind und welche Kosten sie verursachen.
Damit komme ich zu unserem Änderungsantrag, der sich unter anderem darauf bezieht. Wir sagen: Es wäre doch im Sinne einer möglichst tatsächlichen Kostenübernahme sinnhaft, diese Zahlen quartalsmäßig aufzugreifen und die Pauschale quartalsmäßig mit den jeweiligen Kommunen abzurechnen, wobei insbesondere der Aufteilungsschlüssel natürlich entsprechend gestaltet werden müsste.
Denn wir haben nach wie vor die Situation, dass auch Landeseinrichtungen eingerechnet werden, was im Einzelfall zu zahlenmäßigen Verwerfungen führen kann.
Auch Herr Hübner darf das.
Da kommt es auf die Fragen an, wie lange die entsprechende Unterstützungsleistung gewährt werden muss und wie lange diese Verfahren dauern. Insofern müsste man die Zahlen genauer betrachten.
Liebe Kollegen, wenn, dann muss man sehr genau rechnen. Vielleicht kann ich jetzt weitermachen, wenn die Kollegen das gestatten.
Ich komme zu den Krankenkosten. Sie wissen, dass diese – ich sage: Gott sei Dank – von 70.000 auf 35.000 € herabgesetzt worden sind. Wir sind der Auffassung, dass wir noch weiter heruntergehen müssen, weil diese Kosten für die Kommunen natürlich erheblich sind und diese auf eine möglichst schnelle und kurzfristige Refinanzierung angewiesen sind. In dem Zusammenhang haben wir auch angeregt, dass man die entsprechenden Abrechnungszeiten um ein Jahr verlängert, um ihnen die Möglichkeit zu geben, zu einer ordnungsgemäßen Abrechnung zu kommen.
Diese Anliegen sollte man aufgreifen. Deshalb werbe ich nochmals dafür, unserem Antrag hier heute zuzustimmen, der nachher zur Abstimmung steht.
Im Ergebnis kommen wir daher zu dem Schluss: Dieses FlüAG geht zwar in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Deshalb werden wir nicht zustimmen können. Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Er enthält Änderungsaspekte, die den tatsächlichen Verhältnissen näherkommen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch den jüngsten kommunalen Finanzreport der Bertelsmann Stiftung wissen wir, dass sich die Haushaltsergebnisse der Städte und Kreise in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2014 dramatisch verschlechtert haben.
Bewegten sich die Kommunen in den Jahren 2012 und 2013 noch nahe der schwarzen Null, schlägt im Jahr 2014 ein Defizit von über 1,5 Milliarden € zu Buche. Verantwortlich für das Defizit in NordrheinWestfalen ist kein Rückgang der Einnahmen. Nein, es ist insbesondere der starke Anstieg der Sozialausgaben. Immer mehr Menschen in Deutschland können nur mit Geld vom Staat überleben. Fast jeder Zehnte war Ende 2014 auf soziale Leistungen zur Mindestsicherung angewiesen, wie das Statistische Bundesamt Ende des letzten Jahres berichtete. Dazu zählen unter anderem Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Leistungen für Asylbewerber.
Die Empfänger von Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II stellten weiterhin die größte Gruppe von Empfängern sozialer Mindestsicherungsleistungen dar. Die nächstgrößere Gruppe ist die der Leistungsberechtigten von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Ende 2014 lag deren Zahl bei 362.900. Von allen Teilgruppen der Leistungsbezieher von Mindestsicherungsleistungen ist deren Anzahl im Vergleich zum Vorjahr absolut und relativ am stärksten gewachsen, und zwar um 138.000 oder 61,3 %.
Angesichts der Flüchtlingsthematik ist die Zuwanderung aus anderen EU-Staaten jedoch in Vergessenheit geraten, und dies zu Unrecht. Neben den Asylsuchenden kamen alleine im letzten Jahr rund 340.000 EU-Bürger ins Land. Auch Sie sind Teil der enormen Aufgabe, die die Kommunen stemmen müssen.
Unter dem Strich profitiert Deutschland als Ganzes und natürlich auch Nordrhein-Westfalen von der Freizügigkeit in Europa, so wie die meisten Zuwanderer selbst auch. Sie besetzen leer gebliebene Stellen, bringen neue Ideen mit, arbeiten hier und verdienen mehr Geld als in der Heimat.
Um der Wahrheit Genüge zu tun, ist es aber auch notwendig, die Fehlentwicklungen zu benennen, die Schaden anrichten können. Mehr als 420.000 EUBürger beziehen inzwischen Hartz-IV-Leistungen in Deutschland. Gut 112.000 von ihnen stammen aus Bulgarien und Rumänien, und deren Anteil wächst weiter.
Die Sozialleistungen für EU-Zuwanderer sind sowohl in Deutschland als auch in anderen EUStaaten umstritten. Der Europäische Gerichtshof hatte im vergangenen Sommer geurteilt, dass Deutschland EU-Bürgern – auch Arbeitssuchenden – Sozialleistungen verweigern darf. Damit schien eine Reihe von Streitfällen endgültig geklärt zu sein.
Durch die Urteile des Bundessozialgerichts vom Dezember letzten Jahres ist die Lage allerdings wieder angespannt. Alle EU-Bürger, die nach Deutschland kommen, um Sozialleistungen zu erhalten oder erstmals eine Arbeit zu suchen, sind nach deutschem Recht generell vom Hartz-IVLeistungsbezug ausgeschlossen. Sozialhilfe wird ihnen allerdings generell zugesprochen, wenn sie sich wenigstens sechs Monate in Deutschland aufgehalten haben.
Die Sozialhilfe muss – wie die Bundessozialrichter entschieden – quasi einspringen, um das Existenzminimum der Betroffenen zu sichern. Dabei bezogen sich die Sozialrichter auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012, welches Asylbewerbern ein Existenzminimum zusprach, das an die Hilfe bei Bezug von Hartz IV heranreicht.
Die Kosten für die Sozialhilfe tragen zu großen Teilen Gemeinden, Städte und Landkreise. Die Kommunen müssen davor bewahrt werden, unbegrenzt für mittellose EU-Bürger, die in Deutschland leben, sorgen zu müssen. Damit würden wir die Sozialkassen und die Kommunen maßlos überfordern und das Ziel der Sozialhilfe auf den Kopf stellen.
Laut Städte- und Gemeindebund erwerben durch das Urteil weitere 130.000 Menschen Anspruch auf Sozialhilfe, was Folgekosten in Höhe von rund 800 Millionen € nach sich ziehen könnte. Allein für die Kreise und kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen müsste damit von Mehrausgaben in Höhe von jährlich etwa 200 Millionen € ausgegangen werden.
Die kommunalen Spitzenverbände wiederum gehen dabei von Mehraufwendungen für jede Großstadt bzw. jeden Kreis in Höhe von mindestens einer sechsstelligen Summe aus. Der Regelsatz der Sozialhilfe für Alleinstehende stieg vom 1. Januar 2016 an auf 404 € pro Monat. Zusätzlich kommen Kosten für Unterkunft und Heizung dazu, die ebenfalls von den Kommunen zu tragen sind.
Uns erreichen zahlreiche Hilferufe der kommunalen Amtsträger, die sich über diese enormen finanziel
len Auswirkungen, die auf sie zurollen, Sorgen machen. Der Landrat aus dem Rhein-Kreis Neuss beispielsweise spricht aufgrund der aktuellen Rechtsprechung von einer möglichen Sogwirkung. Angesichts der rechtlichen Unklarheiten und Differenzen zwischen dem Bundessozialgericht und den Landessozialgerichten ist eine gesetzgeberische Klarstellung zwingend erforderlich.
Wir stehen zur Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern innerhalb der EU; aber weder den Kommunen noch den Bürgern ist es vermittelbar, Sozialleistungen auf diese Art – ohne Bedingungen und ohne Vorleistungen – zu verteilen.
Wer so ein Existenzminimum für alle EU-Zuwanderer fordert, der schadet der Freizügigkeit. Denn wenn die Sozialhilfe in Deutschland höher ist als das Einkommen im Herkunftsland, dann bedeutet dies einen erheblichen Anreiz zur Armutsmigration nach Deutschland.
Ich bitte Sie daher, im Sinne der Freizügigkeit, des europäischen Gedankens, der nordrhein-westfälischen Kommunen sowie der Bürger dieses Landes Ihrer Verantwortung nachzukommen und unserem Antrag auf Präzisierung der Voraussetzungen für den Leistungsbezug von EU-Ausländern in der direkten Abstimmung zuzustimmen. – Herzlichen Dank.
Herr Garbrecht, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. In der Tat haben Sie zuletzt das angesprochen, worum es eigentlich geht. Es geht nämlich um Sozialhilfeleistungen.
Dazu meine Frage: Sie haben sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass es, erstens, drei Urteile des Bundessozialgerichts waren, die dazu ergangen sind, mit der ganz klaren Aussage, Sozialhilfe sollte ab dem sechsten Monat gezahlt werden, was zweitens – jetzt kommt es – den jeweiligen Sozialgerichten auf der unteren Ebene die Gelegenheit gibt, im Rahmen des Ermessens auch andere Entscheidungen zu treffen, was auf gut Deutsch heißt: Es kann also auch schon früher gezahlt werden.
Deshalb ist jetzt meine Frage an Sie: Stimmen Sie mit mir überein, dass es insofern eine gesetzliche Notwendigkeit gibt, darauf zu reagieren, weil das zur Folge hat, dass wir hier eine Einwanderung in die Sozialhilfe bekommen; denn dann lohnt es sich nämlich, ohne Arbeit zu suchen nach Deutschland zu kommen und diese Sozialleistungen zu kassieren? – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Flüchtlingspolitik“ beschäftigt uns alle, und das zu Recht, denn es ist eine der größten und historischsten Herausforderungen, die dieses Land je erlebt hat. Von daher ist es auch richtig, dass sich dieser Landtag mit dieser Frage befasst und die Frage aufgeworfen wird, wie diese rot-grüne Landesregierung mit dieser Thematik umgeht.
Lieber Herr Dr. Stamp, wenn die FDP diesen Antrag stellt, dann ist sie natürlich auch gefordert, Lösungen anzubieten. Die Lösung kann nicht sein, dass Sie auf der einen Seite am Anfang Ihres Redebei
trags sagen, dass Sie sich in einer humanitären Pflicht sehen – dem stimme ich zu –, andererseits aber sagen: Meine Lösung sieht so aus, dass wir zu Dublin III zurückkommen müssen mit der Folge, dass gerade die Staaten, die jetzt schon kurz vor dem Ende stehen und mit der Situation nicht klarkommen, wie Griechenland, wie Italien, alleine gelassen werden.
Sie fordern eine klare Wende in der Flüchtlingspolitik, zeigen aber nicht auf, wie diese aussehen soll. Leider muss ich feststellen, dass sich das durch die ganze Debatte gezogen hat. Hier wird an allem ein bisschen herumgemäkelt: Das BAMF leistet nicht so schnell, wie man sich das wünschen würde. An der einen oder anderen Stelle geht es nicht voran.
Aber zu der Frage der strukturellen Lösung, Herr Körfges, haben auch Sie hier keinen großen Beitrag geleistet.
Die SPD zieht den Kopf ein in der Hoffnung, dass andere für sie politisch zu Lösungen beitragen, und beschwert sich noch zunehmend darüber, dass dies offen stattfindet, und das in einer Demokratie.
Meine Damen und Herren, wir stehen in der Tat vor riesigen Herausforderungen. Deshalb ist es notwendig, dass wir dazu auch Antworten geben. Diese Antworten sehen nun einmal in einer globalisierten Welt nicht einfach aus. Sie lassen sich eben nicht national allein dadurch beantworten, dass man Grenzkontrollen und Zäune aufbaut und die Zäune immer höher baut, denn die Probleme in der Welt verschärfen sich.
In einer solchen globalisierten Welt müssen wir auch globalisierte Antworten geben. Deshalb bin ich in der Tat bei der Bundeskanzlerin Frau Merkel und ihrer Strategie, die darauf aufbaut, genau dort anzusetzen.
Ich gebe Ihnen recht, es gibt eine Vielzahl von Aufgaben, und sie sind schwierig anzugehen:
Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen. Die Länder, die diese Krisen ausgelöst haben, zu befrieden, ist eine enorme Herausforderung, aber sie wird angegangen. Wir sehen zum Beispiel, dass es in Libyen funktioniert und es auch erste Ansätze gibt, in Syrien zu Erfolgen zu kommen.
Man muss den Ländern helfen, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu diesen flüchtlingsverursachenden Staaten sind. Es ist doch ein humanitärer Ansatz, der Türkei, die 2,6 Millionen Menschen aufgenommen hat, Unterstützung zu gewähren, den Leuten dort eine Perspektive zu geben, die über normales Essen hinausgeht. Diese Hilfe muss dazu führen, dass man einen vernünftigen Lebenswandel führen
und vor allem den Kindern Schule und Ausbildung vor Ort vermitteln kann.
Wir werden ebenso darüber nachdenken müssen – auch das ist hier mehrfach angesprochen –, Grenzen zu sichern. Da ist in der Tat die Frage – Sie hatten es aufgeworfen –: Wie definieren wir diese Grenzen? Diese Grenzen sind natürlich zunächst einmal die europäischen Grenzen; das ist der Schengen-Raum. Wenn es Partner gibt, die das alleine nicht können – Griechenland kann das allein nicht, Italien teilweise auch nicht –, dann bedarf es europäischer Solidarität. Diese Solidarität darf nicht nur darin bestehen, dass man entsprechenden Gruppierungen, Einsatzkräfte im Rahmen von Frontex zur Verfügung stellt, sondern sie muss auch darin bestehen, dass die Flüchtlinge, die wirklich Asylgründe haben, die Möglichkeit haben, nicht nur in Deutschland, sondern in Europa aufgenommen zu werden.
Das ist eine ganz große Herausforderung, vor der wir Deutschen insgesamt stehen und auch Frau Merkel bei den europäischen Gipfeln, die jetzt anstehen.
Meine Damen und Herren, die Frage ist natürlich auch: Wie geht das Land Nordrhein-Westfalen mit der Flüchtlingspolitik um? Da stellen wir leider fest, dass große markige Worte fallen, aber sich bei der Frage der Lösungen diese Landesregierung doch oft in die Deckung stürzt.
Woran mache ist das fest? – Ich mache es daran fest, dass wir natürlich eine Vielzahl von Verschärfungen durchgeführt haben. Herr Kuper hat das eben ausführlich dargestellt. Ich verweise nur auf das Asylpaket II, das jetzt hoffentlich endgültig zur Abstimmung kommt.
Ich verweise darauf, dass wir noch Verschärfungen haben werden, zum Beispiel bei der Frage von kriminalisierten Asylbewerbern, die sofort zurückgeführt werden. Hier wird das Kabinett entscheiden, und das wird dann sicherlich auch umzusetzen sein. Das sind alles Wege, die in die richtige Richtung weisen.
Aber wenn wir dann wahrnehmen, dass, wenn derartige Verhandlungen geführt werden, die Ministerpräsidentin nach Nordrhein-Westfalen zurückkommt und dann sagt, man habe gerade darüber gesprochen, dass man diejenigen, die hier keinen Asylanspruch hätten, möglichst schnell zurückführen wolle, aber in Nordrhein-Westfalen mache man das bei Familien anders, dann fragt sich natürlich die Bevölkerung zu Recht, warum es hier zu einer Differenzierung kommt und warum das, was man woanders vereinbart hat, nicht umgesetzt wird.
Lassen Sie es mich ganz konkret machen: Wir stehen doch in den Kommunen nicht nur vor der Frage der Notaufnahme von Flüchtlingen, wie es der Minister eben angesprochen hat. In meiner Heimatstadt Bielefeld stehen wir jetzt wie in vielen anderen Kommunen des Landes konkret vor der Aufgabe, den Flüchtlingen eine dauerhafte Perspektive zu geben.
In der letzten Woche hörten wir davon, die Landesregierung gehe durchaus davon aus, dass wir knapp 400.000 Wohnungen zur Verfügung stellen müssen. Aber die Ersten, die wieder Bedenken anmelden nach dem Motto: „Das geht ja in den Landschaftsraum hinein, das kann man in der Form nicht verantworten; wir müssen hier ökologische Belange abwägen“, sind doch die Grünen.
Auf der einen Seite eine Erwartungshaltung zu wecken und auf der anderen Seite zu sagen: „Wir sind nicht dabei“, das ist mit uns nicht zu machen.
Diesen Widerspruch müssen Sie vor Ort aufklären. Dazu werden wir Sie anhalten.
Vielleicht überprüfen Sie sich selbst mal, bevor Sie dazu entsprechende Ausführungen machen. Denn von den Piraten ist zu dieser Frage nun überhaupt nichts gesagt worden.
Entschuldigung.
Vielleicht war das qualitativ genauso wie das, was sonst von den Piraten kommt. Aber das lassen wir mal dahingestellt.
Meine Damen und Herren, ich fand es schon ein bisschen bemerkenswert, dass Frau Düker hier erklärt: In diesem Zusammenhang sind Ehrlichkeit und Vernunft gefordert. – Gerade bei den Grünen habe ich das vermisst. Denn wenn Sie ehrlich gewesen wären, dann hätten Sie ganz konkrete Angaben dazu gemacht, wie Ihr Beitrag zur Lösung aussieht. Ich habe das Gefühl, der Beitrag der Grünen kommt nur aus Baden-Württemberg und wird von dem Ministerpräsidenten dort geäußert.
Von den Grünen in Nordrhein-Westfalen habe ich bisher nur Bedenken gehört –
Bedenken in der Frage der Umsetzung dessen, was hier beschlossen worden ist und was dazu beitragen soll, die Situation für die Kommunen in diesem Land zu vereinfachen.
Vor dem Hintergrund, lieber Minister Jäger – wir kennen das ja: Eloquenz auf niedrigem Niveau –, hilft es wenig, immer auf das BAMF zu schimpfen und zu sagen: Wir haben jetzt einen Puffer aufgebaut.
All das, Herr Innenminister, verdanken Sie zum Teil den vielen, vielen Kommunen, die hier großartige Arbeit leisten.
Herr Hübner, Sie können das ja gleich noch einmal bestätigen. Die Kommunen in NordrheinWestfalen sind insbesondere bei der Frage der Notunterkünfte in die Pflicht genommen worden, aber auch bei der Frage – und jetzt kommt es – der Integration, die noch vor uns liegt.
Natürlich sind hier 4 Milliarden € für das, was vor uns liegt, eingestellt worden. Aber wird das ausreichen? Das wird eine ganz große Frage sein, deren Beantwortung die Herausforderung dieses Jahres in den Kommunen des Landes sein wird neben der Frage: Wird es gelingen, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren? Wir sind jedenfalls zuversichtlich, dass es gelingen wird.