Protokoll der Sitzung vom 25.06.2015

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU hat sich für diese Aktuelle Stunde ein ganz besonderes Thema ausgesucht. Mir scheint, dass der CDU in diesen Tagen nichts wichtiger ist als der Konvent der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Sie feiert den Konvent vom vergangenen Samstag als „guten Tag für Nordrhein-Westfalen“. Ja, jetzt weiß auch die CDU, auf welchen Parteitagen gesellschaftlich relevante Debatten geführt werden, wo die relevanten Beschlüsse für die Zukunft unseres Landes gefasst werden, nämlich auf Parteitagen der SPD, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD - Lukas Lamla [PIRATEN]: Sollten Delegierte erpresst wer- den?)

Herr Kruse, auf die Idee, CDU-Parteitage zum Gegenstand von Parlamentsdebatten zu machen, ist schon seit Jahren niemand mehr gekommen - nicht einmal die CDU selbst!

(Beifall von der SPD)

Ja klar, das hat Gründe. Programmatisch und intellektuell sind Ihre Parteiversammlungen wie Ihr Debattenbeitrag, Herr Kruse, gekippte Gewässer: klinisch rein, durchsichtig und tot!

(Beifall von der SPD)

Ja, meine Damen und Herren, durchsichtig ist auch Ihre Begründung für diese Aktuelle Stunde. Wenn Sie wirklich glauben, Sie könnten mit Ihrem Auftritt demoskopische Punkte sammeln, dann sind die Schlagzeilen, die Sie in den letzten Wochen in großer Zahl produziert haben, bei weitem nicht Ihr größtes Problem, meine Damen und Herren.

Ja, ich gebe das gerne zu: Es gibt zwischen den Partnern unserer Koalition unterschiedliche Auffassungen zur Vorratsdatenspeicherung. Nicht nur das: Es gibt sie auch in der SPD. Und es gibt sie auch in meiner Fraktion.

Der Grund für diese unterschiedlichen Auffassungen ist der uns einende Wert der Freiheit. Uns eint zudem die Überzeugung, dass unser aller Freiheit vor zwei Bedrohungen geschützt werden muss: erstens vor einer unkontrollierten staatlichen Macht, die ihr Gewaltmonopol zur Überwachung und Nötigung ihrer Bürgerinnen und Bürger missbraucht, und zweitens vor verbrecherischen Kräften, die das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum der Menschen bedrohen. - Die Mehrheit in der SPD, meine Damen und Herren, hat sich dafür entschieden, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen.

(Zuruf Lukas Lamla [PIRATEN]: Nachdem sie erpresst wurde!)

Wir glauben, dass das Missbrauchspotenzial einer streng regulierten Vorratsdatenspeicherung gering genug und ihr möglicher Nutzen zur Abwehr der zweiten Bedrohung groß genug ist, um dieses Instrument zuzulassen. Nichtsdestotrotz kennen wir unsere Verantwortung für einen Staat, meine Damen und Herren, dessen erste und wichtigste Aufgabe es ist, allen Bürgerinnen und Bürgern zu allen Zeiten ein Höchstmaß an Freiheit zu garantieren. Das unterscheidet uns elementar von Ihrer Vorstellung von einem Staat, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD)

Deshalb haben wir Respekt gegenüber allen, die aus dem gleichen Verantwortungsbewusstsein, aus der gleichen Sorge um diesen demokratischen Rechtsstaat ihre Vorbehalte gegen die Vorratsdatenspeicherung nicht überwinden können. Ich bin den Kritikern der Vorratsdatenspeicherung sogar dankbar; denn die intensive Diskussion, die wir in der SPD über das Verhältnis von Freiheit und Si

cherheit im digitalen Zeitalter geführt haben, hat das Gesetz insgesamt verbessert.

Wir konnten verhindern, dass aus den Überwachungsfantasien der Konservativen verfassungswidrige Realität wird, meine Damen und Herren! Das haben wir mit allen Kräften, die uns zur Verfügung stehen, verhindert!

(Beifall von der SPD)

Ich nehme das noch einmal auf: Daran haben vor allem auch die Kritiker - auch in unseren Reihen - einen großen Anteil. Den Kolleginnen und Kollegen von der CDU - besonders Ihnen, Herr Kruse - muss ich allerdings sagen: Wer in einer triumphalen Melodie den Eingriff in ein Grundrecht feiert, dem mangelt es an der notwendigen Reife und Verantwortung für die Entscheidungen, die er zu treffen hat, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD - Nicolaus Kern [PIRATEN]: Haben Sie das Gesetz überhaupt gelesen?)

Der Eingriff in ein Grundrecht - und das ist die Vorratsdatenspeicherung - kann eine Notwendigkeit sein. Ein solcher Eingriff kann aber in einem demokratischen Rechtsstaat niemals Grund zum Jubeln sein, Herr Kollege Kruse. Auch das müssten Sie zur Kenntnis nehmen!

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Trotzdem versucht die SPD diesen Eingriff und handelt verfas- sungswidrig!)

In der Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung und andere Eingriffe in Grundrechte wird ja oft behauptet, Freiheit und Sicherheit seien zwei gleichwertige Grundwerte, die stets von Neuem gegeneinander abgewogen werden müssen.

Ich glaube, das ist nicht ganz richtig. Es stimmt zwar, dass Menschen nicht frei sind, wenn sie Angst um ihr Leben, ihr Eigentum oder die Unversehrtheit ihrer Kinder haben müssen. Es stimmt auch, dass der Staat die Freiheit der Menschen schützt, wenn er sie vor Verbrechen beschützt. Diesen Schutz muss er im Übrigen auch in der virtuellen Welt des Internets, der digitalen Kommunikation, bieten. Und dennoch: Freiheit und Sicherheit sind keine gleichwertigen Güter.

Sicherheit, meine Damen und Herren, ist ein Mittel zum Zweck. Und der höchste Zweck des demokratischen Rechtsstaates ist die größtmögliche Freiheit aller. Sicherheit hat also der Freiheit zu dienen, meine Damen und Herren. Sie steht im Dienste der Freiheit. Auch das unterscheidet uns ganz offensichtlich, meine Damen und Herren, von der CDU!

(Beifall von der SPD - Lukas Lamla [PIRATEN]: Ihre Prioritäten sind einfach krank!)

Aus diesem Grund ist ein Eingriff in individuelle Freiheitsrechte auch nur dann gerechtfertigt, wenn durch diesen Eingriff der Freiheit aller besser ge

dient ist, als es ohne der Fall wäre. Das ist - ich weiß das - ein sehr strenges Kriterium. Die Vorratsdatenspeicherung kann doch nur dann gerechtfertigt werden, wenn sie so strengen Regeln unterworfen wird, dass sie diesem Kriterium genügt.

Die Regeln, die wir durchgesetzt haben, die Bundesjustizminister Heiko Maas nun vorschlägt, sind aber so streng, dass wir sie verantworten können, meine Damen und Herren. Strenger können sie auch gar nicht sein, soll die Vorratsdatenspeicherung noch zur Verbrechensbekämpfung nutzbar sein.

Die Kritiker der Vorratsdatenspeicherung wenden nun ein, dass sie dazu ja gar nicht taugt. Weder verhindere sie Verbrechen noch sei sie zur Aufklärung von Verbrechen notwendig.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: So sieht es aus! – Weiterer Zuruf von den PIRATEN: Wie soll sie auch Verbrechen verhindern?)

Das ist ein Argument von erheblichem Gewicht. Wenn dem wirklich so wäre, dann entfiele tatsächlich die Rechtfertigung für diesen Grundrechtseingriff.

Die Mehrheit meiner Partei ist aber davon überzeugt – ich auch –, dass die Vorratsdatenspeicherung tatsächlich ein effektives Instrument zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger ist.

(Zuruf von der CDU: Eiertanz!)

Wahr ist aber auch, dass wir nicht genau wissen, meine Damen und Herren, ob und wie Vorratsdatenspeicherung wirkt. Aus diesem Grund hat die SPD eine Evaluation bis 2018 durchgesetzt.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Die können Sie jetzt schon nachlesen!)

Die Redezeit.

Wenn sich die Vorratsdatenspeicherung bewährt, meine Damen und Herren, wird sie bleiben, und wenn nicht, dann gehört sie wieder abgeschafft.

Wenn ich jetzt in die Reihen meiner Fraktion gucke, meine Damen und Herren, dann habe ich keinen Zweifel daran, dass es auch und gerade Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sein werden, die die Wirkungen dieses Gesetzes sehr genau und sehr kritisch überprüfen.

Deshalb, meine Damen und Herren von der Piratenfraktion, …

Die Redezeit.

… ist ja Ihr Antrag erkennbar darauf gerichtet, ein Problem zu markieren, aber kein Problem zu lösen.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Sie haben Reali- tätsverzerrung! Das haben Sie! Sie nehmen die Realität einfach nicht mehr wahr!)

Vor diesem Hintergrund muss ich Ihnen sagen: Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können. – Vielen Dank fürs Zuhören, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lürbke.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Römer, das war ja hochspannend. Das war ein ziemlicher Eiertanz, den Sie hier gerade geboten haben,

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

ein absolut beherztes Sowohl-als-auch, hier zu sagen, Sie garantieren ein Höchstmaß ein Freiheit und die Freiheit ist der höchste Zweck des Staates.

Ich will da vielleicht mal weiterhelfen. Wir Freien Demokraten helfen ja gerne. Eine unverhältnismäßige anlasslose Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, das ist Gift für die Freiheit. So sieht es aus.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Das anlasslose Sammeln und Speichern von Daten unbescholtener Bürger, das ist Gift für die Freiheit.

(Beifall von der FDP)