Protokoll der Sitzung vom 03.12.2015

(Zuruf von Hartmut Ganzke [SPD])

Unter dem rot-grünen Kahlschlag bei den Haftplätzen werden letztlich alle Beteiligten zu leiden haben: die Gefangenen, die JVA-Bediensteten und nicht zuletzt die rechtstreuen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

(Zuruf von Dagmar Hanses [GRÜNE])

Herr Minister Kutschaty, bauen Sie lieber Schulden ab, statt Haftplätze!

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Oh, der war so schlecht!)

Zu Einsparungen hätte auch dieser Haushalt Möglichkeiten geboten. Wir hatten bereits in den Ausschussberatungen darauf hingewiesen, dass der Ansatz von knapp 700.000 € für den Strafvollzug in freien Formen 2016 gestrichen werden kann, nachdem der Minister dieses Programm 2014 gestoppt hat. Ich bin sehr froh, dass wir vor wenigen Stunden erste Vorschläge dazu gehört haben, wie es weitergehen kann. Aber für das Jahr 2016 wird dieses Geld sicherlich noch nicht benötigt werden und könnte dementsprechend eingespart werden.

(Zuruf von Dietmar Schulz [PIRATEN])

Meine Damen und Herren, deutlich wird, dass dieser Einzelplan 04 aus vielen Gründen nicht zustimmungsfähig ist. Die CDU-Fraktion wird ihn deshalb ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Wolf.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So eine Haushaltsdebatte bietet eigentlich die Möglichkeit, dass wir unsere eigenen Schwerpunkte gegenseitig aufzeigen.

Lieber Kollege Kamieth, aus Ihrer Rede habe ich rechtspolitisch relativ wenig herausgehört. Das war – will ich mal sagen – etwas schwammig.

(Beifall von der SPD)

Der Vorwurf wurde erhoben, da wäre kein Gestaltungswille und da sei kein Sparwille. Aber einen ganz konkreten Vorschlag habe ich jetzt auch nicht gehört.

Wir können gern darüber sprechen. Wenn die CDU sparen will und weniger Richter fordert, dauern Urteile halt länger. Wir können auch mit weniger Staatsanwälten sparen, aber dann werden sich Prozesse verzögern. Oder wir sparen bei den Mitarbeitern im Allgemeinen Vollzugsdienst, also in den Vollzugsanstalten. Aber dann wird es weniger Betreuung und mehr Überstunden geben. Es gibt keinen konkreten Vorschlag. Das ist totaler Mumpitz.

(Beifall von der SPD und Dagmar Hanses [GRÜNE])

Wir alle in der Rechtspolitik wissen, dass der Einzelplan 04 der Einzelplan mit den höchsten direkten Einnahmen ist. Ein Drittel der Ausgaben in diesem Einzelplan wird durch direkte Gebühren wieder reingeholt. Also ist auch hier die Vorstellung, das stünde nicht im Ausgleich zueinander, falsch.

Zur Dienstrechtsreform haben wir uns sehr klar positioniert. Die Ruhegehaltsfähigkeit der Zulagen im Vollzugsdienst wird mit der Dienstrechtsreform wieder eingeführt. Zu der Zusage stehen wir, und diese Zusage werden wir auch gegenüber den Beschäftigten einhalten. Wir haben gestern hier das Landesrichter- und Staatsanwältegesetz auf den Weg gebracht. Auch dieses Gesetz ist wichtig und gut, um motivierte und hochqualifizierte Juristinnen und Juristen für die Justiz in Nordrhein-Westfalen gewinnen zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich aber trotzdem noch einige Punkte anmerken, bei denen wir die guten und klaren Schwerpunkte in diesem Haushalt sehen. Leider wird auch diese Debatte von den Ereignissen in Paris und auch von dem andauernden Konflikt in Syrien überlagert.

Ganz konsequent werden daher im Einzelplan 04 zusätzliche Richterstellen eingerichtet, um die Staatsschutzsenate zu verstärken. Das ist ein richtiges Signal, um eine konsequente Strafverfolgung zu sichern.

Außerdem wird im Strafvollzug sehr genau darauf geschaut, welche Menschen in der Haft versuchen, andere zu radikalisieren oder mit extremistischen Gedanken vertraut zu machen. Hierzu gibt es einen sehr guten und nachvollziehbaren Fünf-Punkte-Plan des Justizministers: die stärkere Vernetzung der Bundesländer, mehr Fortbildung für die Mitarbeiter im Vollzug, mehr Beschäftigte mit Migrationshintergrund und mehr religiöse Betreuung für muslimische Gefangene und außerdem die wissenschaftliche Erforschung von Radikalisierung.

Deswegen werden im Einzelplan zum ersten Mal mehrere Stellen für Islamwissenschaftler geschaffen, die gemeinsam mit den Fachkräften im Vollzug Konzepte erarbeiten sollen.

Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, an dem sich die aktuelle Entwicklung im Einzelplan abbildet. Wir haben bereits ganz häufig über die Problematik der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gesprochen. Es ist für die Amtsgerichte in NordrheinWestfalen eine ganz große Herausforderung, die Vormundschaftssachen zu regeln.

Hierbei gibt es ein klares Signal: Es werden zusätzliche Richterstellen eingerichtet, um dieser großen Herausforderung zu begegnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch ganz kurz auf den Punkt eingehen, den wir uns in den Fraktionen sehr intensiv angeschaut haben. Wir haben viele und sehr gute konstruktive Gespräche mit den Trägern der Freien Straffälligenhilfe geführt. Gemeinsam mit meiner grünen Kollegin Dagmar Hanses haben wir uns genau angeschaut, welche Aufgaben diese Träger ausführen. Ich will Stichworte nennen: Haftverkürzung, Täterarbeit, Förderung der ehrenamtlichen Arbeit im Vollzug, Behandlung von Sexualstraftätern, TäterOpfer-Ausgleich und Übergangsmanagement im Jugendarrest.

Das sind auf den ersten Blick sehr verschiedene Projekte, aber im Kern haben Sie eines gemeinsam: Wenn diese Projekte gut arbeiten, können sie künftig Strafen vermeiden. Das ist eine sehr gute Ergänzung der Arbeit des Allgemeinen Sozialen Dienstes der Justiz. Wir wollen diese beiden Säulen in Nordrhein-Westfalen stärken.

Wir haben aber auch in den sehr offenen Gesprächen feststellen müssen: Da gibt es bei den Trägern keine stillen Finanzreserven. Und da gibt es auch keine Querfinanzierung. Um die Träger besser zu unterstützen, haben wir den Änderungsantrag auf den Weg gebracht. Wir wollen sie im kommenden Jahr mit zusätzlich 700.000 € unterstützen.

(Beifall von Walburga Benninghaus [SPD])

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Wir werden daher gerne dem vorliegenden Haushaltsentwurf zustimmen. – Danke sehr.

Vielen Dank, Herr Kollege Wolf. – Für die FDP spricht Herr Kollege Wedel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist Zeit für eine Bilanz. Fünf Haushaltsjahre sind nun vergangen, seitdem Sie, Herr Minister Kutschaty, die Verantwortung für die Justizpolitik in NRW übernommen haben.

Rechtsfrieden sichern, Gerechtigkeit durchsetzen, für den Bürger eine effektive Rechtsprechung und zügige Vollstreckung auf hohem Niveau bieten: Mit diesem Anspruch sind Sie 2010 hier angetreten. Ich nenne einige Beispiele dazu. Sie verkündeten 2010:

„Die Aufgabe des Rechtes ist es auch, den Wirtschaftsstandort NRW zu stärken.“

Wie Sie das machen, verwundert schon. In bewusst gewählter Wortwahl einer „Bild“-Kolumne zeigen Sie immer wieder mit dem Finger auf Unternehmen, Autohersteller und Fluggesellschaften mit dem Appell, alle härter ranzunehmen. Sie fordern für den Bund ein Unternehmensstrafrecht, und hier im Land lassen Sie derweil die Strafkammern bei den Landgerichten so absaufen, dass Täter, die schwerste Wirtschafts- und Steuerstraftaten wie auch andere Delikte begangen haben, wegen Überlastung jahrelang nicht verurteilt werden können und hinterher einen Strafbonus erhalten müssen. So viel zu effektiver Rechtsprechung!

Sie stehen als Minister – in Zeiten, wo Tausende Syndikusanwälte in NRW um ihre Absicherung im Alter bangen und Anwälte nicht in Unternehmen wechseln können, ohne ihre Mitgliedschaft im Versorgungswerk zu verlieren – nicht tatkräftig an der Seite der Wirtschaft und der Anwälte. Der Gesetzentwurf hängt in Berlin. Der Minister ist bei dem Thema abgetaucht und beschäftigt sich lieber mit der Bilanzierung bei VW. Das Land NRW hat Tausende VW-Fahrzeuge, insbesondere bei der Polizei. Eigene Ansprüche des Landes hat Minister

Kutschaty scheinbar nicht geprüft.

Herr Minister, Sie hatten 2010 weiterhin – ich zitiere – angekündigt:

„Ein großes Anliegen ist der Landesregierung insbesondere auch, die Opfer von Straftaten stärker ins Blickfeld zu nehmen.“

Und weiter:

„Um Opfern von Straftaten bürgernah, unbürokratisch und wirksam helfen zu können, wollen wir eine ‘Stiftung Opferhilfe Nordrhein-Westfalen‘ errichten.“

Sachstand heute: Projekt liegt auf Eis, Alternativen sind nicht in Sicht.

Mehr Geld für Opferhilfe ist nicht eingeplant. Für eine Änderung der Verteilung von Geldauflagen der Staatsanwaltschaften zugunsten der Opferhilfe fehlt der Mut. Ergebnis: Nach fünf Jahren im Amt bleiben die Opfer im Regen stehen. Das ist ernüchternd.

Eine weitere zentrale Ankündigung aus dem Jahr 2010 – ich zitiere – lautete:

„Die Landesregierung will die Bekämpfung der Jugendkriminalität voranbringen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung jugendlicher Intensivtäter.“

Dazu haben Sie die Einrichtung von weiteren Häusern des Jugendrechtes in den Großstädten angekündigt. Ernüchterndes Fazit bis heute: Es gibt in NRW massive Versäumnisse im Umgang mit Intensivtätern, Stichwort: „Familienclans“. Das war noch heute Thema in der „WAZ“.

Die Ermittlungsbehörden in Städten wie Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Leverkusen haben dicke Akten, in denen jugendliche Intensivtäter mit massenhaft Straftaten geführt werden. Innerhalb von fünf Jahren haben Sie gerade einmal ein weiteres Haus des Jugendrechts in Paderborn eingerichtet. Ansonsten: Fehlanzeige!

(Beifall von der FDP)

Selbst der tragische Fall des Intensivtäters, der in Essen einen Passanten grundlos erschlagen hat und zur Tatzeit in Beugearrest sitzen sollte, hat Sie nicht veranlasst, endlich Gas zu geben und die Vollzugsdefizite bei der Arrestvollstreckung anzugehen.

(Beifall von der FDP)

Sie setzen sich auch nicht dafür ein, zur Bekämpfung von reisenden Serien- und Intensivtätern landesweit die Voraussetzungen für die Durchführung besonders beschleunigter Verfahren mit Hauptverhandlungshaft zu schaffen, obwohl dieses Verfahren in der Strafprozessordnung verankert ist.

Bei den Gerichtsvollziehern stapeln sich die unerledigten Vollstreckungsaufträge auf den Schreibtischen, weil Sie es versäumt haben, rechtzeitig entsprechenden Nachwuchs zu gewinnen. – So viel zum Thema „zügige Vollstreckung auf hohem Niveau“.