Protokoll der Sitzung vom 27.09.2020

(Beifall von der FDP)

Das gilt in gleicher Weise für die Regionalen in unserem Land. Sie aktivieren die regionalen Akteure, sie initiieren passgenaue Entwicklungsprojekte für ihre jeweilige Region, sie unterstützen die Bündelung und Qualifizierung guter Projekte, und durch die regionsinternen Mechanismen und ihre unmittelbare Zusammenarbeit mit dem Land erreichen sie am Ende genau das, was Zweck des Fördermitteleinsatzes ist: die gezielte Stärkung regionaler Kompetenzen. Die Regionalen in Nordrhein-Westfalen sind damit eine bundesweite Blaupause für regionale Strukturentwicklung, und deswegen wollen wir auch sie künftig explizit in der Programmumsetzung berücksichtigen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Ich werbe nachdrücklich dafür, mit der Zustimmung zu unserem Antrag heute den Startschuss für einen effektiveren Einsatz der EFRE-Mittel in einer neuen Förderperiode zu geben.

Der Überweisung des SPD-Antrages stimmen wir selbstverständlich zu.

Vielen Dank, Herr Kollege Middeldorf. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Weiß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich, dass wir die beiden Anträge innerhalb einer Debatte abhandeln. Zum einen macht das inhaltlich Sinn, zum anderen lässt sich sehr schön aufzeigen, wie sich unsere Politikansätze unterscheiden, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP.

Auf der einen Seite sehen wir einen Antrag von CDU und FDP, der handwerklich zwar ganz gut gemacht, aber inhaltlich eine Mischung aus purer Marktgläubigkeit und weitestgehend folgenloser PR ist.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Besonders deutlich wird das am Beispiel der Leitmarktidee. Sie fordern, dass an die Stelle der acht Leitmärkte in Zukunft elf sogenannte Spezialisierungsfelder treten, entlang derer die Förderaufrufe abgewickelt werden sollen. Und in diesen einzelnen Feldern soll dann jeweils ein – ich zitiere – „Wettbewerb um den besten Weg“ stattfinden, am besten natürlich ohne, wie Sie es nennen, „vorherige

Festlegung auf bestimmte Lösungen“, die staatlicherseits erwünscht seien.

Natürlich müssen die Operationellen Programme für die nächsten sieben Jahre unbedingt überarbeitet werden. Ein flexiblerer Einsatz der Mittel, eine bessere Einbindung der Kommunen und regionalen Akteure und eine ausgewogene Verteilung der Fördermittel zwischen den einzelnen Regionen in NRW – dafür werben wir übrigens seit Jahren.

Aber nichts davon wird erreicht, indem EFRE-Mittel einfach mal so in den Markt gepumpt werden, nach dem Motto: Weg mit den Leitlinien! Platz für den freien Markt! Es wird schon was Brauchbares dabei herauskommen. – So sieht keine verantwortungsbewusste und nachhaltige Förderpolitik aus, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP.

(Beifall von der SPD)

Und überhaupt: Wie kommen Sie darauf, dass das Leitmarktprinzip innovative Lösungen bremse? Die LeitmarktAgentur.NRW hat durchaus eine positive Bilanz vorzuweisen. Mit über 800 eingereichten Projektskizzen und 225 Verbundvorhaben mit über 850 Partnern aus Forschung und Unternehmen allein in der ersten Hälfte der vergangenen Förderperiode kann von einem Bremsen innovativer Lösungen wohl nicht die Rede sein.

Sie wollen in Wirklichkeit aber etwas ganz anderes. Getreu Ihrer Ideologie wollen Sie jetzt auch die EUFördermittelvergabe entfesseln.

Umso befremdlicher wirkt Ihr Antrag dabei übrigens vor dem Hintergrund der 5G-Debatte, die wir hier vor wenigen Wochen geführt haben. Da waren Sie es, die gar nicht genug betonen konnten, wie sehr Sie NRW in diesem Bereich zu einem Leitmarkt machen möchten. Solange das gut klingt, sind Sie, was die Verteufelung und Beweihräucherung ein und desselben volkswirtschaftlichen Konzeptes angeht, offenbar nicht um allzu große Kohärenz bemüht.

(Beifall von der SPD)

Apropos „gut klingen“: Ihre Forderung, sich auf EUEbene für eine Beibehaltung des 50-%-Kofinanzierungsanteils einzusetzen, würden wir gerne unterstützen. Allerdings fällt es uns schwer, in dieser Forderung mehr als eine reine PR-Phrase zu sehen. Die Kernfrage ist an dieser Stelle: Was hat die Landesregierung in den vergangenen zwei Jahren eigentlich getan, um sich für eine Beibehaltung der 50-%-Kofinanzierung einzusetzen?

Spätestens seit März 2018 wusste die Landesregierung, dass eine Absenkung des Kofinanzierungsanteils droht. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt hat die Kommission in ihrem Vorschlag zum nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen die entsprechende Absenkung für weiter entwickelte Regionen – und dazu gehören wir hier in Nordrhein-Westfalen – zum

Gegenstand der Debatte gemacht. Während sich andere Regionen in ganz Europa etwa zur sogenannten Kohäsionsallianz zusammenschlossen, um für eine starke Kohäsionspolitik einzutreten, lehnten FDP und CDU einen entsprechenden SPD-Antrag dazu ab.

Und auch sonst kann die Landesregierung nicht die geringsten Bemühungen nachweisen, sich für dieses Ziel eingesetzt zu haben, als noch eine realistische Chance bestand, es zu erreichen.

Und jetzt ist 2020. Weder Rat noch EU-Parlament haben sich für eine Beibehaltung des Kofinanzierungsanteils starkgemacht, und da kommen Sie mit diesem Antrag um die Ecke. Vielleicht geschehen ja noch Zeichen und Wunder und der Ministerpräsident höchstselbst überredet sämtliche EU-Institutionen und alle EU-Mitgliedsstaaten, das mühsam verhandelte Haushaltspaket wieder aufzuschnüren und den Kofinanzierungsanteil für weiter entwickelte Regionen bei 50 % zu belassen.

Viel wahrscheinlicher ist aber doch, dass der Anteil der Kofinanzierung bei 40 % bleiben wird, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und das Schlimme ist: Das wissen Sie auch ganz genau.

So komme ich zu dem Antrag auf der anderen Seite, nämlich zu unserem. Anstatt viel zu spät etwas zu fordern, was kaum erreichbar ist, gehen wir auf die bevorstehenden Veränderungen ein. Statt Scheinpolitik zu betreiben, nehmen wir die Sorgen derjenigen wahr, die von den Kürzungen betroffen sein werden.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Bodo Middel- dorf [FDP])

Damit Nordrhein-Westfalen auch in den nächsten sieben Jahren von regionalen Fördermitteln profitieren kann, muss Planungssicherheit herrschen. Das Land muss die Kofinanzierungslücke schließen, die sich aus dem aktuellen Vorschlag zum mehrjährigen Finanzrahmen ergibt. Wir haben gerade gehört, was der Kollege Middeldorf dazu gesagt hat. Ich bin schon gespannt, wann der Begriff „Makulatur“ hier das nächste Mal fallen wird.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Das ist das Zeichen, welches die Kommunen, die Unternehmen und die Zivilgesellschaft brauchen.

Wir sind natürlich froh, dass wir diesen Antrag im Ausschuss weiter behandeln können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Remmel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen, die uns jetzt zuschauen, werden eventuell denken, eine Debatte über eine europäische, landespolitisch gesteuerte Fördermittelvergabe sei vielleicht etwas für Feinschmecker. Auf der anderen Seite geht es um sehr viel Geld, und es geht auch um sehr viele Möglichkeiten der Entwicklung und der Innovation. Deshalb verbindet sich an dieser Stelle der Grundgedanke, sich europäisch gemeinsam zu orientieren, mit den Notwendigkeiten zur Weiterentwicklung unserer Städte, aber auch der Ökonomie in unserem Land.

Nun haben wir heute zwei Anträge zu beraten. Der eine wird an den Ausschuss überwiesen, über den anderen soll heute direkt abgestimmt werden.

Insofern lautet meine Kritik am Verfahren direkt an erster Stelle: Herr Minister Pinkwart, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wovor haben Sie eigentlich Angst, weshalb Sie das heute direkt abstimmen lassen wollen? Herr Bergmann, Sie haben eben davon gesprochen, dass es einen sehr ausführlichen, tiefgehenden Antrag der Koalitionsfraktionen gibt. Wenn er tatsächlich diese Tiefe hat, warum lassen Sie über diesen Antrag heute direkt abstimmen, sodass wir darüber nicht im Ausschuss diskutieren können?

Im Übrigen, Herr Minister Pinkwart, ist Ihre Vorlage, die Sie an den Landtag gegeben haben und zu der Sie schon nach der Sommerpause angedeutet haben, in welche Richtung sie geht, bisher ausschließlich im Wirtschaftsausschuss diskutiert worden. Im Europaausschuss ist sie noch nicht diskutiert worden. Ich glaube, dass der SPD-Antrag Anlass genug ist, dieses Thema auch im Ausschuss zu vertiefen, weil sich tatsächlich noch einige Fragen ergeben. Sie wollen Fördersystematiken verändern, Sie wollen aber auch inhaltlich bestimmte Vorgaben, die die EU uns gemacht hat, akzeptieren und nicht mehr hinterfragen.

Ich will das einmal deutlich machen: Wir hatten bisher vier Achsen im Gesamtgeschehen. Die vierte Achse, nachhaltige Stadtentwicklung, ist vonseiten der EU-Kommission als für Deutschland entbehrlich empfunden worden. Offensichtlich sind unsere Städte aus Sicht der EU schon nachhaltig entwickelt. Dem würde ich widersprechen. An vielen Stellen diskutieren wir zurzeit, wie wir uns auf die Zukunft der Mobilität, des Wohnens, der Innenstädte, der europäischen Stadt, der nachhaltigen grünen Infrastruktur einstellen. Deshalb lohnt an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit der Kommission dahin gehend, dass wir diese vierte Achse auch zukünftig brauchen.

Sie bedienen sich dann des Tricks, dass Sie das so ein bisschen in den nachfolgenden Spezialisierungsgebieten – die heißen nicht mehr Leitmärkte –

verstecken, aus denen Sie es dann wieder hervorholen. Aber die Auseinandersetzung mit dem Fördergeber EU bezogen auf Deutschland wollen Sie offensichtlich nicht führen. Das ist bedauerlich und bedürfte eigentlich der tieferen Debatte.

Zudem wollen Sie die Fördersystematik verändern, und zwar von den Leitmärkten weg. Aber wohin soll es denn gehen? Wie soll es denn funktionieren? Wir stehen schließlich nicht am Anfang einer Förderdiskussion, sondern befinden uns schon in einer Entwicklung, die so gestaltet worden ist, um von einer vielleicht der politischen Klientel orientierten Förderung wegzukommen und hin zu einer objektiven Förderung und auch zur einer Qualifizierung zu kommen.

Sie aber wollen offensichtlich wieder zurück zur Klientelförderung. Sie wollen die Qualifizierung abschaffen. Wofür brauchen wir denn diese Instrumente? Wenn Sie sich einmal ein bisschen mit der Materie beschäftigt hätten, wüssten Sie, dass viele Förderanträge der Qualifizierung bedürfen, um überhaupt in die Förderung zu kommen. Diese Systematik wollen Sie schleifen. Sie wollen zurück zur Bedienung einer politischen Klientel, Sie wollen zurück zur Gießkanne. Ja, was denn sonst?

Wir haben doch eine Entwicklung, und Sie müssten sagen, was an der jetzigen Entwicklung falsch läuft. Da gibt es einiges zu diskutieren, insbesondere die Zeitläufe. Es gilt beispielsweise, das Beihilferecht zu diskutieren – aber da sind Sie nicht konsequent genug –, um vielleicht einige Erleichterungen herbeizuführen. Sie stellen das in Berlin vor, aber hier im Antrag taucht es nicht auf.

Und dann zum Stichwort „De-minimis-Beihilfe“. Auch da könnte man das eine oder andere in den Systematiken verändern.

Verräterisch allerdings – und das ist meine größte Kritik – sind die Überschriften, die Sie wählen. Sie sprechen von einem CO2-armen Europa. Das ist nicht die Diskussion, die wir in Europa führen.

(Ralf Witzel [FDP]: Doch!)

(Ralf Witzel [FDP]: Sicher!)

Nein. Es ist die CO2-Neutralität.

(Ralf Witzel [FDP]: Ach!)

Ja, nicht ach. Sie sprechen von CO2-arm und nicht von CO2-neutral. Sie sprechen auch nicht vom Green Deal, obwohl Sie es in anderen Anträgen wiederum tun. In diesem tun Sie es allerdings nicht.

Mir scheint es – und, Herr Witzel, ich glaube, ich habe getroffen –, dass dieser Antrag vor allem von der liberalen Fraktion und vom liberalen Wirtschaftsminister ein Stück mitgeprägt ist.