Protokoll der Sitzung vom 27.09.2020

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Promifotos mit Macron im Élysée-Palast helfen da ebenso wenig wie Besuche im Vatikan.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: Mein Gott!)

Wenn zu Hause, im echten Leben, mehrere Tausend Arbeitsplätze zerstört werden, dann ist der Ministerpräsident abwesend. Er wandert lieber durchs Watt in Schleswig-Holstein oder besucht Fußballstadien in Sachsen. So geht es in dieser Krisenzeit nicht, Herr Laschet.

(Beifall von der SPD)

8 Milliarden Euro sind im Konjunkturprogramm der Bundesregierung allein für die Autoindustrie reserviert.

(Zuruf von der CDU)

Dieses Geld steht aber nicht für Produktionsstandorte in Billiglohnländern zur Verfügung, sondern für die Wertschöpfung in Deutschland.

Continental hat mitgenommen, was es kriegen konnte: den Lohnverzicht der Beschäftigten und die Beihilfen des Staates. – Jetzt stiehlt sich der Konzern mit dem Geld davon. Das muss zukünftig jedes Unternehmen teuer zu stehen kommen, und zwar buchstäblich.

(Beifall von der SPD und Arndt Klocke [GRÜNE])

Der Finanzminister hat eben in seiner Einbringungsrede auch die Polizei in unserem Land thematisiert. Ich denke, man kommt in der heutigen Generaldebatte nicht darum herum, auch über die aktuellen Vorkommnisse bei der Polizei in unserem Land zu sprechen.

Polizistinnen und Polizisten, die unsere Bürgerinnen und Bürger schützen sollen – und zwar alle; egal, wie sie aussehen, egal, was sie glauben, und egal, wen sie lieben – sind als Rassisten enttarnt worden. Verfassungsschützer, die unsere Demokratie verteidigen sollen, haben sich als ihre Gegner entpuppt. Ich

mag nicht mehr von Einzelfällen sprechen. Es sind keine Einzelfälle, es sind viele Fälle, es sind zu viele Fälle. Das muss auch der Innenminister verstehen.

(Beifall von der SPD)

Wir können das Problem nur dann lösen, wenn wir es beim Namen nennen, wenn wir systematisch aufklären und dann systematisch handeln. Das sind Sie, Herr Reul, das sind wir alle übrigens, den Bürgerinnen und Bürgern schuldig, die von Rassismus betroffen sind. Wir sind es allen demokratischen Polizistinnen und Polizisten schuldig, die ihren Beruf auch aus Idealismus ergriffen haben, die Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben, und zwar jeden Tag, in jeder Schicht. Sie verdienen unser aller Unterstützung.

(Beifall von der SPD und Verena Schäffer [GRÜNE])

Wir wissen, dass das Problem kein Einzelfall gewesen ist. Wir wissen, dass das Problem groß ist – wie groß, das wissen wir nicht. Deshalb weiß ich nicht, warum der Innenminister sich so lange hartnäckig dagegen wehrt, eine wissenschaftliche Aufklärung in Gang zu setzen.

(Zuruf: Tut er doch!)

Herr Reul, Sie machen in diesem Skandal keine gute Figur – im Gegenteil: Im ZDF sagten sie allen Ernstes, dass Sie Fakten bräuchten, keine Wissenschaft. – Das war peinlich, das war hochnotpeinlich. Solche intellektuellen Aussetzer darf sich ein Innenminister nicht leisten.

(Beifall von der SPD)

Sie wirken überfordert, die Lage scheint Ihnen zu entgleiten.

(Lachen von Herbert Reul, Minister des In- nern)

Dabei bedroht kaum etwas eine Demokratie mehr als Extremisten in Sicherheitsbehörden. Gerade wir Deutsche müssen das wissen. Die Geschichte der Weimarer Republik ist kein Stummfilm in SchwarzWeiß – sie hat uns etwas zu sagen. Deshalb sage ich mit aller Deutlichkeit: Die einzelnen Extremisten in Sicherheitsbehörden sind ein Fall für Disziplinarmaßnahmen, im Zweifel auch ein Fall für den Staatsanwalt.

Aber wir müssen doch wissen, wie groß das Problem des Rechtsextremismus und des Rassismus in Sicherheitsbehörden tatsächlich ist. Wir müssen wissen, wie dieses Phänomen entsteht und wie wir es systematisch bekämpfen können. Dazu brauche ich keine Beamten zu stigmatisieren. Wir brauchen selbstverständlich eine wissenschaftliche Aufklärung.

(Beifall von der SPD und Verena Schäffer [GRÜNE])

Noch einmal: Eine Demokratie braucht eine demokratische Polizei, und demokratische Polizisten brauchen einen wehrhaften Rechtsstaat, der sie vor den schwarzen Schafen in ihren Reihen schützt.

Allen Frauen und Männern bei Polizei, Justiz und Verfassungsschutz sage ich: Für ein Leben in Freiheit ist Ihre Arbeit unverzichtbar. Bleiben Sie standhaft, wehrhaft, mutig. Wir brauchen Sie mehr denn je. Wir sind für jeden Ihrer Einsätze sehr dankbar.

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird Zeit, dass die Landesregierung wieder in die Realität zurückkehrt und sich mit der Wirklichkeit vertraut macht – mit der Wirklichkeit unserer Polizei, mit der Realität in unseren Schulen, Kindergärten und Kommunen und nicht zuletzt mit der Wirklichkeit auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Steigen Sie endlich wieder von Ihrem Turm herab, kommen Sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Hier ist die Arbeit zu erledigen, fangen Sie damit an! – Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kutschaty. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Löttgen jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kutschaty hat sich eben seiner modernen Büroausstattung gerühmt. Vielleicht wäre es besser gewesen, Sie hätten heute Morgen einmal die dpa-Nachrichten verfolgt. Dann hätten Sie sich die Vorwürfe, die Sie gegenüber dem Innenminister gemacht haben, sparen können.

(Sarah Philipp [SPD]: Ist trotzdem spät dran!)

Denn dort ist deutlich nachzulesen, dass dieser Innenminister

(Sven Wolf [SPD]: … genau die SPD-Position übernommen hat! – Lachen von der SPD)

dieser Innenminister, Herr Wolf – einer Studie zu der Frage, wie extremistische Denke in der Polizei eigentlich entsteht, zugestimmt hat.

(Sarah Philipp [SPD]: Hat er aber lange für ge- braucht!)

Insofern, lieber Herr Kutschaty, sind Ihre Vorwürfe an dieser Stelle haltlos. Eines muss ich hinzufügen: Das, was ich heute Morgen von Ihnen gehört habe, war eine Rede aus Versatzstücken älterer Beiträge.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Das waren alte Vorwürfe, kleinteiligste Kritik,

(Zurufe von Nadja Lüders [SPD] und Sarah Philipp [SPD])

Kleinkariertes in neuer Satzstellung. Es war insgesamt nichts anderes als eine Dokumentation der Zukunftsängste der NRW-SPD – nichts anderes.

(Beifall von der CDU und der FDP – Lachen von Sven Wolf [SPD])

Das, meine Damen und Herren, unterscheidet uns: Sie haben Zukunftsängste, wir haben Zukunftspläne. Das ist einer der wichtigsten Unterschiede, über die wir heute zu sprechen haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn Sie, Herr Kutschaty, viel über das „Bessermachen“ reden, dann gibt es in diesem Haus noch einen weiteren Unterschied: Sie reden viel über das „Bessermachen“; wir machen es besser, ohne viel zu reden – und das ist, glaube ich, der wichtigere Teil der Aufgabe.

(Beifall von der CDU)

Ein letzter Punkt dazu: Sie haben das Schmunzeln hier im Raum bemerkt, als Sie von guten Nachrichten von Olaf Scholz aus Berlin gesprochen haben. Ich will Ihnen sagen, was eine gute Nachricht wäre, die von Olaf Scholz aus Berlin kommen könnte:

(Sven Wolf [SPD]: Altschuldenfonds?)

dass er der CDU-Fraktion, die ihm bereits zweimal mit der Bitte um Verbesserung bei der Hilfe für SoloSelbstständige und bei der Hilfe für kleine mittelständische Firmen geschrieben hat, endlich mal antwortet! Das wäre eine tolle Nachricht aus Berlin.

(Lebhafter Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)