ausdrücklich zu, nämlich soweit es um die Frage extremistischer Tendenzen, antisemitischer Tendenzen, rassistischer Tendenzen innerhalb unserer Behörden geht – nicht nur in der Polizei, sondern überhaupt im Staatsapparat, bei der Polizei in besonderer Verantwortung. Ich bin Herbert Reul außerordentlich dankbar dafür, dass er das mit hoher Konsequenz und auch mit Durchschlagskraft verfolgt hat.
Als ehemaliger Polizeibeamter darf ich vielleicht auch einmal sagen: Ich bin denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die dafür gesorgt haben, dass diese Fälle aufgedeckt werden, außerordentlich dankbar.
Ich bin ihnen deshalb dankbar, weil sie diejenigen, die ihren Diensteid in den Dreck ziehen, die vergessen haben, dass sie einen Eid auf dieses Land geschworen haben, und die aus diesem Grund verfassungsfeindlichen, extremistischen, antisemitischen oder sonstigen Dreck in irgendwelchen WhatsAppGruppen verbreiten, entlarven.
Denjenigen müssen wir den Rücken stärken, wollen wir den Rücken stärken, weil sie nach wie vor auf dem Boden des Grundgesetzes jeden Tag, der kommt, ihre Arbeit für uns als Gesellschaft verrichten.
Deshalb: Bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten! Sie haben recht, es sind keine Einzelfälle. Aber ich weigere mich zu sagen, es sei ein strukturelles Problem der Polizei. Wir müssen endlich eine Sprachregelung finden, die uns ermöglicht, zwischen Einzelfällen und strukturellem Defizit eine vernünftige Beschreibung der Situation zu finden. Das wird unsere Aufgabe sein.
Frau Schäffer, ich sage es doch gar nicht böse. Ich sage es mal so: Rechnen Sie das einfach mal in relative Zahlen um. Sagen Sie einfach mal: Wie viel ist das denn relativ? Wie viel Prozent der Polizei in Nordrhein-Westfalen sind denn das?
Frau Schäffer, wenn Sie nur zwei Haare auf dem Kopf haben und Ihnen eins ausfällt, dann ist das relativ viel. Also, ich will nur sagen, es ist ein Unterschied in der Betrachtungsweise.
Wir haben in unserer Landesverwaltung, in unserer Polizei kein strukturelles Problem. Wir könnten uns
vielleicht darauf einigen, von einem systematischen Fehler zu sprechen, und genau das macht ja der Innenminister, indem er diesen Fehler abstellt. Deshalb habe ich auch nichts dagegen zu sagen, wir machen eine Studie, um zu erkunden, warum. Aber dann lassen Sie uns auch bitte eine Studie zu all dem machen, was wir gerade beschrieben haben: Extremismus, Antisemitismus, Rassismus in der Bevölkerung insgesamt.
Ich bin sicher, dass wir diesen Vergleich nicht zu scheuen brauchen, dass unsere Staatsbürger in Uniform zum weit, weit überwiegenden Teil auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.
Deshalb, meine Damen und Herren, lassen wir einfach nicht zu, dass die Würde dieser Menschen, dieser Staatsbürger in Uniform verletzt wird, indem wir ihnen etwas unterstellen, was in Wirklichkeit nicht der Fall ist.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns mit staatlichen Maßnahmen in der Coronapandemie beschäftigen, dann müssen wir uns in dieser Woche auch mit einem Antrag der AfD befassen, der die Coronaschutzmaßnahmen der Landesregierung auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüfen soll. Es ist mir wichtig zu erklären, warum diesem Antrag die Substanz fehlt und warum wir jederzeit auf dem Boden der Verfassung Maßnahmen ergriffen haben, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt haben.
Kurz und knapp: Die Coronapandemie stellt den Staat und seine zuständigen Organe vor die schwierige Aufgabe, einen angemessenen Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen. Wir hatten und haben nach Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz die Pflicht, Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen. Dabei sind wir jederzeit unserem Verfassungsauftrag nachgekommen, stets die Verhältnismäßigkeit der Grundrechtseingriffe zu prüfen. Je größer die Gefahren für Leib oder Leben und Gesundheit der Bevölkerung sind, umso umfassender und massiver dürfen Freiheitsbeschränkungen sein.
Aber auch den häufig kritisierten Umkehrschluss haben Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen beherzigt. Nicht die Lockerungen der Coronabeschränkungen bedürfen einer Rechtfertigung, sondern ihre Aufrechterhaltung und Wiedereinführung.
Nordrhein-Westfalen hat als einziges Bundesland unter Hinzuziehung externer Sachverständiger stets geprüft, welche Gefahrenabwehr- und Vorsorgemaßnahmen im Verhältnis zur aktuellen Gefahrenlage angemessen sind.
Wenn heute führende Verfassungsrechtler wie Herr Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, fordern, diese Frage der rechtlichen Abwägung zwingend interdisziplinär zu beantworten und eben nicht nur Virologen, Mediziner oder Epidemiologen zu Wort kommen zu lassen, dann hat Nordrhein-Westfalen mit seinem begleitenden CoronaExpertenrat dieser Forderung nicht nur entsprochen, sondern nimmt heute bundesweit eine Vorreiterrolle ein.
In diesem Zusammenhang, Herr Kutschaty, erlauben Sie mir ein Wort zu dem, wie Sie in der dpa zitiert worden sind, zu der Frage: Schaffen wir es jetzt eigentlich mit Schnelltests, die Situation besser zu bewältigen? Sie haben gesagt, es sei höchste Zeit dafür, haben Testzentren an Schulen gefordert, denn nur mit umfassenden Tests sei es zu schaffen, die Infektionsketten einzudämmen.
Wir stellen gerade fest – dafür will ich mich ausdrücklich bedanken –, dass die vielen Mitarbeiterinnen in unseren Gesundheitsämtern der Kreise und der Städte es schaffen, mit harter Arbeit und teilweise gegen den Widerstand von Menschen, die etwas anderes als ihren Namen auf die Meldezettel schreiben, Infektionsketten wirksam nachzuverfolgen.
Sie haben recht, Herr Kutschaty, wenn Sie sagen, seit dem Sommer sei an den Schulen nichts passiert. Da haben Sie recht. Seit dem Sommer ist an Schulen nichts Gravierendes passiert. Aktuell sind 99,1 % der Schülerinnen und Schüler nicht von Quarantänemaßnahmen oder Infektionen betroffen und nehmen am Regelunterricht teil. Aktuell können 98,9 % der Lehrerinnen und Lehrer diesen Regelunterricht erteilen. Das ist Gelegenheit, denjenigen, die das tun, beiden, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, die diese Herausforderungen angenommen haben und ein Stück Normalität möglich machen, auch einmal herzlichen Dank zu sagen.
Nur am Rande sei bemerkt, diese Coronageschichte treibt ja manchmal höchst seltsame Blüten. Man muss schon achtgeben, dass man da das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet. Es gibt in NordrheinWestfalen das sogenannte Öko-Zentrum NRW – nach eigenen Angaben bundesweit eine der ersten Adressen für das nachhaltige Bauen. Sie werden nie ahnen, was dieses Öko-Zentrum NRW seit Kurzem anbietet: als Allererstes einen zweistündigen Onlinelehrgang „Richtiges Lüften in Schulklassen.“ Damit
Ich will Ihnen nur eins sagen, meine Damen und Herren: Ich finde, die Informationen zum Schulbetrieb in Coronazeiten vom 10. September der Schulministerin machen das alles überflüssig. Da steht nämlich sinngemäß:
Ein wichtiges Element in Hygienekonzepten ist das intensive Lüften von Klassenräumen, mindestens alle 45 Minuten, Stoßlüftung, möglichst durch vollständig geöffnete Fenster über mehrere Minuten. – Darauf haben sich alle in der KMK verständigt. Das reicht völlig aus. Mehr brauche ich nicht zu wissen, um einen Klassenraum zu lüften. Dazu brauche ich keinen eintägigen Lehrgang, meine Damen und Herren.
Aber ich will gerne, Herr Kutschaty, zu Ihrer Testphilosophie das RKI mit aktuellen Informationen zu Wort kommen lassen, weil ich finde, an der Stelle sollte man nicht übertriebene Hoffnungen wecken, aber auf der anderen Seite tatsächlich alle Chancen nutzen, die da sind. Das RKI sagt:
„Bei der Anwendung von Tests ist ein zielgerichtetes Vorgehen essentiell. Testen ohne Anlass führt zu einem falschen Sicherheitsgefühl. Denn auch ein negativer PCR-Nachweis ist nur eine Momentaufnahme und entbindet nicht von Hygiene- und Schutzmaßnahmen (Stichwort AHA-Formel).“
Übrigens weist ein Antigen-Soforttest eine Infektion lange nicht so zuverlässig nach wie ein PCR-Test. – Das RKI sagt weiter:
„Präventives Testen ohne begründeten Verdacht erhöht außerdem das Risiko falsch-positiver Ergebnisse und belastet die vorhandene Testkapazität. Daher ‘Testen, Testen, Testen – aber gezielt!‘“
Schnelltests zum qualitativen Nachweis von Antikörpern – IgG, IgM –gegen SARS-CoV-2-Antigen in den sogenannten Lateral-Flow-Assay-Formaten werden kommerziell angeboten. Die WHO empfiehlt den Einsatz von immunologisch-diagnostischen Schnelltests derzeit nur im Kontext von Forschungsprojekten.
Was wir daraus schließen können, ist eines: Wir können den Fakten durch politische Forderungen nicht entkommen. Und wir dürfen die Menschen nicht durch noch nicht zuverlässige Tests in eine fälschlicherweise angenommene Sicherheit entlassen. Es bleibt dabei: Die Einhaltung einfacher Regeln – Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen – ist Grundvoraussetzung, um all das, was wir uns als Politiker vorgenommen haben, am Ende auch zu verwirklichen.
Ich füge mal eine neue Regel hinzu: Nicht jede Feier, die man sich für diesen Herbst und für das kommende Frühjahr vorgenommen hat, ist so wichtig, dass man sie nicht auch noch verschieben könnte.
Laut einer Umfrage steht die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung hinter den staatlichen Coronamaßnahmen. 69 % der Befragten halten das Vorgehen laut ZDF-Politbarometer für richtig. Fast jeder Fünfte wünscht sich sogar noch weitergehende Maßnahmen. Lediglich 11 % halten die Schutzbestimmungen für übertrieben.
Entsprechend schlecht fiel die Beurteilung der in jüngerer Zeit verstärkt auftretenden Proteste gegen die Coronamaßnahmen aus. Nur 14 % finden die Proteste gut, 83 % nicht gut.
Ich habe die herzliche Bitte, meine Damen und Herren: Lassen Sie uns weniger über die 14 % reden als viel mehr über die 83 %. Ich finde, das haben gerade diejenigen verdient, die mit uns versuchen, diese Krise zu bewältigen, und nicht diejenigen, die gegen uns arbeiten.
Es ist richtig und notwendig, über Gefahren für unsere persönliche Gesundheit, die Überlastung des Gesundheitssystems oder Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu reden und zu berichten. Aber lassen Sie uns auch mehr über Chancen reden, über den notwendigen Mut, diese Chancen zu nutzen, und über Menschen, die Mut und Vertrauen besitzen, diese Krise zu meistern.