Protokoll der Sitzung vom 27.09.2020

Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Kollege Laumann: Auch der Umkehrschluss funktioniert leider nicht. Man kann sowohl vom Rechnungshof kritisiert werden als auch alles falsch machen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das beweisen Sie mit diesem Haushalt nicht zum ersten Mal.

Ich möchte Ihnen ein Zitat aus Ihrer Zeit als Oppositionsführer vorlesen, Herr Ministerpräsident Laschet, das Sie hier vorgetragen haben:

„… keine neuen Schulden und eine Eindrittellösung bei den Steuermehreinnahmen. Das bedeutet Schuldenabbau, Investitionen und Entlastungen der Bürger.“

Vom letzten rot-grünen Haushalt 2017 bis zum Haushalt 2019 stiegen die Steuereinnahmen um 6 Milliarden Euro. Das würde bedeuten, dass 2 Milliarden Euro Schuldenabbau, 2 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen und 2 Milliarden Euro zusätzliche Entlastung bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen sein sollen. Was ist davon übrig geblieben? – Nichts.

Ende 2019 war der Schuldenstand ganze 100 Millionen Euro und nicht 2 Milliarden Euro niedriger. Wo ist die versprochene Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger?

Nehmen wir die Grunderwerbsteuer. Sie haben versprochen, die Grunderwerbsteuer zu reformieren. Von 2017 bis 2019 sind die Einnahmen sogar um eine halbe Milliarde Euro jährlich gestiegen. Selbst für das Jahr 2021 haben Sie Rekordeinnahmen von 4 Milliarden Euro geplant. Sie hätten also um mehrere Milliarden Euro entlasten können. Aber nicht eine Familie ist um einen Cent entlastet worden.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Hen- ning Höne [FDP])

Am schwersten wiegt jedoch, dass Sie nicht oder falsch investieren. Wir haben Sie im Jahr 2018 aufgefordert, einen Zukunftsfonds „Infrastruktur“ vorzulegen, um den milliardenschweren Sanierungsstau abzubauen. Wenn Sie das umgesetzt hätten, anstatt mit Bilanztricks zu arbeiten, wie es jetzt der Finanzminister macht – mit einem Griff in die Allgemeine Rücklage schönt er seinen Haushalt und veruntreut das Geld, das eigentlich für den Rettungsschirm zur Verfügung steht –, hätten wir besser sanierte Krankenhäuser, besser sanierte Schulen und einen anderen Zustand bei der Digitalisierung. All das haben Sie nicht gemacht, das haben Sie abgelehnt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was machen Sie stattdessen? Schauen wir doch einmal in den Haushalt. Das Angebot von Herrn Löttgen nehme ich gerne an; denn Sie haben ja das Zitat bewusst manipuliert und verdreht.

Frau Kollegin Düker hat darauf hingewiesen, dass die Investitionsquote gerade mal von 10,2 % auf 10,3 % angestiegen ist, und zwar nicht, weil sie das für schädlich hält, sondern weil sie das für viel zu gering hält. Das war eine bewusste Verdrehung der Tatsachen, Herr Kollege Löttgen. Ich will das mit klaren Zahlen aus dem Haushalt belegen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Statt in die Zukunft zu investieren, kürzen Sie sogar. Sie kürzen 20 Millionen Euro bei der Energie- und Klimapolitik. Die Energie- und Klimafördermittel werden um 35 Millionen Euro gekürzt. Fördermittel für eine klimaneutrale Industrie der Zukunft werden komplett gestrichen. Genau das Gleiche passiert mit den Mitteln für urbane Energielösungen, die Sie angeblich voranbringen wollen. Was ist das für ein fatales Signal für eine klimagerechte Investitionspolitik in Nordrhein-Westfalen?

Wir schlagen Ihnen vor: Wir brauchen für die Kommunen eine verlässliche und substanzielle Unterstützung der Landesregierung für Investitionen in Klimaschutz und Klimafolgenanpassung.

Wir schlagen Ihnen vor, über zehn Jahre 500 Millionen Euro für die Nutzung erneuerbarer Energien und für Konjunkturimpulse in diesem Land auszugeben.

Wir schlagen Ihnen vor, Arbeitsplätze mit diesem Geld zu schaffen.

Wir schlagen Ihnen ferner vor, das Personal für diese Strukturen auszustatten, genauso wie SchleswigHolstein, Baden-Württemberg und andere Bundesländer es gemacht haben.

Sie lassen die Potenziale des Klimaschutzes hier in Nordrhein-Westfalen leider auf der Straße liegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Anstatt in die Dächer zu investieren und Photovoltaikanlagen darauf zu bauen, wie wir es Ihnen vorgeschlagen haben, haben Sie gerade mal eine einzige Photovoltaikanlage initiiert. Hier wird echtes Geld, das vom Bund bereitgestellt wird, das dem Klimaschutz nutzt, das für die Zukunft von Nordrhein-Westfalen wichtig wäre, nicht ausgegeben. Leider wird dadurch auch die Klimabilanz massiv verschlechtert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Im Rahmen der Coronakrise im Frühjahr und im Sommer hat sich das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung massiv verändert. Es hat mehr Homeoffice gegeben, weniger Präsenzsitzungen. Dadurch wurden Dienstfahrten und viele andere Fahrten überflüssig.

Das Fahrrad erlebte einen fulminanten Zuspruch. Allerdings wurden diese Chancen von der Landesregierung nicht genutzt.

Wir brauchen jetzt einen Ausbau der Fahrradwege. Wir brauchen einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Wir brauchen einen Umbau hin zu klima- und menschengerechten Städten. Das nutzt nicht nur dem Klima, sondern auch den Menschen. Sie haben mehr Platz zum Leben, mehr Platz für die Gestaltung und mehr Platz für eine klimagerechte Verkehrspolitik.

(Beifall von den GRÜNEN)

In Großstädten werden immerhin 30 % der Treibhausgase vom Verkehr emittiert, insgesamt sind es 20 %. Was macht der Verkehrshaushalt? – Auch hier werden weiterhin falsche Prioritäten gesetzt; ich komme gleich zum Radwegeausbau.

Ja, es ist mehr Geld im Haushalt, aber in den vergangenen Jahren wurde dieses Geld nie verausgabt. Sie setzen weiterhin auf den Ausbau von Landesstraßen. Allein der umstrittene und überflüssige Ausbau der A3 von sechs auf acht Spuren kostet 59 Millionen Euro.

(Henning Höne [FDP]: Was ist daran überflüs- sig?)

Das ist mehr als für sämtliche Radwegeinvestitionen in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung steht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir werden morgen einen Antrag der Grünenfraktion zur Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans diskutieren. Ich kann Ihnen nur sagen: Wer heute noch der Meinung ist, dass man so monströse Autobahnbauten wie die A52 durch Essen mit 1 Milliarde Euro Kosten planen kann, wer gleichzeitig nicht in der Lage ist, den öffentlichen Nahverkehr oder auch das Schienenprogramm des Bundes zu finanzieren, der setzt die falschen Prioritäten. Wir brauchen hier eine Umkehr. Wir brauchen einen starken öffentlichen Nahverkehr, starke Radwege und eine ganz neue Mobilität.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt könnte man ja davon ausgehen, dass auch an anderer Stelle der Rotstift angelegt worden ist. Der Kollege Kutschaty hat darauf hingewiesen, dass das mitnichten so ist. Nach meiner Rechnung sind es sogar 812 Stellen – aber vielleicht müssen wir noch einmal nachsehen, die Zahlen liegen ja nicht so weit auseinander –, die sich Herr Laschet und die Ministerien zusätzlich in den letzten Jahren genehmigt haben. Bei dem, was die Landesregierung hier vorlegt, kann ich nur sagen: von Bescheidenheit und Rückkehr überhaupt keine Spur

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt bietet keine Perspektive für eine Reform in NordrheinWestfalen. Er bietet nicht die Umkehr hin zu einer klimagerechten Bewältigung der Krise, sondern nur zögerliche Ansatzpunkte, was die Bekämpfung der Pandemie betrifft.

Deswegen werden wir die Haushaltsberatungen natürlich zum Anlass nehmen und eigene Vorschläge unterbreiten. Wir werden in den Haushaltsberatungen klarmachen, dass es eine Alternative zu diesem Haushalt gibt, der rückwärtsgewandt ist, der Mittelmaß ist, sozusagen das Maß der Mitte.

Wir Grüne werden deutlich machen: Das Land Nordrhein-Westfalen hat mehr verdient. Wir brauchen starke Kommunen, einen starken Klimaschutz und einen sozialen Zusammenhalt, der diesen Namen auch verdient. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Rasche.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, lieber Kollege Mostofizadeh, das war gerade ein richtiges Feuerwerk. Ich habe mich an Ihre Bundesvorsitzenden erinnert gefühlt. Die sind auch immer sehr oberflächlich in ihren Aussagen. Damit mag man in der Oppositionsrolle erfolgreich sein. Aber immer dann, wenn es in eine mögliche Regierungsverantwortung mündet – das haben wir hier von 2010 bis 2017 gesehen –, endet es bei Wahlen in einem Desaster für die Grünen, weil bei Ihnen nämlich die Doppelmoral immer eine Rolle spielt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Begonnen haben Sie am Rednerpult wie in den vergangenen Monaten. Ich habe mich gefragt: Ist die Kommunalwahl in Essen noch nicht zu Ende? Geht der Wahlkampf um das Oberbürgermeisteramt in Essen immer noch weiter?

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Denn letztendlich ging es bei Ihnen nur um Finanzen, die für die kommunale Familie angeblich miserabel seien. Bodo Löttgen hat eben allerdings sehr deutlich dargestellt, dass sich diese auf Rekordhöhe befinden und dass es den Kommunen noch nie so gut ging wie jetzt unter CDU und FDP; ich komme gleich noch einmal darauf zurück.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ein dritter Punkt war bei der Rede des Kollegen bemerkenswert. Es gab nach der Rede Beifall ausschließlich aus den Reihen der Grünen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Ja, immerhin!)

Ich kann mich hier an viele Jahre erinnern – auch in Oppositionszeiten –, in denen die Grünen noch in der Lage waren, ihren früheren Koalitionspartner SPD zu überzeugen. Anscheinend ist diese Überzeugungskraft völlig abhandengekommen. Mauern bauen sich auf zwischen diesen beiden Oppositionsbänken.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Ja, so ist das, Herr Klocke.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Mauern bauen sich auf? Das darf doch nicht wahr sein!)