Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Philipp. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Höne.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD-Fraktion beantragt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Coronapandemie. Herr Kollege Vincentz, ich glaube, das Ziel, das Sie eben beschrieben haben, ist nicht Ihr eigentliches Ziel. Ihr Ziel ist es vielmehr, wie die Kollegin Philipp schon sagte, stattzufinden. Ihr Ziel ist Zuspruch aus der entsprechenden Blase bzw. – so möchte ich es einmal formulieren – aus den dubiosen Dunstkreisen.

Das zeigt sich anhand der einen oder anderen Quelle und Einschätzung der sogenannten Experten, die Sie in Ihrem Antrag zitieren. Dabei handelt es sich

oftmals nicht um diejenigen, die in den Fachmagazinen zitiert werden, sondern um solche, die eher dort auftreten, von wo die von Ihnen eben auch angesprochenen Verschwörungstheorien stammen.

Völlig unstrittig ist, dass uns die Coronapandemie und der Umgang damit weit über die akute Krisenbewältigung hinaus beschäftigen werden, natürlich auch wegen einer notwendigen Analyse. Diese Analyse führt man aber nicht mitten in der Pandemie durch, sondern im Nachgang; denn nur dann kann man sich wirklich ein abgeschlossenes Bild machen.

Wir beschäftigen uns ohnehin in den Fachausschüssen mit den aktuellen Themen und werden übrigens auch das nordrhein-westfälische Pandemiegesetz evaluieren müssen, da es Ende März ausläuft und wir als Gesetzgeber der Landesregierung eine Evaluation aufgetragen haben. Das Thema bleibt daher so oder so präsent. Einen PUA braucht es zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Im Gegenteil: Er würde nichts bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sich aktuell in seinen Rechten beschnitten sieht – schließlich greifen die Coronaschutzmaßnahmen in der Tat in Freiheitsrechte unseres Alltags und in Grundrechte ein; da muss man sehr vorsichtig sein –, dem steht der Weg zu den Gerichten offen und nicht zu einem PUA. Dieser Weg wird auch genutzt – so weit, so normal in einem Rechtsstaat.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Am 12. März zum Beispiel hat das Verwaltungsgericht Minden einen Eilantrag gegen die Untersagung einer Veranstaltung abgelehnt und die drohenden Gefahren für die Allgemeinheit höher bewertet als das wirtschaftliche Interesse des Veranstalters. Am 23. März hat das Verwaltungsgericht Aachen vorübergehende Betriebsschließungen gerichtlich bestätigt.

Es gab – und das will ich hier auch in aller Offenheit sagen – aber auch andere Entscheidungen. Am 06.07. ging es vor dem OVG um einen Eilantrag gegen den Lockdown. Die Maßnahmen waren laut Gericht rechtens, die Verlängerung in Gänze jedoch nicht mehr verhältnismäßig. Am 21.08. hat sich das Verwaltungsgericht Münster mit Abiturfeiern beschäftigt und diese als herausragendes Ereignis ermöglicht. Also: Es gibt hier Möglichkeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich mit der Pandemie beschäftigt, rate ich uns dazu, noch einmal an den Beginn des Jahres zurückzudenken, und zwar an das Frühjahr. Zunächst muss man sich in der Fragestellung ehrlich machen. Die lautet nicht: Würde ich heute etwas anders machen? Denn ich hoffe, dass jeder mit einem Dreivierteljahr Abstand sagt: Ja, heute würde ich etwas anders machen. – Die korrekte Frage müsste vielmehr lauten: Würde

ich mit demselben Wissensstand von damals noch einmal etwas anders machen?

Da halte ich es mit unserem Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, der auf diese Frage gesagt hat, er habe kein schlechtes Gewissen. Nach menschlichem Ermessen waren die Schutzmaßnahmen in der damaligen Situation und mit dem damaligen Kenntnisstand sinnvoll, notwendig und richtig.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Herr Kollege Vincentz, es waren eben nicht nur die Bilder aus Italien oder aus New York, die sich eingebrannt haben. Das gehört zwar auch dazu, aber es gab ja auch wissenschaftliche Grundlagen. Ich denke zum Beispiel an eine gemeinsame Studie des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und des RKI, die bereits 2012 ein Bedrohungsszenario einer weltweiten Pandemie aufgezeigt

(Zuruf von Dr. Martin Vincentz [AfD])

und ganz konkret die Gefahr beschrieben hat, dass die Gesundheitsversorgung zusammenbricht.

Insofern sind wir rückblickend selbstverständlich schlauer. Die Politik hat in aller Öffentlichkeit jeden Tag dazugelernt, wie wir alle, und darum wurden und werden die Maßnahmen regelmäßig überprüft und angepasst. Das ist sachlich richtig, weil es sich um eine dynamische Lage handelt. Es ist aber auch juristisch notwendig, damit die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der aktuellen Situation stehen wir meiner Meinung nach vor der Herausforderung, vom akuten Krisenmanagement zu einem souveränen Risikomanagement überzugehen. Natürlich gehört die Abwägung unterschiedlicher Interessen dazu. Vorredner von mir haben das angesprochen. Gesundheit ist mehr, als nicht Corona zu haben. Zu einem gesunden Leben gehören Familie, Freunde, Bildung, eine wirtschaftliche Perspektive und vieles mehr.

Darum ist es richtig – und wir sind dafür dankbar–, dass die Landesregierung zum Beispiel eine Bildungsgarantie ausgesprochen hat, damit es in den Kitas und in den Schulen nicht zu einem neuen Lockdown kommt. Ich finde es richtig, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen schrittweise immer weiter geöffnet haben. Ich finde es richtig, dass wir öffnen und im Gegenzug versuchen, über eine konsequente Nachverfolgung Infektionsketten zu durchbrechen.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Ich bin vor allem dankbar, dass wir bislang vergleichsweise gut durch diese Pandemie gekommen sind. Das liegt sicherlich an den Maßnahmen, die ergriffen wurden, das liegt vor allem aber auch daran, dass sich die große Mehrheit der Menschen verantwortungsbewusst und rücksichtsvoll verhalten hat.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich insbesondere in Richtung der AfD-Fraktion sagen: Sie haben schlicht und ergreifend keinerlei Glaubwürdigkeit, wenn es um ein ehrliches Interesse an der Aufarbeitung von Krisen geht. Es war Ihr Vorsitzender der Bundestagsfraktion, Herr Gauland, der schon bei der Flüchtlingskrise von einem Geschenk für die AfD gesprochen hat.

Herr Lüth ist eben schon angesprochen worden, der in einem Gespräch mit Herrn Gauland gesagt hat:

(Zurufe von der AfD)

Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD. – Ich muss Ihnen widersprechen, Herr Vincentz: Herr Lüth ist ja nicht herausgeschmissen worden, weil er das gesagt hat und weil er so denkt; er ist herausgeschmissen worden, weil es an die Öffentlichkeit gekommen ist. Das ist der Unterschied.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Vier Fraktionen hier in diesem Haus eint das Ziel, dass es den Menschen in Deutschland besser gehen soll. Wir streiten über den richtigen Weg dorthin. Sie wollen, dass es Ihnen besser geht, und zwar dadurch, dass es den Menschen im Land schlecht geht.

(Beifall von Rainer Deppe [CDU])

Das führt zu einer relativ einfachen Analyse: Sie sind keine Alternative, Sie sind Anti-Demokraten, und Sie sind Anti-Patrioten. So einfach ist das in der Zusammenfassung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, die NRWKoalition wird die Pandemie weiterhin entschlossen bekämpfen. Wir laden alle ein, die sich daran konstruktiv beteiligen wollen. Wir handeln weiterhin entschlossen, halten aber Maß und Mitte dabei, in der Hoffnung und mit dem Ziel, dass es den Menschen in NRW besser geht. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP, der CDU und Sarah Phi- lipp [SPD])

Danke schön, Herr Höne. – Es gibt eine Kurzintervention, angemeldet von der AfD-Fraktion, und Herr Seifen wird sprechen. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Höne, bevor Sie zum Schluss gekommen sind, wollte ich meine Intervention noch mit den Worten einleiten: Sie sind ja relativ sachlich geblieben. – Aber die Verzweiflung darüber, dass Sie keine Argumente gegen unseren Antrag haben, hat Sie dann

doch wieder verleiten lassen, in so eine Schmutzkampagne überzugehen.

Aber zu Ihrer Rede: Sie sagen, der Antrag komme zu früh. – Ich kann mich erinnern, dass unsere Fraktion dreimal einen PUA für Lügde beantragt hat. Was haben die Parteien hier gesagt? – Sie haben ihn zurückgewiesen, bis das Elend dann deutlich wurde und Sie ihn selbst eingebracht haben. Hätten Sie eher gehandelt, hätten wir dieses Elend auch eher gesehen und bekämpfen können.

Zweitens. Für dieses laufende Verfahren muss ein PUA kommen; denn die freiheitlichen Einschränkungen der Menschen sind so gravierend, dieses angstschürende Verhalten von Ihnen und Ihren Parteien ist so gravierend, dass wir unbedingt in die Analyse einsteigen müssen. Unbedingt! Denn wenn wir kein Licht in das Dunkel bringen werden, werden Sie weiter diese unselige Politik machen.

Drittens. Es geht gar nicht darum, jemanden ans Kreuz zu nageln. Das war bei dem Schulze FöckingPUA so der Fall. Wir haben die redliche Absicht, für zukünftige Fälle, aber auch für den jetzigen Fall zu untersuchen, ob die Entscheidungsinstrumentarien im März verlässlich waren. Sie waren es offensichtlich nicht. Das werfen wir niemandem vor.

Herr Seifen.

Aber wir müssen es doch eruieren. Das ist unsere Pflicht, aber Sie kümmert das alles nicht.

(Beifall von der AfD)

Bitte schön, Herr Höne.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Seifen, Sie haben jetzt ganz unterschiedliche Themen miteinander verwoben, die so sehr viel nicht miteinander zu tun haben. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Die Frage, wer hier in diesem Land Angst schürt, wer Misstrauen sät, ist relativ leicht zu beantworten.

(Zuruf von der AfD)

Immer dann, wenn die Menschen Angst haben, immer dann, wenn Sie unsicher sind, werden Ränder gestärkt, immer dann, wenn das auch noch durchtrieben wird, wie es von Ihrer Partei mit so entlarvenden Aussagen geschieht. Mir ist schon klar, dass Ihnen das unangenehm ist. Ich sage Ihnen in dieser Fraktion ganz deutlich: Wer bis heute Mitglied in dieser Partei ist, macht sich mitschuldig und ist mitverantwortlich

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

für all diese rechtspopulistischen, fremdenfeindlichen, menschenfeindlichen Äußerungen.

(Beifall von der FDP und der CDU)