Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Die Projekte im BVWP und Landesstraßenbedarfsplan infrage zu stellen, heißt, sämtliche umfänglichen Prüfungen, die genau den verkehrlichen Bedarf analysiert und festgestellt wie auch die Belange der Umwelt berücksichtigt und abgewogen haben, auszuhebeln.

Die vorgelegten und kombinierten Zahlen sind oft nicht kongruent. So vergleichen Sie Lkw-Tonnenkilometer und Pkw-Verkehr, Sie vergleichen Äpfel mit Birnen; das hat noch nie funktioniert.

Die Mittelbereitstellung für Schiene und ÖPNV ist anders als dargestellt gewaltig. Dabei gehören Landes- und Bundesmittel – anders als Sie es suggerieren – natürlich zusammen.

1,8 Milliarden Euro gingen in diesem Jahr in den ÖPNV; das ist der Finanzrahmen, in dem wir uns bewegen. Da ist es höchst unseriös, so zu tun, als seien allein die Landesmittel relevant oder als sei da mehr zu holen. Das ist grundlegend falsch und irreführend.

Ähnlich sieht es beim Radwegeausbau aus. Die Mittel für den Radwegeausbau sind mit etwa 47 Millionen Euro wesentlich höher, als sie jemals zu Zeiten Ihrer Regierungsbeteiligung waren.

Das zeigt: Die Grünen sind groß in der Präsentation von schönen Utopien. An der Wirklichkeit sind sie

aber in der Vergangenheit gescheitert, und mit solchen Rezepten werden Sie auch in Zukunft scheitern. Exemplarisch für den Verkehrssektor sei hier die A49 in Hessen genannt, die von Ihrem grünen Verkehrsminister durchgesetzt wird.

Der Mobilitätsbedarf ist nach wie vor zahlenmäßig durch den motorisierten Individualverkehr geprägt; das kann eine vernünftige Verkehrspolitik nicht einfach ignorieren.

Stattdessen einfach einzufordern, die Verkehrsinfrastruktur von heute zu gestalten, indem sie zukünftig eventuell denkbare Alternativen zugrunde legt, ist fahrlässig und unverantwortlich.

Die zahllosen Betroffenen, die auf Ortsumgehungen warten und deren Gesundheit durch die Verkehrsbelastung beeinträchtigt ist, werden sich für diese grünen Rezepte bedanken. Ich will nur ein paar Beispiele aus meiner Heimat nennen:

Der Lückenschluss der A445, der eine signifikante Entlastung der Anwohner bedeutet, sowie die B63, die ebenfalls zur Entlastung von Ortskernen und zur wirtschaftlichen Entwicklung in strukturschwachen Gebieten beiträgt.

Wir brauchen auch weiterhin wichtige Ausbau- und Neubaumaßnahmen, gerade auch den Lückenschluss der A1 in der Eifel,

(Beifall von der CDU und Ralf Witzel [FDP])

weil hierdurch das Netzsystem deutlich verbessert wird, wobei es sich ehrlicherweise um nachholende Maßnahmen handelt, die lange verzögert wurden.

Der Antrag geht an der Realität vorbei und zwingt den Menschen eine autofeindliche grüne Verbotspolitik auf, hängt ländliche Gebiete ab und leistet einen Beitrag zur Deindustrialisierung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir wollen Klimaziele durch Innovation und Fortschritt erreichen, etwa durch die gezielte Förderung der E-Mobilität, die unser Wirtschaftsminister mustergültig voranbringt, aber auch – und da sind wir uns als Liberale wie als Christdemokraten bei aller Technologieoffenheit einig – mit dem Einsatz synthetischer Kraftstoffe oder Wasserstoff.

Die Redezeit.

Das sind unsere Rezepte für die Zukunft. Ihre Rezepte führen in die Sackgasse; das können wir gerne im Verkehrsausschuss vertiefen. Der Überweisung an selbigen stimmen wir selbstverständlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Reuter. – Sie haben bemerkt: Auch bei Ihnen wurde eine Kurzintervention beantragt, ebenfalls von Herrn Kollegen Klocke von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Ich mache es jetzt schneller als eben. – Herr Kollege, zwei Sachen möchte ich Ihnen gerne mit auf den Weg geben bzw. hätte von Ihnen dazu eine Stellungnahme.

Vielleicht erinnern Sie sich, obwohl Sie persönlich nicht dabei waren, aber Ihre Fraktion war schon zwischen 2005 und 2010 an der Landesregierung beteiligt. Als wir 2010 die Landesregierung übernommen haben, lag der Etat für den Ausbau von Radwegen an Landesstraßen bei 3 Millionen Euro. Insgesamt betrug der Nahmobilitätsetat ca. 9 Millionen Euro. Wir haben deutlich aufgestockt. Heute ist es noch mehr; ich habe das eben entsprechend gelobt.

Sie waren fünf Jahre in der Landesregierung. Die CDU hat zwei Verkehrsminister in der Zeit gestellt, und wir sind mit 3 Millionen Euro herausgekommen. Das war auch NRW-Politik, und das ist keine Jahrhunderte, sondern gerade einmal zehn Jahre her. Das ist der eine Punkt.

Weil Sie uns gerade hier als Partei der Vergangenheit bezeichnet haben: Das Schwerpunktthema bei der Kommunalwahl war nach allen WDR-Städteumfragen die Verkehrspolitik. Wir Grünen haben von 6 % auf 20 % zugelegt, und die FDP ist mit 5 % nach Hause gegangen.

Wenn wir die Kraft der Vergangenheit wären, hätten sich die Wählerinnen und Wähler das bei der Kommunalwahl im September aber komplett anders entschieden.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Klocke. – Herr Kollege Reuter, Sie haben jetzt Gelegenheit, zu erwidern.

Vielen Dank, Herr Klocke. – Es ist sicherlich richtig: Bei der Vergangenheitsbewältigung bin ich ein wenig außen vor, weil mir die Zahlen ehrlicherweise nicht vorliegen; ich unterstelle, dass Sie mir die richtigen genannt haben.

Aufgrund meiner kommunalen Arbeit in Hamm kann ich Ihnen allerdings genau sagen, dass im Rat eher die FDP die treibende Kraft war, was Verkehrs- und gerade auch Fahrradthemen anging. Ihre Kollegen hielten sich in diesem Bereich etwas bedeckt.

Insofern meine ich, dass das eine Lehrstunde in kommunaler Politik war, denn in Hamm haben Ihre

Kollegen den Landesschnitt deutlich verpasst – um nicht zu sagen: unheimlich gerissen: Sie lagen nur bei etwa 12 %.

Klar haben sich die Kollegen gesteigert. Wir haben das auch getan, wenn auch nicht in dem Maße. Insofern können Sie beruhigt sein. Zumindest in vielen Fällen hat auch die FDP schon verstanden, wie Verkehrspolitik funktionieren kann.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Reuter. – Für die AfD-Fraktion hat Herr Kollege Vogel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 7,2 Millionen Menschen fahren jeden Morgen und jeden Abend in unserem wunderschönen Bundesland mit dem Pkw oder mit dem Bus zur Arbeit. Ich glaube, ich lehne mich gar nicht so weit aus dem Fenster, wenn ich annehme, dass alle 7,2 Millionen Menschen der Meinung sind, es wäre schön, mal etwas weniger im Stau zu stehen, ein bisschen mehr Lebensqualität zurückzuerhalten, etwas mehr Lebenszeit.

Es ist ja nicht so, dass wir hier nur noch Straßen bauen. Es ist so, dass die Mittel, die eingesetzt werden, zu über 80 % dazu eingesetzt werden, unsere Straßensysteme zu ertüchtigen und zu sanieren. Neubauten bis auf die Lückenschlüsse und kleinere Projekte sind doch gar nicht mehr in der Pipeline.

Aber jetzt warten wir alle schon seit so vielen Jahrzehnten, dass sich endlich mal die Stausituation in unserem Bundesland ein bisschen ändert. Die Leute haben endlich wieder Hoffnung, weil – das muss ich neidlos zugeben – jetzt weitaus mehr Mittel in die Hand genommen werden als von der alten Landesregierung.

Es passiert schon mal etwas, auch wenn das bei dem Sanierungsstau, den wir uns die letzten Jahrzehnte aufgebaut haben, wirklich eine Herkulesaufgabe ist. Ich bin nicht mal der Meinung, dass wir alle Projekte in der Zeit realisieren können, beispielsweise die im Bundesverkehrswegeplan 2030, aber es wird jetzt wenigstens mal begonnen.

Dann kommt so ein Antrag der Grünen: Alles, jedes Projekt, bei dem noch nicht einmal ein Bagger losgelegt hat, wo noch nicht einmal ein Bauhelm zu sehen ist, packen wir jetzt erst mal auf Eis, das blockieren wir. Da wollen wir erst mal ein Moratorium einrichten, um noch einmal zu überprüfen, ob das denn zeitgemäß ist. – Denn die Grünen wissen, dass die gesamte Bevölkerung, wahrscheinlich inklusive der 7,2 Millionen Berufspendler, jetzt alle ausschließlich auf das Fahrrad umsteigen wollen.

Auch sonst finde ich, dass Sie in Ihrem Antrag ein bisschen unseriös arbeiten. Wie Sie gerade eben wiederholt haben und wie in Ihrem Antrag steht, sind nur zehn der neuen Ingenieure von 6.000 Mitarbeitern bei Straßen.NRW für die Radwege eingeplant worden. Das hört sich ganz schön mickrig an. Wenn man aber weiß – das wissen Sie auch, Herr Klocke –, dass es 32 neue Ingenieurstellen gibt, dann hört sich die Zahl zehn schon mal ganz anders an.

Was ich ganz interessant finde, ist, dass Sie in Ihrem Antrag immer wieder CO2 bringen. Das bin ich ja gewohnt. Ich sage dazu: Nicht weniger Straßen heißt weniger CO2, sondern weniger Stau heißt weniger CO2.

Aber wirklich interessant finde ist, dass Sie hier mit Versiegelung anfangen. Wenn wir uns Ihr Lieblingsprojekt „Aufbruch Fahrrad“ bis 2030 ansehen, dann haben wir es hier mit 14 Millionen m2 Versiegelungen zu tun. Die ganzen 4 m breiten Fahrradwege mit 2,5 m Fußweg noch nebenbei, sind 2.000 Fußballfelder. So etwas könnte man auch mal erwähnen.

Mit anderen Worten: Dieser Antrag ist nicht nur wirr, er ist nicht nur nicht durchdacht und nicht praktikabel, er ist komplett ideologisch aufgebaut – wie wir eben schon gehört haben, Klientelpolitik –, und er ist auch noch ganz schön gefährlich. Denn die Kids am Freitag glauben Ihnen das auch noch.

Inhaltlich werden wir Ihren Antrag natürlich ablehnen. Aber wir freuen uns auf die Beratungen im Ausschuss. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Vogel. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Wüst.

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein besonderer Gruß auch von mir an den gewählten Bürgermeister Arne Moritz. Ganz herzlichen Dank für ein immer gutes freundschaftliches Miteinander und für deine Impulse, dein Engagement in der Verkehrspolitik!

Es ist eben seitens des Redners der Sozialdemokratie über Frustration gesprochen worden. Das haben wir in der Zusammenarbeit nie gesehen. Ich freue mich, dass ich einen Bürgermeister als Ansprechpartner für bessere Mobilität in Lippstadt und drumherum habe, der mit konstruktiven, mit guten und mit positiven Gedanken an Mobilität und auch sonst an viele Themen seiner Stadt gehen wird.

Das ist ein Kontrast zu dem heute vorliegenden Antrag. Denn die Grünen haben auf gut vier Seiten aufgeschrieben, wogegen sie sind. Vier Seiten dagegen, dagegen, dagegen, dagegen – gegen das Auto,

gegen den Individualverkehr, gegen die Straße, immer und immer wieder dagegen.