Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

auch in einem neuen, klimaneutralen und klimafreundlichen Energiesystem erhalten werden kann.

Der Leitentscheidungsentwurf fordert daher auf, die Chancen im Ausbau der Speicherung und intelligenten Vernetzung der erneuerbaren Energien unter anderem auf den Tagebauflächen durch PV-Anlagen, auf den Böschungen und in den Tagebauseen in den Blick zu nehmen und die aus der WSB-Kommission heraus entwickelte Idee eines erneuerbaren GigawattParks für das Rheinische Revier zu realisieren.

Das Rheinische Revier soll sich aus Sicht der Landesregierung auch zu einer Modellregion für Mobilitätslösungen der Zukunft entwickeln. Mögliche Bausteine können innovative Lösungen wie zum Beispiel On-Demand-Verkehre, automatisiertes Fahren und flächendeckender Einsatz hochautomatisierter Shuttles im öffentlichen Personennahverkehr sein.

Schließlich ist auch die besondere Funktion der Landwirtschaft und der für die Landwirtschaft nutzbaren Böden für diesen Raum sehr wichtig, meine Damen und Herren. Die Wiederherstellung hochwertiger, landwirtschaftlich nutzbarer Böden, wie sie in dem Gebiet auch schon vor dem Braunkohleabbau vorlagen, stellt die nachhaltige Basis für spätere, geplante Nutzungen dar.

Mit dem zweiten Kapitel der Leitentscheidung setzt die Landesregierung den grundlegenden Rahmen für die Verkleinerung der Tagebaue.

Gesetzliche Grundlage dafür ist das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz, KVBG, des Bundes. Das Gesetz legt unter anderem das Abschlussdatum der Braunkohleverstromung im Jahr 2038 fest. Darüber hinaus sind Revisionszeitpunkte vorgesehen, bei denen der Zeitpunkt für den Kohleausstieg überprüft wird – mit dem Ziel, möglichst bereits 2035 aus der Kohleverstromung aussteigen zu können.

Dies greift der Entwurf der Leitentscheidung auf. Maßgeblich ist das insbesondere für den Tagebau Garzweiler, da dies der einzige Tagebau ist, der nach 2030 hier in Nordrhein-Westfalen noch im aktiven Betrieb sein wird.

Bundestag und Bundesrat haben in § 48 des neuen KVBG beschlossen – ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren –:

„Die energiepolitische und energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf zur Gewährleistung einer sicheren und zuverlässigen Energieversorgung wird für den Tagebau Garzweiler II in den Grenzen der Leitentscheidung der Landesregierung von NordrheinWestfalen zur Zukunft des Rheinischen Braunkohlereviers/Garzweiler II vom 5. Juli 2016 festgestellt.“

Diese Feststellung des Bundesgesetzgebers ist in Verbindung mit dem bundesgesetzlich festgelegten

Zeitpunkt des Kohleausstiegs in 2038, frühestens bereits in 2035, für die weitere Planung durch das Land Nordrhein-Westfalen zugrunde zu legen.

In der neuen Braunkohleplanung für den Tagebau Garzweiler wird daher auch ein Ausstieg aus der Kohleverstromung bereits in 2035 planerisch mitzudenken sein, wie es die Revisionszeitpunkte des KVBG des Bundes fordern.

Der vorliegende Entwurf der Leitentscheidung gibt vor, dass die Tagebauführung in Garzweiler – das ist unsere Setzung als Landesregierung – in Ausfüllung der bundesgesetzlichen Vorgaben zeitlich vorrangig zunächst auf unbewohnte Ortschaften im Süden des Tagebaus, Immerath und Lützerath, ausgerichtet werden soll.

Das bedeutet zwar, dass die in Erkelenz noch laufenden Umsiedelungen fortgeführt werden müssen. Die Leitentscheidung der Landesregierung kommt aber einem ausdrücklichen Wunsch der Bewohnerinnen und Bewohner insbesondere aus Keyenberg nach und nimmt damit den zeitlichen Druck für die Betroffenen aus dem aktuellen Umsiedelungsverfahren heraus.

Die im Kohleausstiegsgesetz gegebenen Möglichkeiten für räumliche Konkretisierungen des Tagebaus Garzweiler II nutzt die Landesregierung im Rahmen ihrer Leitentscheidung.

Wir kommen dem berechtigten Wunsch der Anwohnerinnen und Anwohner nach einem besseren Schutz vor den tagebaubedingten Immissionen nach, indem wir geplante Abstände der Abbaugrenzen des Tagebaus gegenüber den Ortsrändern von heute zwischen 100 und 300 m auf mindestens 400 m vergrößern, bei einem vorgezogenen Kohleausstieg in 2035 auf mindestens 500 m, wie es sich die Anrainerkommunen schon immer gewünscht haben, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Schließlich ist im Zusammenhang mit der Unterbrechung der Bundesautobahn 61 in der Leitentscheidung festgelegt, eine leistungsfähige Verbindung zwischen den Anschlussstellen MönchengladbachWanlo und Titz-Jackerath einzuplanen. Diese soll zugleich den Ansprüchen an eine qualitativ hochwertige, landschaftsorientierte Erholung im Bereich des künftigen Restsees gerecht werden.

Im Bereich des Tagebaus Hambach hat die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission bereits erklärt, dass der Erhalt des Hambacher Forstes wünschenswert ist.

Diesem im Rahmen des gesamtgesellschaftlichen Kompromisses festgehaltenen Wunsch der Kohlekommission kommt die Landesregierung in ihrer Leitentscheidung nach. Danach sollen nicht nur der Hambacher Forst, sondern auch der benachbarte

Merzenicher Erbwald sowie das Waldgebiet westlich des FFH-Gebietes Steinheide durch den Tagebau Hambach nicht mehr in Anspruch genommen werden.

Weiter haben wir als Ziel formuliert, die genannten Waldbereiche so zu vernetzen, dass die Waldfunktionen des Hambacher Forstes entwickelt und gesichert werden. Ich füge hier hinzu: Diese Vernetzung der Wälder und deren gedeihliche Entwicklung könnten auch dadurch befördert werden, dass die unrechtmäßig dort errichteten Baumhäuser jetzt endlich geräumt würden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aufgrund der deutlichen Verkleinerung des Hambacher Tagebaus muss auch die Ortschaft Morschenich nicht in Anspruch genommen werden und ist im Dialog mit den Umsiedlerinnen und Umsiedlern zu einer neuen, guten Entwicklung zu bringen. Dazu führe ich gleich noch aus.

Schließlich noch zum Tagebau Inden: Dieser Tagebau soll, wie geplant, bis zum Ende der Kohleverstromung im Kraftwerk Weisweiler im Jahr 2029 fortgeführt und dann rekultiviert werden. Da hier kaum Veränderungen zu erwarten sind, bleiben auch die Rekultivierungsziele für den Tagebau Inden absehbar realisierbar.

Gleichwohl ist auch in diesem Tagebau eine besondere Sorgfalt auf das nun folgende dritte Thema dieser Leitentscheidung zu legen: das Wasser.

Für die Gewinnung von Braunkohle erfolgt im Rheinischen Braunkohlerevier seit Jahrzehnten ein weit und tief gehender Eingriff in den Wasserhaushalt. Zentrales Thema in der Wiedernutzbarmachung und abschließenden Rekultivierung der Tagebauflächen ist daher das Wasser. Zahlreiche Oberflächengewässer in der Region sind infolge der Absenkung des Grundwassers oder durch die Einleitung von Kühl- und Sümpfungswasser erheblich beeinflusst. Auch bedeutsame Feuchtgebiete im weiteren Umfeld der Tagebaue sind aufgrund der Absenkung des Grundwassers auf wasserwirtschaftliche Gegenmaßnahmen angewiesen. So ist die Wasserversorgung rund um die Tagebaue besonders sorgsam wiederherzustellen.

Nach dem Ende des aktiven Tagebaus muss das gleiche hohe wasserwirtschaftliche Schutzniveau bestehen wie zuvor. Das gilt insbesondere für unser Grundwasser und die Trinkwassergewinnung.

Auch ist sicherzustellen, dass bei anhaltenden Niedrigwasserereignissen die Feuchtgebiete und die Oberflächengewässer mit ausreichenden Wassermengen versorgt werden können.

Ein großes Thema wird daher die Befüllung der Tagebaurestseen sein. In der Leitentscheidung haben

wir festgelegt, dass diese auf einen Zeitraum von möglichst 40 Jahren nach Ende der Braunkohleförderung im Tagebau ausgerichtet werden soll. Um diese Ziele zu erreichen, wird die Heranführung von Fremdwasser erforderlich sein. Deshalb sollen für die Tagebaue Hambach und Garzweiler die Zuleitung von Rheinwasser und für den Restsee Inden die Befüllung aus der Rur erfolgen.

Lassen Sie mich zum vierten Kapitel unserer Leitentscheidung kommen. Dieses widmet sich dem Thema „Umsiedlung“. Hier sind die bereits erwähnten Umsiedlungen der Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich und Unterwestrich in der Stadt Erkelenz angesprochen. Aktuell haben dort rund 80 % der Menschen auf der Grundlage der von der rot-grünen Landesregierung im Jahr 2016 getroffenen Leitentscheidung ihre Umsiedlung mit dem Unternehmen verbindlich vereinbart. Mehr als die Hälfte sind bereits umgesiedelt.

Entscheidend für uns ist, dass auch diese Umsiedlung insgesamt so umzusetzen ist, dass den Belangen der Menschen, wo immer möglich, Rechnung getragen wird und sozialverträgliche Lösungen gefunden werden. Genau das ist der Auftrag der WSBKommission, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit der Leitentscheidung und dem Weg der Abraumplanung nicht von Nord nach Süd, sondern von Süd nach Nord soll sichergestellt werden, dass auch in diesem letzten Umsiedlungsverfahren ein sozialverträglicher Weg mit der nötigen zeitlichen Ruhe für die Beteiligten gefunden werden kann.

Durch diese Vorgabe stellen wir sicher, dass der Abbau im Tagebau Garzweiler zunächst im Süden unter den bereits vollständig oder fast vollständig umgesiedelten Dörfern Immerath und Lützerath fortzusetzen ist.

Eine Inanspruchnahme unter den nördlichen Dörfern im Tagebau Garzweiler steht so erst in einigen Jahren an und gibt dieser nördlichen Umsiedlung die erforderliche Zeit für gute Lösungen im Interesse der einzelnen Betroffenen. Dazu gehören auch ein lebenswertes Umfeld im Umsiedlungsort und die entsprechende Rücksichtnahme des Bergbautreibenden in Bezug auf den Abriss von Häusern oder sonstige belastende Maßnahmen in diesen Umsiedlungsdörfern.

Im Rahmen der Ausführungen zum Tagebau Hambach hatte ich schon den Ort Morschenich, der nicht mehr vom Tagebau in Anspruch genommen wird, erwähnt. Dieser Ort ist fast vollständig umgesiedelt. Der Landesregierung ist es daher wichtig, dass auch den wenigen noch dort lebenden Menschen eine Umsiedlung an den neuen Ort weiter möglich bleibt. Sie verlieren ihren Status als Umsiedler nicht und

können an der gemeinsamen Umsiedlung nach NeuMorschenich weiterhin teilnehmen.

Zugleich gibt die Leitentscheidung die Aufgabe vor, für die Ortschaft Alt-Morschenich eine neue Zukunftsperspektive zu entwickeln. Diese Zukunftsperspektive ist in Abstimmung mit den dort lebenden Menschen zu entwickeln. Im Ergebnis könnte so für diesen weitgehend umgesiedelten Ort ein Ort der Zukunft entstehen, der Teil der geplanten Internationalen Bau- und Technologieausstellung werden kann.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung legt mit diesem Entwurf der Leitentscheidung einen Vorschlag zur Umsetzung des Kohleausstiegsgesetzes im Rheinisches Revier vor. Aufgrund der vielen Gespräche während der Erarbeitung des Vorschlages sind wir überzeugt, dass dieser dem Rheinisches Revier insgesamt eine sehr gute Zukunftsperspektive eröffnet.

Der Vorschlag greift den Geist der Empfehlung der Kohlekommission, einen für alle Beteiligten guten Kompromiss zu erzielen, auf.

Der Vorschlag adressiert die Belange der betroffenen Menschen, egal ob Umsiedler oder Anwohner.

Er nimmt Bezug auf die Wirtschafts- und Strukturprogramme der Region und kann damit einen Beitrag zum Strukturwandel im Rheinisches Revier leisten.

Nicht zuletzt orientiert er sich an dem gesetzlich festgelegten Kohleausstieg und leistet damit einen Beitrag sowohl für den international vereinbarten Klimaschutz als auch für eine sichere Energieversorgung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie geht es jetzt weiter? Jetzt startet eine Onlineöffentlichkeitsbeteiligung zu dem Entwurf der Leitentscheidung. Bis zum 1. Dezember 2020 haben Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Verbände die Gelegenheit, uns ihre Meinung zu unserem Konzept mitzuteilen.

Auf zwei Veranstaltungen werden wir unser Konzept in der Region vorstellen und diskutieren. Sie werden am 15. Oktober 2020 in Erkelenz und am 29. Oktober 2020 in Kerpen stattfinden. Da die Teilnehmerzahl aufgrund der coronabedingten Abstands- und Hygieneregeln begrenzt ist, ermöglichen wir die Teilnahme auch auf digitalem Weg und werden die Diskussion live im Internet streamen. Auch online besteht die Möglichkeit, sich an diesen Diskussionsrunden zu beteiligen.

Wir werden uns mit den Anregungen aus dem Beteiligungsverfahren konstruktiv auseinandersetzen und diese im abschließenden Beschluss der Landesregierung zur neuen Leitentscheidung im Frühjahr des Jahres 2021 angemessen berücksichtigen.

Der Wandel im Rheinisches Revier, meine Damen und Herren, kann gelingen und bietet große Chancen für die Region, für unser Land Nordrhein-Westfalen. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Jahren eine positive Entwicklung in der Region sehen können und der Ausstieg aus der Kohleförderung mit einem Einstieg in nachhaltige Innovationen verbunden sein wird. Die neue Leitentscheidung der Landesregierung soll dazu einen Beitrag leisten. – Herzlichen Dank für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)