Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Deswegen finde ich, dass die Leistungen, die hier etwa über die Arbeitslosenversicherung zur Verfügung gestellt werden, die Leistungen, die zusätzlich über die Grundsicherung zur Verfügung gestellt werden, aber auch die enormen Kraftanstrengungen, die über die Haushalte von Bund und Ländern gestemmt werden, sprich über die Steuerzahler, ein wichtiges Zeichen der Solidarität sind, dass wir diejenigen, die besonders unter den Maßnahmen leiden, schlicht und ergreifend nicht im Stich lassen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen spüren wir in der Zeit dieser Pandemie auch, dass alte Grundwerte auch in dieser modernen Zeit eine große Bedeutung haben. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP] Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Ich eröffne damit die Aussprache und er- teile als erstem Redner für die Fraktion der SPD dem Fraktionsvorsitzenden Kutschaty das Wort. (Beifall von der SPD] Thomas Kutschaty*) (SPD]: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Coronakrise ist die Entwicklung eines Impfstoffes so etwas wie das Licht am Ende eines Tunnels. Seit Anfang dieser Woche sehen wir dieses Licht deutlich heller, als es noch vor einigen Wochen gewesen ist.

Das ist die erste wirklich gute Nachricht seit vielen Monaten. Diese gute Nachricht kommt aus Deutschland, und zwar aus Mainz. Sie kommt von einem jungen Pharmaunternehmen, dessen Gründer Özlem Türeci und Uğur Şahin heißen. Wir können stolz auf diese beiden Deutschen sein, auf ihre Unternehmertätigkeit, auf ihren Forscherdrang. Herzlichen Glückwunsch und Dank an die Gründer von BioNTech!

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Eines möchte ich an dieser Stelle auch sagen: Wir können froh sein, dass ihre Eltern vor Jahren als Einwanderer zu uns nach Deutschland gekommen sind.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs ist der Schlüssel zum Ende der Pandemie. Aber der Impfstoff steht eben noch nicht morgen zur Verfügung. Es wird noch Monate, wenn nicht sogar noch ein, zwei oder drei Jahre dauern, bis er in Millionenstärke zur Verfügung steht und die gesamte Bevölkerung durchgeimpft werden kann.

Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt eine Impfstrategie entwickeln, die vier Kriterien erfüllen muss: Sie muss wirksam sein, sie muss praktikabel sein, sie muss gerecht sein, und sie muss auch für jeden Menschen nachvollziehbar sein.

Bei den Kontaktbeschränkungen ist uns das in der Vergangenheit nicht immer gelungen. Aber bei der Impfstrategie muss es uns gelingen.

Die Frage, warum bestimmte Menschen demnächst eher als andere geimpft werden, darf nicht in einen gesellschaftlichen Konflikt münden.

Der Bund hat in Sachen „Impfstrategie“ bereits vorgelegt. Jetzt ist das Land am Zuge, eine landesweite Impfstrategie auf den Gegebenheiten in NordrheinWestfalen aufzubauen und diese umzusetzen.

Für den schnellen Aufbau einer effektiven Infrastruktur hat die Landesregierung die volle Unterstützung der SPD-Fraktion. Wir sind bereit, auch schwierige Entscheidungen mitzutragen, wenn Prioritäten gesetzt werden müssen, die nicht jedem gefallen werden.

Herr Laumann, Sie haben die Unterrichtung unter der Überschrift beantragt, dass Sie verantwortungsvoll und vorausschauend handeln wollen. Das ist ein guter Vorsatz, den ich ausdrücklich begrüße. Sollte es Ihnen gelingen, vorausschauend und verantwortungsvoll eine Strategie zu entwickeln, dann wäre das allerdings das erste Mal während dieser Pandemie. Bislang ist Ihnen das nämlich nicht gelungen.

(Beifall von der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle festhalten: Einen Plan, eine Strategie, wie das Virus während des Winters in Schach gehalten werden kann, hatte diese Landesregierung noch nie und hat sie auch heute nicht vorgelegt. Doch wir brauchen dringend eine solche Strategie. Die Infektionszahlen steigen. Die Intensivstationen laufen voll. Sie haben die Zahlen gerade selbst genannt.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Umgerechnet in Prozent, Herr Laumann, sind über 80 % der Betten und 83% der Beatmungsplätze belegt. Und die Zahlen werden weiter steigen. Wie wollen Sie diesen Engpass auflösen? Dazu haben Sie heute leider nichts gesagt. Das fehlte in Ihrer Darstellung.

(Beifall von der SPD – Minister Karl-Josef Laumann: Nein!] Ein Impfstoff ist aber auch noch kein Heilmittel. Auch das muss uns klar sein. Deswegen dürfen wir trotz der Freude über den jetzt bald wohl zur Verfügung stehenden Impfstoff nicht wieder in neue Locke- rungsdiskussionen und neuen Leichtsinn verfallen. Uns stehen schwere Monate bevor. Deswegen brau- chen wir eine Strategie, die uns bis zu jenem Tag im nächsten Jahr trägt, an dem der Impfstoff auch in Mil- lionenstärke zur Verfügung stehen wird. Leider ist diese Landesregierung seit Monaten nicht in der Lage, eine zwischen allen Ressorts abge- stimmte Anti-Corona-Strategie in Form einer Regie- rungserklärung vorzulegen. Das hat auch Gründe. Die Landesregierung war auf die zweite Welle der Pandemie nicht vorbereitet, weil Sie sich selbst nicht einig sind. Das haben wir hier vor zwei Wochen er- lebt. Die FDP-Fraktion trägt die Beschlüsse der eige- nen Regierung nicht mit. Fakt ist: Der Ministerpräsi- dent hat in der schlimmsten Pandemie seit 100 Jah- ren für seine Politik keine eigene Mehrheit. Sie haben keine eigene Mehrheit, Herr Laschet. (Beifall von der SPD – Zuruf von Henning Reh- baum [CDU])

Diese Uneinigkeit hat gravierende Folgen für unsere Schulen.

Ich hätte heute von dieser Landesregierung erwartet, dass sie, wenn sie eine Unterrichtung anmeldet, auch etwas zu dem drängendsten Problem in unserem Land sagt,

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

nämlich zur Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen. Völlige Fehlanzeige!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was macht diese Landesregierung stattdessen? Sie verbietet unseren Schulen, den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und der Bundesregierung zum Infektionsschutz zu folgen. Das muss man sich einmal vorstellen.

Selbst Anja Karliczek, Ihre Bundesbildungsministerin aus Nordrhein-Westfalen, formuliert wörtlich:

„Eine Mischung von Präsenz- und Distanzunterricht gerade in den höheren Jahrgängen könnte … als ein Sicherheitspuffer wirken, …“

So lautet die Forderung Ihrer Bundesministerin, Herr Laschet.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Hört! Hört!)

Aber Sie haben nicht die Führungsstärke, diese Empfehlung durchzusetzen. Sie haben nicht die Größe, einmal begangene eigene Fehler zu korrigieren.

(Beifall von der SPD)

Schauen Sie sich doch bitte einmal die Zahlen an. Die Zahlen der betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrerinnen und Lehrer steigen dramatisch. In der letzten Oktoberwoche, der 44. Kalenderwoche, waren 13.000 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne. In der ersten Novemberwoche, eine Woche später, waren es bereits über 50.000. Das war eine Verdreifachung in einer Woche. Bei den Lehrern war es eine Verdoppelung. In der 44. Kalenderwoche verzeichneten wir 68 Teilschließungen oder Ganzschließungen an Schulen in Nordrhein-Westfalen. In der 45. Kalenderwoche waren es 552 Schließungen und Teilschließungen. Das entspricht einer Verzehnfachung in nur einer Woche.

In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere Solingen erwähnen, meine Damen und Herren. Die Zahlen aus diesem Bereich kennen wir alle. Da kann man nun wirklich nicht mehr von Normalität sprechen. Trotzdem verbieten Herr Laschet und Frau Gebauer der Stadt Solingen, den dringenden Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zu folgen. Das ist weder verantwortungsvoll noch vorausschauend,

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

sondern das genaue Gegenteil: Das ist verantwortungslos und grob fahrlässig.

(Beifall von der SPD)

Und warum das Ganze? Sie wollen nicht wahrhaben, dass der Solinger Weg in Wahrheit eine Präventionsstrategie ist. Dem Oberbürgermeister, allen am Schulleben Beteiligten sowie den Bürgerinnen und Bürgern in Solingen geht es nicht darum, Unterricht zu verhindern oder Schulen zu schließen. Genau das Gegenteil soll doch der Fall sein. Aber wenn mittlerweile in fast allen Solinger Schulen Klassen, also Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler, von Quarantänemaßnahmen betroffen sind: Bis wann muss man denn noch warten, bis Plan B endlich in Kraft tritt? Sollen erst alle infiziert sein? Da muss man doch vorher etwas machen.

(Beifall von der SPD)

Das Recht auf Bildung muss gelten, auch in Solingen, in allen anderen Schulen in unserem Land. Doch dafür braucht es eine Strategie. Dafür braucht es einen Plan. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, Herr Laschet und Frau Gebauer, einen solchen Plan zu entwickeln, und zwar nicht nur für Solingen, sondern für alle Schulen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD)

Sie sind Ihrer Verpflichtung, Vorkehrungen für den Ernstfall zu treffen, nicht nachgekommen. Ich nenne das Regierungsversagen, Herr Laschet. So muss man das benennen.

(Beifall von der SPD, Verena Schäffer [GRÜNE] und Josefine Paul [GRÜNE])

Es gibt viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in unserem Land, die das besser können. Einer von ihnen ist Tim Kurzbach, der Oberbürgermeister von Solingen.

(Lachen von der FDP – Bodo Löttgen [CDU]: Aha!)

Lachen Sie einmal nicht. Im Sommer, als diese Regierung noch mit dem Kopf im Sand steckte, hat er nämlich schon gehandelt. Tim Kurzbach hat zusammen mit allen Schulleiterinnen und Schulleitern, den Eltern und IT-Fachleuten ein Konzept entwickelt, um im Falle bedrohlich ansteigender Infektionszahlen den Schulunterricht aufrechterhalten zu können – nicht schließen zu müssen, sondern aufrechterhalten zu können –,

(Beifall von der SPD)

und zwar mit Schichtunterricht, kleineren Lerngruppen und Digitalunterricht.

30 Jugendliche sollen nicht mehr zusammen in einem Raum sitzen. Richten wir den Blick doch einmal auf uns. Wir alle würden doch keine Konferenz, Besprechung oder Sitzung mehr mit 30 Leuten in einem Klassenraum machen, in dem wir keinen Abstand zum Nachbarn halten könnten. In den Schulen aber muten Sie das unseren Kindern nach wie vor zu. Das geht doch nicht.

(Beifall von der SPD – Zuruf Armin Laschet, Ministerpräsident)

In Solingen wurden rechtzeitig 3.500 Tablets gekauft. Die Lehrerinnen und Lehrer wurden mit entsprechender Software ausgestattet. In jeder Schule erfolgte WLAN-Breitbandausbau. Tim Kurzbach hat genau das getan, was das Robert Koch-Institut empfohlen hat und was auch die Bundesbildungsministerin dringend empfiehlt.