Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Rudi Carell hat mal darüber gesungen, dass schuld daran nur die SPD ist. Aber das Schöne in dieser Debatte ist: Schuld

daran sind die Lehrerverbände, schuld daran ist der Städtetag, weil er nichts macht, schuld daran ist der Datenschutz, weil er nicht will. Schuld daran sind natürlich die Gesundheitsämter, weil sie es bei der Quarantäne einfach nicht richtig machen. Besonders schuld ist natürlich immer die Stadt Duisburg, schuld sind die Elternverbände.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, neben SPD und Grünen sind immer die anderen schuld. Man fragt sich, wann und wie im Bildungsbereich in Nordrhein-Westfalen endlich einmal Verantwortung übernommen wird, um mit allen gemeinsam zum Wohle der Eltern und der Kinder in unserem Land gute Lösungen zu finden.

(Beifall von der SPD und Horst Becker [GRÜNE])

Außerdem fragt man sich, wer hier eigentlich regiert. Zum wiederholten Male verkündet der Ministerpräsident irgendetwas in Interviews, und die Ministerin, die kurz vorher noch gesagt hat, dass sie nicht komme, verkündet jetzt so nebenher, obwohl wir heute Morgen eine Unterrichtung hatten, dass die Weihnachtsferien in Nordrhein-Westfalen um zwei Tage verlängert werden. Das ist doch kein Konzept von Bildungspolitik, das ist Chaos pur, was hier stattfindet.

(Beifall von der SPD und Horst Becker [GRÜNE])

Man stellt sich die Frage, wer hier eigentlich regiert, wer die Verantwortung hat. Ist die Ministerin diejenige, die die Entscheidungen trifft, ist es der Staatssekretär oder ist es vielmehr der Ministerpräsident,

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Oder Herr Stamp!)

der in Interviews irgendwelche Zusagen macht, dann aber in der Debatte, die dazu geführt wird, gar nicht anwesend ist? So kann man in Nordrhein-Westfalen nicht regieren.

Ich finde, es ist mittlerweile an der Zeit, dass wir die Ernsthaftigkeit und das Verantwortungsbewusstsein wieder in das Schulsystem in Nordrhein-Westfalen zurückbringen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Früher war alles besser!)

Ich appelliere an Sie, ganz entschieden, die Möglichkeiten, die vor Ort angeboten werden, um mit dieser schwierigen Situation umzugehen, anzunehmen und zu ermöglichen.

Die Teil- und Komplettschließungen in NRW nehmen zu. Wenn insbesondere die Lehrkräfte erkranken, kann auch kein digitaler Unterricht mehr stattfinden. Das wäre das Worst-Case-Szenario. Deswegen finde ich es schon sehr unverschämt, dass der stellvertretende Ministerpräsident heute Morgen die

Fakten dreht und davon spricht, dass wir irgendetwas gegen Präsenzunterricht hätten. Das Gegenteil ist der Fall.

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration)

Unsere Initiativen zielen darauf ab, Präsenzunterricht zu ermöglichen, und das seit März!

(Beifall von der SPD)

Und wenn es hier nicht endlich einen Plan B gibt, dann wird es an vielen Stellen ganz eng. Die Lösung hat Frau Karliczek als Bundesbildungsministerin ja selbst beschrieben. Niedersachsen zeigt uns jetzt, wie es geht, seit gestern in Hessen, das ja schwarzgrün regiert ist. Seit dem heutigen Mittwoch gibt es Wechsel im Präsenz- und Distanzunterricht im gesamten Main-Kinzig-Kreis und der Stadt Hanau und von Montag an in weiteren Kreisen. Warum wird das gemacht? – Weil die genauso wie die Stadt Solingen feststellen, dass es ein Problem gibt, das gelöst werden muss.

In Solingen sind am Dienstag 2.171 Schüler, das sind mehr als 10 %, in Quarantäne gewesen, und es sind 283 Lehrer und 32 weitere Mitarbeiter betroffen gewesen. Das heißt, insgesamt sind 111 Klassen betroffen. Dann muss man sich doch die Frage stellen, wie man mit einer solchen Lage umgeht. Dann den Kommunen zu sagen, dass sie das nicht dürfen, und sie anzuweisen, ist eigentlich ein bildungspolitischer Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und Horst Becker [GRÜNE])

Was noch viel schlimmer ist: Der Kollateralschaden dieser Machtdemonstration aus Düsseldorf ist, dass in den Bezirksregierungen die Dezernenten klare Anweisungen geben: Niemand wird mehr irgendetwas in Richtung Solingen machen.

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Fami- lie, Flüchtlinge und Integration: Stimmt doch gar nicht! Frei erfunden!)

Die hybriden Modelle sind also weg. Uns liegen Informationen von Berufskollegs vor, Herr Stamp, wonach es eine schriftliche Anweisung der Dezernentin gibt, dass es keinen Hybridunterricht im Berufskolleg mehr geben darf, obwohl er seit Wochen praktiziert wird und sinnvollerweise stattfindet. Sie sorgen dafür, dass die Privatschulen, dass alle Schulen, die innovativ gewesen sind, dass die Berufskollegs ihre Arbeit nicht mehr machen können. Sie behindern einen guten Umgang mit der Pandemie, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Es ist eine absolut untragbare Situation, dass Sie den Infektionsschutz und das Recht auf Bildung gegen

einander ausspielen. Wir müssen doch ein Interesse daran haben, dass die Vorschläge des RKI Beachtung finden, und wir müssen vor allen Dingen – und das haben wir immer wieder deutlich gemacht – dafür sorgen, dass das Land einen Handlungsrahmen vorgibt, der all die Schulleiterinnen und Schulleiter unterstützt, die seit Wochen – auch gegen die Vorgaben der Dezernate der Bezirksregierungen – den Laden vor Ort am Laufen halten, die einfach machen und das organisieren. Sie weigern sich, dafür eine landesweite Möglichkeit zu schaffen.

Und der krönende Höhepunkt ist, dass Sie heute mit Nonchalance verkünden, dass Sie die Ferien um zwei Tage verlängern wollen. Das kann man ja machen – aber nur im Rahmen eines Konzepts. Das ohne ein Konzept einfach so rauszuhauen, ist keine verlässliche Schulpolitik für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Da Sie sich unaufhörlich weigern, die Menschen in diesem Land zusammenzubringen und die unterschiedlichen Interessen der Eltern, der Lehrer, der Verbände und der Gewerkschaften zu berücksichtigen, und stattdessen immer irgendjemand anderem die Schuld geben

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

gleich kommt wieder Duisburg als Beispiel; ich komme zum Ende –, haben wir das Heft des Handels in die Hand genommen und werden gemeinsam mit der Grünenfraktion einen Schulgipfel durchführen. Denn Sie werden Ihrer Verantwortung in der Pandemie in Nordrhein-Westfalen nicht gerecht.

Es wäre auch sehr sinnvoll, wenn Sie endlich entscheiden würden, wer eigentlich in diesem Land regiert. Ist es der Ministerpräsident, der Staatssekretär oder tatsächlich die Bildungsministerin?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter Ott. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Frau Abgeordnete Schlottmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich meine Rede mit einem Zitat beginnen: „In der Krise entsteht Vertrauen nicht durch Inszenierung, sondern durch Substanz.“ – Das, meine Damen und Herren, ist genau das, was wir heute mit dem Antrag der SPD erleben: eine Inszenierung.

Auch heute Morgen haben wir von Ihnen schon eine Inszenierung erlebt. Sie beantragen eine Aktuelle Stunde zum Thema „Ansteckungsgefahr im ÖPNV“,

erwähnen dann aber in Ihrem Redebeitrag – jetzt ist Herr Kutschaty leider nicht da – mit keinem Wort den ÖPNV. Hauptsache, man tritt ans Mikrofon und kann ein bisschen was zu dem Thema sprechen, das einem auf der Seele brennt.

(Sarah Philipp [SPD]: Da war eine Unterrich- tung dabei!)

Unter einer produktiven Zusammenarbeit, wie sie die Opposition nun mehrfach forderte, verstehe ich persönlich etwas anderes.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Seit Monaten arbeiten wir gemeinsam an der Eindämmung des Coronavirus, an dem Schutz der Menschen in unserer Gesellschaft und daran, dass die wichtigen Bereiche in unserem Land immer noch funktionieren und fortbestehen. Der Bereich der Schule ist ein solcher. Und von Beginn der Pandemie an ist uns allen bewusst, dass wir nur als solidarische Gemeinschaft und Gesellschaft diese Krise bewältigen können.

Tatsache ist, meine Damen und Herren, dass im Bereich Schule der Präsenzunterricht die beste Möglichkeit ist, Bildungsgerechtigkeit für unsere Schülerinnen und Schüler aufrechtzuerhalten.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Zum hun- dertsten Mal: Ja!)

Denn die Schule ist nicht nur der Ort der Lehre, sondern auch des sozialen Umgangs und schließlich auch der Betreuung. Gerade im Bereich der Betreuung würden Hybridmodelle oder ein komplettes Umschwenken auf Distanzunterricht nicht nur Schüler und Lehrkräfte, sondern in besonderem Maße auch die Eltern treffen.

Mir geht es hier vor allen Dingen um die alleinerziehenden Väter und Mütter, um die Mütter, die mich weinend angerufen und mir erklärt haben, dass sie im ersten Lockdown ihren kompletten Jahresurlaub verbraucht haben, dass sie jetzt keine Chance mehr haben, die erneute Betreuung ihrer Kinder zu gewährleisten, wenn es jetzt wieder zu Lernen auf Distanz kommt,

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

und dass sie mit dem Rücken zur Wand stehen

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Wie ist das mit den Weihnachtsferien?)

und sie womöglich gezwungen sind, ihren Job aufzugeben. Wie können wir es verantworten, Eltern in eine solche Lage zu bringen?

Meine Damen und Herren, wir sind entgegen Ihrer Anschuldigung durchaus offen für gute Ideen, seien sie noch so ungewöhnlich. Aber diese Ideen müssen auch auf Umsetzbarkeit geprüft werden.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Sind sie ja!)