Protokoll der Sitzung vom 13.11.2020

(Zurufe von der CDU und der FDP: Hui!)

Ein wichtiges Geschäftsfeld von thyssenkrupp war die Lieferung von Stahl beim Bau von Kraftwerken. Mit dem Kernenergie- und Kohleausstieg wurde dieser Markt jedoch politisch zerstört.

(Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])

Ein zweites Geschäftsfeld von thyssenkrupp war und ist die Automobilbranche. Doch auch diese Branche wird politisch zerstört: EU-Vorschriften für Grenzwerte beim Feinstaub, die fernab jeglicher medizinischer Logik liegen, EU-Vorgaben für einen absurd niedrigen Benzinverbrauch, der technisch nicht einzuhalten ist, der politisch erzwungene Umstieg auf teure und umweltfeindliche E-Autos.

(Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])

VW hat ja bereits angekündigt, Fabriken für Verbrennerautos nur noch im Ausland zu bauen. Klarer kann man es den Zuliefererbetrieben, kann man es der Stahlbranche gar nicht mehr sagen. Die Botschaft von VW ist klar: Wir brauchen euch in Deutschland nicht mehr, denn wir produzieren nur noch im Ausland.

Damals sind zwei wesentliche Geschäftsfelder von thyssenkrupp politisch zerstört worden. Aber Sie gehen jetzt nicht einfach hin und ändern die politische Zerstörung und halten diese auf. Nein, jetzt üben Sie den nächsten politischen ideologischen Druck auf thyssenkrupp aus. Jetzt erzwingen Sie die Stahlproduktion mit Wasserstoff. Dabei sagte ein Vertreter von thyssenkrupp ganz klar – Herr Pinkwart, Sie waren nicht bei der Anhörung, Ihre Kollegen schon –: Dadurch wird unsere Produktion um 30 % teurer. – Die Produktion wird 250 Euro pro Tonne Stahl mehr kosten. Diese Verteuerung wird dazu führen, dass deutscher Stahl noch teurer wird als ausländischer Stahl. Denken Sie an den Stahl aus China.

Deutschland hat die höchsten Strompreise in Europa. Sie wissen, die Produktion, die Industrie in Deutschland ist energieintensiv. Statt Versorgungssicherheit für die Unternehmen gibt es „Zappelstrom“. So ist es eben nicht verwunderlich, dass der Stahl für die Leverkusener Brücke aus China kommt. Liebe Kollegen von SPD und Grünen, es war

Ihre Ausschreibung. Am Ende hat der Billigstahl aus China dank des dortigen Kohlestroms gewonnen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Jetzt kommt die Geschichte wieder!)

Doch jetzt kommt die Lösung der SPD, der Staat solle einfach Eigentümer bei thyssenkrupp werden und das Unternehmen dann in die Transformation überführen, um thyssenkrupp zu einem sogenannten klimaneutralen Stahlerzeuger zu machen. Die Methode der Verstaatlichung kennen wir bereits aus der DDR. Dort hießen diese Betriebe dann VEB – Volkseigener Betrieb. Solche rückwärtsgewandten Konzepte, liebe SPD, brauchen wir hier in NRW nicht.

Dennoch glauben Sie als SPD, der Staat sei der bessere Unternehmer. Dann gucken wir uns doch mal an, was mit Ihren Kollegen in den rot-grünen Städten passiert. Da sind Kämmerer, Bürgermeister und Stadträte, die glauben, sie könnten am Kapitalmarkt zum Beispiel mit Wettgeschäften auf Zinsen oder mit Fremdwährung Geld verdienen, oder die glauben, sie könnten ein Unternehmen wie STEAG für 1 Milliarde Euro kaufen und diesen Konzern dann transformieren.

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Die Redezeit!)

Diese Transformation bei STEAG führte allerdings nur dazu, dass das Geld der Bürger transformiert, also schlicht vernichtet wurde. Hunderte von Millionen Euro haben die Städte Dortmund, Bochum, Essen, Oberhausen, Duisburg und Dinslaken mit STEAG verzockt. Das waren Hunderte von Millionen Euro, die die fleißigen Bürger in diesen Städten durch höhere Grundsteuern, durch höhere Gewerbesteuern zu tragen haben.

Gucken wir uns doch mal die Beschäftigtenzahl an. Sie wollen ja die Beschäftigten retten. STEAG entlässt nun 1.000 Mitarbeiter. 1.000 Mitarbeiter! Sie haben das Unternehmen vernichtet, und sie haben die Arbeitsplätze vernichtet – Ihre Kollegen in diesen Städten!

Es hat sich doch gezeigt, dass der Staat eben nicht der bessere Unternehmer ist. Trotzdem glauben Sie, Sie müssten bei thyssenkrupp einsteigen. Weshalb? Stehen da die nächsten Aufsichtsratsposten an? Ist das Ihr Wunsch?

Wir als AfD stehen allerdings zu den Mitarbeitern bei thyssenkrupp. Wir stehen zu unserer Industrie, und deshalb brauchen wir eine echte Unterstützung unserer Industrie. Wir brauchen eine günstige und zuverlässige Energieversorgung. Wir brauchen ein Ende der industriefeindlichen Politik in der EU, in der Bundesregierung und auch in der Landesregierung, Herr Pinkwart. Nur so können wir langfristig unsere Industrie und damit auch unsere Arbeitsplätze erhalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Loose. – Jetzt spricht Herr Minister Professor Dr. Pinkwart für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es bei dieser Debatte mit einem für NordrheinWestfalen sehr wichtigen und ernsthaften Thema zu tun. Ich möchte mich zunächst persönlich sehr herzlich bei Herrn Kollegen Sundermann für seine Entschuldigung bedanken. Ich hätte das auch von Ihnen gar nicht anders erwartet, wenn ich das so sagen darf. Ganz herzlichen Dank dafür!

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir uns hier in Nordrhein-Westfalen sehr intensiv über thyssenkrupp austauschen müssen. Es wird weder die erste noch die letzte Diskussion darüber sein. Es ist für Nordrhein-Westfalen ein ganz wichtiges Unternehmen.

Die Debatte hat gezeigt, dass der Stahlbereich nicht nur für die dort Beschäftigten, sondern auch für unsere Industrie insgesamt, für unseren Industriestandort und auch für die von uns angestrebte Weiterentwicklung des Industriestandortes von großer Bedeutung ist. Es gibt natürlich unterschiedliche Sichtweisen über die Notwendigkeit des Transformationsprozesses in der Industrie.

Betrachtet man den europäischen Stahlmarkt, wie er sich jetzt schon abzeichnet, kann ich meinem Vorredner nur zurufen: Wer sich jetzt nicht anpasst, wer glaubt, dass er den Umbau zur klimaneutralen Entwicklung der Industrie nicht machen muss, der wird in Zukunft einen erheblichen Verlust an Arbeitsplätzen zu beklagen haben; das jedenfalls ist ganz sicher.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das ist auch beim Stahl sicher. Unterhalten Sie sich bitte mal mit den anderen Stahlunternehmen in Europa, die sich schon längst neu aufgestellt haben. Der Stahlbereich von thyssenkrupp steht im Gespräch mit europäischen Wettbewerbern, zum Beispiel mit der SSAB aus Schweden, die ab 2026 klimaneutralen Stahl in Europa produzieren können will.

Reden Sie mit Liberty Steel, wo man sich einen Konzern zusammenbaut, in dem sich Wind, Photovoltaik und andere Themen um den Stahl herum ranken. Die haben beim Thema „Stahl in Europa“ sehr zukunftsweisende Vorstellungen. Und das haben wir hier in Nordrhein-Westfalen auch. Deswegen bin ich dankbar, dass wir mit thyssenkrupp, aber auch mit anderen Unternehmen schon vor Jahren mit unserer Initiative IN4climate begonnen haben, genau diese The

men mit unseren Industrieunternehmen zu diskutieren.

Die Landesregierung ist dankbar, dass unternehmer nrw dem Ministerpräsidenten und der Landesregierung 13 Projekte vorgestellt hat, mit denen die Industrie in Nordrhein-Westfalen Wasserstoff zu einem Schlüssel für den Wandlungsprozess in der Industrie in Nordrhein-Westfalen machen will.

Genau dieses zukunftsgewandte Engagement der Unternehmen brauchen wir in diesem Land, damit wir auch zukünftig wettbewerbsfähig bleiben können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das setzt natürlich voraus, dass wir die Rahmenbedingungen richtig setzen; das ist Aufgabe der Politik. Deswegen bereiten wir die Gespräche entsprechend vor.

Pandemiebedingt kommen wir im Dezember zu einem High-Level-Meeting mit dem Bundeswirtschaftsminister, dem Ministerpräsidenten und den für Stahl zuständigen Ländervertretern sowie den Unternehmensvertretern und den Sozialpartnern virtuell zusammen, um über das Handlungskonzept zu sprechen, das die Bundesregierung für den Stahlbereich ausarbeitet.

Hoffentlich wieder unter besseren Bedingungen wollen wir dann Anfang des Jahres in einer Präsenzveranstaltung zu einem Stahlgipfel in Duisburg zusammenkommen, um Sorge dafür zu tragen, dass die Rahmenbedingungen für eine solche fortschrittsorientierte Entwicklung des Stahls stimmen.

Parallel dazu laufen natürlich die Gespräche des Unternehmens, das sich in einer schwierigen Situation befindet – das ist nicht neu –, wobei Corona sie sicherlich verschärft hat. Die Themen begleiten das Unternehmen und uns schon seit vielen Jahren und bedürfen einer Beantwortung.

Das wird momentan durch die Bundesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen in Arbeitsgruppen begleitet. Es wird geprüft, ob der Wirtschaftsstabilisierungsfonds eine Option sein kann.

Hier unterscheiden sich schon die Antragsinitiativen und die Initiativen, die wir wahrnehmen: Ist es das Unternehmen als Ganzes, oder ist es ein Teilbereich des Unternehmens? Dort werden unterschiedliche Strategien verfolgt.

Im Moment sehen wir es so, dass das Unternehmen und die Sozialpartner eher daran denken, den Stahl alleine abzuspalten und dann unter den WSF zu stellen; das wird geprüft. Meine Sicht auf die Dinge ist: Das macht es nicht einfacher. Wir werden sehen, wie die Ergebnisse dieser Prüfung durch den Bundesfinanzminister und den Bundeswirtschaftsminister ausfallen.

Ich kann Ihnen zusichern, dass wir in NordrheinWestfalen alles unternehmen, auch unsererseits Wege zu suchen, wie wir dem Unternehmen in der akuten Krise wirksam helfen und einen Weg bauen können, dass thyssenkrupp und der Stahl in diesem Wandlungsprozess eine gute Zukunft finden können.

Dabei ist völlig klar: Diese Anpassung wird schneller kommen müssen, als es möglicherweise auch das Unternehmen in der Vergangenheit gesehen hat. Meine Gespräche mit den Stahlunternehmen in Europa zeigen mir jedenfalls, dass man nicht über 2050, sondern eher über 2030 redet.

Wir werden also wie unter einem Brennglas – wie es so oft heißt – sehen, wie wir die Dinge hier vorantreiben können. Das Unternehmen hat schon deutlich gemacht, dass es nicht ohne einen starken Partner gehen wird. Deswegen laufen die Gespräche mit mehreren, die wir sehr aktiv begleiten.

Wir hoffen, dass eine starke Partnerschaft mit einem starken Standort in Duisburg zum Tragen kommt. Wir wollen den Stahl, und wir brauchen den Stahl, aber wir brauchen den modernsten, den innovativsten und den klimafreundlichsten Stahl sowie ein tragfähiges Unternehmenskonzept. Dafür setzen wir uns ein. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/11676. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Antrag zu? – Die SPD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Wer enthält sich? – Die grüne Fraktion. Damit ist der Antrag der SPD Drucksache 17/11676 mit der Mehrheit im Hohen Haus abgelehnt.

Zweitens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/11823 ab. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – SPD, CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/11823 mit breiter Mehrheit im Hohen Haus abgelehnt.

Ich rufe auf:

7 Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen

Große Anfrage 22 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/8873

Antwort der Landesregierung Drucksache 17/11081

Die Aussprache ist eröffnet. Für die grüne Fraktion spricht die Fraktionsvorsitzende Frau Schäffer.