Protokoll der Sitzung vom 13.11.2020

Die Grünen waren die Antwort auf den von manchen empfundenen Mangel an Umweltpolitik. Sie galten vielen als Spinner.

Auch wir als AfD kommen nicht aus dem Nichts, sondern vertreten die Menschen, die Sie nicht mehr vertreten. Das sind Professoren und Handwerker, Krankenschwestern und Ärzte, Polizisten und Altenpflegerinnen; Deutsche seit Generationen und solche mit ausländischen Wurzeln.

Uns alle eint, dass wir unser Land, unsere Kultur, unseren Wohlstand und unsere Freiheit erhalten und ausbauen wollen. Uns eint, dass wir unseren Kindern und Enkeln ein Land weitergeben wollen, dass mindestens so gut ist wie das, welches wir vorgefunden haben.

Das Bild jedoch, welches manche Konkurrenzpolitiker und linksgrüne Journalisten von uns zeichnen, ist ein Zerrbild.

Ich muss fast schon lachen, wenn man mich als Vater eines schwarzen Sohnes als Rassisten oder meinen Stellvertreter in der Fraktion, obschon er schwul ist, als homophob bezeichnet. Das ist alles so absurd, dass man eigentlich darüber lachen müsste, wenn es nicht so traurig wäre.

Natürlich versteht sich die weit überwiegende Mehrheit der Journalisten als links. So berichten viele

dann auch. Die letzte Umfrage unter den Volontären der ARD ergab, dass 92 % linke Parteien wählen. Bei 92 % hat es jede nichtlinke Partei in der „Tagesschau“, im „SPIEGEL“ oder im „heute journal“ natürlich schwer.

Aber es ist eben nicht rechtsextrem, ja nicht einmal populistisch, Herr Panske, wenn die Menschen einen funktionierenden Staat haben wollen, einen Staat, der seine Kernaufgaben ernst nimmt und damit auch die Steuerzahler, mit deren Geld er hantiert.

Ob bedrückende Altersarmut, marode Straßen, Brücken und Schulen, die kaputtgesparte Bundeswehr, die ungeschützten Grenzen, das Abschiebeversagen, der zu teure Strom, die ungerechte Rundfunkzwangsabgabe – ich könnte das fortsetzen –: Es gibt ganz viele Punkte, bei denen es für Sie schwer erträglich sein mag, dass wir eine andere Meinung haben. Aber darüber kann man ja streiten.

Ja, wir wollen und sollen als Demokraten darüber streiten. Aber mit rechtsextrem hat das alles nichts zu tun. Das ist eine billige Totschlagvokabel, mit der Sie versuchen, uns als Konkurrenz zu verhindern.

Aber Sie werden uns nicht los, weil Sie die Menschen, die uns wählen, nicht loswerden. Sie wählen uns wegen Ihrer Fehler und unserer Lösungen. Das ist Demokratie, meine Damen und Herren.

Deswegen sollten wir echten Rechtsextremismus bekämpfen, anstatt diese Vokabel dazu zu missbrauchen, den politischen Gegner zu diffamieren. Denn wer das tut, verharmlost den tatsächlichen Rechtsextremismus und erschwert dessen Bekämpfung zugunsten fragwürdiger politischer Geländegewinne. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Wagner. – Nun spricht für die Landesregierung der Innenminister, Herr Reul.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Extremismus, aber ganz speziell Rechtsextremismus, ist Gift für unseren demokratischen Staat. Da sind wir uns einig. Das haben die Redner hier gesagt.

Es ist ein Gift, das unsere Gesellschaft krank macht, wenn wir das nicht beobachten und entschieden dagegen vorgehen. Welche Auswüchse das annehmen kann, haben wir gerade bei den eskalierenden Demonstrationen in Leipzig gesehen. Rechtsextremisten laufen dann neben selbst ernannten Querdenkern und bekommen damit ein Forum.

Deswegen das Wichtigste zuerst: Wir in der nordrhein-westfälischen Politik beobachten den rechtsextremistischen Bereich mit Argusaugen. Das gilt

sowohl für die rechtsextreme Szene und die Mischszenen als auch für diejenigen, die sich bei Anti-Corona-Demos verstecken. All das ist leider nötig, weil dieses Gift deutliche Spuren auf den Straßen, in den Hinterzimmern und im Netz hinterlässt.

Deswegen haben wir früh auf dieses Problem hingewiesen. Ich glaube, wir haben dieses Thema schon im 2018er-Verfassungsschutzbericht ganz nach vorne gestellt, weil wir gemerkt haben, dass sich da etwas entwickelt. Es ist eben mehrfach gesagt worden: Das eigentliche Thema ist die Entwicklung und nicht die Quantität, die im Moment noch durchaus überschaubar ist.

Wir haben versucht, die uns vorliegenden Daten in der Beantwortung der Großen Anfrage in aller Deutlichkeit darzulegen. Damit liegt ein 162-seitiger Überblick darüber vor, wer hier mit welchen Absichten unterwegs ist. Die Details muss man in Ruhe nachlesen. Man kann sie jetzt nicht vortragen.

Aber ich will auf einige Punkte hinweisen, die den Wandel in dieser Szene deutlich machen. Das sind nämlich die Herausforderungen, um die man sich jetzt kümmern muss.

Erstens. Die Parteienlandschaft hat sich merklich verändert. Die NPD hat an Bedeutung verloren, auch wenn sie nach wie vor die mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei in NRW ist. Bei pro NRW endet der Abstieg gleich in der Selbstauflösung.

Gravitationszentrum des organisierten Rechtsextremismus ist jetzt die Partei Die Rechte, die vor allen Dingen ein Sammelbecken für Neonazis ist, die aus den verbotenen Kameradschaften kommen. Hier gibt es – Frau Schäffer hat es erwähnt – 290 Mitglieder. Die Zahl ist nicht das Problem. Der Schwerpunkt dieser Partei liegt aber in Nordrhein-Westfalen. In Dortmund ist die Bundesgeschäftsstelle. Hier ist das Zentrum. Deswegen sind wir da gefordert.

Rechtsextremisten suchen auch den Weg in andere Parteien. Herr Wagner, ich finde, einen Teil müssen wir benennen, weil man ehrlich bleiben muss: Die AfD hat mit dem ehemaligen Flügel eine rechtsextremistische Strömung in den eigenen Reihen geduldet.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Es stimmt, dass sich der Landesvorsitzende gegen den Machtanspruch des Flügels gewandt hat, weil er verstanden hat, dass es ein Problem gibt. Aber mal ehrlich: Was ändert sich eigentlich, wenn der Flügel sich auflöst und die Anhänger weiterhin aktiv sind und ihre Netzwerke pflegen?

(Zuruf von der SPD: Ganz genau! – Andreas Keith [AfD]: Da sind wir doch dran!)

Das ist dann nämlich mein Problem. Ich finde, wenn Sie alles, was Sie sagen, ernst meinen – und ich glaube es Ihnen ja persönlich –, müsste daraus …

(Markus Wagner [AfD]: Herr Reul, das ist eine sehr selektive Wahrnehmung! Sie haben doch eben meine Rede gehört!)

Nein, Herr Wagner, um diese Teile muss man sich kümmern, und zwar nicht in dem Sinne, dass man sagt …

(Markus Wagner [AfD]: Wir kümmern uns!)

Ja, ich habe es doch verstanden. Man kann aber nicht lediglich sagen: „Es gibt sie, und sie passen uns nicht“, sondern muss sie eigentlich rauswerfen. Man muss sich von ihnen lösen.

(Andreas Keith [AfD]: Sie wissen doch, wie schwer das ist! – Weitere Zurufe)

Zweitens. In diesem Bereich wird alter Wein in neuen Schläuchen präsentiert und so im Grunde getarnt. Ich meine damit das, was von neuen Aktionsformen ausgeht, die sehr nah an der Jugendkultur sind. Wenn man sich YouTube oder rechte Rapmusik anschaut, sieht man, dass damit ganz besonders junge Leute und junge Erwachsene angesprochen werden.

Dieser Wandel weg von sofort als rechtsextremistisch erkennbaren Botschaften hin zu zielgruppengerechter Verpackung ist das Neue und Gefährliche. Es ist so etwas „wie rechte Hipster statt Glatze und Springerstiefel“. Die Fachleute sprechen hier von der „Erlebniswelt Rechtsextremismus“.

Es sind nicht nur Köder und Angelhaken, mit denen die Betroffenen in der Szene gehalten werden. Seit 2015 hat die scharfe und polarisierende Migrationsdebatte die rechtsextremistische Polarisierung noch weiter gefördert – Stichwörter „Hogesa“ und „Pegida“. Daraus ist jetzt eine Mischszene entstanden; darüber ist ja schon gesprochen worden. Wutbürger, Hooligans, Rocker und Rechtsextremisten gehen gemeinsam auf die Straße und wenden sich gemeinsam gegen Rechtsstaat und Demokratie.

Die eine oder andere Führungsfigur entdeckt man dann auch bei den großen Demonstrationen. Die sind nämlich immer dabei – Stichwort „Reichstagsgebäude“.

An dieser Stelle ist meine Bitte: Diejenigen, die berechtigte Anliegen haben und protestieren und demonstrieren wollen, müssen sich trennen.

Das gilt übrigens für rechts genauso wie für links. Ich habe da keinen Nachholbedarf. Ich habe das auch immer bei den Debatten um den Hambacher Forst gesagt. Diejenigen, die das richtige Anliegen haben, müssen sich von denen trennen, die extremistisch und gewalttätig sind. Sonst kriegen sie keinen Boden unter die Füße.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Apropos Gewaltbereitschaft: Die Bruderschaft Deutschland hat eine Faust als Logo. Da weiß man schon: Von der Faust im Logo bis zur Gewalttat ist es nicht mehr weit.

Das sieht man auch an den Zahlen. Die Qualität ist seit 2014 gestiegen. Der Mord an Walter Lübcke ist schon genannt worden. Anschläge wie in Halle und Hanau sind auch angeführt worden. Das sind drei rechtsextremistisch motivierte Attentate innerhalb von knapp neun Monaten.

Ich muss schon sagen: Dass so etwas nicht einmal 80 Jahre nach dem Ende der Nazi-Terrorherrschaft in Deutschland passiert, ist eine Schande. Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Das habe ich oft gesagt, und ich wiederhole es auch. Deswegen muss man das auch so benennen. Als wehrhafte Demokratie und als Rechtsstaat sind wir gefordert, und zwar mit allen Möglichkeiten, die wir haben.

Deswegen gehen wir auch an die Waffen heran, Frau Schäffer. Wir haben Anfang dieses Jahres die Regelanfrage beim Verfassungsschutz eingeführt. Wer die Erlaubnis zum Waffenbesitz haben will, muss da durch. Wo es möglich ist, werden Waffen rigoros entzogen. Das ist allerdings nicht ganz einfach.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Ich weiß!)

Das Ziel ist klar: Waffen gehören in unserem Land nicht in Extremistenhand.

Drittens. Das Internet schafft neue Tätertypen. Das ist für die Polizei und den Verfassungsschutz eine verdammt große und schwierige Aufgabe. Es fängt nämlich heute im Cyberspace an.

Es gibt also drei große Gefahren oder Tendenzen des Rechtsextremismus: Entgrenzung, Radikalisierung, Virtualisierung. Das ist für uns eine riesengroße Gefahr. Ich will mich nicht wiederholen; das muss ich auch nicht. Ich halte dies für eine riesengroße Gefahr in unserer Gesellschaft und bin sehr dankbar, dass die Demokraten hier zusammenstehen und gemeinsam agieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Minister Reul. – Da mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aussprache und stelle fest, dass damit die Beratung über die Große Anfrage 22 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgeschlossen ist.

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