Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/11812
Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben mit Schreiben vom 11. November 2020 gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der SPD Herrn Abgeordneten Kutschaty das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Stunde zur Schulpolitik war nicht vorgesehen. Aber diese Landesregierung schafft es immer wieder, so viel neues Chaos anzurichten, dass uns gar nichts anderes übrigbleibt.
sicherer machen und Kinder vor Infektionen schützen kann – drei Stunden, in denen drei Ministerinnen und Minister dieser Regierung kein einziges Wort darüber verloren haben, was die Schulministerin nach der Debatte großmundig als „heiße Nachricht“ im Fernsehen verkauft hat, nämlich vorgezogene Weihnachtsferien. Mit Verlaub, Frau Gebauer: Dieser Kommunikationsstil ist eine Unverschämtheit.
Herr Laschet, erzählen Sie uns bitte nie wieder, dass Sie dieses Parlament besser beteiligen wollen. Ihre Regierung, Herr Laschet, hat aus den vergangenen Wochen nichts dazugelernt.
Aber lassen Sie mich vorab eines klarstellen: Mich berührt und freut es sehr, dass sich der Schüler Anton sehr auf sein Weihnachtsfest mit seiner Großmutter freut. Ich wünsche ihm dieses Weihnachtsfest von ganzem Herzen. Auch ich sehne mich danach, ich glaube, wir alle sehnen uns danach, Heiligabend im Kreise unserer Liebsten feiern zu können.
Aber wissen Sie, was ich an Ihrer Entscheidung zu vorgezogenen Weihnachtsferien überhaupt nicht verstehen kann? – Immer wieder, auch letzten Mittwoch, argumentiert diese Landesregierung: Wir brauchen keine kleineren Lerneinheiten. Schulen sind sichere Lernorte. Im Schulunterricht passiert nicht viel. Da sind die Kinder sicher.
Unterstellen wir mal einen kurzen Augenblick, die Landesregierung hätte recht mit ihrer Behauptung. Dann frage ich mich aber: Warum müssen die Kinder die letzten Tage vor Weihnachten komplett aus den Schulen raus? Nach Ihrer Argumentation müsste doch genau das Gegenteil der Fall sein. Wenn Schulen im Augenblick denn so sichere Orte sind, dann sollten wir die Kinder doch möglichst bis zum letzten Schultag in diesen Schulen halten. Nach Ihrer Argumentation wäre das das einzig Logische.
Doch das tun Sie nicht. Sie wollen die Schulen schließen. Digitalunterricht ist auch nicht vorgesehen. Anders wäre ein Weihnachtsfest im erweiterten Familienkreis auch nicht zu gewährleisten. Das ist entlarvend, liebe Frau Gebauer. Damit räumen Sie ein, dass Sie selbst davon ausgehen, dass in Schulen ein hohes Risiko in unserem Land besteht. Sonst würde Ihre Entscheidung für die vorgezogenen Weihnachtsferien doch überhaupt keinen Sinn machen.
Ich beende jetzt meine Unterstellung, dass die Landesregierung recht haben könnte. Das ist nämlich eindeutig nicht der Fall. Aber bei Ihrer Entscheidung geht es auch gar nicht darum, ob vorgezogene Weihnachtsferien Sinn machen. Auch hier geht es Ihnen
um etwas ganz anderes. Herr Laschet, Frau Gebauer, Sie haben doch mit dieser Spontaneingebung verzweifelt versucht, von unserer Plenardebatte am letzten Mittwoch abzulenken,
einer Debatte, in deren Verlauf sich die Landesregierung öffentlich bis auf die Knochen blamiert hat. Das ist doch der Fall.
Dann musste eine Blindgranate, ein Ablenkungsmanöver her. Denn viel mehr ist Ihr Vorstoß in Wahrheit doch nicht. Doch wie so oft, wenn man keinen Kurs hat, dann hat dieses Ablenkungsmanöver einen noch tiefer in die Krise geführt. Und da stecken Sie mit diesem Ablenkungsmanöver jetzt genau drin.
Glauben Sie wirklich ernsthaft, dass die Schülerinnen und Schüler, die jetzt am Montag und Dienstag frei haben, sich den ganzen Tag in ihrem Kinderzimmer aufhalten werden? Die Jüngeren werden sich zum Spielen verabreden, die Älteren werden die Tage nutzen, um Weihnachtsgeschenke im Einkaufszentrum einzukaufen, und andere müssen in die Notbetreuung,
übrigens in eine Notbetreuung mit dann wahrscheinlich gemischten Gruppen, während wir uns doch vorher darum bemüht haben, die Klassenverbände konzentriert zu halten und keinen gemischten Unterricht zu machen. Wie wollen Sie denn diese Notbetreuung organisieren?
Nein, Frau Gebauer, eine Vorquarantäne ohne Elemente von Quarantäne ist nicht mal die halbe Miete. Aber wir wollen nicht zweieinhalb Millionen Schülerinnen und Schüler in komplette Quarantäne schicken. Ich hoffe, das will auch keiner. Deswegen ist Ihr Konstrukt vom gedanklichen Ansatz her schon durchgefallen. Es rächt sich wieder, dass Sie kein Gesamtkonzept für die Schulpolitik in NordrheinWestfalen haben.
Das sagen übrigens auch alle Fachleute: Philologenverband, Lehrerverband. Die GEW brauche ich an dieser Stelle schon gar nicht mehr zu zitieren. Alle sind dagegen, halten das für riskant. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter in Nordrhein-Westfalen bringt es auf den Punkt: Es ist eine Hiobsbotschaft für alle Alleinerziehenden. – Doch wer plant für diese Menschen? – Sie offensichtlich nicht. Was machen denn die Eltern, die auf eine Kinderbetreuung angewiesen sind? Nicht alle können sich vorzeitig in die Weihnachtsferien verabschieden.
Der Einzelhandel hat Hochkonjunktur in diesen Zeiten. In Büros muss eine Menge abgearbeitet werden, gerade vor den Weihnachtszeiten über die Belastungsgrenzen hinaus.
Es soll zwar eine Notbetreuung geben. Das ist angekündigt. Organisiert – das sagen Sie auf Nachfrage selbst – haben Sie bislang noch nichts.
Schulen laufen Sturm, weil sie nicht wissen: Was ist mit den Klassenarbeiten? Was ist mit den Klausuren, die zu organisieren sind? Müssen wir diese Tage nachholen?
Mir schrieb heute Morgen noch eine Schulleiterin: Habe ich denn jetzt frei? Ist das ein flexibler Ferientag? Wie organisiert man so etwas alles?
Eines ist besonders erstaunlich, Frau Gebauer. Sie haben hier am Mittwoch noch gesagt – und da bin ich ein Stückchen nachdenklich geworden; ich höre Ihnen ja zu –, Sie hätten sich unter anderem auch deswegen gegen kleinere Lerneinheiten und die Kombination aus Präsenz- und Digitalunterricht entschieden, weil Sie nicht vom bundesweiten Verbund hätten abweichen wollen. Sie haben gesagt, Ihnen sei es wichtig, dass in allen 16 Ländern möglichst einheitlich verfahren werde.
Frau Gebauer, wenn Ihnen das so wichtig ist, warum dann dieser Spontanvorstoß, dieses Alleine-Vorpreschen mit den vorgezogenen Weihnachtsferien? Nichts ist abgestimmt. Die Reaktionen der anderen Landesregierungen haben Sie schon gehört. Auch bei denen herrscht Entsetzen angesichts Ihres alleinigen Vorstoßes in diesem Bereich.
Wenn Ihnen eine gemeinsame Linie der Kultusministerinnen und Kultusminister in diesem Land so wichtig wäre, dann sollten Sie doch einmal darauf achten, was andere Länder besser machen als NordrheinWestfalen.
(Franziska Müller-Rech [FDP]: Das stimmt nicht! – Henning Höne [FDP]: Das ist die Un- wahrheit! Fragen Sie einmal den Kultusminis- ter in Niedersachsen! Der Kultusminister in Niedersachsen hat den Solinger Weg abge- lehnt!)
Berlin und Bayern gehen in eine ähnliche Richtung. In Nordrhein-Westfalen hingegen wird dieser Weg verboten.
Schülerinnen und Schüler dort, wo Infektionsgeschehen zu verzeichnen ist. Das wäre einmal ein sinnvoller Ansatz. In Nordrhein-Westfalen gibt es nichts davon.
Herr Kollege Kutschaty, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Ich würde das natürlich auch mit dem Hinweis auf die Redezeit tun. Aber es gibt eine angemeldete Zwischenfrage von Frau … – Ach so; stimmt. Wir haben verabredet, dass die Regeln der Aktuellen Stunde gelten.