Herr Minister Wüst, sind Sie nicht der Meinung, dass auch Freizeit zu unserem Leben gehört, und wenn es vorher keinen Sinn macht, wenn ich mit drei Kollegen Hand in Hand arbeite, dass man dann wenigstens eine Viertelstunde nach der harten Arbeit auch mal ein Bier zusammen trinkt? Gehört das nicht auch zu unserem sozialen Zusammenleben? Bestehen wir nicht nur aus Arbeitstieren, sondern sind wir auch Menschen?
Was meinen Sie, wie wir uns alle freuen, wenn wir irgendwann alle geimpft sind und das Schlimmste vorbei ist, um abends mal wieder ein Feierabendbier zu trinken. Aber wenn Kontakte reduziert werden müssen, dann ist es vordringlich da zu tun, wo wir keinen anderen Schaden anrichten. Deswegen haben wir gesagt: Arbeit, Wirtschaft sollen weiter stattfinden, Schule soll weiter stattfinden, weil Bildung wichtig ist. Aber dann reduzieren wir die Kontakte eben in der Freizeit. Das ist eine ziemlich einfache verantwortliche Bewertung, die wir so gemacht haben.
Ich verstehe nicht, dass Sie sie nicht verstehen. Im Ausschuss habe ich Sie immer als einigermaßen intelligent wahrgenommen. Deswegen glaube ich Ihnen auch nicht, dass Sie das nicht verstehen. Sie wollen das nicht verstehen. Deswegen sage ich noch einmal: Sie geben dem Affen, der da draußen mit dem Aluhut protestiert, Zucker, und das ist unverantwortlich. Dabei bleibe ich.
Im ÖPNV sind im Frühjahr Untersuchungen verschiedener Art gemacht worden – das ist alles schon genannt worden; das will ich mit Blick auf die Redezeit jetzt nicht wiederholen –, die sagen, der ÖPNV berge kein höheres Ansteckungsrisiko. Das war zu einer Zeit, in der wir die Infektionsketten noch sehr gut nachvollziehen konnten. Deswegen ist das valide.
Jetzt muss man aber sagen, dass wir das heute nicht mehr können. Das muss man zur Wahrheit dazu sagen. 70 %, 80 % sind nicht mehr nachvollziehbar. Die Erkenntnisse sind aber – ich will es noch einmal sagen – aus einer Zeit, in der wir das konnten. Deswegen finde ich es richtig, dass wir hier alle unterstreichen: Wenn jeder die Maske trägt, ist der ÖPNV auch ohne Abstand eine sichere Sache. Das vorweg.
Jetzt möchte ich ein paar Dinge zu dem Antrag sagen. Maskenpflicht haben wir eingeführt, Bußgeld haben wir eingeführt, Kontrolltage haben wir gemacht. Es gab 800 Verstöße. Gestern lief die Zahl über den Ticker. Das war bis mittags. Erst waren es 400, jetzt sind wir bei 800.
Wir haben 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit dauerhaft mehr kontrolliert wird, nicht nur an diesen Tagen, in denen wir ganz bewusst Presse und Tamtam machen, um noch mal zu erinnern. Aber es soll ja stetig sein. Das machen wir. Die Zahlen zeigen auch, dass es durchaus immer wieder nötig ist.
Der Schülerverkehr ist angesprochen worden. Herr Löcker, ich teile das total. Ich bin dankbar. Wir müssen werben, auch jeder in seinem Wahlkreis, dass die Kommunen das machen. Wenn ich die Praktiker in der Kommune frage, warum das nicht klappt – 100 % Förderung; du hast die Eltern im Nacken; warum machst du das nicht? –, dann sagen die, mein Verkehrsunternehmen hat keinen Bus mehr. Dann wurde nicht verstanden, dass es die Reisebusse sind. Dann ist es manchmal, weil die auf gut Deutsch den Hintern voll Arbeit haben. Ich wollte nicht „Arsch“ sagen, Herr Präsident. Aber die saufen alle ab in Arbeit. Dann fehlt dieses kleine Wissen, dass es um den Reisebus geht. Da können wir alle noch mal mit der Gnade mitwirken und das den Kolleginnen und Kollegen sagen.
Versetzter Schulstart: Das scheint ein ziemliches Hexenwerk zu sein, lerne ich immer. Manchmal habe ich auch den Eindruck, dass der eine oder andere Lehrerverband das ganz bewusst kompliziert macht.
Es steht nirgendwo geschrieben, dass in einer Schule die unterschiedlichen Klassen unterschiedlich antreten sollen. Aber in einer großen Stadt ist es auch kein Problem, dass eine Realschule um 08:00 Uhr anfängt und die andere um 08:30 Uhr. Damit bringe ich keine Stundentafel durcheinander, alle nur eine halbe Stunde später. Die haben auch keine gemeinsamen Kurse und AGs zusammen wie vielleicht in einem Schulzentrum. Da geht schon mehr, als wir uns bisher zugetraut haben. Das muss man, glaube ich, hier an der Stelle auch noch einmal sagen.
Herr Löcker – das will ich zum Schluss sagen, weil meine Redezeit ausläuft –, Sie haben gesagt, Einnahmeverluste, da sind Millionenbeträge aufgelaufen. Das stimmt. Aber durch den Rettungsschirm von Bund und Land werden die auch komplett aufgefangen. Das ist halt total wichtig. Da bin ich auch dem Bund dankbar, der mit 2,5 Milliarden ins Obligo gegangen ist, und wir tun unseren Teil dazu, weil wir auch nach Corona wieder einen leistungsfähigen ÖPNV haben und so schnell wie möglich Vertrauen zurückgewinnen wollen. Da sind wir uns, glaube ich, einig.
Noch ein Hinweis zu einer Studie, Kollege Klocke. Wir sind in Gesprächen und sind einig mit Winni Hermann, Ihrem Parteikollegen, dass das sinnvoll wäre. Der Bund ist allerdings schneller gewesen und hat die Studie bei Fraunhofer beantragt. Wenn wir jetzt noch eine Ausschreibung beauftragen, dann ist Frühjahr, dann brauchen wir das vielleicht nicht mehr. Es könnte sinnvoll sein, einfach zu sagen: Lass den Bund seine Fraunhofer-Studie machen und wir als Länder machen keine mehr. Ich bin da aber offen. Es muss halt nur Sinn machen. Das ist aber, glaube ich, nichts für einen politischen Streit.
Vielen herzlichen Dank will ich auch noch sagen, nicht nur Ihnen fürs Zuhören, sondern auch all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich am Anfang der Krise in mehrfach in der Woche stattfindenden Telefonkonferenzen mit den Verbünden und Verkehrsunternehmen abgestimmt haben, um den ÖPNV auf möglichst hohem Niveau weiterfahren zu lassen. Da ist sehr viel aufgelaufen an Überstunden überall im System. Dafür noch einmal herzlich Dank. – Ihnen einen schönen Restabend.
Nun stimmen wir ab, und zwar über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/11842. Die haben direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Inhalt des Antrags zu? – Bündnis 90/Die Grünen sowie die SPD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und AfD stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es nicht. Damit ist der Antrag Drucksache 17/11842 mit der Mehrheit im Hohen Hause abgelehnt.
saisonalem Geschäft nicht im Regen stehen lassen – passgenaues Corona-Hilfsprogramm statt löchrigem Regenschirm!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Politik muss verlässlich sein, Politik muss gerecht sein, und Politik muss verständlich sein. Aber die aktuelle Politik ist weder gerecht noch verständlich und schon gar nicht verlässlich.
Viele der heutigen Redner, die gleich noch sprechen werden, saßen im September im Wirtschaftsausschuss. Da war auch Herr Ritter, der Vorsitzende eines Schaustellerbundes. Herr Ritter fand klare Worte. Er sprach davon, dass die Schausteller seit Ende Dezember letzten Jahres, also jetzt seit 11 Monaten, kein Geld mehr verdient haben. Und er sprach davon, dass sie sich jetzt wünschen, das Wintergeld zu verdienen, um über die nächsten Monate zu kommen. Sie haben sich auf die Weihnachtsmärkte gefreut.
Aber es geht nicht nur um das Geld der Schausteller. Die Schausteller bringen auch den Zauber der Weihnacht in die Innenstädte. Und dieser Zauber lockt immer mehr Menschen in die Innenstadt, sei es zum Einkaufen oder zum Flanieren. Und wenn das eigene Kind vielleicht im Karussell sitzt, da trinkt man noch einmal einen Glühwein, die Frau oder der Mann – je nachdem, wie ihre Lebenssituation ist – geht noch einmal einen Schal kaufen oder einen Handschuh.
Deshalb haben wir im September auch den Antrag gestellt, die Weihnachtsmärkte zu öffnen, das möglich zu machen. Herr Minister Pinkwart sagte, aus Landessicht sei alles möglich. Sie können stattfinden. Das war auch durchaus logisch, denn die Weihnachtsmärkte finden im Freien statt. „Frischluftfreizeitangebot“ nennen das die Schausteller. Und die
Schausteller haben extra ein Hygienekonzept entwickelt, Einbahnstraßensysteme, Plexiglasscheiben etc.
Doch jetzt trifft die harte traurige Realität zu. Die Weihnachtsmärkte sind fast überall verboten worden. Auch viele weitere Branchen, die kaum Coronarisiko verbreiten, wurden von der Regierung geschlossen. Damit die Menschen aber Ruhe geben, gibt es die Novemberhilfe.
Aber die Novemberhilfe hilft den Schaustellern leider gar nicht. Jetzt, vor ein paar Stunden, haben wir gehört, es soll eine Dezemberhilfe geben. Beschlossen ist sie allerdings noch nicht. Und die Dezemberhilfe wäre auch lebensnotwendig für die Schausteller. Die Novemberhilfe, die sich auf den Umsatz des letzten Novembers bezieht, kann aber keine Hilfe sein. Denn die Schausteller bauen im November die Buden und die Karussells auf. Der Umsatz findet aber im Dezember statt.
So war es verständlich, dass die Schausteller in der letzten Woche die Minister, die Abgeordneten im Land und im Bund angeschrieben – Sie werden sicherlich auch ein Schreiben bekommen haben – und ihre Situation erklärt haben.
Denn die Schausteller stehen mit dem Aus der Weihnachtsmärkte auch vor dem eigenen Aus. Das betrifft Schaustellerfamilien, die teilweise in siebter oder achter Generation die Geschäfte betreiben; mehr als 5.000 Familienbetriebe mit über 50.000 Beschäftigten; Menschen, die ihr Leben als Schauspieler lieben, die sich gegenseitig unterstützen, wenn etwas einmal nicht passt, und die Arbeitsplätze versorgen; Menschen, die aufgrund der völlig unbrauchbaren Novemberhilfe um ihre Existenz fürchten müssen.
Die Bundesregierung kündigt an, es gebe eine Dezemberhilfe. Wir wissen nicht, ob sie wirklich kommt. Bis jetzt hat Frau Merkel das noch nicht im Fernsehen verkündet – wir sind parallel dabei bei „Phoenix“.
Die Schausteller haben eine eigene Lösung vorgeschlagen, und wir haben diese in einen Antrag gegossen. Es verwundert schon, dass die SPD, die im engen Kontakt mit dem Herrn Ritter ist, keinen eigenen Antrag gestellt hat. Die Schausteller kamen doch auch auf Sie zu. Waren Sie zu langsam? Oder wussten Sie schon, dass der Lockdown verlängert wird? Hat Ihr Finanzminister, Herr Scholz, schon gesagt, dass es auch eine Dezemberhilfe geben wird?
Was wollen die Schausteller? – Sie wollen nur eines: Gerechtigkeit. Sie wollen eine Behandlung, so wie die Solo-Selbstständigen sie bekommen: Sie wollen nicht den Referenzwert Novemberumsatz 2019, sondern den Mittelwert des Vorjahres auf einen Monat umgerechnet.
Was für die Solo-Selbstständigen gut sein kann, kann für die Schausteller nicht schlecht sein. Deshalb kämp
fen wir gemeinsam – ich hoffe, Sie auch mit uns – für die Gerechtigkeit im Hinblick auf die Schausteller.
Ich hoffe, dass Sie unserem Antrag zustimmen, denn wir wissen nicht, ob die Dezemberhilfe wirklich kommt. Wenn ja, wird sie die Schausteller für einige Monate retten, aber im Januar, Februar und März wird es wiederum keine Umsätze geben. Ohne Schausteller, ohne Kirmes, ohne Weihnachtsmärkte fehlt unseren Kindern ein Stück vom Zauber der Weihnacht. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf vieles mussten wir dieses Jahr bereits verzichten, und auf einiges werden wir noch verzichten müssen. Die Volksfeste, Schützenfeste, Jahrmärkte oder jetzt die Weihnachtsmärkte haben eine große Bedeutung für die Menschen.
Ohne die Schausteller wären alle diese Feste nicht vorstellbar. Auch wenn es wichtig und richtig war, große Veranstaltungen auszusetzen, darf nicht vergessen werden, welche Opfer gebracht werden mussten. Insbesondere darf nicht vergessen werden, wer den größten wirtschaftlichen Schaden hat – und wir haben sie nicht vergessen, weder die Schausteller noch die Veranstaltungsbranche.
Dass Sie, liebe Kollegen von der AfD, nun behaupten, Bundes- und Landesregierung hätten die saisonalen Gewerbe bei ihren Hilfsprogrammen nicht angemessen berücksichtigt, ist schlicht und ergreifend falsch.
Die Landesregierung und auch wir Abgeordnete stehen im regelmäßigen Austausch sowohl direkt mit den Schaustellern als auch mit dem Schaustellerverband – und das auch nicht erst seit der Coronapandemie.
Nehmen wir meine Heimat, den Kreis Paderborn: Bereits seit Jahrzehnten lädt die CDU – an der Spitze die Bundes- und Landtagsabgeordneten – die Schausteller in der Libori-Woche zum traditionellen Schaustellerfrühstück ein. Das große Paderborner Volksfest Libori ist dieses Jahr zwar ausgefallen, das Schaustellerfrühstück hat aber stattgefunden und stand natürlich im Zeichen der Krise.
Was wir dort und was wir und unsere Kollegen in unzähligen Gesprächen vorher und nachher und fast allerorten erfahren haben, ist natürlich in unsere Maß
nahmen eingeflossen. Bundes- und Landesregierung haben Hilfspakete in Milliardenhöhe bereitgestellt.