Protokoll der Sitzung vom 25.11.2020

Als Abschluss möchte ich noch sagen: Ja, in vielerlei Hinsicht ist diese Situation eine, die uns alle herausfordert. Wir stehen alle zum ersten Mal vor einer solchen Situation und der Herausforderung dieser Pandemie, und wir streiten alle natürlich um den richtigen Weg, in welche Richtung es eben gehen muss.

Aber, Herr Minister, auch da bleibt mir nicht erspart, noch einmal zu sagen: Ich erwarte von Ihnen im Krisenmanagement ein bisschen mehr, als dass Sie sich darauf zurückziehen, dass Sie als Erster eine Bildungs- und Betreuungsgarantie für Deutschland gefordert haben.

Ja, wir sind ganz bei Ihnen, und wir sind ganz an Ihrer Seite, wenn es darum geht, dass die Bildung und Betreuung in diesem Land für unsere Kinder garantiert werden und wir unsere gesamte Anstrengung darauf fokussieren müssen.

Aber das bedeutet eben auch, verantwortlich zu handeln, vorausschauend zu handeln und die Strukturen so zu stärken und auszubauen, dass wir dem eben auch gerecht werden können, und sich vor allem auch immer einen Plan B zu machen. Sie handeln unverantwortlich, wenn Sie nur eine Garantie aussprechen, aber keinen Plan B in der Tasche haben.

Wir erwarten von Ihnen, dass Sie uns diesen Plan B gemeinsam mit der Schulministerin präsentieren. Denn es geht hier nicht nur um die Kitas. Bei einer Bildungs- und Betreuungsgarantie geht es um alle jungen Menschen in unserem Land. Wir erwarten, dass es hier endlich auch einen adäquaten Plan B gibt, damit Politik eben Kindern und Jugendlichen Halt gibt und ihnen Mut macht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Hafke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende entgegen, und vor einem Jahr haben wir hier über den Haushalt in üblicher Weise diskutiert. Mir kommt das mittlerweile meilenweit entfernt vor. Das Jahr 2020 hat uns alle vor große Herausforderungen gestellt. Die Coronakrise erfordert von der Politik schnelles und entschlossenes Handeln auch in finanzieller Hinsicht.

Das geht nicht spurlos am Haushalt vorbei, ganz im Gegenteil.

Aber wir tun auch immer gut daran, uns vor Augen zu führen, dass wir das Geld der Bürgerinnen und Bürger umverteilen, auch und gerade in der Krise. Das ist an vielen Stellen richtig und wichtig, aber es darf nicht zulasten der vielen Aufgaben gehen, die sich CDU und FDP vorgenommen haben, um Nordrhein-Westfalen besser zu machen.

Es freut mich umso mehr, dass wir im Bereich Kinder, Familie und Jugend auf Kurs sind. Wir investieren in diesem so zentralen Bereich für die Zukunft in Nordrhein-Westfalen rund 1,7 Milliarden Euro mehr als noch im Jahre 2017. Im zentralen Bereich des Einzelplans der Kinder- und Jugendhilfe sind es im Haushaltsjahr 2020/2021 insgesamt mehr als 5 Milliarden Euro, damit rund 400 Millionen Euro mehr als in diesem Haushaltsjahr.

Die NRW-Koalition hält damit auch in der Krise Kurs und nimmt an den richtigen Stellen richtig viel Geld in die Hand, damit Familien, Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen Türen geöffnet werden.

Die KiBiz-Reform kommt ab nächstem Jahr vollständig zum Tragen, nämlich mit einer Dynamisierung der KiBiz-Pauschalen, Erhöhung und Dynamisierung im Bereich KitaPlus und Sprachförderung, zusätzliche Mittel für die Fachberatung, für die praxisintegrierte Ausbildung, für die Tagespflege.

Ein weiteres beitragsfreies Jahr greift zum ersten Mal komplett. Wir flexibilisieren die Öffnungszeiten wenn gewünscht nach entsprechendem Bedarf, insbesondere bei Alleinerziehenden oder Eltern im Schichtdienst. Und wir erhöhen die so wichtigen Mittel für die Familienzentren um weitere 13 Millionen Euro auf nun 63 Millionen Euro.

Insgesamt geben wir 437 Millionen Euro, lieber Kollege Dr. Maelzer, zusätzlich für die Qualitätssteigerung der Kinderbetreuung und zur Finanzierung der Kinderbetreuungsplätze bei gleichzeitigem Wegfall der Übergangsfinanzierung in Höhe von 210 Millionen aus. Und als i-Tüpfelchen obendrauf geben wir noch eine Platzausbaugarantie für neue Kindergartenplätze.

(Vereinzelt Beifall von der FDP – Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Da darf man auch klatschen. Das ist nämlich eine ganz große Anstrengung.

(Beifall von der FDP und Björn Franken [CDU])

Wir sind hier auf dem richtigen Weg. Ich freue mich, dass der Stillstand, den wir unter Rot-Grün vorgefunden haben, endlich beendet werden konnte – und das im Einklang mit den Trägern, mit den Verbänden und natürlich an der Spitze die Regierung. Minister Stamp wurde eben schon gedankt. Das möchte ich

an dieser Stelle noch mal machen. Dafür braucht man nämlich viel Durchhaltevermögen und Verhandlungsgeschick, damit sich das alles so realisiert.

(Beifall von Christof Rasche [FDP])

Aktuell befinden wir uns in der größten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich bin froh, dass wir hier einen sehr engagierten und handlungsfähigen Minister haben, der sich dafür eingesetzt hat, dass die Kitas nach dem ersten Lockdown nicht nur wieder geöffnet wurden, sondern auch geöffnet bleiben. Ich finde, diese Bildungsgarantie ist eine ganz wichtige Botschaft an die Menschen in diesem Land, an die Eltern, aber insbesondere an die Kinder, weil es hier um den Bildungserfolg und die Chancen der einzelnen Kinder geht. Deswegen ist diese Botschaft so zentral wichtig.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, damit das funktioniert, haben wir natürlich zusätzlich Geld in die Hand genommen. Das Kita-Helferprogramm, im nächsten Jahr bis zum Ende des Kita-Jahres verlängert, in Höhe von 147 Millionen Euro ist dort ein entscheidender Baustein.

Ich will das auch noch einmal sagen, weil Kollege Dr. Maelzer den Eindruck erweckt hat, wir würden hier gar nichts machen: Das gesamte Hygienekonzept, das in den Kitas bundesweit angewandt wird, ist in Nordrhein-Westfalen unter der Leitung von Joachim Stamp entwickelt worden. Es gibt einen regelmäßigen, fast wöchentlichen Austausch mit den Trägerinnen und Trägern, mit den Kita-Leitungen und Erziehern, um individuell nachzusteuern und vorzugehen. In der Ausschusssitzung letzte Woche wurde berichtet, dass eine neue Lieferung von zwei Millionen Masken in die Kitas erfolgt.

Der letzte, vielleicht entscheidendste Punkt – das ist etwas, was vielleicht der Sozialdemokratie fern, aber doch in der Natur der Sache liegt – ist, den Menschen zu vertrauen, die dort die Verantwortung haben, nämlich den Kita-Leitungen. Die machen einen extrem guten Job. Sie organisieren das im Zweifelsfall so, dass das vor Ort alles funktioniert. Deswegen sind die Infektionszahlen dort auch nicht so dramatisch angestiegen. Der überwiegende Anteil der Kitas funktioniert extrem gut und problemlos.

Ich könnte jetzt noch viel zum Thema „Kinderschutz“ sagen. Das wird gleich mein Kollege Jörn Freynick machen. Von daher will ich mich darauf beschränken, dass es eine ganz wichtige Botschaft ist, die wir aus dieser Debatte an die Menschen senden müssen, dass es gerade in einem Lockdown und in dieser schwierigen Phase, in der wir uns befinden, wichtig ist, dass wir verlässliche und passgenaue Leitplanken gerade in der frühkindlichen Bildung haben.

Wir sehen, dass nicht nur Betreuung enorm entscheidend ist, sondern auch die Bildungschancen für die

Kinder. Und dabei gehören Prävention und Betreuung eben zusammen.

Meine Damen und Herren, vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich glaube, damit haben wir einen guten Haushaltsplan für den Bereich Kinder und Familie auf den Weg gebracht.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die AfD-Fraktion spricht Frau Kollegin Dworeck-Danielowski.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor uns liegt der Haushalt 2021, der Haushalt eines gendergerechten, modernen Familienministeriums, das dem Zeitgeist Rechnung trägt. Ob er den Belangen von Familien und Kindern Rechnung trägt, daran haben wir unsere Zweifel.

Das, worum in den letzten Jahren hier am ausgiebigsten gerungen wurde, die Reform des Kinderbildungsgesetzes, ist beschlossen und in trockenen Tüchern. Und wie steht es jetzt im Jahre 2020 um die frühkindliche Bildung und um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Kinder haben vermutlich schon lange nicht mehr so große Einschnitte und Nachteile in ihrer Entwicklung und Entfaltung hinnehmen müssen wie in diesem Jahr: erst der Lockdown im Frühjahr, der Eltern und Kinder von heute auf morgen in das kalte Wasser geworfen hatte. Betreuung der Kleinsten, Homeoffice und Heimbeschulung unter einen Hut zu bringen, hat viele Familien an den Rand der Belastbarkeit gebracht.

Dass die Belastung nur temporär zumutbar ist, das wurde auch Ihnen, Herr Minister, sehr schnell klar. Kinderärzte, Kindertherapeuten, erschöpfte Eltern haben nach einigen Wochen unmissverständlich erklärt: Diese Maßnahme ist verantwortungslos und für Familien und Kinder auf Dauer schädlich. Von daher wollten Sie es jetzt besser machen.

Es würde keine flächendeckende Schließung von Schulen und Kitas mehr geben. Herr Minister Stamp gibt zwar nicht sein Ehrenwort, aber immerhin eine Bildungsgarantie. Das klingt hervorragend. Aber wie sieht denn die Realität aus? Waren im Monat September gerade mal 254 Kitas von Schließungen betroffen, wurden es im Monat Oktober schon 788 und im November, bis zum 11.11., 759 Einrichtungen. Da die Gesundheitsämter vor Ort die Maßnahmen umsetzen, gibt es keine einheitliche Praxis.

Wenn eine Kita von heute auf morgen zum Teil oder gänzlich geschlossen wird, stehen die Eltern wieder von jetzt auf gleich vor dem Problem, auf der Arbeit auszufallen. Häufig wird von den Gesundheitsämtern

gar nicht auf Corona getestet, sondern eine freiwillige Selbstquarantäne empfohlen. Man will auf Nummer sicher gehen.

Immer häufiger hört man von Eltern, dass sie Probleme mit ihren Arbeitgebern bekommen. Die Urlaubstage sind meist schon durch die lange Zeit ohne Kinderbetreuung im Frühjahr und Sommer erschöpft. Eine Krankmeldung zur Betreuung des Kindes ohne nachgewiesene Infektion des Kindes gibt es nicht. Hierbei geht es den Eltern und Arbeitgebern eben nicht nur um den Verdienstausfall. Kein Betrieb kann es sich auf Dauer leisten, dass seine Mitarbeiter immer wieder ausfallen – und das über Monate.

Gerade jetzt, wo die privaten Kontakte durch die Vorgaben der Regierung auf ein Minimum zu reduzieren sind und das Wetter ausgiebiges Spielen auf dem Spielplatz erschwert, ist es für Kinder elementar wichtig, dass die Freunde und Spielkameraden zumindest in der Kita oder Schule regelmäßig gesehen werden können.

Bildung setzt auch Kontinuität voraus. Wenn das Damoklesschwert der Kitaschließung permanent über den Einrichtungen baumelt, kann man von einer Bildungsgarantie wahrlich nicht reden. Es ist ein Glücksfall, ob man in den Genuss dieser Garantie kommt oder eben von einer akuten Schließung der Kita betroffen ist.

Darüber hinaus endet frühkindliche Bildung nicht mit der Anwesenheit in der Kita. Gemeinsames Singen ist verboten, Kindergottesdienste finden nicht statt, Kommunionsunterricht kann ebenfalls nicht stattfinden, Schwimmkurse können wieder nicht durchgeführt werden, Sport- und Turnvereine ruhen ebenfalls.

Die Bildungsangebote für Familien und Kinder der Familienbildungsstätten, Volkshochschulen und

auch der Familienzentren, auf die Sie hier von der Landesregierung so stolz sind, haben in diesem Jahr kaum genutzt werden können. Die Arbeit in den sozialpädiatrischen Zentren lag monatelang brach. Auch hier fallen Kinder mit Förderbedarf durch das Raster.

Die Schuleingangsuntersuchungen, die wichtige Wegmarken in der Bildungsbiografie von Kindern sind, weil auch hier festgestellt werden kann, ob ein Kind gefördert werden muss oder nicht, entfallen ebenfalls größtenteils. Nein, Herr Minister Stamp, eine Bildungsgarantie umfasst sehr viel mehr als das Versprechen an die Eltern, dass ihre Kinder betreut werden, damit sie arbeiten gehen können.

Wenn wir das Jahr 2020 betrachten, brauchen wir ein Versprechen, dass unsere Kinder und Jugendlichen sich gesund entwickeln dürfen: Liebe, Sicherheit, Kontinuität, Spaß und Freude am Leben, Leichtmut, Bildung, musische und sportliche Aktivitäten, Umgang mit Gleichaltrigen, aber auch mit wichtigen

erwachsenen Bezugspersonen. Das gehört doch alles zu einem gesunden Aufwachsen dazu.

Stattdessen erleben unsere Kinder seit nunmehr fast einem Jahr, dass Abstand gut ist, dass man bei unachtsamen Verhalten schuld ist, wenn andere erkranken oder sterben. Sie erleben Einsamkeit und teilweise zutiefst traurige und verzweifelte Großeltern. Sie erfahren, dass es sich kaum lohnt, sich darüber zu freuen, dass der Sportkurs wieder losgeht, weil er morgen ohnehin wieder verboten werden kann. Sie erfahren, dass die größte Abwechslung irgendwo zwischen Spielkonsole und Netflix liegt.

Was die Quarantäne mit Familien macht, hat ein Artikel im „SPIEGEL“ eindrücklich beschrieben. Betroffene Familien in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen schilderten die Zeit allesamt als sehr belastend. Insbesondere die Aussage einer Mutter muss nachdenklich stimmen – Zitat: Die Kinder wussten, was das Coronavirus ist. Wir hatten sechs Monate lang unfreiwillig eine Angstkulisse aufgebaut, indem wir ihnen erzählt hatten, dass das Händewaschen und die Masken wichtig sind, weil sonst jemand auf Intensivstation kommen oder sogar sterben kann, und dass wir deshalb auch Oma und Opa nicht besuchen dürfen. – Zitat Ende.

Ein Junge beschreibt seine Erfahrung in der Quarantäne so – Zitat: Es fällt mir schwer, dass ich nicht näher bei ihnen sein darf. Wenn es Essen gibt, klopft meine Mutter an meine Türe und stellt das Tablett davor. Heute gab es Pfannkuchen mit Zucker. Abends sage ich meinen Brüdern mit Maske gute Nacht, wenn sie schon im Bett liegen. Wenn ich im Bett liege, schaut meine Mutter rein, auch mit Maske. Normalerweise würde sie mich umarmen. Es fühlt sich traurig an, wenn sie da mit Maske steht. Es fühlt sich an, als wäre ich schuld daran, dass ich Corona habe, auch wenn ich weiß, dass es nicht so ist. – Zitat Ende.