Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

139 Milliarden €, also fast 140 Milliarden € nur für Zinszahlungen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was hat das mit diesem Haushalt zu tun?)

Das ist eine unvorstellbar hohe Geldsumme. Bei einer maßvollen Finanzpolitik hätte das Geld in die Bildung, in die innere Sicherheit, in den Straßenbau oder in zukunftsfeste Arbeitsplätze investiert werden können.

Meine Damen und Herren, vielleicht hätten dann mehr Menschen das Versprechen vom Aufstieg in Nordrhein-Westfalen erlebt. In Wirklichkeit wurde dieses Versprechen immer häufiger gebrochen. Das ist leider bis heute so.

Deshalb sage ich aus voller Überzeugung heraus heute: Wir machen mit dieser gescheiterten Politik Schluss. Wir wollen eine nachhaltige Finanzarchitektur für unser Land Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir wollen konsolidieren, modernisieren und investieren. Unser politischer Anspruch liegt darin, Ausgaben und Einnahmen in Balance zu halten, und trotzdem gleichzeitig dafür zu sorgen, dass unser Land mit klugen Investitionen nachhaltig modernisiert wird.

Der diesjährige Nobelpreis für den Verhaltensökonomen Richard Thaler erinnert uns daran, dass dabei immer der echte Mensch Ausgangspunkt aller Überlegungen sein sollte, nicht ein fiktives Wesen, Studien oder eine abstrakte Ideologie.

Was nützt es zum Beispiel einer alleinerziehenden arbeitslosen Mutter, wenn ihr ein Arbeitsplatz angeboten wird, gleichzeitig aber kein Betreuungsplatz für ihr Kind zur Verfügung steht? So gelingt jedenfalls kein Aufstieg.

Staatliche Investitionen müssen deswegen die Lebenswirklichkeit im Blick behalten und überkommene Strukturen nachhaltig modernisieren. Ein Stein muss auf dem anderen aufbauen.

Klar ist: Ohne neue Investitionen geht das nicht. Eine funktionierende soziale Marktwirtschaft braucht auch finanzielle Impulse. Anders sind Aufstieg und Wachstum überhaupt nicht möglich.

Sparen an sich ist kein Selbstzweck. Deswegen werden wir maßvoll Geld in die Hand nehmen. Das Aufsteigerland Nordrhein-Westfalen wird es nicht umsonst geben. Das war übrigens in der Gründungsphase unseres Landes auch nicht der Fall.

Angesichts der enormen Herausforderungen in unserer Welt ist das heute erst recht nicht anders. Ich nenne nur die Digitalisierung mit ihren riesigen Chancen für unsere heimische Wirtschaft, für Industrie, für Start-ups und für eine noch viel bessere Verwaltung, die Energiewende mit all den strukturpolitischen Folgen für Nordrhein-Westfalen oder die Globalisierung

mit ihren Möglichkeiten für Handel und Logistik, aber eben auch mit ihren humanitären Herausforderungen.

Alle diese Entwicklungen erfordern eine ganzheitliche Sichtweise. So wie im nachhaltigen Städtebau nicht einzelne Gebäude oder Straßen, sondern ihre Mischung im Vordergrund stehen, sollte auch die Haushalts- und Finanzpolitik derart gestaltet werden, dass staatliche Gelder in der Summe auf das übergeordnete Ziel konzentriert bleiben.

Unser übergeordnetes Ziel ist das Aufsteigerland Nordrhein-Westfalen. Wir wollen mit einer maßvollen und klugen Planung die richtigen Anreize und die richtigen Impulse setzen – wie ein guter Stadtplaner.

Meine Damen und Herren, deshalb möchte ich als Finanzminister das notwendige Geld zur Verfügung stellen, damit dieses Land modernisiert und weiter nach vorne gebracht werden kann.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit dem dauerhaften Verzicht auf neue Schulden beschränken wir unsere finanzpolitischen Spielräume auf den dringend gebotenen Konsolidierungskurs. Das tun wir zwei Jahre vor der Schuldenbremse.

Diese freiwillige Selbstbeschränkung zwingt allerdings auch dazu, genau zu überlegen, wo Einsparungen möglich sind und wo nicht. Sparsames Wirtschaften wird zur DNA dieser Landesregierung gehören.

Deshalb will ich bei der Einbringung auch gerne etwas zu den Einsparungen sagen.

(Martin Börschel [SPD]: 139 Stellen! 139 Stel- len!)

Ich sage übrigens auch einmal etwas zu den Einsparungen der Vorgängerregierung. Sie hat als Erstes einmal fast 2 Millionen € in die Hand genommen und dann ein Effizienzteam gegründet.

Für die jungen Unternehmensberater, die da die Chance bekommen haben, nach ihrem Studienabschluss zu Stundensätzen zwischen 150 € und 270 € den fachlich zuständigen Beamten und Beamtinnen Ratschläge zu geben, war das sicherlich ausgesprochen gut.

Es ist auch schön, dass das gründlich gemacht worden ist: drei Jahre; da hat dann ja auch jeder etwas davon gehabt.

(Heiterkeit von Matthias Kerkhoff [CDU] und Bodo Löttgen [CDU])

Analysen, Workshops, Gutachten – das gesamte Programm der Beraterwelt fand in Nordrhein-Westfalen statt. Das Ganze war so gründlich, dass dabei nicht nur neun Monate Verspätung herauskamen, sondern auch ein Abschlussbericht – übrigens mit

Benchmark-Analyse; ohne eine solche Analyse wäre es auch nicht vollständig gewesen.

(Heiterkeit von der CDU)

Die Bilanz fiel allerdings mehr als ernüchternd aus. Die Consultants haben in diesen drei Jahren ein Einsparvolumen in Höhe von rund 200 Millionen € ermittelt.

Für eines bin ich dankbar: Sie haben uns eine Erkenntnis gebracht. Ohne diese Arbeit von drei Jahren wäre das nicht möglich gewesen. Diese Erkenntnis will ich Ihnen nicht vorenthalten. Zitat aus dem Abschlussbericht:

„Wer erwartet hat …, dass das Effizienzteam unabhängig von der politischen Richtlinienkompetenz eigenmächtig politische Prioritäten verschiebt und so Milliarden an Einsparmöglichkeiten vorschlägt, verkennt, dass die Setzung von Zielen und Schwerpunkten Sache der Politik ist und bleibt.“

Ja, meine Damen und Herren, für diese dreijährige Arbeit bin ich enorm dankbar. Ohne sie hätten wir das in diesem Lande nicht gewusst.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit anderen Worten: 2 Millionen € für nichts und wieder nichts! Es wurde nicht ernsthaft geprüft, weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Der politische Wille zum Sparen fehlte schlichtweg.

Dieser Wille ist bei uns vorhanden. Deswegen haben wir einen ganz anderen Ansatz. Mit unseren Beamtinnen und Beamten haben wir in den ersten vier Monaten ein Einsparvolumen von bereits 131 Millionen € gehoben. Wir haben sie dem Haushalt zur Verfügung gestellt. Dafür bin ich allen Beamtinnen und Beamten, die da kreativ und klug mitgeholfen haben, ausgesprochen dankbar, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das zeigt mir eines: Die schwarze Null fällt einem nicht in den Schoß. Man muss die schwarze Null wollen. Und wir wollen sie, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb planen wir ab 2019 bereits mit einem Überschuss in Höhe von 30 Millionen €. Ab 2020 sieht die mittelfristige Finanzplanung Überschüsse von etwas über 1 Milliarde € vor.

Wir lassen zudem Vorsicht bei den Steuereinnahmen walten. Mit 58 Milliarden € liegen wir knapp 300 Millionen € unter den Zahlen, die mein Amtsvorgänger uns für die Koalitionsverhandlungen zur Verfügung gestellt hat.

Wir wollen keinen Haushalt, der auf Kante genäht ist. Deswegen haben wir auch die Einsparungen bereits im Haushaltsplan verortet.

Meine Damen und Herren, ohne diese Einsparungen wäre der geplante ausgeglichene Haushalt nicht möglich gewesen. Denn wir verzichten auf Buchungstricks, wie sie im angeblich plötzlich schuldenfreien Haushalt 2016 vor der Landtagswahl – um jeder Legendenbildung vorzugreifen – in einer Größenordnung von damals fast 600 Millionen € vorzufinden waren.

Die Wahrheit ist im Übrigen: Rot-Grün plante auch für 2018 fast 400 Millionen € neue Schulden in der mittelfristigen Finanzplanung.

Meine Damen und Herren, deswegen ist dieser Sparbeitrag, den wir jetzt geliefert haben, richtig. Wir haben Selbstbewirtschaftungsmittel als ungenutzte Gelder gekürzt. Wir haben Reste von Deckungsmitteln gekürzt. Außerdem sehen wir uns die Landesförderprogramme an.

Auch dazu kann ich Ihnen ein Commitment dieser Landesregierung abgeben. Wir sind bei der Landtagswahl mit dem Angebot an die Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen angetreten, eine andere Politik für dieses Land zu machen und andere Schwerpunkte zu setzen, um dieses Land wieder nach vorne zu bringen und zum Aufsteigerland zu entwickeln. Seien Sie ganz gewiss: Diese politische Schwerpunktsetzung werden Sie auch in unserem Umgang mit den Förderprogrammen sehr deutlich sehen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Martin Börschel [SPD]: Das werden wir sehen!)

Teure Lieblingsprojekte für einzelne politische Akteure sind weder legitim noch bezahlbar. Für uns gilt eine einfache Grundregel: Für Ideologie gibt es zukünftig kein Geld mehr.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Jeder investierte Euro hat seinen festen Platz – und der ist begrenzt. Ich sage das noch einmal deutlich. Der Raum für neue Wünsche ist nicht endlos, auch in Zeiten steigender Steuereinnahmen und guter Konjunkturprognosen nicht. Hier wollen wir das gleiche Augenmaß walten lassen wie ein mittelständisches Unternehmen, das in guten Zeiten Vorsorge für schlechtere Zeiten betreiben muss.

Im Rahmen des Haushaltsvollzugs haben wir bereits in diesem Jahr seit Regierungsübernahme sparsam gewirtschaftet. Wir drehen jeden Euro zweimal um, bevor wir ihn ausgeben. Deshalb können wir auch jetzt schon eine Summe in Höhe von rund 120 Millionen € dem Pensionsfonds für 2017 zur Verfügung stellen. Im weiteren Haushaltsvollzug werden wir versuchen, weiter frei werdende Mittel auch in dieser Weise zu verwenden.