Protokoll der Sitzung vom 27.11.2020

Insgesamt sind wir mit dem Gesetzentwurf zufrieden. Er greift die Einigung der betroffenen Spitzenverbände auf und setzt sie entsprechend um. Die Belastung der kommunalen Haushalte wird durch die Änderung deutlich verringert. Gerne stimmen wir der Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Stock. – Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion Herr Abgeordneter Kollege Lenzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Finanzierung der Flüchtlingskosten der Kommunen hat uns hier ja schon häufiger beschäftigt. Nach mehreren Anträgen diskutieren wir heute über einen Gesetzentwurf der Grünen.

Teilweise kann ich die Ungeduld der Opposition nachvollziehen. Aber entscheidend ist – das ist der Punkt; das hat der Kollege Blondin auch schon ausgeführt –: Bevor die Landesregierung oder die sie tragende Regierungskoalition aus FDP und CDU einen Gesetzentwurf einbringen, was wir durchaus schon hätten machen können, wollen wir eine möglichst breit getragene Regelung haben. Es bringt doch nichts, jetzt etwas vorzubringen, was nach einem Jahr wieder abgeändert werden soll.

Deswegen: Wir arbeiten daran. Es ist wichtig, wir brauchen eine breit getragene Regelung. Die nötige Zeit wird sinnvoll genutzt. In den Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden ist das Ziel einer gemeinsamen Lösung in Sicht. Wichtig ist auch, dass wir mit allen Beteiligten zu einer tragfähigen Lösung kommen. So, wie wir es als Freie Demokraten von unserem Minister Stamp vernommen haben – das zeigen auch die entsprechenden Signale –, sind diese Gespräche auf der Zielgeraden.

Manchmal lohnt sich ein Blick in den Haushalt. Wir haben darüber gestern und vorgestern lange debattiert. Dort findet man zusätzliche Mittel in Höhe von 110 Millionen Euro für eine Anpassung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes in 2021.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im sogenannten Lenk-Gutachten von Herrn Professor Dr. Lenk und auch von Hesse und Diesener von der Universität Leipzig aus dem Jahr 2018 wurden bekanntermaßen die Ist-Kosten evaluiert, gerade für das Thema der Flüchtlingsunterbringung. Darüber hinaus wurden Empfehlungen bezüglich einer Anpassung der FlüAG-Pauschale vorgelegt.

Es wird eine Differenzierung zwischen den kreisfreien Städten und dem kreisangehörigen Raum vorgesehen. Es ist das Ziel der NRW-Koalition sowie unseres Flüchtlings- und Integrationsminister Dr. Joachim Stamp, diese Empfehlungen möglichst eins zu eins umzusetzen.

Im Entwurf der Grünen haben wir eine Staffelung entsprechend der Mietstufen analog des Wohngeldes. Mit einer Abstufung nach mehreren unterschiedlichen Sätzen,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Macht doch mal einen Vorschlag!)

die sich aber aus dem Lenk-Gutachten nicht ergeben, laufen wir aus unserer Sicht Gefahr, dass, wenn wir es heute so täten, wie Sie es vorschlagen, es eben nicht rechtssicher umgesetzt werden kann.

Es ist schon etwas eigenartig, dass man ein Gutachten vergibt, woraufhin man eine entsprechende wissenschaftliche Expertise bekommt, und dann kommen Sie mit Vorschlägen in einem Gesetzentwurf, die man diesem Gutachten überhaupt nicht entnehmen kann. Warum sollte man dann ein Gutachten beauftragen? Warum sollte man jetzt auf einmal zu anderen Vorschlägen kommen? Das bleibt ein Geheimnis der Grünen. Aus unserer Sicht ist das mehr als unverständlich.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP] – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wann kommen Sie denn mit einem Vorschlag, Herr Kollege?)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bezüglich Ihrer Forderung nach einer unbefristeten Kostenübernahme für Geduldete muss man kurz überlegen, welche Anreize man dadurch setzt. Sie wollen das Ganze dauerhaft und umfassend für Menschen ohne Schutzstatus finanzieren, die eigentlich vollziehbar ausreisepflichtig sind. Ich sage Ihnen, warum das kontraproduktiv ist.

Welche Auswirkungen hat das auf die Motivation vor Ort, die Zahl der Geduldeten zu reduzieren? Wir bieten dazu mehrere Lösungsvorschläge an, zum Beispiel ganz konkret – auch wenn Sie es kritisiert haben – die Umsetzung des Asylstufenplans, dass wir nicht mehr so schnell und so viele Geflüchtete auf die Kommunen verteilen. Ferner zahlen wir bisher nach dem alten rot-grünen Gesetzentwurf drei Monate im Gegensatz zum Bund, der einen Monat weiterzahlt. Des Weiteren helfen wir den Kommunen – das führe ich gerne kurz aus – in zweierlei Hinsicht, die Zahl der Geduldeten zu verringern, aber wir nehmen sie auch in die Pflicht.

Zum einen helfen wir Ihnen, wie ich schon erwähnt habe, über den Asylstufenplan. Wir unterstützen die Kommunen bzw. Ausländerbehörden bei Abschiebungen. Bezüglich Rückführungen könnte ich mir bei einer Kommune, gerade wenn dort die Grünen die Mehrheit stellen, wenn sie weiß, die Kosten werden

unbefristet komplett übernommen, gut vorstellen, dass wir über das Thema „Rückführungen“ überhaupt nicht mehr zu sprechen bräuchten.

Auf der anderen Seite bieten wir als Koalition aus FDP und CDU mit unserem Minister entsprechende Perspektiven wie zum Beispiel, den Bleiberechtserlass über die Ausländereinwanderungsbehörde zu nutzen. Das ist auch ein Thema, um die Zahl der Geduldeten zu reduzieren. Wir haben den Erlass schon im März 2019 vorgelegt, um den bundesrechtlichen Spielraum hier auszureizen und zu nutzen.

Wir haben schon am Mittwoch beim Einzelplan 07 diskutiert, wir haben für dieses Jahr ein kommunales Integrationsmanagement auf den Weg gebracht. Wir werden das im nächsten Jahr landesweit ausbauen und damit kommunale Integrationsstrukturen absichern. Mit der Einführung des flächendeckenden kommunalen Integrationsmanagements unterstützen wir die kommunalen Ausländerbehörden personell, gerade als Ausländer-, aber auch als Einwanderungsbehörde.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Die NRW-Koalition aus FDP und CDU weiß genau um die Herausforderungen, vor denen die Kommunen beim Thema „Flüchtlingsaufnahme und Integrationsarbeit“ stehen.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Wir wissen, wie die Herausforderungen sind. Wir unterstützen sie dabei. Ich habe es ausgeführt. Wir entlassen sie aber auch nicht aus der Verantwortung. – Vielen Dank.

(Beifall von Christian Mangen [FDP] und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Walger-Demolsky für die Fraktion der AfD das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Anzahl der ausreisepflichtigen Personen hat sich seit den Anträgen der Grünen zu diesem Thema im Frühjahr 2019 erheblich erhöht: tatsächlich auf ein neues Allzeithoch von 74.000 Personen, davon fast 65.000 Personen mit einer Duldung. Das liegt tatsächlich auch weit über dem Bundesdurchschnitt, wenn man als Basis des Vergleichs den Königsteiner Schlüssel heranzieht.

Wenn man die Grünen fragt, ist das sicher eine ideale Voraussetzung für ihr Ziel der vielfältigen Einwanderungsgesellschaft, die Sie sich als Staatsziel im

Grundgesetz wünschen. Es wird Sie nicht wundern: Wir sehen das anders.

Was keinesfalls verändert werden darf, ist daher die zeitliche Begrenzung der Finanzierung von Geduldeten, insbesondere in Fällen, in denen eine Duldung nicht zwingend ist. Welches Interesse an der Durchsetzung der Ausreisepflicht sollte eine Kommune noch haben – Sie sagten es auch gerade –, wenn jegliche finanzielle Verantwortung entfällt? Die Kommunen oder, genauer gesagt, die kommunalen Ausländerbehörden haben sich auch in den letzten anderthalb Jahren dem Druck der Sozialverbände, des Flüchtlingsrats und der Verantwortlichen in rot-grünen Rathäusern gebeugt.

Rund 15.000 oder, anders ausgedrückt, 20 % der Ausreisepflichtigen stammen allein aus den Balkanstaaten Serbien, Albanien, dem Kosovo oder Nordmazedonien. Wo, bitte, liegt da ein Abschiebehindernis? Wir reden hier von Menschen, die eben in der Regel nicht über den legalen Weg, also über eine Zuwanderung im Rahmen der Westbalkanregelung zu uns nach Deutschland gekommen sind.

Nicht geändert hat sich insbesondere in den rot-grünen Rathäusern der Wille, immer mehr Menschen aufnehmen zu wollen. In 58 NRW-Städten ist man mittlerweile der Ansicht, einen Hafen zu besitzen. Ein Blick auf die Landkarte lässt tatsächlich Zweifel aufkommen. 58 sichere Häfen, also Städte, die mehr Asylbewerber aufnehmen möchten, als ihnen aktuell zugeteilt werden! Darunter sind natürlich auch die, die gleichzeitig einen deutlichen Wohnungsmangel haben und deren Kassen längst leer sind. Auch die größte Wirtschaftskrise nach Kriegsende hat an diesem Ansinnen bisher nichts geändert. Das Geld der Steuerzahler fließt derweil. Zur Not wird die Notenpresse angeschaltet.

Mit dem neuen Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung, welches am 01.01. dieses Jahres in Kraft trat, wurde die eigentlich vorgesehene Rückführung Ausreisepflichtiger wissentlich weiter erschwert. Zur Wahrheit gehört, dass die Beschäftigungs- und Ausbildungsduldung fortan als weiteres Mittel dient, um den Aufenthalt in Deutschland und somit auch die Bezugsdauer von Sozialleistungen zu verlängern. Unterstützung findet dieses Ansinnen unter anderem durch Landesmaßnahmen zur Förderung junger Gestatteter und Ausreisepflichtiger auf dem Arbeitsmarkt. Ich rede über das Programm „Gemeinsam klappt’s“.

Wenn wir den Aufenthalt eigentlich ausreisepflichtiger Personen auf diesem Weg weiterhin künstlich verlängern, dürfen wir uns am Ende nicht über vermeidbare Sozialausgaben wundern.

Auch wir sehen Reformbedarf, und zwar, wenn es um die Differenzierung der Aufwandsentschädigung in Abhängigkeit vom jeweiligen Wohnungsmarkt geht. Es ist natürlich ein Unterschied, ob wir über die

Kosten in Düsseldorf, in Herne oder im Kreis Lippe reden. Ihrer Forderung nach einer Staffelung könnten wir uns daher auch anschließen. Über die genaue Ausgestaltung gälte es zu reden.

Wenn Sie erkennen, dass die Höhe der Kosten nicht landesweit identisch ist, wenn Sie Unterschiede auf dem Wohnungsmarkt erkennen und Ihnen die angespannte Lage hier bewusst ist – zum Beispiel in Düsseldorf –, dann verwundert es doch, dass Sie unseren Antrag nach einer stärkeren Einbeziehung des ländlichen Raums bei der Zuweisung abgelehnt haben. Sind die Probleme in Städten wie Dortmund, Essen oder Köln nicht bereits groß genug? Sind Ihnen eigentlich alle hier verschenkten Möglichkeiten, die Lage zu entspannen und durch einen günstigeren Wohnungsmarkt Kosten einzusparen, egal?

Wenn Sie in Ihrem Gesetzentwurf jetzt Mehrkosten in Höhe von 960 Millionen Euro für das Land fordern, über eine Gegenfinanzierung im Landeshaushalt aber nicht reden, ist das unseriös. Wir sind dagegen auf die Verhandlungsergebnisse des Ministers mit den kommunalen Spitzenverbänden gespannt und sehen den weiteren Beratungen im Ausschuss entgegen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Walger-Demolsky. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Dr. Stamp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei der antragstellenden Fraktion dafür entschuldigen, dass ich zu Beginn der Beratung nicht anwesend war. Ich war in einem Fachgespräch mit einem Fachabgeordneten über Fragen der Kindertagespflege und habe nicht rechtzeitig erfahren, dass sich die Zeit für die Beratung des Tagesordnungspunkts so verschoben hat. Ich bitte da sehr herzlich um Nachsicht. Ich weiß, dass Sie selbstverständlich ein Anrecht darauf haben, dass der Fachminister zu Beginn einer Debatte anwesend ist.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mir geht es um einen Punkt. Ich habe das im Übrigen auch der Kollegin Aymaz gesagt, und wir werden uns gleich unter vier Augen zusammensetzen, damit das kompensiert werden kann. Ich will das hier aber auch noch einmal darstellen: Sie haben in Ihrem Antrag ein Stufenmodell vorgeschlagen. Das ist dann nicht das Lenk-Gutachten. Wir haben uns das intensiv angesehen. Aber die Juristen sind der Auffassung, dass das rechtlich keinen Bestand haben würde.

Uns wird ja vorgeworfen, dass wir für diese FlüAGEinigung so lange gebraucht haben oder immer noch auf dem Weg sind. Wir sind jetzt auf der Zielgeraden. Das ist hier eben auch schon angesprochen worden. Wenn wir es so gemacht hätten, wie von den Sozialdemokraten vorgeschlagen, wären wir ganz schnell fertig gewesen. Wir hätten hier einfach das LenkGutachten eins zu eins einbringen können, und dann wäre es das gewesen.

Es geht den Kommunen aber nicht nur um die Frage: Was mit den unmittelbaren Kosten für die Asylbewerberinnen und Asylbewerber? Es geht ganz wesentlich auch um die Frage: Was ist mit den Geduldeten? Da geht es einmal um diejenigen, die neu geduldet werden, und zum anderen um diejenigen, die sozusagen Bestandsgeduldete sind, die wir über einen ganz langen Zeitraum nicht zurückführen konnten – was nicht daran liegt, dass es kein Interesse daran gibt, wie von Populisten vertreten wird,

(Zuruf von Thomas Röckemann [AfD])

sondern daran, dass es rechtliche Hürden gibt.

Dementsprechend ist es unser Interesse, dass wir mit den Kommunen zu einer dauerhaften, tragfähigen Lösung kommen. Mein Eindruck ist, dass wir hier in den nächsten Tagen zum Abschluss kommen werden. Vermutlich werden wir im Zweifelsfalle bei der unmittelbaren Regelung für die Asylbewerberinnen und Asylbewerber Lenk eins zu eins umsetzen.

Aber es geht eben auch noch um die Frage: Wie regeln wir das bei den neu Geduldeten und bei den Bestandsgeduldeten? Da sind jetzt noch einige Gespräche offen. Aber ich bin sehr optimistisch, dass wir Ihnen spätestens Mitte Dezember einen entsprechenden Vorschlag präsentieren können, es eine politische Einigung gibt und wir dann das Gesetz auch zügig gemeinsam über die Bühne bringen können. Ich glaube, dann wird sich auch die Aufregung um dieses Thema erledigen. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt sehe ich nicht, sodass wir am Schluss der Aussprache sind.