Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle zur 111. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien und den Zuschauerinnen und Zuschauern an den Bildschirmen.
Geburtstag feiert heute Herr Thomas Schnelle von der Fraktion der CDU. Herzlichen Glückwunsch, alles Liebe und alles Gute!
Die Einberufung des Landtags zur heutigen Sitzung erfolgt gemäß Art. 38 Abs. 4 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit § 21 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung auf Antrag der Landesregierung.
Nach exponentieller Steigerung von Kita-Schließungen: Monetäre Entlastung in schwierigen Zeiten – Keine Kita-Gebühren in der CoronaQuarantäne
Die Landesregierung hat mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 die unverzügliche Einberufung des Landtags beantragt, um ihn zu dem genannten Thema zu unterrichten.
Zwischenzeitlich haben sich alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen darauf verständigt, die aufgeführten Anträge verbunden und im Rahmen der Unterrichtung durch die Landesregierung zu beraten.
Die Unterrichtung der Landesregierung erfolgt durch Herrn Ministerpräsidenten Armin Laschet, dem ich das Wort erteile. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 9. Oktober 2020 betrug die Sieben-Tage-Inzidenz 28,6, am 23. Oktober 74,4 und am 30. Oktober 140. Das war exponentielles Wachstum.
Nachdem wir das exponentielle Wachstum der Infektionszahlen im Oktober identifiziert hatten, haben wir umfassende Maßnahmen ergriffen. Die Zahlen im November, die wir in der letzten Plenarsitzung erörtert haben, zeigen, dass es gelungen ist, dieses exponentielle Wachstum zu stoppen. Wir haben die sogenannte Welle gebrochen, was die Zielsetzung Ende Oktober war.
Doch das Infektionsgeschehen ist hoch geblieben – zu hoch. Deshalb haben Bund und Länder Ende November noch einmal nachgesteuert und die Regeln weiter verschärft, um soziale Kontakte noch weiter zu reduzieren.
Damit wähnten wir uns Anfang Dezember alle auf dem richtigen Weg: Das Infektionsgeschehen war in Nordrhein-Westfalen seit Anfang November merklich zurückgegangen. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag Anfang November bei knapp 180 und Anfang Dezember nur noch bei gut 140.
Doch in der vergangenen Woche haben wir erlebt, dass das Infektionsgeschehen trotz aller Maßnahmen und trotz aller Einschränkungen wieder angestiegen ist, und zwar plötzlich wieder sehr schnell. Am vergangenen Donnerstag lag die Sieben-TageInzidenz schon wieder auf dem gleichen Niveau wie Ende Oktober.
Damit sich das nicht fortsetzt, mussten wir mit unseren Maßnahmen weitergehen. Das Bedrückende ist, dass uns die Situation auf den Intensivstationen in unserem Land nun alle aufrütteln muss. Innerhalb weniger Wochen zwischen dem 16. Oktober und dem 8. November 2020 hatte sich die Zahl der COVID-Patienten auf unseren Intensivstationen vervierfacht.
Zwar ist es auch dort gelungen, das exponentielle Wachstum zu stoppen; doch auch dort sind die Fallzahlen langsam, aber immer weiter angestiegen. Am vergangenen Samstag hatten wir mit 1.000 COVIDPatienten auf unseren Intensivstationen, die um ihr Leben ringen, die höchste Zahl überhaupt.
Virus verstorben. In den letzten Wochen wurden jeden Tag bundesweit mehrere Hundert neue Fälle registriert. Das sind eben keine abstrakten Zahlen, sondern Hunderte schwere Schicksale von Familien, die um ihre Liebsten trauern oder bangen.
Dahinter stehen auch Krankenschwestern, Pflegerinnen und Pfleger sowie Ärztinnen und Ärzte, die bis zur Erschöpfung dafür arbeiten, dass diese Menschen die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten.
Wir können hier rechnen, dass soundso viele Betten noch frei sind. Das mag zwar stimmen, aber an den Betten, die belegt sind, arbeiten in diesen Minuten Menschen mit aller Kraft und manchmal auch rund um die Uhr. Deshalb sollten wir jenseits dieser Zahlen auch an diese Menschen denken. Das sind keine Statistiken; das sind Helden, die sich abrackern, damit in diesen Tagen Leben gerettet wird.
Bei uns ist die Lage ernst; in anderen deutschen Ländern ist sie dramatisch. Wir haben in Sachsen heute eine Inzidenz von 328, in Thüringen von 251, in Bayern von 192. Baden-Württemberg, Saarland, Berlin, Hessen – Sie alle liegen derzeit vor Nordrhein-Westfalen. Aber das ist überhaupt kein Grund, die Arbeit einzustellen, sondern wir müssen da weitermachen. Es ist auch keine Rangliste von parteipolitisch richtigem oder falschem Handeln. Es kann jeden erwischen, und deshalb muss jeder für sich seine Arbeit machen.
In Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern, wo sogar der Katastrophenfall ausgerufen wurde, hat sich insbesondere die Todeszahl sehr erhöht. Deshalb ist eine solche Dynamik auf Dauer nicht regional zu begrenzen.
Ich habe in den letzten Tagen mit Ministerpräsident Rutte von den Niederlanden gesprochen. In den Niederlanden haben wir eine ähnliche Entwicklung. Wir haben uns abgestimmt, alle Maßnahmen möglichst ähnlich zu machen. Denn wenn bei uns ab morgen die Geschäfte geschlossen und sie in den Niederlanden geöffnet sind, kann man sich vorstellen, was dann passiert. Deshalb danke ich den Niederlanden, dass dort am gestrigen Abend sehr ähnliche Maßnahmen getroffen worden sind wie in NordrheinWestfalen. Es ist für unseren Grenzraum, es ist für das grenzüberschreitende Leben ein ganz wichtiges Signal, dass das parallel gelungen ist.
Angesichts der Dramatik der Zahlen in der letzten Woche hat sich dann die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina am 8. Dezember – man muss immer die Zeitfolgen im Blick haben; heute ist der 15. Dezember, es ist erst sieben Tage her – mit einer Ad-hoc-Stellungnahme zu Wort gemeldet, in
der sie zwei Maßnahmen vorgeschlagen hat, und zwar erstens, ab dem 14. November die Präsenzpflicht in den Schulen aufzuheben. Sie hat das sprachlich „Schulpflicht“ genannt.
Sie hat gesagt, man solle die Präsenzpflicht ab dem 14. Dezember aufheben – sie hat das „Schulpflicht“ genannt, hat aber inzwischen erläutert, dass damit natürlich „Präsenzpflicht“ gemeint war –, und zur Arbeit im Homeoffice aufgefordert. Sie hat weiter gesagt, in einer zweiten Stufe sollten wir ab 24. Dezember die Geschäfte schließen, und zwar alles, was nicht für die Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen notwendigen Dingen erforderlich ist. Empfehlung der Wissenschaft – das ist eine Woche her.
Den ersten Teil haben wir umgesetzt, die Schulministerin am letzten Freitag. Bei uns gilt diese Empfehlung seit gestern. In den anderen Ländern wird es ab Mittwoch etwas Ähnliches geben. Aber die Dynamik des letzten Wochenendes hat die Frist zum Schließen der Geschäfte noch einmal überholt. Wir haben gesagt: Nein, wir können nicht bis zum 24. Dezember warten. Deshalb haben Joachim Stamp und ich am Freitag, den 11. Dezember, gesagt: Wir erwarten, dass die Ministerpräsidenten jetzt schnell tagen und wir schneller den Lockdown beschließen. Wir hätten es auch noch schneller gemacht, aber manche Länder haben gesagt, sie bräuchten noch eine Parlamentsbeteiligung oder dieses oder jenes. Deshalb ist es jetzt der kommende Mittwoch.
So schnell haben wir auf die Empfehlung der Wissenschaft reagiert. Das ist in diesen Zeiten geboten, und insofern war es richtig, dass alle 16 Länder bei dieser Ministerpräsidentenkonferenz in relativ kurzer Zeit – es war die kürzeste Zeit, die ich je erlebt habe – entschieden haben: Präsenzpflicht in der Schule aussetzen, jetzt sehr schnell, Betreuungsangebote aufrechterhalten und vor allem ab morgen Lockdown in ganz Deutschland.
Das ist die Kette, wie man handelt: der Wissenschaft zuhören, Lage analysieren, danach entscheiden und dann auch konsequent handeln. Das leitet diese Landesregierung, und deshalb haben wir das so gemacht.
Deshalb geht es nicht nur um Ruhe, um das Herunterfahren, so wie wir alle im November dachten, dass es richtig sei, sondern es geht jetzt um Stillstand, um das öffentliche Leben wirklich einzustellen. Es geht wieder darum, Leben zu retten.
Ich sage im Hinblick auf Weihnachten, auf den Jahreswechsel und Silvester: Nach den harten Monaten der Einschränkungen haben viele gehofft – viele Maßnahmen sind von manchen sogar so begründet worden –, ein entspannteres Weihnachtsfest zu feiern. Wir sehen jetzt: Das Virus nimmt darauf keine Rücksicht. Das Weihnachtsfest wird anders sein müssen als alle Weihnachtsfeste, wie wir sie vielleicht in unserer Generation kennen. Denn das Bösartige an diesem Virus ist nicht nur die zerstörerische Wirkung im Körper, im Krankheitsfall; das Bösartige ist auch das Ausnutzen unserer menschlichen Qualität, dass es ausgerechnet dann zuschlägt, wenn wir einander nahe sind, uns umarmen, Gemeinschaft und Nähe suchen.
Ausgerechnet dann schlägt das Virus zu. Deshalb müssen wir entgegen dem, was wir so gern tun, das Gegenteil tun – Abstand halten. Wir haben beispielsweise für die Hotels gesagt, …