Protokoll der Sitzung vom 16.12.2020

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht nun Minister Laumann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Leitlinie der Landespolitik wird durch diesen Antrag sehr unterstützt; denn wir unterstützen als Land natürlich aktiv die neuen Fördermöglichkeiten des Bundes für die Qualifizierung von Beschäftigten in Unternehmen unseres Landes. Das Qualifizierungschancengesetz bietet eine sehr gute Grundlage für die Bewältigung der neuen Herausforderungen in Unternehmen.

Ich finde, der Bundesgesetzgeber hat seine Hausaufgaben jetzt gemacht. Wurde bisher vor allem auf arbeitslose und Geringqualifizierte abgezielt, können jetzt auch alle Beschäftigten profitieren, wenn sie von der digitalen Transformation in ihren Betrieben betroffen sind. Das eröffnet uns natürlich ganz neue Spielräume.

Völlig klar muss aber auch sein – das muss man an der Stelle sagen –, dass es nicht ohne die Betriebe geht, die natürlich ihre Beschäftigten gezielt fördern und dabei auch unterstützen müssen.

Die Coronasituation hat sicherlich das Rad etwas schneller weitergedreht. Viele Betriebe sind bereits sehr aktiv und finden auch in der Krise ihre Lösun

gen. Zwei Drittel der Betriebe führen ihre Weiterbildungen auch virtuell durch. Das sind alles große Fortschritte.

Bei der Nutzung der finanziellen Förderung durch die BA – das muss man auch sagen – ist noch sehr viel Luft nach oben. Die beste Förderung nutzt nichts, wenn sie nicht bekannt ist. Deshalb ist die Stoßrichtung des Antrages richtig. Informationen und Beratungen müssen noch besser bei den Betrieben, gerade auch bei den kleineren Betrieben, ankommen.

Die Sozialpartner sind dabei für uns wichtiger denn je. Das Gesetz entlässt sie nicht aus ihrer Verantwortung für die strategische Personalentwicklung. Wenn wir die Chancen nutzen wollen, müssen wir daher alle an einem Strang ziehen.

In der aktuellen Lage ist das Kurzarbeitergeld für viele Unternehmen eine gute Möglichkeit, die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern. Diese Zeit kann auch genutzt werden, um die Beschäftigten zu qualifizieren und damit auch das eigene Unternehmen zukunftsfest zu machen.

Mit dem Beschäftigungssicherungsgesetz ist es einfacher geworden, Weiterbildung während der Kurzarbeit zu fördern. Die Anreize werden gestärkt, Arbeitsausfälle für Weiterbildung zu nutzen. Die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge wird nicht mehr daran geknüpft, dass die Qualifizierung mindestens 50 % des Arbeitsentgeltes betragen muss. Ein wichtiges Anliegen dabei ist, die Rahmenbedingungen für die Förderung noch weiter zu verbessern. Dafür setzen wir uns ein.

Aber wir verlassen uns auch nicht nur auf den Bund. Das Land schafft eigene Anreize, sich an Weiterbildungen zu beteiligen, und zwar mit der Qualifizierung von unter 120 Unterrichtsstunden über den Bildungsscheck Nordrhein-Westfalen.

Zusammengefasst: Die Landesregierung nimmt den Auftrag aus diesem Antrag ernst, die Chancen des Gesetzes vor allem bei Unternehmen bekannt zu machen, die Zusammenarbeit mit der Regionaldirektion zu vertiefen und eigene Akzente zusammen mit den Sozialpartnern und der Regionaldirektion zu setzen.

(Beifall von der CDU)

Da das wahrscheinlich meine letzte Rede in diesem Jahr war, möchte ich Ihnen herzlich danken. Ich finde, wir haben manch muntere Auseinandersetzung gehabt. Das ist auch gut so. Ich wünsche Ihnen allen ein wunderschönes Weihnachtsfest und einen guten Jahreswechsel. Und für den Gesundheitsminister wäre es das Schönste, wenn das Christkindchen uns jetzt endlich den Impfstoff bringen würde. In diesem Sinne alles Gute und eine gute Zeit!

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen lieben Dank. Diesem Wunsch können wir alle uns nur anschließen. – Ich darf damit gleichzeitig die Aussprache schließen.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/12054. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind CDU, FDP und Grüne. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD und AfD. Enthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag Drucksache 17/12054 angenommen.

Ich rufe auf:

8 NRW stellt sich seiner internationalen und

menschenrechtlichen Verantwortung – durch antidemokratische Regime bedrohte Menschen schützen!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/12049

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die Fraktion der Grünen Frau Kollegin Aymaz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ja, es sind außergewöhnliche Zeiten. Ab heute gehen wir auch in Deutschland wieder in einen harten Lockdown, um Menschenleben zu retten. Das öffentliche Leben wird weitestgehend stillgelegt und heruntergefahren.

Doch es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass auch in diesen schwierigen Zeiten weltweit Menschenrechtsverletzungen leider nicht zum Stillstand kommen. In vielen Ländern nutzen Regime sogar die Coronapandemie aus, um Versammlungsrechte und Meinungsfreiheit massiv weiter einzuschränken und gewaltsam gegen Kritikerinnen und Kritiker vorzugehen.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Nicht selten trifft es auch gewählte Politikerinnen und Politiker, Bürgermeister oder Abgeordnete, also unsere Kolleginnen und Kollegen, die eigentlich nichts anderes machen wollen als das, was auch wir hier machen, nämlich das freie Mandat ausüben.

Der kurdische Oppositionspolitiker Selahattin Demirtaş

(Die Rednerin hält ein Foto von Selahattin De- mirtaş hoch.)

befindet sich seit über vier Jahren in türkischer Haft – und das, obwohl der Europäische Gerichtshof für

Menschenrechte seine Haft für unrechtmäßig erklärt hat und seine sofortige Freilassung fordert.

Gemeinsam mit ihm befinden sich Hunderte weitere HDP-Politikerinnen und -Politiker in Haft – darunter übrigens auch der Oberbürgermeister von Kars, Ayhan Bilgen, der uns noch 2018 auf Einladung von Herrn Kollegen Brockes und mir hier im Landtag besucht hat. Vor drei Monaten wurde er nun des Amtes enthoben und befindet sich heute in Haft.

In Belarus sieht die Lage leider nicht anders aus. Die parteilose Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa

(Die Rednerin hält ein Foto von Maria Kolesni- kowa hoch.)

ist das Symbolbild für die Demokratiebewegung in Belarus, die sich so mutig und entschieden gegen die Lukaschenko-Diktatur stellt. Anfang September wurde sie entführt und war mehrere Tage verschwunden. Erst nach Druck der Öffentlichkeit mussten die belarussischen Behörden eingestehen, dass sie in Haft ist. Sie wurde festgenommen und befindet sich noch heute in Belarus in Haft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Liste der verfolgten Politikerinnen und Politiker ist leider viel zu lang, als dass ich sie in der Kürze der Zeit hier alle nennen könnte. Doch sie alle verdienen unsere Aufmerksamkeit und dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Denn wir wissen von zahlreichen Fällen, dass internationale Solidarität Menschenleben retten kann und auch oft sogar Freiheit bewirken kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

In diesem Sinne ist das Programm des Bundestages „Parlamentarier schützen Parlamentarier“, das bereits vor 17 Jahren ins Leben gerufen wurde, in der Tat ein Leuchtturmprojekt. Mittlerweile sind über 100 Patenschaften zwischen Bundestagsabgeordneten und verfolgten Politikerinnen und Politikern sowie Menschrechtsaktivisten entstanden. Unsere Kolleginnen und Kollegen in Berlin versuchen, den direkten Kontakt zu den verfolgten Politikern aufrechtzuerhalten. Sie schreiben ihnen Briefe, beobachten ihre Prozesse und bringen immer wieder ihr Schicksal auf den Tisch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, wir hier in NRW haben die besten Voraussetzungen, um diesem einzigartigen und großartigen Beispiel des Bundestages zu folgen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn kein anderes Bundesland und Landesparlament verfügt über so enge und langjährig gewachsene internationale Beziehungen wie wir – seien es die engagierten Parlamentariergruppen, die zahlreichen Partnerschaften zu Ländern und Regionen, die wir pflegen, oder auch die Bandbreite an internationalen kommunalen Städtepartnerschaften hier aus NRW. Diese Beziehungen verpflichten uns, wie ich

finde, auch zu mehr Verantwortung für den Schutz von Menschenrechten.

Ich freue mich, dass Sie, liebe Kollegen von der CDU und der FDP, aber auch von der SPD bereits Interesse an dem Thema und die Bereitschaft zu konstruktiven Beratungen signalisiert haben. Ich nehme Sie beim Wort und hoffe sehr, dass wir im neuen Jahr hier tatsächlich zu einer gemeinsamen Initiative mit einer starken Signalwirkung aus NRW starten können.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben besinnliche Feiertage. Kommen Sie gut, vor allem aber gesund ins neue Jahr!

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])

Vielen Dank. – Für die Fraktion der CDU spricht der Abgeordnete Kollege Krauß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Aymaz, das war eine engagierte Rede, in der Sie zu Recht auf das Engagement des Deutschen Bundestags hingewiesen haben. Denn am 11. Dezember 2003 hat das Plenum des Bundestages einstimmig den fraktionsübergreifenden Antrag „Schutz von bedrohten Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern“ angenommen.

Dass daraufhin zu diesem wichtigen Konsens keine unmittelbaren Äquivalente auf Ebene der Bundesländer entstanden sind, hat überhaupt nichts mit fehlender Wertschätzung zu tun.

Übrigens hat auch NRW damals die Initiative nicht aufgegriffen. Ministerpräsident – erlauben Sie mir diese Bemerkung – war seinerzeit Peer Steinbrück; der Grüne Michael Vesper war sein Stellvertreter.

Es war aber richtig. Der Bundestag ist als Verfassungsorgan bei der Ratifizierung von völkerrechtlichen Verträgen beteiligt. Das Parlament bestellt auf der Grundlage von Art. 45a des Grundgesetzes einen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten. Dort werden Grundlagen der Außenpolitik geschaffen. Die außenpolitische Befassung des Bundestages und seiner Parlamentarier bedeutet, zur Wahrung des Friedens beizutragen, zu einem offenen, partnerschaftlichen Internationalismus, zu Achtung und Verwirklichung von Menschenrechten.

Die Dimension dieser Zuständigkeiten ist der Beschlussfassung aus dem Jahr 2003 selbstverständlich eingeschrieben. Das gilt auch für die erwähnte Aktion „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ als einem Bestandteil, den der vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufgreift.