Mit diesem Entfesselungspaket wollen wir effizientere, transparentere und unkompliziertere Regelungen im Dienste der Bürgerinnen und Bürger wie auch der Unternehmen im Land Nordrhein-Westfalen schaffen. Wir wollen Tariftreue, Verbraucher- und Umweltschutz für die Adressaten nachvollziehbar und anwendungsorientiert gestalten und legen hierfür Änderungen bzw. Anpassungen von 16 Regelungswerken – darunter 13 Gesetze und drei Rechtsverordnungen – vor.
Die neue Landesregierung ist erst 137 Tage im Amt. Wir haben sofort begonnen, das auszuarbeiten. Wir haben uns mit den Beteiligten abgestimmt. Wir haben die Verbändeanhörung gemacht. Wir haben Ideen aufgegriffen – auch aus dem parlamentarischen Raum –, um Nordrhein-Westfalen schnell wieder mehr Bewegungsfreiheit zu eröffnen. Ich darf einige wenige Maßnahmen innerhalb der kurzen Redezeit hervorheben.
Damit schaffen wir endlich verlässliche Rahmenbedingungen für Kunden, Händler, Kommunen und die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In Zukunft soll die Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage von vier auf acht erhöht sowie die Öffnungszeiten an Samstagen nicht mehr begrenzt werden. Innerhalb einer Gemeinde sollen 16 statt bisher elf Sonntage freigegeben werden.
Auf Grundlage des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums führen wir neue Sachgründe ein, um die Sonntagsöffnung auch rechtssicherer zu machen. Denn bisher waren die wenigen Tage so stark beklagt und eingeschränkt, dass man den Interessen sowohl der Händler als auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem aber der Kunden gar nicht gerecht werden konnte.
Neben örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen sollen verkaufsoffene Sonntage in Zukunft auch folgenden Zielen dienen: unter
anderem der Belebung der Innenstädte und Kommunen zur Erhöhung der Standortattraktivität und zur Stärkung des stationären Einzelhandels und ortsnaher Versorgungsstrukturen vor allen Dingen im ländlichen Raum.
Das scheint uns gerade mit Blick auf die Digitalisierung wichtig zu sein, weil immer mehr Aktivitäten im E-Commerce stattfinden. Wir wollen, dass die Geschäfte dann geöffnet sind, wenn Familien auch Zeit haben, gemeinsam einkaufen zu gehen, die Innenstädte zu beleben und anstatt online auch noch offline einzukaufen. Denn das brauchen wir, wenn wir lebendige Innenstädte behalten wollen.
Verbessert wird auch das Tariftreue- und Vergabegesetz. Dabei geht es nicht um die Infragestellung so wichtiger Errungenschaften wie Tariftreue und Mindestlohn. Im Gegenteil: Wir stärken die vertraglichen Sanktionsmöglichkeiten und befreien das Vergaberecht von komplizierten Nachweispflichten. Öffentliche Auftraggeber können damit Nachhaltigkeitsaspekte in Zukunft zielsicher und einzelfallgerecht in das Verfahren einbringen.
Unabhängig von den genannten rechtlichen Regeln werden wir auch die elektronische Abwicklung und Abbildung des gesamten Beschaffungsvorgangs zeit- und kostensparend realisieren, einschließlich der Anbindung der Beschwerde- und Nachprüfungsinstanzen.
Dem Vergabeportal NRW kommt damit bundesweit eine Vorbildfunktion zu, und zwar nicht zuletzt gerade auch im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerrechte. Ich bin mir mit dem DGB-Bezirksvorsitzenden Nordrhein-Westfalen, Andreas Meyer-Lauber, einig, dass wir in Zukunft die Überwachung der Arbeitnehmerschutzrechte in Nordrhein-Westfalen insgesamt verbessern wollen – ganz nach der Devise: Weniger Regulierung erhöht Vertrauen und eröffnet die Chance, auch wirksam zu kontrollieren.
Als völlig untauglich hat sich das KontrollergebnisTransparenz-Gesetz, KTG, besser bekannt als Hygieneampel, erwiesen.
Deshalb schlagen wir dem Landtag im Einvernehmen mit der Umweltministerin, der ich dafür sehr dankbar bin, die ersatzlose Streichung vor.
Hier war der sperrige Name Programm. Die Reglung ist unübersichtlich, kompliziert und für Verbraucher, Anwender und die Betroffenen – 150.000 Betriebe und ihre Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen – undurchschaubar.
Natürlich liegen uns Hygiene- und Lebensmittelsicherheit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger am Herzen. Deshalb bleibt es selbstverständlich beim strengen Lebensmittelüberwachungsrecht und ähnlichen Vorschriften, deren strikte Einhaltung über wirksame und angemessene Strafen sichergestellt wird. Einen unverhältnismäßig hohen Dokumentationsaufwand, vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen, ohne erkennbaren Vorteil für die Konsumenten wollen wir allerdings nicht mehr zulassen. Deshalb nehmen wir das KTG zurück, meine Damen und Herren.
Aufgehoben wird auch der Erlass zur Internetveröffentlichungspflicht von immissionsschutzrechtlichen Antragsunterlagen, der ebenfalls eine ganz beachtliche Leistung der Vorgängerregierung darstellt. Durch die ungefilterte und umfassende Veröffentlichung aller Anlagen- und Baupläne im Internet steigt die Gefahr von Cyberkriminalität, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen eklatant. Durch den sogenannten Spionageerlass drohte zudem ein massiver Abfluss von Firmen-Know-How unter Preisgabe internationaler Wettbewerbsfähigkeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stellen manchmal Sachen ins Netz, die hier noch nicht genehmigt sind. Bis sie hier genehmigt worden sind, wurden sie in China bereits gebaut. Dem müssen wir ein Ende bereiten.
Im Dienste einer prosperierenden, weltoffenen NRW-Wirtschaft wiederum steht die vollelektronische, medienbruchfreie Gewerbemeldung. Eine Abfrage der Gründerinnen und Gründer hat ergeben, dass diese sich heute – das gilt insbesondere für die digitalen Start-ups – auch digital anmelden können wollen. Wenn sie ein Gewerbe haben, das mehrere Behörden betrifft, müssen sie sich heutzutage noch bei mehreren Behörden analog anmelden. Das passt nicht mehr in diese Zeit. Nordrhein-Westfalen hat sich schon jahrelang damit beschäftigt.
Wir wollen den Kammern jetzt optional das Recht einräumen, die Gewerbeanmeldung durchführen zu können, allerdings nur dann, wenn sie dies auch medienbruchfrei in einem Onlineverfahren tun. Wir hoffen, dass die Kommunen dann auch möglichst schnell in dieses Verfahren eintreten, damit wir es flächendeckend anbieten können.
Wie Sie sehen, dient die Entfesselung auch dazu, die Digitalisierung im Land voranzubringen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Pinkwart. – Der Minister hat die Redezeit der Landesregierung um zwei Minuten überzogen. Diese Zeit bekommen die Fraktionen selbstverständlich gutgeschrieben.
Ich möchte gerne darauf aufmerksam machen, dass wir künftig auch bei der Landesregierung ganz kurz verbal andeuten werden, dass sich die Redezeit dem Ende nähert oder überzogen ist – nicht, um die Landesregierung in ihren Rechten einzuschränken, sondern, um den Fraktionen auf diesem Weg das Signal zu geben, dass sich ihre Redezeit gegebenenfalls verlängern wird.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen ist eine Chance für einen Neustart für unser Land.
Zunächst müssen wir die Versäumnisse der letzten Jahre aufholen. Damit meine ich insbesondere die Investitionen in Straßen, Kindergärten, Krankenhäuser, Polizei und vieles mehr. Das alles sind Baustellen von unvorstellbarer Größe, die eine finanzielle Kraftanstrengung für viele Jahre erfordern werden. Diese rot-grünen Versäumnisse kosten Geld.
Gerade bei einem Wechsel von einem streng linken Bündnis wie in Nordrhein-Westfalen hin zu einer klassisch bürgerlich-pragmatischen Koalition gibt es aber auch jede Menge überalterter, unwirksamer, teilweise ideologischer Regelungen, die man einfach abschaffen kann. Das Schönste ist: Diese alten rotgrünen Zöpfe abzuschneiden, kostet kein Geld, sondern bringt die Wirtschaft in Schwung.
Diejenigen Kollegen, die wie ich regelmäßig Unternehmen und Betriebsräte besuchen, bekommen unaufgefordert den sehnlichen Wunsch mit auf den Weg: Sorgt für weniger Bürokratie!
(Norwich Rüße [GRÜNE]: Geht es auch eine Nummer größer? – Heike Gebhard [SPD]: Deswegen stehen wir wirtschaftlich auch so gut dar!)
Sie verhindert Wachstum sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen und geht den Praktikern vor Ort schlicht auf die Nerven. In Großunternehmen gibt es eigene Abteilungen, die sich darum kümmern. In Mittelstand und Handwerk macht das der Chef oder die Chefin nach Feierabend selbst.
Auf verschiedenen Ebenen diskutieren wir aktuell ein gesundes Gleichgewicht aus Arbeitszeit und Flexibilität für Arbeitnehmer. Das Arbeitszeitgesetz des Bundes, das für Saisonbetriebe und Gastronomie viel zu starre Tagesarbeitszeiten hat, ist richtigerweise im Gespräch. Auch die IG Metall plädiert für schwankende Arbeitszeiten zur Abmilderung von persönlichen Belastungen im Laufe verschiedener Lebensphasen.
Wer aber spricht offen über die persönliche Arbeitsbelastung von Selbstständigen, Mittelständlern, Handwerksmeistern oder Ich-AGs?
Ein selbstständiger Unternehmer ist auch nur ein Mensch. Auch die Kinder des Bäckermeisters haben ein Recht darauf, ihren Papa mal bei Tageslicht zu sehen.
Unsere Unternehmer und Handwerker sind tagein, tagaus unermüdlich für ihre Betriebe und zufriedene Kunden im Einsatz. An dieser Stelle möchte ich allen Unternehmern für ihren Einsatz für unseren Wohlstand und die Arbeitsplätze herzlich Danke sagen.
Das Arbeitszeitgesetz des Bundes, die Mitbestimmung und Manteltarifverträge schützen Arbeitnehmer. Wer aber schützt Unternehmer vor immer mehr Bürokratie, Dokumentation und Gängelung? Aus eigener Erfahrung weiß ich: Unternehmer wollen kein Mitleid und kein Arbeitszeitgesetz für ihre Person. Im Gegenteil! Unternehmer und Handwerker sagen: Lasst uns einfach in Ruhe unsere Arbeit tun. – Sie wollen mit guten Produkten zufriedene Stammkunden gewinnen, ihren Mitarbeitern für gute Arbeit gutes Geld zahlen und ein Auskommen erzielen, von dem sie und ihre Familien vernünftig leben können.
Was die Handwerker nicht wollen, ist, nach einem langen 16-Stunden-Tag noch eine Stunde Dokumente, Tabellen und Nachweise auszufüllen, die auf dem großen Datenfriedhof der Republik landen. Ob Hygieneampel, das Vergabegesetz mit allzu vielen Dokumentationspflichten, die gut gemeint sind, aber nicht wirken, komplizierte Gewerbeanmeldungen oder rechtsunsichere Organisationsrahmen von verkaufsoffenen Sonntagen durch die örtlichen Kaufleute: Wir wollen den Unternehmern Steine aus dem Rucksack nehmen, damit sie einfacher arbeiten, erfolgreich sein und Arbeitsplätze schaffen können.
Es geht nicht nur darum, bestehenden Unternehmen Luft im Alltag zu verschaffen. Mit der Abschaffung oder Überarbeitung überflüssiger, überalterter oder unwirksamer Regelungen in NordrheinWestfalen wollen wir auch das Unternehmersein
generell attraktiver machen. Ob Internet, Verkehrswende, Energiewende oder demografischer Wandel: Wir brauchen viele neue Unternehmer mit Motivation und Geschäftsideen. Diesem Gründergeist müssen wir Freiraum geben, damit er sich entfalten kann.