Protokoll der Sitzung vom 30.11.2017

(Helmut Seifen [AfD]: Das haben wir nicht ge- sagt!)

Wo sind ganz konkret Ihre konstruktiven Vorschläge zur Verbesserung der Studiensituation und Betreuungsrelation? Wo sind Ihre Vorschläge zum Thema „Digitalisierung an den Hochschulen“? Wo sind Ihre konkreten Vorschläge in der Sache?

(Helmut Seifen [AfD]: Das war doch gar nicht das Thema!)

Meine Damen und Herren, die AfD-Fraktion dokumentiert mit ihrem Antrag hier wieder, dass sie zurück in die Vergangenheit will. Wir wollen die Hochschulen fit machen für die Zukunft.

(Beifall von der FDP, der CDU und den GRÜNEN – Markus Wagner [AfD]: Wir wollen zurück in die Zukunft!)

Vielen Dank, Herr Körner. – Für die grüne Fraktion spricht nun Herr Bolte-Richter.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt der Zweite, der in dieser Debatte sprechen darf, der zu Bologna-Bedingungen studiert hat.

Ich habe 2005 in Bielefeld angefangen, Politikwissenschaft zu studieren, war damals im zweiten Jahrgang unter Bologna-Bedingungen. Wir hatten in die

sem zweiten Jahrgang die zweite Studien- und Prüfungsordnung. Als ich nach sechs Semestern abgeschlossen habe, hatten wir die dritte, und die vierte war in Planung. Das ist das, was der Kollege Körner gerade richtigerweise als Umstellungsschwierigkeiten bezeichnet hat, wenn man das eine System auf das andere System umstellt.

Jetzt kann man aber nicht, wie es der vorliegende Antrag macht, die Vergangenheit in einer völlig unreflektierten Weise verklären. Gab es denn bei den alten Diplom-, Staatsexamen- und Magisterstudiengängen keine Probleme in der Studienqualität? Gab es keine Probleme beim Hochschulwechsel, bei der Auslandsmobilität? Gab es keine Studienabbrüche? Konnten alle Absolventinnen und Absolventen sofort problemlos in den Beruf wechseln? Konnten alle Absolventinnen und Absolventen sofort einen Beruf ergreifen?

Die alten Studiengänge hatten Jahrzehnte Zeit, sich zu entwickeln, und dennoch konnten zahlreiche Probleme nicht behoben werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

In bildungspolitischen Debatten ist es beliebt, Strukturfragen vor Inhalte zu stellen. Bologna ist doch sicherlich nicht die Wurzel allen Übels, und die Struktur ist nicht der einzige Faktor, von der ein gutes Studium abhängt. Da geht es um Finanzierung, um Betreuungsrelation, um Ausstattung, um Methoden und viele weitere Punkte mehr. Strukturfragen sind nur ein Baustein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeiten haben sich verändert. Das muss man mit ins Kalkül ziehen. Die heutige Studierendengeneration unterscheidet sich nicht nur quantitativ deutlich von der vor zehn oder 20 Jahren. Der Arbeitsmarkt ist ein anderer. Die Anforderungen an mindestens europäische Mobilität sind andere. Die gesellschaftlichen Erwartungen sind andere. Und es gibt heute viele Studierende, für die es eben genau das richtige Angebot ist, nach sechs Semestern einen vollwertigen Abschluss zu haben. Da kann man nicht einfach sagen: Wir gehen ein paar Jahrzehnte zurück, und dann wird alles gut.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

In ihrer Vergangenheitsfixierung verkennt die AfD, dass es für die Wiedereinführung der Bezeichnung „Diplom-Ingenieurin/Diplom-Ingenieur“ in Mecklenburg-Vorpommern aus keinem Fachverband Rückhalt gab. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Hochschulrektorenkonferenz, Stifterverband, die

Fachhochschulen des Landes, die Vereinigung der Unternehmensverbände, alle waren gegen die Wiedereinführung der Bezeichnung „Diplom-Ingenieurin/Diplom-Ingenieur“ in Mecklenburg-Vorpommern.

Die, die sich mit der Situation auskennen, vertritt die AfD jedenfalls nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir Grüne stehen für Europa. Wir stehen für mehr Europa, für ein besseres Europa und deshalb auch für den europäischen Hochschulraum.

Wo es Korrekturbedarf bei der Umsetzung der Bologna-Reform gibt, muss auch nach so langer Zeit noch konsequent korrigiert werden, insbesondere da, wo die Studienqualität gelitten hat, weil die Bologna-Reform zu rigide oder schlecht umgesetzt wurde. Alle Bachelor- und Masterstudiengänge müssen studierbar sein. Die Studienordnungen müssen von überflüssigem Ballast und zu früher, engführender Spezialisierung befreit werden.

Wir haben beispielsweise im Hochschulzukunftsgesetz die Möglichkeit geschaffen, im ersten Jahr nur Prüfungen ohne Benotung und lediglich mit dem Ergebnis „bestanden“ oder „nicht bestanden“ abzulegen. Das sind erste richtige Schritte gewesen, um die Studierbarkeit herbeizuführen. Alle Universitäten müssen prüfen, ob ein Studiengang zwingend in sechs Semestern absolviert werden soll oder ob nicht sieben oder acht Semester besser sind. Neben fachlichem Lernen muss auch Raum für Auslandsphasen, für Persönlichkeitsentwicklung bleiben.

Die Hochschulrektorenkonferenz und die Kultusministerkonferenz haben sich im Mai letzten Jahres gemeinsam für die vollständige Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master entschieden. Darüber hinaus haben sie sich für weitere Verbesserungen in der Studienqualität ausgesprochen.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Landesregierung warnen: Passen Sie auf, was Sie mit Ihrer ideologisch verblendeten Rückabwicklung des Hochschulgesetzes anstellen. Zahlreiche Änderungen durch das Hochschulzukunftsgesetz – auf eine habe ich gerade Bezug genommen – zielten genau darauf ab, das Studium studierbar zu machen und im Sinne des Bologna-Prozesses weiterzuentwickeln. Machen Sie das nicht kaputt! – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Gut, dass die Grünen keine Ideologie haben!)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte-Richter. – Für die Landesregierung spricht nun die Ministerin für Kultur und Wissenschaft, Frau Pfeiffer-Poensgen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung steht un

eingeschränkt zu den Zielen des sogenannten Bologna-Prozesses. Damit stehen wir an der Seite zahlreicher Akteure in den Hochschulen, der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft. Die einzelnen Gruppen sind ja bereits ausführlich genannt worden.

Die gestuften Studiengänge haben sich eindeutig bewährt und werden von der überwiegenden Mehrheit der Studierenden positiv bewertet. Das gilt nicht zuletzt für den Bachelor als ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschluss.

Wie ich vorhin schon erwähnte, gab es bereits deutliche Positionierungen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, die sich dahin gehend äußern, dass sich der Bachelor hervorragend am Arbeitsmarkt etabliert habe, sie deswegen eindeutig und nachhaltig hinter der Einführung von Bachelorstudiengängen in den deutschen Hochschulen stünden und Bachelorabsolventen in den Unternehmen begrüßten.

In derselben Erklärung räumen die Arbeitgeberverbände übrigens mit den gängigen Vorurteilen auf, dass Absolventen mit dem Bachelor kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten, dass der Bachelor ein Schmalspurstudium sei, dass die Mobilität in den Bachelorstudiengängen nicht gestiegen, sondern gesunken sei und dass der Diplom-Ingenieur eine weltweit etablierte Marke sei und nicht aufgegeben werden dürfe. Das haben die Arbeitgeberverbände deutlich zurückgewiesen.

Zum letzten Punkt, dem des Diplom-Ingenieurs, heißt es in der Erklärung unter anderem:

„Weltweites Renommee genießt nicht der Abschluss Diplom-Ingenieur, sondern die Qualität der Ingenieurausbildung in Deutschland im Sinne von ‚Engineering made in Germany‘.“

Genau das ist der Punkt, um den es der Landesregierung geht. Wir wollen ein qualitativ hochwertiges Studium mit exzellenter Lehre, und wir wollen Absolventinnen und Absolventen, die mit dem im Studium erworbenen Wissen und Können überzeugen. An diesem Ziel sollten wir uns gemeinsam mit den Hochschulen orientieren und keine Debatte mehr zum Bologna-Prozess führen.

Die Regelungen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern betreffen, wenn man sich das einmal genau ansieht, absolute Einzelfallangelegenheiten.

Die Zahl der Studienanfänger ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Gleichzeitig liegt die Erwerbslosigkeit von Akademikern weiterhin deutlich unter der allgemeinen Erwerbslosigkeit. Die Auslandsmobilität der Studierenden hat zugenommen. Deutschland hat das europäische Mobilitätsziel inzwischen erreicht. Und auch die Anerkennungsraten der im Ausland erbrachten Studienleistungen haben deutlich zugelegt.

Angesichts dieser Resultate kann die Landesregierung keinen Grund erkennen, den im Antrag gemachten Vorschlägen zu folgen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/1284 an den Wissenschaftsausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss. Die abschließende Beratung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung stattfinden. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag einstimmig überwiesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung.

Ich berufe das Plenum wieder ein für Mittwoch, den 20. Dezember 2017, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Nachmittag, einen schönen Abend, einen schönen 1. Advent. Kommen Sie gut nach Hause, wenn Sie denn nach Hause fahren können.

Die Sitzung ist geschlossen.