Protokoll der Sitzung vom 30.11.2017

Wir stehen zur politischen Beteiligung von Migrantinnen und Migranten in den Kommunen in NordrheinWestfalen. Die Beteiligung vor Ort ist aber nicht nur ein wesentlicher Bestandteil einer gelingenden Integration, sondern wir müssen den Kommunen auch mehr Wahlmöglichkeiten geben. Ich sage daher ganz ausdrücklich: Wir schätzen die Arbeit der kommunalen Integrationsräte und des Landesintegrationsrates.

Es ist daher verfehlt, wenn Sie Behauptungen aufstellen, wir würden sie abschaffen, sogar ersatzlos. In der letzten Ausschusssitzung hat der Minister nicht zum ersten Mal klargestellt, worum es uns geht, nämlich um mehr Wahlmöglichkeiten bei den Kommunen, aber auch um eine verbindliche und klare politische Beteiligung der Migrantinnen und Migranten.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Unser Ziel ist es, bei den anstehenden Kommunalwahlen eine solche politische Mitwirkung vor Ort zu erreichen.

Die NRW-Koalition will gerade bei der Ausgestaltung der Beteiligung von Migrantinnen und Migranten prüfen, inwieweit wir das Ganze weiterentwickeln können. Für uns gehört dazu neben der verbindlichen Integrationspolitik ein stärkerer Einfluss auf politische Entscheidungen. Derzeit – das muss man klar sagen – haben die Integrationsräte eine rein beratende Funktion. Wir hingegen treten für eine echte Beteiligung ein, indem die Migrantenvertreter bei relevanten Entscheidungen dabei sind und mitentscheiden können.

Wir können nur dann eine tatsächliche Aufwertung der Integration in den Kommunen erreichen, wenn wir dort entsprechend nachsteuern. Wir haben den Integrationsausschuss deshalb mit ins Spiel gebracht, weil wir etwas mit substanziellen Rechten brauchen. Es ist vollkommen richtig, den Kommunen die Möglichkeit zu geben, vor Ort zu entscheiden: Brauchen wir einen Integrationsrat oder eher einen Integrationsausschuss? – Jeder von uns, der einmal Kommunalpolitiker war oder auch heute noch ist, kann sehr gut nachvollziehen, dass die Kommunen immer noch am besten beurteilen können, welches Gremium für die politische Beteiligung vor Ort geeignet ist.

Die CDU- und FDP-Landesregierung hatte 2009 mit der Neufassung von § 27 der Gemeindeordnung die früheren Ausländerbeiräte durch Integrationsräte ersetzt und gleichzeitig die Option zur Einrichtung von Integrationsausschüssen eingeführt.

Letztere unterschieden sich von regulären Ausschüssen dahin gehend, dass ihnen Menschen ohne passives Kommunalwahlrecht nur als sachkundige Einwohner mit beratender Stimme und nicht als stimmberechtigte Mitglieder angehören durften. Eine echte Mitwirkung von Migrantinnen und Migranten war demnach nicht über einen regulären Ausschuss zu erreichen, sondern nur über einen gesonderten Integrationsausschuss mit einer engen Anbindung an die Beratung des Rates und mit einer direkten Wahl von stimmberechtigten Migrantenvertretern.

Als die damalige rot-grüne Landesregierung 2014 die Pflicht zur Einrichtung von Integrationsräten in den Kommunen eingeführt hat, hat sich die FDP-Fraktion stattdessen dafür eingesetzt, eine Wahlfreiheit zwischen dem Integrationsrat und dem Integrationsausschuss zu schaffen und auch an diesem Ausschuss festzuhalten. Wir wollten die vorher bestehende Option nicht abschaffen, für die sich 16 Kommunen mit zumeist positiven Erfahrungen entschieden hatten. So haben wir seinerzeit die Stellungnahmen der betroffenen Kommunen und der kommunalen Spitzenverbände berücksichtigt, die sich für die Wahlmöglichkeit eines gesonderten Ausschusses ausgesprochen hatten. Diese Position war – das dürfte Sie nicht überraschen – für uns deshalb auch Grundlage des aktuellen Koalitionsvertrages.

Für Rot-Grün ging es in diesem Zusammenhang auch um die Zusammenlegung der Wahlen zu den Integrationsräten mit den Kommunalwahlen. Bei einer Wahlfreiheit zwischen einem Integrationsrat und einem Integrationsausschuss wäre diese Zusammenlegung natürlich nicht mehr möglich, da der neu gewählte Rat zunächst entscheiden muss, welches Gremium er denn einrichten möchte.

Sie wollten mit der verpflichtenden Einführung und der Zusammenlegung der Termine die Wahlen zu den Integrationsräten aufwerten. Zur Wahlbeteiligung hat meine Kollegin Wermer schon einiges ausgeführt.

Unsere Erfahrung ist jedoch eine andere, nämlich, dass die Wahlen im Kommunalwahlkampf letztlich im Fokus stehen und die eigentlichen Wahlen zu den Integrationsräten völlig untergegangen sind. Medienberichte und Plakate konzentrieren sich nun einmal auf den im Vordergrund stehenden Kommunalwahlkampf. Eine echte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Listen und den von ihnen vertretenen Inhalten wäre bei einer gesonderten Wahl zu Integrationsrat und Integrationsausschuss besser zu erreichen. So war die Steigerung der Wählerzahlen im Jahr 2014 auch überwiegend darauf zurückzuführen,

dass sich die Zahl der Wahlberechtigten verdoppelt hatte.

Für uns bedeutet die Weiterentwicklung der Mitwirkung von Migrantinnen und Migranten in den Kommunen nicht unbedingt ein Zurück zum Optionsmodell von 2009. Wir wollen die Einbindung der jeweiligen Gremien in die Entscheidungen des Rates verbessern. Wir können uns vorstellen, dass auch in einem Integrationsausschuss der Vorsitzende unter allen Ausschussmitgliedern und nicht nur unter den Ratsmitgliedern gewählt wird.

Allerdings wird es kaum möglich sein, ein Gremium mit substanziellen Rechten zu schaffen, in dem die Ratsmitglieder am Ende überstimmt werden können. Insofern bietet gerade die Form eines Integrationsausschusses die Chance für mehr Entscheidungsrechte bei einer möglichst weitgehenden Beteiligung der Migrantinnen und Migranten. Diese wollen wir auch verwirklichen.

Wir werden für eine entsprechende Änderung aber auch noch einige schwierige kommunalrechtliche und auch verfassungsrechtliche Fragen klären müssen. Dazu stehen wir bereits im Dialog mit den Betroffenen. So habe auch ich mich letzte Woche intensiv mit dem Landesintegrationsrat ausgetauscht.

Hingegen befeuert der vorliegende Antrag der SPD nur Kontroversen und trägt nicht zu einer sachgerechten Lösung bei. Wir werden ihn daher ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Aymaz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wenn ich mir die Initiativen der Landesregierung ansehe – und die sind ja wirklich überschaubar –, habe ich den Eindruck, dass sie alles streichen und beiseiteschieben will, was ihr zu komplex, langwierig und unliebsam erscheint. Gerade in einer vielfältigen Gesellschaft reichen einfache Antworten auf differenzierte Sachverhalte aber nicht aus.

Als eine der ersten Amtshandlungen der Landesregierung wurde zum Beispiel das anonymisierte Bewerbungsverfahren mal eben so als Murks bezeichnet und abgeschafft. Auch fast fünf Monate später liegt trotz der vollmundigen Ankündigungen, rechtzeitig ein Alternativkonzept vorzulegen, dieses noch nicht vor. Die Landesregierung kann immer noch nicht wirklich sagen, wie sie der Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt entgegenwirken will.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was macht die Landesregierung jetzt? Jetzt macht sie sich an die Integrationsräte heran, degradiert sie zu Kaffeekränzchen und gibt wieder einmal an, dass sie doch ein besseres Konzept zur politischen Teilhabe von Migrantinnen und Migranten entwickeln wolle.

Die Folge der Verlautbarung – übrigens überwiegend über die Presse – ist ein tief zerrüttetes Verhältnis zu den zahlreichen Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern, die sich zu Recht in ihrer jahrelangen Arbeit nicht mehr wertgeschätzt fühlen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die politische Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ist eine der tragenden Säulen beim gesellschaftlichen Integrationsprozess. Sie ist ein viel zu drängendes gesamtgesellschaftliches Thema, als dass es mal eben so mit saloppen Äußerungen angegangen werden darf.

Wir brauchen eine seriöse Auseinandersetzung, wie Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in NRW haben, unabhängig von ihrer Herkunft und Staatsangehörigkeit adäquat am politischen Leben beteiligt werden können.

Zu einer ernsthaften Auseinandersetzung, Herr Minister Stamp, gehört natürlich auch, dass wir offen aussprechen, wo es bei den vorhandenen Instrumenten auch mal hapert.

Die Vorrednerrinnen, Frau Wermer und Herr Lenzen, hatten es angesprochen: Die niedrige Wahlbeteiligung zu den Integrationsräten von knapp 14 % ist ein Problem.

Schaut man sich allerdings die Entwicklung der Zahlen an, stellt man fest, dass sich die Wahlbeteiligung alleine schon durch die Zusammenlegung der Wahlen zu den Integrationsräten mit den Kommunalwahlen 2014 fast verdoppelt hat. Sie können zu Recht darauf hinweisen, dass auch die Zahl der Wahlberechtigten gestiegen sei. Aber damit kann man das nicht widerlegen, glaube ich.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Herr Minister Stamp, Sie können übrigens stolz darauf sein, dass Bonn die Stadt mit der höchsten Beteiligung bei der Wahl zu den Integrationsräten war. Das ist doch eigentlich ein Grund, als Bonner Integrationsräte zu stärken und nicht zu schwächen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bereits letzte Woche im Integrationsausschuss, aber auch hier – Frau Wermer, Sie haben es vorgetragen – wurde die geringe Anzahl von Frauen in den Integrationsräten, und zwar zu Recht, bemängelt. Ich fand und finde es allerdings sehr bemerkenswert, dass ausgerechnet dieser Kritikpunkt von der CDUFraktion vorgetragen wird.

Ich würde mich freuen, wenn Sie mit derselben Vehemenz Ihre Kritik zum Ausdruck bringen würden, dass im neuen Bundestag gerade die Frauenquote den niedrigsten Stand seit 1998 erreicht hat. Zu diesem Negativtrend haben insbesondere die Fraktionen von CDU und FDP beigetragen, und zwar mit einem Anteil von nur 20 %, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch einen Hinweis. Während Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, sich immer noch der Einführung einer Quote verschließen, gibt es heute sehr wohl schon Listen in den Integrationsräten, die sich dieser Problemlage bewusst sind, sich quotiert aufgestellt haben und darüber hinaus sogar ganz klar auch die Rechte von Lesben, Schwulen und Transgender in ihren Wahlprogrammen verankert haben, zum Beispiel die Grün-Offene Liste im Kölner Integrationsrat. Auch das kann man sich, glaube ich, einmal als ein Beispiel zu Herzen nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb gehört zu einer ernsthaften Auseinandersetzung auch, dass man Migrantinnen und Migranten und ihren Organisationen eben nicht mit einer Doppelmoral begegnet, sondern selbst auch mit gutem Beispiel vorangeht.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich – Herr Sieveke, hören Sie ruhig zu – an dieser Stelle auch in aller Deutlichkeit sagen: Es hat mich zutiefst empört und wütend gemacht, dass nach der Verabschiedung der Armenien-Resolution 2016 im Deutschen Bundestag aus einigen Integrationsräten auch menschenverachtende Äußerungen bis hin zur Leugnung des Völkermordes getätigt wurden. Nicht selten waren übrigens grüne Politikerinnen und Politiker Ziel dieser nationalistischen Attacken.

Doch auch auf diese Entwicklung braucht es eine politische Antwort mit einer klaren Haltung – so, wie wir auch auf alle anderen antidemokratischen und nationalistischen Tendenzen reagieren. Die Antwort darauf kann nicht sein, ein demokratisches Gremium wie den Integrationsrat gänzlich infrage zu stellen oder abzuschaffen. Das geht nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn nur mit einer klaren politischen Haltung kann unsere Einwanderungsgesellschaft pluralistisch und demokratisch gestaltet werden, liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen.

Integrationsräte sind für viele Menschen, die eingewandert sind, und für deren Nachkommen nicht nur irgendein politisches Gremium, sondern immer noch das einzige Gremium, für das sie ein Wahlrecht haben. Das ist das Besondere an ihnen – im Gegensatz

zu den von der CDU und der FDP in ihrem Entschließungsantrag als Option vorgeschlagenen Integrationsausschüssen.

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der politischen Partizipation in den Gemeinden konnten 2013 die Integrationsräte in den Kommunen weiter gestärkt und ihre Rolle als Partizipationsgremium weiter ausgebaut werden. Das war ein wichtiger Schritt nach vorne. Solange es kein Kommunalwahlrecht für Angehörige von Drittstaaten gibt, haben Integrationsräte die besondere Aufgabe und Verantwortung, durch ihre direkt gewählten Mitglieder den Anliegen von Migrantinnen und Migranten eine Stimme zu geben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir Grüne werden uns auch weiterhin für das kommunale Wahlrecht für Bürgerinnen und Bürger aus Nicht-EU-Ländern einsetzen, damit Menschen, die seit Generationen hier leben, endlich auch zu Bürgerinnen und Bürgern erster Klasse gemacht werden. Eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben vor Ort ist ein entscheidender Faktor für das Gelingen unserer Einwanderungsgesellschaft.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, auch wenn ich mir Ihren Antrag etwas differenzierter gewünscht hätte, ist er vom Ansatz her richtig und unterstützenswert, da er darauf abzielt, Integrationsräte als Beteiligungsgremium zu stärken und auszubauen.

Den Entschließungsantrag von CDU und FDP lehnen wir ab, weil er eben nicht gewährleistet, dass überhaupt und wie in den geplanten Integrationsausschüssen in den Kommunen tatsächlich auch gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Migrantinnen und Migranten partizipieren sollen. – Vielen Dank.