Protokoll der Sitzung vom 01.03.2018

Das war Dr. Blex für die AfD. – Jetzt spricht für die Landesregierung Herr Professor Dr. Pinkwart.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die belgische Regierung

arbeitet an ihrem Energiekonzept bis 2050. Die Absicht ist, dieses Konzept noch in diesem Jahr zu verabschieden.

Belgien orientiert sich dabei am Zielviereck von Bezahlbarkeit, Klimaverträglichkeit, Versorgungssicherheit und betriebstechnischer Sicherheit. Belgien legt Wert darauf, die Energieversorgung – das müssen wir hier auch zur Kenntnis nehmen – weitgehend selbst organisieren zu wollen. 50 % seiner Energieversorgung stammt heute aus kerntechnischen Anlagen, und diese gilt es in Belgien nach dem dazu bestehenden Gesetz, bis 2025 verlässlich zu ersetzen.

Meine Gespräche mit den Ministern Jambon und Marghem haben ergeben, dass die Regierung die beiden Blöcke Tihange 2 und Doel 3 spätestens 2022/2023 vom Netz nehmen wird und nicht verlängern will, wie sie das mit den älteren Blöcken getan hat, die jeweils noch einmal um zehn auf dann 50 Jahre verlängert wurden.

Bezüglich des vollständigen Ausstiegs bis 2025 gibt es innerhalb der belgischen Regierung jedoch unterschiedliche Auffassungen. Teile der Regierung wollen eine mögliche Verlängerung der beiden jüngsten Blöcke über 2025 als Option offenhalten. Frau Marghem und ihre Partei wollen an dem gesetzlich festgelegten Ausstiegsdatum 2025 festhalten und arbeiten an Alternativen, um dieses im Zielviereck zu erreichen.

Wie sehen die Alternativen aus, die in Belgien diskutiert werden? Belgien sieht diese Alternativen wesentlich in dem Ausbau von Gaskraftwerkskapazitäten. Es geht nicht nur um Neubau, sondern auch um die Erweiterung und Erneuerung vorhandener Anlagen, deren Aufbau sich entsprechend dem Zielviereck auch an wirtschaftlichen Fragen zu orientieren hat.

Bis 2030 ist zudem der Ausbau von Offshorewind vorgesehen, und zwar von 2.200 Megawatt, die 2020 erreicht sein sollen, bis zu 4.000 Megawatt.

Importstrom wird mit eingeplant, aber nicht vorrangig präferiert. Der von uns angestoßene Ausbau von ALEGrO 2 wird noch geprüft, und er könnte Teil des Energiepaketes werden. Ich habe der Energieministerin Frau Marghem eine Ergänzungsstudie zum seinerzeitigen BET-Gutachten der Vorgängerregierung überreicht, das die ökonomische Vorteilhaftigkeit einer grenzüberschreitenden Energiekooperation aufzeigt. Elia, die belgische Netzagentur, soll dies prüfen und in ihre Planungen mit einbeziehen.

Zudem sind wir in Gesprächen zur Einbindung des RWE-Gaskraftwerks Claus C im niederländisch-belgischen Grenzbereich in das belgische Energieversorgungssystem. Das ist nicht neu; es wurde vor etwa zwei schon einmal von der RWE-Tochter vorgetragen, auch bei Frau Marghem. Sie ist nach wie

vor nicht davon begeistert; das kann ich ganz klar sagen.

Nichtsdestotrotz haben wir aus den Gesprächen mit Frau Marghem und Herrn Jambon den Eindruck mitgenommen, dass das Ganze auf der regionalen Ebene durchaus ein Thema sein könnte. Ich habe mich sehr dafür ausgesprochen, dass nach Lösungen gesucht wird, um sowohl das Netz, die Anbindung des Gaskraftwerks, wie auch das Gaskraftwerk selbst zumindest zu Teilen in ein belgisches Besitzverhältnis zu bringen. So können wir den Belgiern deutlich machen, dass es ihre eigene Energieversorgung ist, auf die sie hier bauen können. Hier gilt es, die Gespräche fortzusetzen.

Darüber hinaus werden wir mit den belgischen Regionen, die dort für diese Themen zuständig sind, über neue Wege dezentraler Energieversorgung sowie einer flexibleren Integration der energieintensiven Wirtschaft in das stärker auf Erneuerbare bauende volatile Stromversorgungssystem sprechen, um den Ausstieg aus der Kernenergie verlässlich und schnell gestalten zu können.

Wir müssen beachten: Die Netze werden insgesamt instabiler, wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, und wenn wir aus der Kohle rausgehen, wird die Situation noch instabiler. Dann müssen wir die großen Netze entsprechend massiv ausbauen. Da stehen wir selbst in Deutschland leider nicht dort, wo wir stehen müssten – das ist mir auch entgegengehalten worden –; das müssen wir ehrlich sagen. Aber auch die Belgier müssten ihre Netze deutlich erweitern und verstärken. Hier gilt es also, noch entsprechende Hausaufgaben zu machen.

Diese Netze stärker abzusichern durch dezentrale, quartiersbezogene Systeme unter Nutzbarmachung von Smart Grids und anderen Techniken wurde von Frau Marghem ebenso positiv gesehen wie von Herrn Jambon. Hier müssen wir schauen, dass wir das mit den Regionen weiterentwickeln können. Wir sind daran sehr interessiert, weil das auch für Nordrhein-Westfalen eine Perspektive für unsere Energiezukunft sein kann.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Darüber hinaus ist mir wichtig, festzuhalten, dass Belgien verbindlich zugesagt hat, dass die Sicherheit der Bevölkerung oberste Priorität habe. Dazu gehört, dass Anlagen umgehend abgeschaltet werden, sobald Probleme auftreten, und auch so lange abgeschaltet bleiben, bis die Probleme behoben worden sind.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Darauf legt Herr Jambon ausdrücklichen Wert und konnte das auch dokumentieren.

Darüber hinaus will Belgien nicht mehr nur die Bundesregierung informieren – was der eigentlich formale

Weg wäre und was sie bisher auch getan hat –, sondern künftig auch die nordrhein-westfälische Atomaufsicht, parallel zu Mitteilungen an den Bund. Minister Jambon legte besonderen Wert auf Offenheit und Transparenz und bot hierzu auch eine direkte Zusammenarbeit mit Nordrhein-Westfalen an. – Das wäre ein Fortschritt, damit wir die Gefahren besser abschätzen und auch entsprechend informieren können.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Lassen Sie mich hier in aller Sachlichkeit noch einmal feststellen: Ich hatte den Eindruck, dass die gestrigen Gespräche auf sehr gute Weise und in großer Offenheit stattgefunden haben. Es ist übrigens keine Selbstverständlichkeit, dass solche Gespräche geführt werden können.

Ich sage hier auch ganz klar: Sie hätten in dieser Atmosphäre, in dieser Sachlichkeit und mit diesem Ergebnis nicht geführt werden können, wenn der Ministerpräsident nicht mit einer klaren Haltung nach Belgien gefahren wäre, wo er die Interessen NordrheinWestfalens markiert und deutlich gemacht hat.

Ich hätte es nicht erwartet, aber mir ist von Herrn Jambon gleich zu Beginn des Gesprächs adressiert worden, man habe Verständnis für die Sorgen in Deutschland. Man habe zur Kenntnis genommen, wie sehr Nordrhein-Westfalen und die Menschen dort sich betroffen fühlten. Man sehe sich im weiteren Regierungshandeln auch in dieser Verantwortung.

(Beifall von Bodo Löttgen [CDU])

Das kann nur Ausfluss der klaren Positionierung gewesen sein, die der Ministerpräsident bei seiner Reise bezogen hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dafür bin ich ihm außerordentlich dankbar. Ich denke, wir können hier anknüpfen und das in Belgien Begonnene auf allen Ebenen fortsetzen. Dazu gehören auch Reisen von Abgeordneten, unabhängig davon, ob sie aus der Regierung oder aus der Opposition sind. Lassen Sie uns daran arbeiten, hier Schritt für Schritt weiterzukommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Schultheis.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst bei Herrn Professor Pinkwart für den sehr sachlichen Beitrag bedanken,

(Beifall von der SPD)

der ein Kontrastprogramm war zu dem, was vorher von Herrn Ministerpräsidenten Laschet und den nachfolgenden Rednern präsentiert worden ist. Schlussendlich geht es darum, was hier vorgetragen worden ist.

Ich weise absolut zurück, dass die SPD-Fraktion nicht daran interessiert wäre, dass die Regierung in dieser Frage zum Erfolg kommt. Da sind wir alle einer Meinung: Die Regierung muss in dieser Frage zum Erfolg kommen, und wir werden flankierend – auch im politischen Raum – das tun, was dazu erforderlich ist. Das haben wir in der Vergangenheit getan, das werden wir auch jetzt und in der Zukunft tun.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Minister Pinkwart weiß Bescheid. Nach der Regierungsübernahme habe ich ihn umfassend über das informiert, was wir bisher an Gesprächen geführt haben, damit die Landesregierung, insbesondere der Energieminister, im Bilde darüber ist, welche Gespräche mit welchen Zielen geführt worden sind. So gehört sich das im Interesse der Menschen auch, damit sie – ich sehe da insbesondere die Bürgerinnen und Bürger der Städteregion, aber auch der größeren Region – nicht dauerhaft mit ihren Ängsten leben müssen. Sie sollen wissen, dass wir Lösungen finden wollen.

Vorhin ist mehrfach der Begriff „souveräner Staat“ gebraucht worden. Ich wiederhole das, weil es in Belgien Befindlichkeiten zu dem deutschen Verhalten gibt. Im Zeitraum von hundert Jahren hat Deutschland zweimal die belgische Souveränität verletzt. Das steckt natürlich in den Köpfen der Menschen, wenn es darum geht, dass deutsche Politik ihre politischen Bedürfnisse umsetzen will. In diesem Fall ist eine besondere Sensibilität gefragt. Genau das werfen wir dem Ministerpräsidenten vor: Diese Sensibilität hat er nicht walten lassen, und das ist das Problem.

(Beifall von der SPD)

Ich unterstelle ihm, dass er genau das will, was auch wir wollen.

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Armin Laschet, was die AfD und auch ich hier im Saale zu tun hatten, führe ich mal auf die rabulistische Ader des Armin Laschet zurück. Das ist absolut inakzeptabel.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Josef Hoven- jürgen [CDU])

Das Thema „Tihange“ steht ja nicht erst seit 2015 auf der Tagesordnung; damit sind wir in jahrzehntelanger Zusammenarbeit befasst. Wir haben im Rat der Stadt Aachen schon sehr oft Resolutionen verabschiedet, als CDU und FDP noch an ganz anderen

Ufern unterwegs waren. Also werfen wir uns doch nicht gegenseitig vor,

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

zu welchem Zeitpunkt wir hier eingestiegen sind.

Die alte Landesregierung ist allen juristischen Verfahren beigetreten. Das hat die Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft beschlossen. Das ist überhaupt keine Frage. Aber jetzt geht es darum, wie wir zu Lösungen kommen. Deshalb haben wir als Sozialdemokraten Gespräche geführt, zum einen mit unseren Parteifreunden in Brüssel. Ich habe Ihnen immer empfohlen, das auch mit Ihren Parteifreunden zu tun, insbesondere den Liberalen; die führen dort nämlich die Regierung an. Frau Marghem ist liberal.

Zum anderen haben wir – das war das letzte Gespräch – in Namur mit dem zuständigen Energieminister gesprochen, der ein großer Anhänger davon ist, so früh wie möglich aus der Atomenergie auszusteigen. Er sagte, dass er sehr daran interessiert sei, mit Trianel – den Vorschlag haben wir gemacht – ins Gespräch zu kommen.

Es geht darum, zusätzliche Kapazitäten zu gewinnen. Wir wollen nicht nur neu bauen, sondern wir wollen – so hat es Minister Pinkwart ausführt –, dazuzukaufen und so die Energiewirtschaft ein Stück weit miteinander verbinden. Investitionen Belgiens in Deutschland, in NRW und umgekehrt von unserer Seite in Belgien führen dazu, dass die Geschwindigkeit, mit der man dort aus der Atomenergie herauskommen kann, ein Stück beschleunigt wird.

Dazu gehören natürlich auch die Infrastruktur und die Netzverbindungen. Das sind Dinge, die auch nach den physischen Möglichkeiten bemessen werden müssen, damit wir wissen, wieviel wir brauchen, um überhaupt Energie und Strom liefern zu können.