Protokoll der Sitzung vom 21.03.2018

die keine Fortschreibung der Maßnahmen aus den Jahren 2016 und 2017 der Vorgängerregierung von Rot-Grün sind, sondern zusätzliche Instrumente beinhalten, die die neue Situation nach der Rechtsprechung aufnehmen?

Sie, Herr Ministerpräsident, haben eine umweltpolitische, eine gesundheitspolitische, aber auch eine so

zialpolitische Verantwortung in diesem Land gegenüber den Anwohnern belasteter Straßen in Köln, in Düsseldorf, in Wuppertal, in Hagen, in Bielefeld und in anderen Städten. Was sagen Sie denen? Was sagen Sie den Dieselfahrern, den Handwerkern, den Pendlern und den verantwortlichen Räten in den Kommunen? Diese Verantwortung, Herr Laschet, liegt allein in Ihren Händen und in den Händen dieser Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie vertreten die Rechtsauffassung, dass Dieselfahrverbote unverhältnismäßig und damit rechtswidrig sind.

(Henning Höne [FDP]: Richtig!)

Ich finde das sehr bemerkenswert. Ist das eigentlich Ihre persönliche Meinung, oder ist das eigentlich die Meinung der Landesregierung? Ist das schon im Kabinett abgestimmt? Wie können Sie das überhaupt behaupten, da uns die schriftliche Urteilsbegründung noch überhaupt nicht vorliegt?

(Lachen von Bodo Löttgen [CDU])

Ihre Umweltministerin war da etwas zurückhaltender und, wie ich finde, etwas geschickter. Sie wollte erst einmal das Urteil abwarten und sich dann ein Bild machen, sich dann eine Meinung bilden. Das halte ich auch für richtig.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Ihre Meinung, Herr Ministerpräsident, ist sicherlich nicht gefragt, sondern Handlungen sind gefragt; es müssen Taten folgen. Es geht darum, die hohe Schadstoffbelastung in den Städten rasch und deutlich zu senken – im Interesse der dortigen Anwohner. Dabei brauchen die Städte die Hilfe des Landes.

Wenn Sie jetzt das Instrument des Fahrverbots generell ausschließen, erwarten wir von Ihnen auch, dass Sie konkrete Maßnahmen vorschlagen. Was Sie bisher hier und heute vorgestellt haben, reicht vorne und hinten nicht aus, um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu schützen.

(Beifall von der SPD)

Übrigens will ich hier für die SPD-Fraktion, für die SPD Nordrhein-Westfalen klarstellen: Auch wir wollen keine Fahrverbote.

(Dietmar Brockes [FDP]: Gut, dass Ihnen das noch eingefallen ist!)

Das sage ich hier ausdrücklich. Das haben wir immer wieder gesagt.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Herr Löttgen, das wird Sie sicherlich verwundern: Das ist und kann nur die Ultima Ratio sein. Andere Maßnahmen müssen daher vorgezogen werden.

Wir dürfen feststellen: Es gibt kein klares Konzept, keine Koordination innerhalb der Landesregierung.

Das haben wir eben gehört, und das hat mich nicht überrascht. Wir fordern von Ihnen, meine Damen und Herren der Landesregierung, dass Sie die Automobilindustrie bei der Umrüstung der Hardware zu kundenfreundlichen und kostenfreien Nachrüstungen verpflichten, denn ohne technische Umrüstung wird es keine signifikante Schadstoffsenkung geben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir erwarten von Ihnen, auf Bundes- und Landesebene darauf einzuwirken, dass die Kommunen nicht nur Einmalzahlungen erhalten, sondern eine dauerhafte Förderung. Wir erwarten ein langfristig wirkendes Maßnahmen- und Förderprogramm zur landeseinheitlichen Unterstützung, Koordinierung und Beratung der Kommunen, der Verkehrsverbünde und der Verbände. Dabei sollten Sie beachten, dass die Kommunen mit den derzeitigen Förderprogrammen schon ausgelastet sind und dringend Personalkapazitäten benötigen. Laden Sie ein weiteres Mal zu einem NRW-Mobilitätsgipfel ein, Herr Ministerpräsident.

Herr Laschet, nach Ihren Äußerungen in der vergangenen Woche, aber auch vom gestrigen Tag dürfen wir feststellen: Viele Dieselfahrer in Nordrhein-Westfalen sind weiterhin verunsichert, nicht zuletzt durch Ihre Äußerungen. Sie haben Angst, zukünftig als Dieselautobesitzer ihr Auto nicht weiterverkaufen zu können. Sie haben Angst, als Pendler nicht mehr zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Sie haben Angst, als Handwerker und Unternehmer nicht mehr in die Städte zu kommen, um ihre Kunden zu bedienen.

Nehmen Sie daher Ihre Verantwortung in diesem Land wahr! Nehmen Sie die Sorgen der Bürger in diesem Land ernst!

Durch Ihr Zurückrudern von der von Ihnen gemachten Aussage, Dieselfahrverbote seien rechtswidrig und Sie würden diese Sicht der Dinge auch den weisungsgebundenen Bezirksregierungen mitteilen, ist in Sachen Dieselfahrverbote wieder alles offen.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Nein!)

Aber das war wieder eine Ihrer typischen Aussagen, denn es hat weder einen Erlass der Landesregierung an die nachgeordneten Behörden, an die Bezirksregierungen, gegeben, noch hat es ein klares LaschetMachtwort gegenüber den Bezirksregierungen gegeben.

(Zuruf von der SPD: Laschet-Plaudern!)

Die Verwirrung um die möglichen Dieselfahrverbote ist nicht gesunken, Herr Ministerpräsident, sondern ganz im Gegenteil erneut angestiegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dieser Zickzackkurs, den Sie hier fahren, führt zum Rätselraten und zur Verunsicherung in diesem Land.

Ein weiteres Zuwarten ist nicht hinnehmbar, denn bei der Luftreinhaltung gilt das Verursacherprinzip. Daher ist ganz klar: Die Besitzer von Dieselfahrzeugen dürfen nicht für das Versagen der Automobilindustrie bestraft werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie steht gegenüber den Verbrauchern in der Pflicht und muss für die Nachrüstung der mängelbehafteten Bestandsflotten sorgen. Wir fordern deswegen auch die sofortige Einführung der Musterfeststellungsklage, um die Rechte der Verbraucher zu stärken. Helfen Sie uns dabei, und unterstützen Sie uns.

(Beifall von der SPD)

Bitte klären Sie auch einmal die Differenzen innerhalb der Landesregierung, innerhalb des Kabinetts. Während Verkehrsminister Wüst eindeutig die Industrie auffordert und in der Pflicht sieht, alte Diesel auf eigene Kosten umzurüsten, werden Sie, Herr Ministerpräsident, in der Öffentlichkeit zitiert, dass Hardwareumrüstungen für Sie nicht oberste Priorität haben. Was denn dann?

Ich denke, wir dürfen als Ihre Position festhalten – so werden Sie heute auch in der landesweiten Presse zitiert –: Lassen Sie uns nicht weiter darüber diskutieren; in zwei bis drei Jahren hat sich das Problem eh erledigt; Grenzwertüberschreitungen werden in den nächsten Jahren sinken; die Grenzwerte werden wir einhalten.

Also das Fazit der heutigen Unterrichtung der Landesregierung, meine Damen und Herren, lautet: aussitzen, abwarten und auf gutes Wetter hoffen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dahm. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Ministerpräsident, mit Ihrer heutigen Unterrichtung sind Sie der Beantragung weiterer Aktueller Stunden der Opposition zuvorgekommen, denn das Thema liegt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße, insbesondere nach Ihrer bemerkenswerten Pressekonferenz, die Sie vor zwei Wochen hier gehalten haben.

Wenn Sie eben gesagt haben, es sei nicht die Zeit für flotte Sprüche und schnelle Aussagen oder das Urteil wäre uminterpretiert worden, muss ich Sie fragen: Wer war denn derjenige, der mit flotten Sprüchen und mit einer Uminterpretation des Urteils vor zwei Wochen vor der Landespressekonferenz gesessen hat? – Das waren Sie, Herr Ministerpräsident Laschet!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In Ihrem Kabinett besteht eine große Vielstimmigkeit, wie man mit diesem Urteil umzugehen hat. Da gibt es die Aussagen seitens des Verkehrsministers – Herr Kollege Dahm hat sie eben angesprochen –, der zwar auf der einen Seite die Deutsche Umwelthilfe angreift, aber auf der anderen Seite sagt: Ohne Hardwarenachrüstung werden wir in diesem Punkt nicht weiterkommen.

Dann gibt es die Aussagen der Umweltministerin, die zunächst das Urteil prüfen und die Urteilsbegründung abwarten will, die etwa im Mai vorliegen wird. Weiterhin haben wir den Ministerpräsidenten, der sich vor die Presse stellt und – ohne mit den Bezirksregierungen gesprochen zu haben und ohne dass die Staatskanzlei mit den Regierungspräsidien Kontakt aufgenommen hat – ein Urteil uminterpretiert und mögliche Fahrverbote, die unter bestimmten Bedingungen erfolgen, per se als nicht umsetzbar und als nicht tolerierbar darstellt. Das haben Sie getan, Herr Ministerpräsident.

(Ministerpräsident Armin Laschet: So ist das Urteil!)

So ist nicht das Urteil, sondern das ist Ihre Interpretation dieses Urteils. Wir wissen es jedenfalls aus Gesprächen mit den Bezirksregierungen, dass Ihre Aussagen dort für Irritationen gesorgt haben, weil mit ihnen nicht gesprochen worden ist und weil Sie sich vor die Presse stellen und eine sehr eigenartige und eigenständige Rechtsauslegung vornehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was Sie hier gemacht haben, Herr Ministerpräsident, ist das Gegenteil von dem, was Sie – so vermute ich –, wenn man es gut mit Ihnen meint, eigentlich wollen, nämlich die Städte bzw. die Autofahrerinnen und Autofahrer schützen. Mit Ihrem Vorpreschen werden Sie letztlich, wenn Sie diese Linie weiterführen, genau das Gegenteil erreichen.

Wenn Sie nicht klar Ross und Reiter benennen, wenn Sie nicht einen klaren Maßnahmenkatalog vorlegen, dann wird es in der Folge dazu kommen, dass – jedenfalls in einigen Städten und auf einigen Routen – Fahrverbote ausgesprochen werden. Das haben Sie in Ihrer Rede gerade auch nicht ausgeräumt.

In jeder Sitzung des Verkehrsausschusses machen uns die Vertreter der Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen klar, dass hier sieben Jahre lang nichts getan wurde. Daher ist es durchaus bemerkenswert, dass Sie anerkannt haben, dass die vorige Landesregierung in wichtigen Bereichen Dinge auf den Weg gebracht hat, die Sie jetzt entsprechend weiterführen. Sie haben in Ihrer Rede vorhin versäumt, zu verdeutlichen, was die Landesre

gierung über die bisher schon laufenden Maßnahmen hinaus tun wird, um Fahrverbote in den Städten zu verhindern.