Protokoll der Sitzung vom 21.03.2018

Die Überwachung darf nur in wenigen besonderen Ausnahmefällen als Ultima Ratio durchgeführt werden. Bei Sexualstraftätern, Stalkern oder bei häuslicher Gewalt ist das der Fall. Sie wird aber nur dann eingesetzt, wenn kein anderes Mittel mehr greift.

Auch der Unterbindungsgewahrsam wurde nicht pauschal geregelt, sondern es wurden Fallgruppen mit unterschiedlichen Höchstfristen gebildet.

Meine Damen und Herren, ich halte das erarbeitete Sicherheitspaket für eine effektive und auch ausgewogene Grundlage für polizeiliche Arbeit in Nordrhein-Westfalen.

Wenn Sie es mir allein nicht glauben, können Sie doch sicher sein, dass die Konstellation dieser beiden Fraktionen dafür gesorgt hat, dass wir sehr abgewogen haben und uns die Sachen sehr ausgewogen angeguckt haben.

Freiheit und Sicherheit schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Mehr Sicherheit bedeutet auch mehr Freiheit. Das ist die Haltung, die dieser Entwurf der beiden Koalitionspartner auch ausdrückt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Katzidis das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der linken Opposition, gestern, als unser Ministerpräsident kurz etwas zum Thema „innere Sicherheit“ gesagt hat, waren Ihre Reaktionen wieder einmal bezeichnend. Offensichtlich leben Sie auch ein Jahr nach Ihrer Abwahl immer noch in Ihrem Paralleluniversum und verdrängen, was die Menschen auf den

Straßen nicht nur in Nordrhein-Westfalen wirklich bewegt. Das ist unter anderem das Thema „innere Sicherheit“. Dort besteht dringender Handlungsbedarf, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Frau Kollegin Schäffer, wenn Sie uns vorwerfen, die schwarz-gelbe NRW-Koalition würde rechtsstaatliche Grenzen verschieben, kann ich nur sagen: Es ist Ihr Innenminister gewesen, der sich im Nachgang zum Fall Amri hingestellt und – wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe – gesagt hat: Wir sind bis an die Grenzen des Rechtsstaates gegangen.

Wir verschieben keine rechtsstaatlichen Grenzen. Wir schaffen in einem parlamentarischen Verfahren mehrheitlich die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür, dass unsere Polizei effektiv Gefahren bekämpfen und Terrorabwehr durchführen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Ich komme jetzt einmal zur rechten Seite und zu dem, was Herr Seifen heute Morgen gesagt hat. Er hat uns ja vorgeworfen, wir würden nichts tun; wir hätten viel angekündigt und den Mund relativ voll genommen. – Dazu kann ich nur sagen: Dieser Gesetzentwurf ist ein Quantensprung in der Sicherheitspolitik in Nordrhein-Westfalen. Er ist bereits der vierte Baustein innerhalb eines Jahres.

Damit haben wir in einem Jahr schon mehr gemacht als die rot-grüne Landesregierung in sieben Jahren vorher.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Ich kann Ihnen auch gerne ganz kurz darstellen, was wir alles schon gemacht haben.

Wir haben – das ist der erste Baustein – eine neue politische Führungskultur im Sicherheitsbereich geschaffen. Stichwort: Wertschätzung gegenüber unseren Polizistinnen und Polizisten und keine Misstrauenskultur, so wie es in der Vergangenheit gewesen ist. Null-Toleranz-Politik statt einer weichen Welle in Nordrhein-Westfalen, die es in der Vergangenheit gegeben hat! Das sind die Kerne unserer Politik.

(Beifall von der CDU)

Wir haben – das ist der zweite Baustein – eine massive Verstärkung des Personals jetzt schon auf den Weg gebracht und werden das noch weiter machen. In dieser Legislaturperiode werden wir mehr Stellen schaffen als die Landesregierungen in den letzten 16 Jahren zuvor.

Wir sorgen – das ist der dritte Baustein – für die materielle Ausstattung.

Der Gesetzentwurf, den wir heute einbringen, ist der vierte Baustein.

Alles das geschah innerhalb eines Jahres. Das ist, glaube ich, schon ziemlich viel. Damit wird die zukünftige Situation in Nordrhein-Westfalen eine ganz andere sein als in der Vergangenheit. NordrheinWestfalen wird in der Zukunft ganz zweifelsfrei sicherer sein, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Herr Minister Reul hat gerade die Einzelheiten des Gesetzentwurfes dargestellt. Ich möchte sie jetzt nicht noch einmal wiederholen.

Lassen Sie mich nur einen Punkt aufgreifen, bei dem ich die bisherige Situation skandalös finde. Wir reden immer von Terror- und Gefahrenabwehr. Ein Punkt aber wird immer ausgeblendet, nämlich der Opferschutz. Allein im Rahmen von häuslicher Gewalt gibt es jedes Jahr ca. 26.000 Einsätze. Die nordrheinwestfälischen Polizistinnen und Polizisten können Wohnungsverweisungen für zehn Tage gegenüber häuslichen Schlägern aussprechen. Sie können sie aber nur für maximal 48 Stunden in Gewahrsam nehmen. Dann müssen sie wieder herausgelassen werden. Wenn sie sich nicht an die Maßnahme halten, können sie wieder nach Hause gehen.

Das ist, finde ich, ein Skandal. Da müssen wir dringend etwas tun. Auch das beinhaltet der Gesetzentwurf, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Minister Reul hat es dargestellt: Die Zusammenarbeit mit der FDP war sehr konstruktiv und sehr fruchtbar. Dafür bin ich der FDP sehr dankbar. Ich halte diesen Gesetzentwurf auch für eine sehr wohlüberlegte Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit.

Daran, dass die letzte Gesetzesänderung mit diesem Umfang knapp 28 Jahre zurückliegt – sie wurde im Jahr 1990 vorgenommen –, wird doch deutlich, was wir mit diesem Gesetzentwurf in diesem Jahr aufarbeiten, nämlich die letzten 28 Jahre. Insofern besteht dringender Handlungsbedarf.

Auch in der Zukunft wird weiterer Handlungsbedarf bestehen. Das betrifft gerade den gesamten Bereich von IT-Kriminalität, Internet usw. Es geht aber insbesondere auch um die Videoüberwachung im öffentlichen Raum. In Berlin, wo es eine rot-rot-grüne Landesregierung gibt, hat eine repräsentative Umfrage gerade ergeben, dass sich 84 % der Bevölkerung mehr Möglichkeiten und eine Ausweitung der Videobeobachtung im öffentlichen Raum wünschen – die Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, immer hartnäckig verweigert haben. Das werden wir ändern.

(Beifall von der CDU)

Wir machen eine andere Sicherheitspolitik. Wir machen eine neue Sicherheitspolitik. Wir machen eine ganzheitliche Sicherheitspolitik. Nordrhein-Westfalen wird in der Zukunft sicherer sein. Dafür setzt sich

die NRW-Koalition ein. Das haben wir im Wahlkampf nicht nur versprochen, sondern wir tun es auch, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke, Herr Dr. Katzidis. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Ganzke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass wir uns nach der Rede des Kollegen Katzidis einmal fragen müssen: Worum geht es denn eigentlich?

Es geht hier um die Verabschiedung eines Gesetzes, und zwar keines Gesetzes für 100 oder mehr Gefährder. Das ist kein Gesetz für einige Tausend Salafisten. Es ist auch kein Gesetz für 40.000 Polizistinnen und Polizisten in Nordrhein-Westfalen. Vielmehr ist dieses Gesetz, das hier von der Landesregierung eingebracht wird, ein Gesetz für knapp 18 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in Nordrhein-Westfalen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb müssen wir ein bisschen mehr tun, als Sie gemacht haben, Herr Kollege Katzidis. Wir müssen hier ein bisschen mehr als Wahlkampfrhetorik machen. Wir müssen uns mit diesem Gesetz einmal befassen – nicht nur heute im Rahmen unserer fünf Minuten, sondern auch hinterher in den Anhörungen und Sachverständigenbefragungen sowie anschließend im Plenum.

Wir müssen uns deshalb auch mit mindestens zwei Themen in diesem Gesetz befassen.

Das erste Thema, das ich jetzt einmal ansprechen will, ist das Thema der drohenden Gefahr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur Gefährder, denen terroristische Angriffe zugetraut werden, nicht nur Anhänger terroristischer Gruppierungen, nicht nur verblendete Anbeter falscher Ideen sind von dieser Änderung des Polizeigesetzes, das Sie, Herr Minister Reul, hier einbringen, betroffen. Nein, jedermann, jede Bürgerin, jeder Bürger in NordrheinWestfalen, ist von der Änderung in diesem Polizeigesetz und der Einführung des Rechtsbegriffs der drohenden Gefahr betroffen.

Durch die Einführung des Rechtsbegriffs der drohenden Gefahr kann es zu einer massiven Ausweitung der polizeilichen Befugnisse kommen. Denn ab Verabschiedung dieses Gesetzes soll die Polizei grundsätzlich nicht mehr nur bei einer konkreten Gefahr durch ein konkretes Handeln, sondern auch bei einer drohenden Gefahr eingreifen können.

„Drohende Gefahr“ bedeutet, dass etwas irgendwann möglicherweise einmal gefährlich werden kann. Das ist der Inbegriff und die Definition einer drohenden Gefahr. Aus dem Grunde sind Grundrechte wie die Freiheit der Person, das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht einfach so darüber hinweggehen wie Kollege Katzidis und sagen: Wir werden alle sicherer sein, und das wird alles anders.

Vielmehr müssen wir uns fragen: Müssen wir diese konkreten Grundrechte, die die Mütter und die Väter des Grundgesetzes damals an den Anfang unserer Verfassung gestellt haben, möglicherweise so weit einschränken, dass Bürgerinnen und Bürger diese nicht mehr wahrnehmen können?

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir können nicht einfach sagen, dass wir das so machen, weil irgendetwas jetzt so ist, sondern müssen intensiv darüber diskutieren.

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können es uns auch nicht so einfach machen und sagen: Diejenigen, die sich rechtstreu verhalten, haben ja nichts zu befürchten; derjenige, der nichts zu verbergen hat, muss ja keine Angst haben, dass etwas passiert.