Protokoll der Sitzung vom 12.07.2017

Frau Ministerin, Sie sagen: „Frau Beer“! – Aber das ist jetzt Ihre Rolle. Diese Antworten erwarten wir.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was sagen Sie den Eltern, die jetzt in den Schulen des Gemeinsamen Lernens sitzen und fragen: Was bedeutet das? Werden jetzt Sonderpädagoginnen und -pädagogen wieder rückabgeordnet? Welche Antworten halten Sie für diese Eltern bereit?

Ich möchte noch etwas zu den Zahlen sagen. Ja, wir hatten im Jahr 2013, als die Mindestgrößenverordnung verändert wurde, noch 668 Förderschulen. Jetzt sind es 504 Förderschulen. Aber, Frau Ministerin – das wissen Sie, glaube ich –: Wir haben 660 Standorte für Förderschulen, weil wir die Möglichkeit der Teilstandorte und der Verbundstandorte geschaffen haben. Das heißt: Letztlich sind es nur acht Anlaufpunkte im Land weniger, wo ein Angebot an Förderschulen besteht.

Das muss man sehr deutlich zur Kenntnis nehmen. Das, was Sie ansprechen – Verbundmöglichkeiten, Teilstandorte –, gibt es im Gesetz bereits. Die Umstrukturierungen in der Trägerschaft sind erfolgt; aber diese Möglichkeiten sind gerade mit Rücksicht auf

den ländlichen Raum geschaffen worden. Das wissen Sie nur zu gut.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Zum Schluss meiner Ausführungen erbitte ich mir noch eine Antwort zu einem Punkt, bei dem ich mich gefragt habe: Was hat das zu bedeuten? – Das neue Ministerium heißt „Schule und Bildung“. Ich hoffe doch, dass alle Ihre Ansätze etwas mit Bildung zu tun haben, und nicht „Bildung“ neben „Schule“ gedacht wird. In diesem Sinne bitte ich, auch bei den Konstruktionen rund um die Förderschulen die Qualität der Bildung, die gewährleistet sein muss, auch die Qualität im Gemeinsamen Lernen, zieldifferent zu gewährleisten. Ich freue mich auf Ihre Antworten.

Ich möchte im Reformationsjahr Philipp Melanchthon zitieren, der gesagt hat: „Die Jugend recht bilden ist etwas mehr als Troja erobern.“ Das ist auch etwas mehr, als die Regierung zu erobern. Wir brauchen jetzt Ihre Konzepte. Damit würde ich mich gern auseinandersetzen.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU] – Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die Landesregierung erhält jetzt Frau Ministerin Gebauer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Beer, es wundert mich, was Sie von mir als Ministerin schon alles gehört haben wollen zum Thema „Förderschulen“. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich diesbezüglich tatsächlich schon eine Aussage getroffen hätte, die Sie jetzt hier und heute verwenden könnten.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das will ich nicht sa- gen!)

Ich frage Sie zurück: Was haben Sie denn in den vergangenen fünf Jahren den Eltern für Antworten in Bezug auf die Förderschulen gegeben? – Gar keine!

(Beifall von der FDP, der CDU und der AfD)

Wir alle wissen, dass das Thema „schulische Inklusion“ in den vergangenen Jahren eine zentrale Rolle gespielt hat, und das auch zu Recht. Uns gemeinsam hier im Parlament auf diesen Weg begeben zu haben, die schulische Inklusion voranzutreiben – dieser Weg war, dieser Weg ist und dieser Weg bleibt richtig. Denn uns allen geht es darum, das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Handicap bestmöglich umzusetzen und die Schulen dabei zu unterstützen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

In diesem Zusammenhang gibt es – das steht außer Frage – viele positive und gelungene Beispiele in unserem Land. Es gibt aber auch eine große, nachvollziehbare und ernst zu nehmende Unzufriedenheit bei Lehrkräften und Eltern. Auch davor dürfen wir die Augen nicht verschließen.

Die Rahmenbedingungen sind bei einem großen Teil unserer Regelschulen, an denen inklusiv gearbeitet und unterrichtet wird, völlig unzureichend. Das betrifft die räumliche wie die personelle Ausstattung. Das ist nur ein Aspekt.

Der andere Aspekt ist, dass es Kinder gibt und auch immer Kinder geben wird, die die besondere, auf ihr spezielles Handicap zugeschnittene Förderung in einem Förderschulort benötigen. Das heißt: Wir brauchen für die Schülerinnen und Schüler, deren Eltern es wünschen und denen es zum Wohle ihrer Entwicklung dient, weiterhin ein erreichbares Förderschulangebot.

(Beifall von der FDP)

Die Entwicklung der vergangenen Jahre unter den Vorgaben von Rot-Grün hat dazu geführt, dass Förderschulen – vorrangig mit dem Förderschwerpunkt Lernen – nicht mehr überall verhältnismäßig gut erreichbar sind. Die Maßnahmen der Vorgängerregierung haben zudem dazu geführt, dass für eine Vielzahl von Eltern die bereits angesprochenen Wahlmöglichkeiten in Bezug auf den Besuch einer Förderschule de facto nicht mehr vorhanden sind.

Zahlen in Bezug auf die Schließung von Förderschulen sind bereits genannt worden. Nach unserem heutigen Kenntnisstand geht es um rund 41 weitere Förderschulen, die bis zum Schuljahr 2024 auslaufend gestellt sind. Wenn ich sage: „Rund 41 Schulen“, dann hat das seine Berechtigung, weil die Vorgängerregierung gar nicht daran interessiert gewesen ist, genau zu wissen, um wie viele Förderschulen es sich hier in Nordrhein-Westfalen handelt, die auslaufend gestellt sind. Sie ist auch nicht daran interessiert gewesen, weiterhin ein flächendeckendes Förderschulangebot trotz reduzierter Schülerzahlen aufrechtzuerhalten. Das ist der Vorwurf, den ich hier und heute an die Vorgängerregierung mache.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt die Mindestgrößenverordnung aussetzen, um uns zunächst die genauen Zahlen aus den Bezirksregierungen, aber auch aus den Kommunen geben zu lassen, um mit diesen Daten zu arbeiten. Wir wollen mit den Beteiligten nach Lösungen suchen, die dafür Sorge tragen werden, ein entsprechendes Förderschulangebot aufrechtzuerhalten.

(Beifall von der FDP)

Ich muss es so sagen: Der Antrag der SPD-Fraktion hätte eigentlich schon längst umgesetzt sein können – zumindest in Teilen Ihrer Forderungen –, wenn Sie in der vergangenen Legislaturperiode einigen Anträgen gerade von der FDP-Fraktion zugestimmt hätten.

Denn da ging es nämlich genau um diesen Masterplan für Förderschulen, den wir damals eingefordert hatten, um das Förderschulangebot entsprechend aufrechtzuerhalten.

Meine Damen und Herren, all das, was ich jetzt gesagt habe und was mein Handeln bestimmen wird, bedeutet nicht, dass es eine Abkehr der Landesregierung von der Inklusion geben wird. Es bedeutet aber, dass wir neue Wege prüfen müssen und diese auch beschreiten werden; denn der Weg, den die Vorgängerregierung beschritten hat, hat zu viele der Beteiligten überfordert und zu viele Kinder zurückgelassen. – Herzlichen Dank!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin Gebauer. – Ich schließe an dieser Stelle die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 3.

Wir kommen zur Abstimmung erstens über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP. Sie wissen, die antragstellenden Fraktionen haben die direkte Abstimmung beantragt; und die führen wir jetzt auch durch.

Wer dem Inhalt des Antrages mit der Drucksachennummer 17/76 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind CDU, SPD und die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die SPD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 17/76 von CDU und FDP angenommen.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der SPD. Dieser trägt die Drucksachennummer 17/137. Wie Sie ebenfalls wissen, hat die SPD-Fraktion zu diesem Antrag Einzelabstimmung beantragt, und wir kommen jetzt auch zu den Einzelabstimmungen.

Die erste Einzelabstimmung bezieht sich auf die Ziffer II.1. des Entschließungsantrages. Die Ziffer II ist überschrieben mit „Handlungsbedarf“. Wer also der Ziffer II.1. des Entschließungsantrages zustimmen möchte, bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die AfD-Fraktion. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die erste Abstimmung mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis so ausgegangen, dass Ziffer II.1. abgelehnt ist.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung über Ziffer II.2. des Entschließungsantrages. Wer stimmt hier zu? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Enthaltungen? – Bei der AfD-Fraktion. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis auch die zweite Abstimmung gegen die Bitte, sich positiv zu verhalten, abgestimmt worden. Das heißt II.2. ist ebenfalls abgelehnt. – Das ist schwierig zu formulieren; aber es ist abgelehnt.

Wir kommen zur dritten Abstimmung über Ziffer II.3. des Entschließungsantrages. Wer stimmt hier zu? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die AfD. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir auch hier mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis eine Ablehnung.

Wir kommen zur vierten Abstimmung über Ziffer II.4. des Entschließungsantrages. Wer stimmt hier zu? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die AfD. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch hier mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur fünften Abstimmung. Jetzt geht es um die Ziffer III. und demzufolge um die Überschrift „Beschlussfassung“. Zunächst zum ersten Spiegelstrich des Entschließungsantrages: Wer stimmt hier zu? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die AfD-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der erste Spiegelstrich ebenfalls abgelehnt.

Wir kommen zur nächsten Abstimmung über den zweiten Spiegelstrich des Entschließungsantrages. Wer stimmt hier zu? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die AfDFraktion. – Enthaltungen gibt es keine. Dann ist der zweite Spiegelstrich ebenfalls abgelehnt.

Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 unserer Geschäftsordnung findet im Anschluss an die Einzelabstimmung eine Gesamtabstimmung statt. Damit lasse ich dann insgesamt abstimmen über den Entschließungsantrag in Drucksache 17/137, und zwar über Teile, die zuvor nicht abgelehnt worden sind.

Jetzt muss ich mal schauen: Es geht nur um den Text, und darüber lasse ich jetzt abstimmen, obwohl es keine Feststellungen und keine Forderungen mehr gibt. Wer dem Rumpfantrag jetzt zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die AfD-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag insgesamt und in Gänze abgelehnt, und wir haben den ersten Abstimmungsmarathon hinter uns gebracht.

Ich rufe nun auf:

4 Gesetz zur Gebührenfreiheit der Hochschulen

des Landes Nordrhein-Westfalen – Gebührenfreiheitsgesetz (Gesetz zur Änderung des Ge- setzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen)

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Drucksache 17/85

erste Lesung

In Verbindung mit:

Nein zur Ausländer-Maut auf dem Campus – Bildungschancen für alle gibt es nur ohne Studiengebühren

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/67

Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat Kollege Bell von der SPD-Fraktion das Wort.