Protokoll der Sitzung vom 12.07.2017

Der Masterplan muss daran festhalten – und das ist die Größe, über die wir reden und über die wir streiten müssen, nicht um Ideologien –, der Masterplan muss …

Die Redezeit.

… festhalten daran, dass keine Schule Ressourcen zugunsten einer anderen verliert – weder allgemeinbildende Schulen mit inklusivem Angebot noch Förderschulen. Wir wollen ein Elternwahlrecht, und das in beide Richtungen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das haben Sie doch gar nicht ermöglicht! Sie haben es nicht gemacht!)

Wir brauchen deshalb ein System, von dem beide Seiten profitieren.

Die Redezeit, Frau Kollegin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Gebauer, begehen Sie nicht den gleichen Fehler wie 2006, überstürzt eine Reform einzuführen, die dann an anderer Stelle mannigfaltige Probleme verursacht. Wir werden ja heute Nachmittag noch über das Chaos in G8 genügend Zeit haben zu beraten.

Frau Kollegin, die Redezeit!

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Voigt-Küppers. – Für die AfD-Fraktion hat Herr Kollege Seifen das Wort. Das ist auch seine erste Rede vor dem Parlament.

Wenn ich eine längere Redezeit hätte, würde ich wirklich sehr gerne auf das antworten, was meine Vorrednerin gerade von sich gegeben hat. Aber leider Gottes ist meine Redezeit auf fünf Minuten beschränkt.

(Jochen Ott [SPD]: Gott sei Dank!)

Warten Sie erst mal ab!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das schulpolitische Kapitel im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung beginnt sogleich mit wohlklingenden Ankündigungen. Die Koalition von CDU und FDP will Nordrhein-Westfalen zu „einem Land des Aufstiegs durch Bildung“ machen, heißt es dort. Mit nicht weniger Pathos geht es weiter. Es eint Sie die Überzeugung, dass – Zitat – „alle Kinder, unabhängig von der Herkunft der Eltern, bestmöglich und individuell gefördert werden müssen.“ – Wer wollte diesen Zielen ernstlich widersprechen?

Und so haben Sie in Ihrem ersten Antrag hier im Landtag zu Recht festgestellt, dass im ländlichen Raum mittlerweile ein derartig verheerender Mangel an Förderschulen besteht, dass viele Eltern keine andere Wahl mehr haben, als ihre Kinder mit Förderbedarf in eine Regelschule zu schicken. Insofern ist der vorliegende Antrag von CDU und FDP offenkundig der Versuch, die gröbsten Fehlentwicklungen des Inklusionsprozesses zu stoppen. Dabei ist in der Tat von der Vorgängerregierung mit unglaublicher Rücksichtslosigkeit sehr viel Gutes und Menschenfreundliches zerstört worden.

(Beifall von der AfD)

Nehmen wir nur einmal das Beispiel meines Heimatkreises, des Kreises Borken. Von den ehemals sechs Förderschulen des Typs Förderschule Lernen in Gronau, Ahaus, Vreden, Stadtlohn, Borken und Bocholt sind drei Standorte übrig geblieben – aber auch nur, weil der Kreis selbst die Gründung einer Förderschule mit zwei Standorten auf den Weg gebracht hat.

Trotzdem steht die Wahlfreiheit de facto nur noch auf dem Papier. Städte wie Bocholt, Gronau und Stadtlohn besitzen keine Förderschule mehr, obwohl der Bedarf vorhanden wäre. Die dort lebenden Eltern müssen ihre Kinder nach Borken, Ahaus oder Vreden schicken, wenn sie denn ihrem Kind mit dem Förderbedarf Lernen die bestmögliche Förderung zukommen lassen wollen. Vor der Zumutung jedoch,

ihrem Kind jeden Tag zum Beispiel 40 km Wegstrecke aufzubürden, schrecken etliche Eltern aus verständlichen Gründen zurück.

Wenn man bedenkt, mit welcher Rücksichtslosigkeit sehr gut ausgestattete Förderschulen schließen mussten – Stadtlohn zum Beispiel hatte eine eigene Bäckerei und eine Reitanlage, in Gronau hat man Räumlichkeiten für das jährliche Zirkusprojekt zur Verfügung, und die Lehrerschaft hatte in allen Orten eine exzellente Verbindung zu den örtlichen Firmen –, dann kann man erst ermessen, welch schwerer Schaden gerade den Menschen im Kreis Borken zugefügt worden ist, die der besonderen Fürsorge bedürfen.

(Beifall von der AfD)

Wir begrüßen also durchaus die Folgen dieses Antrags für den ländlichen Raum und werden ihn mittragen können. Allerdings, Frau Vogt, dass Sie Ihre Hände jetzt in Unschuld waschen und all das, was passiert ist, bedauern, hat bei mir doch den Eindruck hinterlassen, dass das etwas dreist ist. Denn Sie haben all das mit beschlossen und haben sich nicht gewehrt.

(Zurufe von der SPD: Nein!)

Auch der Tenor Ihres Antrags offenbart doch, dass Sie immer noch nicht die Unaufrichtigkeit, die Unvernunft und die Menschenfeindlichkeit der zieldifferenten Inklusion von Kindern mit besonderem Förderbedarf wahrhaben wollen.

Es ist doch richtig: Die UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 hat nicht den zieldifferenten Unterricht von Kindern mit besonderem Förderbedarf in der Regelschule verlangt.

(Beifall von der AfD)

Artikel 2 wendet sich ausdrücklich gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Aber Artikel 5 fügt hinzu, dass besondere Maßnahmen, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung erforderlich sind, nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens gelten.

(Beifall von der AfD)

Und Artikel 4 hatte schon vorausgeschickt, dass dieses Übereinkommen zur Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung besser geeignete Bestimmungen, die im Recht des Vertragsstaates enthalten sind, unberührt lässt. Die Schlussfolgerung ist doch ganz klar: Speziell für die Förderung von Schülern mit Förderbedarf ausgebildete Lehrkräfte und gezielt für die jeweiligen Förderbedarfe ausgestattete Schulen führen dazu, dass den Bedürfnissen der Schüler mit Behinderung in extrem hohem Maße Rechnung getragen wird.

(Beifall von der AfD)

Die von CDU und FDP seinerzeit propagierte Inklusion mit zieldifferentem Unterricht ist eine von Ihnen willkürlich propagierte Idee und von der rot-grünen Landesregierung rücksichtslos durchgeführte Operation, die sich in keiner Weise auf den Inklusionsgedanken berufen kann, wie er in der UN-Behindertenrechtskonvention ausgeführt wird.

(Beifall von der AfD)

Ich kann nur an Sie appellieren: Kehren Sie zum effizienten und menschenfreundlichen mehrgliedrigen Schulsystem zurück, in dem auch die Förderschulen ihre Berechtigung haben, und verlassen Sie den Weg der inhumanen Gleichmacherei, der dem Menschen immer Schaden zufügt und ihn seiner Freiheit beraubt. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Seifen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Beer jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden miteinander um die besten Bedingungen für das Lernen im gemeinsamen Unterricht und an Förderschulen streiten und ringen. Aber wer sich hier hinstellt und zieldifferentes Lernen als menschenfeindlich bezeichnet, der katapultiert sich aus dem Dialog.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung als menschenfeindlich diffamieren und damit die Arbeit der Schulen, die das seit Jahren erfolgreich machen, die dem Wunsch der Eltern, die das für ihre Kinder auch wollen, entsprechen, so kategorisieren.

(Helmut Seifen [AfD]: Sie haben nicht zuge- hört!)

Ich will aber gern auf das eingehen, was die Kolleginnen Vogt und Müller-Rech hier ausgeführt haben. Ich habe das Gefühl, Sie sind noch ein bisschen im Wahlkampfmodus. Das ist eigentlich schade, denn wir haben ja schon einen intensiven Dialog in der Frage führt: Wie muss es weitergehen, wie kann es im Ausschuss weitergehen?

Aber Sie werden nach Ihren Konzepten gefragt. Da tut es mir leid, dass auch die Lehrerverbände Ihre Politik und die jetzige Maßnahme als Symbolpolitik bezeichnen. Denn sehr klar ist – Sie haben es ja vielleicht auf den letzten Metern noch gemerkt –, dass Sie nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen können. Das ist das Erste.

Sie haben noch wahrgenommen, dass Schulen schon im Umstrukturierungsprozess sind und diese

Ankündigung jetzt zu vielen, vielen Irritationen führt, weil Sie bestimmte Fragen – jetzt, auf dem Weg – eben nicht beantworten: Wie viele zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer gibt es eigentlich, um die sehr kleinen Systeme dann auch zu erhalten? Wie gewährleisten Sie Qualität? Denn das hängt ja damit zusammen. Wie gewährleisten Sie ein fachliches Angebot der Fachlehrkräfte auch an den Schulen, die jetzt von den Ausnahmen profitieren sollen?

Es geht doch immer um die Frage von Quantität im Zusammenhang mit Qualität. Es geht eben auch an Förderschulen nicht um den Punkt der Fürsorge. Es geht um die Bildung für alle Kinder und die – so habe ich Sie verstanden – beste Bildung für alle Kinder.

Wie gewährleisten Sie diese Punkte? Wie wollen Sie das machen? Wie lösen Sie die Irritationen auf, die sich jetzt an den Schulen des Gemeinsamen Lernens breitmachen?

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Dort wird gefragt: Werden da jetzt Lehrkräfte abgezogen, auf die sich das Kollegium schon gefreut hat? Herr Löttgen, das ist doch so. Die sind in die Unterrichtsversorgung schon eingeplant.

Die Schülerinnen und Schüler aus den Schulen, die sich im Umstrukturierungsprozess befinden, haben schon Plätze an anderen Schulen. Welche Signale senden Sie? Wie wollen Sie das auflösen? Ich erwarte gleich die Antworten der Ministerin dazu, wie da Sicherheit geschaffen werden kann.

(Ministerin Yvonne Gebauer: Frau Beer!)

Frau Ministerin, Sie sagen: „Frau Beer“! – Aber das ist jetzt Ihre Rolle. Diese Antworten erwarten wir.