Protokoll der Sitzung vom 30.10.2018

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie leisten einen wesentlichen Beitrag, um Frauen beim Umgang mit Gewaltsituationen zu helfen.

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites Angebot zur Beratung von Frauen, denen Gewalt widerfahren ist. Doch bevor Frauen eine Beratungsstelle aufsuchen, ist es für manche ein weiter Weg – das wurde vorhin auch schon angesprochen.

Häufig wird das Hilfetelefon angerufen, aber der Mut, sich wirklich aus dieser Gewaltsituation zu befreien, fehlt.

Aus meiner politischen Arbeit weiß ich, dass es schwerfällt, zu erkennen, dass es Unrecht ist, was einem widerfährt, und darauf entsprechend zu reagieren. Oft sind Frauen emotional zu sehr gebunden, sind häufiger abhängig vom Mann als umgekehrt oder sind nicht in der Lage, sich selbst aus der Situation zu befreien.

Viele Frauen nehmen die partnerschaftliche Gewalt, der sie ausgesetzt sind, einige Zeit sogar hin. Das ist etwas, woran wir ansetzen müssen und wo wir immer wieder klarmachen müssen: Das geht so nicht. Niemand muss das hinnehmen, und wir alle sind aufgerufen, Hilfe zu leisten.

Sieht man sich nun an, in welchen Situationen Gewalt ausgeübt wird, dann zeigen die Statistiken, dass die Gefahr generell höher ist, wenn Alkohol, Geldsorgen und psychische Probleme eine Rolle spielen.

Aber das ist nicht immer so. In meinem Bekanntenkreis gab es einen Fall, in dem eine sehr wohlhabende Familie – nach außen hin war alles wunderbar; alles sah perfekt aus – in eine Situation geriet, die man von außen wirklich nicht bemerken konnte. Die Frau, die nach der Eheschließung feststellte, dass ihr Mann gewalttätig ist, hat,

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

obwohl sie selbst berufstätig und sehr selbstbewusst war, ein halbes Jahr gebraucht, um sich aus dieser Situation zu befreien. Aus finanziellen Erwägungen heraus gab es keinerlei Grund, bei diesem Mann zu bleiben. Sie ist dann aus ihrer Villa geflohen, als der Mann auf Geschäftsreise war, weil sie erkannt hat, dass es nicht ihr Weg sein kann, geschlagen zu werden.

In solchen Fällen muss man sagen, dass man es von außen kaum erkennen kann. Deshalb ist es so wichtig, dass sich die Betroffenen selbst vertrauensvoll an uns wenden und Hilfe suchen.

(Beifall von der CDU und Henning Höne [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die bekannten Zahlen zeigen einen begrenzt einsehbaren Ausschnitt aus dem grausamen Alltag, dem womöglich noch viele weitere Frauen ausgesetzt sind. Diese Quote und die damit verbundene Dunkelziffer sind höchst alarmierend und für viele von uns kaum begreiflich – erwartet man doch in einem fortschrittlichen und modernen Land wie Deutschland, dass Gewalt gegen Frauen keine Option sein kann.

Alle Formen der Gewaltausübung – sowohl gegen Frauen als auch natürlich gegen Männer – stellen eine Art der Kontrolle über einen anderen Menschen dar. In einer gleichberechtigten Gesellschaft, wie wir die unsere in Deutschland dem Grundgesetz nach

verstehen, darf solch eine hohe Anzahl der Gewalttaten nicht hingenommen werden.

Lassen Sie uns hier im nordrhein-westfälischen Landtag ein deutliches Zeichen setzen und alle Frauen darin bestärken, dass es falsch und ungerecht ist, dass ihnen Gewalt widerfährt.

(Beifall von der CDU)

Dazu hat niemand, selbstverständlich auch nicht der Partner, mit dem man in einer Beziehung lebt, das Recht. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Vogt. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Paul noch einmal das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte zeigt, dass noch viel zu tun ist. Ich denke, es besteht kein Zweifel darüber, dass auch die rot-grüne Vorgängerregierung viel für das Thema getan hat.

Frau Ministerin, wenn Sie sich den Haushalt und die Haushaltsaufwüchse von 2010 bis 2017 ansehen, dann werden Sie feststellen, dass wir die Haushaltsansätze in diesem Bereich verdoppelt haben. Die gute Nachricht ist, dass Sie diesen Weg konsequent weitergehen,

(Ministerin Ina Scharrenbach: Richtig!)

sodass wir heute in diesem Hause offensichtlich einen Konsens darüber haben, dass wir mehr für die Frauenhilfeinfrastruktur tun müssen.

Die Anhörung zum Antrag zur Istanbul-Konvention hat sehr deutlich gemacht, in welchen Bereichen wir noch mehr tun müssen. Das ist zum Beispiel der Bereich der Barrierefreiheit. Auch da, Frau Ministerin, wünschte ich mir, dass Sie in Ihrer Funktion als Bauministerin mehr tun würden.

Die Frauenhäuser Nordrhein-Westfalens sind zum überwiegenden Teil nicht barrierefrei; es gibt nur ein oder zwei barrierefreie Frauenhäuser. Frauen mit Behinderungen – die im Übrigen noch häufiger Opfer von Gewalt werden als Frauen ohne Behinderungen – brauchen aber auch einen Zugang zur Frauenhilfeinfrastruktur. Deswegen muss in diesem Bereich dringend etwas passieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind auch Bauministerin – initiieren Sie ein Investitionsprogramm, um die Frauenhäuser zu unterstützen!

Auch den Aspekt „Kinder in Frauenhäusern“ müssen wir in den Blick nehmen. Hier besteht noch weiterer

Handlungsbedarf; das ist uns bei der Anhörung sehr konkret ins Stammbuch geschrieben worden. Oftmals kommen Frauen gemeinsam mit ihren Kindern in die Frauenhäuser; denn es sind nicht nur Frauen von dieser partnerschaftlichen bzw. familiären Gewalt betroffen, sondern auch die Kinder.

Es ist unsere Verantwortung, uns ganz konkret um die Kinder zu kümmern; zum einen, weil sie die traumatische Erfahrung gemacht haben, selber Opfer von Gewalt oder Zeugen von Gewalt gegen ihre Mütter geworden zu sein, zum anderen, weil Kinder aus Gewaltbeziehungen im Laufe ihres Lebens leider häufiger selber Opfer von Gewalt werden oder gar selbst zu Gewalttätern werden.

Es ist also ein ganz, ganz wichtiger Beitrag zur Prävention, auch mit den Kindern zu arbeiten. Dafür brauchen wir mehr Geld im System. Als Anfang gibt es weitere Fortbildungsmaßnahmen im Bereich der traumasensiblen Arbeit mit Kindern. Nichtsdestotrotz müssen wir diese Arbeit weiter verstärken und intensivieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zur Istanbul-Konvention möchte ich noch verdeutlichen:

Eines der zentralen Probleme der Frauenhilfeinfrastruktur ist neben dem Geldmangel die Tatsache, dass es nicht für alle Frauen refinanzierte Plätze gibt. Sie wissen, dass die Frauenhausfinanzierung über die Personalkostenfinanzierung des Landes und – ein wichtiger Baustein – über die Tagessatzfinanzierung läuft. Wenn nun aber eine Frau beispielsweise keinen SGB-II-Anspruch hat, wird es schwierig. Sie ist dann entweder Selbstzahlerin, oder die Frauenhäuser bekommen die Kosten für diese Frauen, die sie natürlich trotzdem unterbringen, nicht refinanziert.

Dieses Problem müssen wir dringend lösen. Jede Frau muss – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus oder sonstigem Status – das Recht haben, vor Gewalt geschützt zu werden und ein Angebot der Frauenhilfeinfrastruktur in Anspruch nehmen zu können.

In der Istanbul-Konvention wird auch auf den Aspekt „Aufenthaltsstatus und geflüchtete Frauen“ eingegangen. Ich sage hier sehr deutlich, dass ich es beschämend finde, dass Deutschland nach wie vor einen Vorbehalt gegen Art. 59 der Istanbul-Konvention aufrechterhält. Das heißt, dass nicht alle Frauen Opfer mit gleichen Schutzrechten sind, sondern dass Frauen ohne eigenständigen Aufenthaltstitel auch in Gewaltbeziehungen bestimmte Ehebestandszeiten gewährleisten müssen.

Es ist an der Zeit, dass alle Opfer, unabhängig von ihrem Status, von uns gleichermaßen in den Blick genommen werden und dass dieser Vorbehalt gegen Art. 59 zurückgenommen wird. Dafür können und müssen sich auch die Länder einsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich habe es in meinem ersten Redebeitrag gesagt und sage es zum Abschluss noch einmal: Ich finde es gut und richtig, dass wir uns heute in dieser Aktuellen Stunde mit dem Thema beschäftigen. Ich finde aber auch, dass es das Thema eigentlich verdient gehabt hätte, dass alle 199 Abgeordneten heute hier sitzen.

(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD] – Zuruf von der AfD)

Nichtsdestotrotz finde ich es gut und richtig, dass wir dieses Thema so prominent diskutieren. Aber – und das in das Entscheidende – wir dürfen das eben nicht nur an solchen besonderen Tagen oder zu besonderen Anlässen diskutieren; es darf nicht dabei bleiben.

Es ist gut, dass der Landtag mit der Fahne von TERRE DES FEMMES draußen ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen setzt – das ist ein gutes Zeichen. Aber es darf eben nicht bei diesem Zeichen bleiben, es darf nicht bei Symbolen bleiben, und es darf auch nicht bei Sonntagsreden – in diesem Fall Freitagvormittagsreden – bleiben. Wir müssen die Sache ernsthaft in die Hand nehmen und gemeinsam weitere Maßnahmen ergreifen.

Der Landesaktionsplan und die Hinweise aus diversen Anhörungen sind die Grundlage für ein breites Portfolio von Dingen, die Sie angehen müssen. Gehen Sie das an, dann haben Sie uns auch an Ihrer Seite!

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die FDP-Fraktion spricht noch einmal Frau Kollegin Schneider.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich ist es schön, zum Thema „Gewalt“ immer noch mehr und noch mehr und noch mehr zu fordern. Allerdings: Ich darf diesem Haus seit sechseinhalb Jahren angehören, und ich habe es noch nie erlebt, dass so viele Mittel für Gewaltprävention, Opferschutz und Frauenhäuser eingesetzt wurden, wie es jetzt die NRWKoalition aus CDU und FDP tut.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Werte Kolleginnen von der SPD, Sie haben den Blick auf den Bund gelenkt, auf die Familienministerin und das Hilfetelefon – Frau Vogt hat auch erklärt, dass wir das haben. Aber ich erwarte von einer Familien- und Frauenministerin mehr als so ein Hilfetelefon.

(Regina Kopp-Herr [SPD]: Die hätten Sie ja stellen können, wenn die Koalitionsverhand- lungen anders gelaufen wären!)

Da sind wir hier in Nordrhein-Westfalen inzwischen schon extreme Vorreiter. Ich habe das Instrument der anonymen Spurensicherung bereits angesprochen. Ich bin sehr dankbar, dass wir das haben, und freue mich unglaublich über die Mittel im Haushalt, um das weiterhin auf sichere Beine stellen zu können.