Protokoll der Sitzung vom 30.10.2018

Da sind wir hier in Nordrhein-Westfalen inzwischen schon extreme Vorreiter. Ich habe das Instrument der anonymen Spurensicherung bereits angesprochen. Ich bin sehr dankbar, dass wir das haben, und freue mich unglaublich über die Mittel im Haushalt, um das weiterhin auf sichere Beine stellen zu können.

Für alle, die nicht ganz im Thema sind: Frauen bzw. Opfer erleben die Gewalt oft im nahen Umfeld, sprich von Kollegen, Ehepartnern, Familie oder Nachbarn. Sie haben die Möglichkeit, Spuren sichern zu lassen, bevor sie sich zu einer Anzeige entschließen. Die Spuren werden in der Gerichtsmedizin gelagert und können gegebenenfalls ausgewertet werden.

Allerdings ist die anonyme Spurensicherung, für die die Frauen zum Frauenarzt oder in die Ambulanz gehen müssen, unglaublich zeitintensiv und aufwendig. Das Problem dabei ist, dass Ärzte für die anonyme Spurensicherung keinen Cent bekommen, weil sie sie nicht abrechnen können. Das heißt, sie müssen das ehrenamtlich machen – und ich finde, unsere Ärzteschaft hat genug zu tun.

Es wird also Zeit, dass die anonyme Spurensicherung endlich honoriert wird. Es kann nicht so weitergehen, dass sie überhaupt keine Mittel bekommen – dieser Tage gab es dazu auch einen Brief vom Bundesverband der Gynäkologen in Deutschland.

In dieser Sache ist der Bund gefordert. Fordern Sie also Ihre Familienministerin auf, diesbezüglich aktiv zu werden. Sie kann sich auch gerne mit dem Gesundheitsminister zusammensetzen. Dann könnte diese gute und wahnsinnig wichtige Arbeit, für die wir Nordrhein-Westfalen die ganze Zeit gekämpft haben, weiterhin korrekt und gerichtsfest durchgeführt werden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Röckemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt einen Leitspruch, der meinen Leben als roten Faden durchzieht. Dieser Leitspruch lautet: Unrecht muss klar benannt und bekämpft werden.

Daran habe ich mich als Polizist und Rechtsanwalt stets gehalten, allerdings stoße ich – inzwischen Politiker – an Grenzen, die mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun haben: Angst, Feigheit und Lobbyismus. Alle drei Dinge stoßen mich ab. Wir von der AfD lehnen jegliche Gewalt aus vollem Herzen ab, und genauso lehnen wir die Verniedlichung und Verharmlosungen von Gewalt ab.

Meine Damen und Herren der antragstellenden Fraktionen, in Ihrem Antrag sprechen Sie sogenannte Beschneidungen von Frauen an. Wir wissen natürlich, dass Sie sich in vielem nicht mehr auf dem neuesten Stand befinden, aber dass es so schlimm ist, ist schon arg. Schließlich wird die Amputation weiblicher Geschlechtsorgane durch Laien seit Jahrzehnten als das bezeichnet, was sie ist, nämlich als Genitalverstümmlung. Diese unterscheidet sich grundlegend von der Beschneidung minderjähriger Knaben, die ich im Übrigen – abgesehen von medizinischen Notwendigkeiten – auch ablehne.

Bilden Sie sich doch ausnahmsweise einmal selbst eine Meinung. Bei den traditionellen Genitalverstümmelungen in Afrika sind vornehmlich drei verschiedene Typen zu unterscheiden. Die Zartbesaiteten unter Ihnen mögen sich vielleicht die Ohren zuhalten.

Erstens: die teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris mitsamt Klitorisvorhaut. Zweitens: das gleiche Prozedere mitsamt Entfernung der inneren Schamlippen. Drittens: wie zuvor, aber mitsamt Aufschneiden der äußeren Schamlippen und anschließendem Vernähen der gesamten Vulva, sodass nur noch ein meist hirsekorngroßes Löchlein übrig bleibt. Diese Grausamkeit ist berüchtigt als pharaonische Beschneidung.

Die weiteren Details zu den barbarischen Abläufen und den schlimmen Folgen für die überwiegend kindlichen Opfer erspare ich Ihnen. Ebenso erspare ich Ihnen die Beschreibung der Qualen, die die Opfer bei vollem Bewusstsein und ohne Narkose durchleiden müssen.

Viele dieser Mädchen – es handelt sich überwiegend um ausländische Mädchen, die mit ihren Eltern nach Deutschland geflohen sind – werden im Rahmen eines Heimatsurlaubes in Afrika genitalverstümmelt. Das ist nicht nur ungewöhnlich, das ist pervers;

(Beifall von der AfD)

denn Flucht und Heimaturlaub schließen sich aus.

Aber was wissen Sie schon, meine Damen und Herren Kollegen? Dazu muss man sich nämlich informieren. Wenn Sie das getan hätten, wüssten Sie, dass solche Verbrechen auch an Kindern vorgenommen werden, die sich in Deutschland aufhalten und vielfach schon einen deutschen Pass besitzen. In diesem Fall werden die Täterinnen größtenteils kurzerhand aus Afrika eingeflogen. Es handelt sich dabei übrigens um Gewalt von Frauen gegen Frauen.

Trotzdem scheint es sich um Opfer ohne Verbrechen zu handeln. Insgesamt gibt es in Nordrhein-Westfalen schätzungsweise 10.000 Frauen, die Opfer der Genitalverstümmelung geworden sind. 2.000 Frauen und Mädchen droht dasselbe Schicksal. Trotzdem hat es in Nordrhein-Westfalen laut polizeilicher Kriminalstatistik seit 2014 kein einziges Ermittlungsverfahren gegeben. Ich wiederhole: null Verfahren. Und

beinahe noch schlimmer ist: null Interesse bei Medien und damit null Öffentlichkeit für diese erbarmungswürdigen Opfer.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Was machen Sie denn?)

Ich habe die ersten Schritte dazu bereits unternommen und erwarte, dass infolge meiner Strafanzeigen endlich Ermittlungsverfahren gegen die Täterinnen, deren Hinterleute und sonstige Verantwortliche eingeleitet werden.

(Beifall von der AfD)

Das ist verantwortungsvolle Politik und kein Lichterspiel. Alternativ können Sie so weitermachen und abwarten, bis der Landtag irgendwann ganz in Blau erstrahlt.

Ich wünsche Ihnen einen guten Tag – einen solchen haben die verstümmelten Mädchen und Frauen schon lange nicht mehr.

(Beifall von der AfD)

Das war Kollege Röckemann für die AfD-Fraktion. – Für die SPDFraktion hat nun Frau Kollegin …

(Sowohl Regina Kopp-Herr [SPD] als auch Mi- nisterin Ina Scharrenbach gehen in Richtung Redepult.)

Entschuldigung, Frau Ministerin, wollen Sie zuerst sprechen?

(Ministerin Ina Scharrenbach: Ach, machen Sie ruhig!)

Es liegt hier oben leider keine Meldung vor.

(Regina Kopp-Herr [SPD]: Bitte, gerne!)

Dann hat Frau Ministerin jetzt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Vielen Dank, Frau Kopp-Herr, dass Sie mich vorlassen! Meine sehr geehrten Damen und

Herren Abgeordnete! Wenn wir schon bei der Vergangenheitsbewältigung sind, dann lassen Sie mich doch bitte darauf hinweisen, dass das Land Nordrhein-Westfalen schon von 2005 bis 2010 einen ganz hervorragenden Frauenminister gehabt hat, nämlich Armin Laschet, heute Ministerpräsident,

(Josefine Paul [GRÜNE]: Der die vierte Stelle weggestrichen hat! – Zurufe von der SPD)

der viel für Gleichstellung und Gleichberechtigung und auch für den Schutz von und die Hilfe für Mädchen und Frauen getan hat, was Sie offenkundig dann fortgesetzt haben.

Sie kennen meine Meinung dazu – ich habe es häufig genug im zuständigen Fachausschuss dargelegt –, nämlich dass wir in Summe im Rahmen der demokratischen Fraktionen auf einen vernünftigen Werdegang bei Schutz und Hilfe für Gewaltbetroffene zurückblicken können.

Frau Lux, Sie sind auf die 10.000-Einwohner-Regelung aus der Istanbul-Konvention und aus anderen Texten eingegangen. Ich habe Ihnen damals gesagt, dass wir das so gerechnet haben, wie beispielsweise Bayern es getan hat. Und es macht auch Sinn, die Anzahl von Frauenhausplätzen auf die weibliche Bevölkerung aufzurechnen; denn auf diese schauen wir ja, wenn es um den Schutz von und Hilfe für Mädchen und Frauen geht.

(Zuruf von Eva Lux [SPD])

Ansonsten würden Sie ja die Männer einbeziehen. Wenn Sie mir jetzt sagen wollten, die Zahl von 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern berücksichtige eben auch die zu schaffenden Plätze für Männer, dann wäre das ein anderer Ansatz, den wählen Sie aber nicht.

Wir haben Ihnen damals dargelegt, dass andere Länder sehr nachvollziehbar begründet haben, warum sie welchen Maßstab angelegt haben. Wenn man diesen Maßstab auch in Nordrhein-Westfalen anlegen würde – das haben Sie übrigens bedauerlicherweise sieben Jahre lang nicht getan; die IstanbulKonvention ist keine neue internationale Übereinkunft –, dann käme man auf die entsprechende Zahl.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Die Ratifizierung ist aber erst in diesem Jahr!)

Das Entscheidende ist doch, dass Sie mit CDU und FDP eine Landesregierung haben, die sich nicht nur zur Frauenhausinfrastruktur bekennt, sondern auch deutlich vorträgt, dass wir sie ausbauen, dass wir mindestens 50 Plätze mehr schaffen. Das ist ein Unterschied. Sie sagen immer, es entstünden 50 Plätze. Nein, mindestens 50 Plätze entstehen neu in Landesförderung, darüber hinaus neue Frauenhäuser – auch das sage ich in aller Ausdrücklichkeit –, die gebaut werden.

Es besteht die klare Absicht, dass wir ergebnisoffen prüfen lassen, ob die Frauenhilfeinfrastruktur im Land Nordrhein-Westfalen bedarfsgerecht aufgestellt ist. Auch das haben Sie nicht getan. Sie können das natürlich aus Ihrer Aufgabenstellung als Opposition heraus kritisieren, weil man nichts gut finden darf und muss, was CDU und FDP letztendlich tun.

Aber offen gesagt – ich wiederhole es noch einmal –: Es ist ein Zerrbild, das Sie als Opposition, in dem Fall die SPD – die Grünen nehme ich da aus – von der Arbeit im Zusammenhang mit Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen zeichnen. Das ist unehrlich, was Sie tun.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Gestatten Sie mir noch einen Hinweis – das wurde mehrfach angesprochen – auf die Refinanzierung der Frauenhäuser in Bezug auf Tagessätze, Sozialgesetzbuch, Vergleichbares: Wissen Sie, das ist die Zuständigkeit von Frau Giffey.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Von Frau Butschkau wurde das auch kritisiert. Das ist die Zuständigkeit von Frau Giffey, das ist eine Sache von Bundesgesetzen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sie regie- ren auch in Berlin!)

Ja, ich wollte Ihnen gerade sagen, was ich in dem Bereich tue. Um dieses Thema kümmert sich Frau Giffey nicht. Stattdessen gibt es ein Investitionsprogramm, das sich irgendwie ein bisschen mit Barrierefreiheit von Frauenhäusern beschäftigt. Mehr ist es nämlich am Ende nicht. Das ist eine Problematik. Der Bund hat in diesem Themenfeld außer bei der Frage der Refinanzierung, offen gesagt, gar keine Zuständigkeit.