Protokoll der Sitzung vom 13.07.2017

Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, sagt in diesem Zusammenhang, das Auto werde neu erfunden. – Er hat damit recht. Der Wandel zur Elektromobilität ist eine Umwälzung, wie ihn die Automobilindustrie noch nicht erlebt hat. Daher geht der heutige grüne Antrag auch nicht weit genug.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Arndt Klocke [GRÜNE]: Oh, nicht weit genug!)

Der Antrag beschränkt sich auf das Abgasthema und droht mit Fahrverboten. Pauschale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Innenstädten lehnen wir aber entschieden ab.

(Beifall von der CDU)

Wenn wir erst einmal anfangen, zur Verbesserung der Luftqualität die Mobilität einzuschränken, öffnen wir einer Entwicklung die Tür, die in eine fatale Richtung geht. Wir müssen alles tun, was zum Gesundheitsschutz notwendig ist. Das ist unbestritten. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere Städte und Metropolen funktionieren.

Darüber hinaus ist vielen nicht ganz klar, was passiert, wenn erst einmal ein Fahrverbot verhängt werden sollte. Würden bestimmte Autos plötzlich nicht mehr in die Innenstädte gelassen, so wäre das Vertrauen der Käufer dahin. Die wirtschaftlichen Folgen wären enorm und sind heute noch gar nicht zu beziffern.

Für das Dieselauto, einstmals der Verkaufsschlager der Automobilbranche, wäre das ein Desaster. Die Anfänge sind bereits heute zu spüren. Immer weniger neue Dieselautos werden zugelassen, und die Preise für Gebrauchtwagen gehen in den Keller. Viele Halter von Dieselfahrzeugen sehen sich von den Konzernen und von der Politik getäuscht und werden mit ihrem Wertverlust alleine gelassen.

Abgase bekämpfen wir aber am besten durch neue Technologien. Das heißt, wir müssen die Anzahl von Automobilen und Bussen mit Verbrennungsmotoren für unsere Innenstädte reduzieren. Das muss dabei

in Richtung emissionsfreie Mobilität und in Richtung automatisiertes Fahren gehen. Die Neuausrichtung der Automobilbranche ist daher die wichtigste Aufgabe des Jahrzehnts. In ganz Deutschland hängen mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze vom Autobau ab, nicht nur an den großen Automobilstandorten. In Nordrhein-Westfalen gibt es viele Zulieferbetriebe – im Sauerland zum Beispiel –, die die Autofabriken in Bayern, in Baden-Württemberg oder in Niedersachsen mit Teilen beliefern.

Meine Damen und Herren, wir brauchen jetzt schnelle Lösungen, um Fahrverbote für Dieselfahrzeugen in den Innenstädten zu verhindern. Daher sollen Euro-5-Diesel schnell und freiwillig nachgerüstet werden. Das muss auf Kosten der Hersteller und nicht auf Kosten des Staates gehen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die bayerischen Automobilhersteller haben dazu bereits prinzipiell ihre Bereitschaft erklärt. Allerdings haben sie diese Bereitschaft unter den Vorbehalt gestellt, dass es dazu eine bundesweite Verständigung geben muss. Die Länder alleine können dieses Problem nicht lösen. Hier ist die Bundesregierung gefragt, auch um in Europa entsprechende Weichen zu stellen.

Im August wird es einen Autogipfel im Kanzleramt geben. Von dort müssen wesentliche Initiativen für die Zukunft der Automobilindustrie auf dem Weg in die Elektromobilität ausgehen. Ideen, wie Deutschland den Wandel schaffen kann, gibt es heute schon genug. Daher haben die Ministerpräsidenten eine Offensive für mehr Ladesäulen, für mehr Ladeinfrastruktur angekündigt. Außerdem wollen die Länder bei der Forschung und Entwicklung besser zusammenarbeiten, vor allem wenn es um Batteriezellen geht.

Ein Beispiel dafür ist der Street-Scooter, der an der Rheinisch-Westfälischen TH in Aachen für die Deutsche Post entwickelt wurde. Die Post kommt mit der Produktion ihrer Fahrzeuge gar nicht nach.

Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Kollege Blex von der AfDFraktion würde Ihnen gerne eine Frage stellen.

Herr Kollege, wie wollen Sie denn Ihre E-Autos mit einer Minireichweite laden, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint?

Zum einen ist die technologische Fortentwicklung von Fahrzeugen mit einer größeren Reichweite in der Mache. Zum anderen

wollen wir – das habe ich ja gerade ausgeführt, an der Stelle werden Sie wahrscheinlich nicht zugehört haben – insbesondere die Ladeinfrastruktur deutlich erhöhen, sodass es für Sie möglich ist, mit einem EAuto von A nach B zu fahren, wo immer Sie wollen. Seien Sie da mal ganz gewiss.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, solche Kooperationen wie zwischen der Deutschen Post und der RWTH zu Aachen sind auch in anderen Bereichen nötig, um den Wechsel zu neuen Technologien zu ermöglichen. Der Bund soll flankierend klimaneutrale Fahrzeugflotten gezielt fördern, um die E-Auto-Prämie auch für die Kommunen und bestimmte Firmen zu öffnen. Darüber hinaus soll für einheitliche Standards in der Ladeinfrastruktur gesorgt werden.

Meine Damen und Herren, die Initiative der fünf Bundesländer war dringend nötig und hätte auch schon in den letzten Jahren von Nordrhein-Westfalen aus gestartet werden können. Insoweit sind wir dankbar dafür, dass die NRW-Koalition und Ministerpräsident Armin Laschet hier den ersten Schritt getan haben; denn Umweltfreundlichkeit reicht offensichtlich als Kaufargument für Elektroautos alleine nicht aus. Es hapert in der Tat ein Stück weit an der Alltagstauglichkeit, aber auch an der Bezahlbarkeit. Elektroautos müssen all diesen Anforderungen genügen.

Herr Kollege, entschuldigen Sie, dass ich Sie schon wieder unterbreche.

Das macht überhaupt nichts.

Bestimmt zum letzten Mal in Ihrer Rede! Herr Kollege Klocke würde Ihnen jetzt gerne eine Zwischenfrage stellen.

Gerne, Herr Kollege Klocke.

(Bernd Krückel [CDU]: Das darf aber kein Zitat sein!)

Nein, ich habe kein Zitat, schätze aber immer die Zitate von Herrn Voussem und bin ganz gespannt, was kommt.

Meine Frage, Herr Kollege – danke, dass Sie sie zulassen –, bezieht sich auf den Autogipfel, von dem Sie gerade gesprochen haben. Wollten Sie uns damit gerade mitteilen, dass die Initiative, also die Vorbereitung dieses Autogipfels und dieses Papiers, in dem viele vernünftige Dinge stehen, die Sie eben

ausgeführt haben – es gibt auch Dinge, die man kritisieren kann, aber es geht einiges in die richtige Richtung –, schon von der neuen Landesregierung komplett ausgegangen ist und dass es da keine Vorarbeiten gab, sondern dass der Ministerpräsident vier Tage, nachdem er im Amt war, diesen Autogipfel mit initiiert hat und dann diese weitreichenden Beschlüsse vorgestellt hat?

Herr Klocke, das weiß ich nicht. Ich weiß nur als Jurist eins: Wer schreibt, der bleibt. Und unterschrieben hat unser Ministerpräsident Armin Laschet.

(Beifall von der CDU und Christof Rasche [FDP])

Insoweit wird er sicherlich auch den Hauptanteil am Zustandekommen dieses gemeinsamen Papieres mit den fünf Bundesländern getragen haben.

Meine Damen und Herren, ich war dabei stehen geblieben, dass auch Elektroautos Anforderungen genügen müssen, die noch zu entwickeln sind. Insgesamt müssen sie überzeugen, in vielen Fällen tun sie das leider noch nicht. Besonders skeptisch sind im Übrigen diejenigen, die noch nie in einem Elektroauto Platz genommen haben. Leider ist das immer noch die Mehrheit in Deutschland. Der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, Dieter Zetsche, hat einmal gesagt: Die meisten Deutschen sammeln ihre Erfahrungen mit Elektroautos auf der Kirmes beim Autoscooter. – Das ist an der Stelle bedauerlich. Jeder, der selbst einmal in einem richtigen E-Auto gesessen hat und unterwegs war, wird mit mir einig sein, dass es zur Nachahmung empfohlen werden kann, weiter auf Elektromobilität zu setzen und auch selber umzusteigen.

Ihren Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion, lehnen wir allerdings aus den zuvor genannten Gründen ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und Christof Rasche [FDP])

Vielen Dank, Herr Kollege Voussem. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Löcker.

Frau Präsidentin, herzlichen Dank für die Worterteilung! – Meine Damen und Herren! Der Antrag der grünen Fraktion ist mit „Wirksame Nachrüstung von Dieselfahrzeugen durch Automobilhersteller umsetzen und so anhaltend hohe Stickstoffdioxidemissionen reduzieren“ überschrieben. Das hört sich simpel an. Wir wissen aber, es ist gar nicht so simpel. Das muss man vorwegschicken.

Gestatten Sie mir deshalb zu Beginn meiner Ausführungen, mit Ihnen zusammen einen kleinen Blick auf

die derzeitige Gemengelage der aktuellen Feinstaub- und Stickoxidbelastungen der Luft in deutschen Städten zu legen, und zwar am liebsten am Beispiel der Stadt Düsseldorf. Sie liegt ja ziemlich nahe. Laut Städte- und Gemeindebund zeigt sich hier in Düsseldorf exemplarisch das Emissionsverhältnis zwischen Diesel- und Benzinmotoren, also zwischen Pkw, Lkw und Bussen. In Düsseldorf wird rund die Hälfte der Fahrleistung von benzinbetriebenen Pkw erbracht, knapp 40 % von dieselbetriebenen Pkw und nur gut 10 % von Nutzfahrzeugen wie Bussen und Lkw, so der Städte- und Gemeindebund.

Zu den NOx-Emissionen steuern die Benzin-Pkw 13 % der Belastung bei. Fast 60 % der Belastung gehen aber von Diesel-Pkw aus. Warum führe ich das aus, meine Damen und Herren? Ich führe das aus, weil klar ist, dass Dieselfahrzeuge die größte Belastungsquelle in den belasteten Innenstädten darstellen. Die Problematik ist nicht erst seit gestern bekannt. Das muss man auch einmal deutlich sagen. Der wesentliche Lösungsansatz bestand darin, dass die Hersteller ihre Dieselflotten sauber bekommen. Darauf haben die Menschen vertraut und im besten Wissen entsprechende Autos gekauft.

Jetzt ist natürlich die Frage, wie die deutschen Autobauer – die durch Gier getrieben wurden, das muss man einmal sagen – entsprechende Software bzw. Steuergeräte entwickeln können, die die schmutzigen Ölbrenner, wie man sie heute nach Kenntnis der Lage bezeichnen müsste, in Zukunft von der Straße verbannen. Es liegt zuallererst in der Verantwortung der Hersteller von Diesel-Pkw, die damals versprochenen Stickoxidgrenzen einzuhalten. Die Technologien dafür sind doch vorhanden, meine Damen und Herren. Das ist klar. Jede Berichterstattung der letzten Wochen beschäftigte sich doch damit. Deshalb ist aus unserer Sicht klar: Das darf nicht so weitergehen. Die Fahrzeuge müssen in die Situation gebracht werden, dass sie weniger emittieren.

Eine technisch validierte, bewährte und sicherlich auch machbare Lösung soll die AdBlue-Technologie sein. So steht es im Antrag der grünen Fraktion. Das ist im Lkw- und Busbereich mittlerweile Standard mit der Euro-6-Norm. Das funktioniert ganz gut. Moderne Selbstzünder verwenden diesen Harnstoff. Dafür kann man im Ergebnis sehen, riechen oder messen, dass die Belastung auf 80 mg/km abgesenkt werden kann. Heute liegt sie bei Dieselfahrzeugen bei 180 mg/km. Das ist ein vorzeigbares Ergebnis. – So viel zum Lastwagenbau, der gute Erfahrungen damit hat.

Jetzt stellt sich im Grundsatz nur die Frage: Ist das massentauglich? Kann man das auf die kleinen Fahrzeuge übertragen? – Dahinter muss man ein großes Fragezeichen machen. Wäre das möglich gewesen, hätten es die großen Dieselfahrzeugbauer bereits gemacht. So viel ist klar. Deshalb ist ein großes Fragezeichen dahinter zu setzen, ob diese AdBlue

Technologie tatsächlich in kleine Fahrzeuge eingebaut werden kann.

Ich möchte darauf jetzt nicht im Detail eingehen. Aber es muss natürlich ein großer Umbau stattfinden. Es kostet auch mehr beim Tanken und beim Umbau. Das muss man sehen. Wir reden gerne davon, dass der im Vertrauen gekaufte Diesel-Pkw keine zusätzlichen Kosten dadurch entwickelt, dass die Softwaretechnologie nicht funktioniert hat.

In diesem Sinne drängt sich nun die Frage auf, was eine zusätzliche neue Software wirklich bewirken soll. Hätte man sie nicht schon vor fünf Jahren entwickelt, müsste man sie heute einbauen. Ich frage mich wirklich, welche Innovation denn in den letzten Monaten und Jahren stattgefunden hat, die uns nun in die Situation bringt, in den nächsten Wochen eine Software einbauen zu können, die dafür sorgt, dass es – auch tatsächlich in der Wirkung auf der Straße – messbar bessere Ergebnisse gibt. Ich kann das nicht erkennen. Ich bin aber nicht Experte genug. Deshalb erwarte ich gerne die Einlassung der Experten, ob das wirklich gelingen kann.

Hoffen sollten wir es, meine Damen und Herren. Wenn uns diese Innovation nämlich nicht gelingt, dann wird ganz klar und schnell die Gerichtsentscheidung, die Mitte dieses Monats ansteht, dafür sorgen, dass wir wieder auf den Boden der Tatsache zurückgeführt werden.

Deshalb finde ich, es ist ein schäbiges Spiel zulasten der Städte und Gemeinden, das im Moment stattfindet. Der schwarze Peter wird dorthin geschoben. Es wird so getan, als ob man in Berlin und hier im Land keinen Auftrag dazu hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Klar muss sein, dass Berlin ganz klare Signale aussenden muss, wie das gehen kann. Man darf die Städte in Zukunft nicht damit alleine lassen, diese Probleme vor Ort zu lösen. Das wird nämlich nicht funktionieren.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Damit kein Zweifel an unserer grundsätzlichen Haltung besteht, sage ich für die SPD klar: Jede Lösung muss sich daran orientieren, dass Hunderttausende Besitzer von Diesel-Pkw keine zusätzlichen Umrüstungskosten aufgebrummt bekommen, weil sie im guten Vertrauen diese Fahrzeuge gekauft haben. Das ist hier deutlich geworden. Es darf nicht am Ende dazu führen, dass die Leute noch einmal in die Tasche greifen müssen, um die Dinge in Ordnung zu bringen, die die Fahrzeughersteller verbockt haben. Das kann so nicht funktionieren.