Protokoll der Sitzung vom 13.07.2017

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete des Landtages! Am Wochenende habe ich, als es in Hamburg losging, den Einsatzführer der nordrhein-westfälischen Bereitschaftspolizei angerufen und mich erkundigt, wie es geht. Ich habe dann von ihm gehört: So etwas habe ich in meinem ganzen Berufsleben noch nicht erlebt. – Ab diesem Moment war ich zutiefst unsicher, nervös, aufgeregt, erschrocken.

Das, was da in Hamburg passiert ist – diese Gewalt gegen Menschen, gegen Polizisten, gegen Sachen –, hat mit Versammlungsfreiheit und freier Meinungsäußerung überhaupt nichts mehr zu tun. Gar nichts mehr!

(Beifall von der CDU, der FDP, der AfD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Genauso klar ist: Das sind beides hohe Rechtsgüter. Sie werden mich immer so erleben, dass ich sie verteidigen werde. Es geht wirklich darum, diese Rechtsgüter zu verteidigen.

Aber darum ging es in Hamburg nicht. Das war keine politische Botschaft, die da gesandt wurde, sondern ein von langer Hand geplantes und nicht etwa zufälliges Ereignis, sondern Chaos – mit dem Ziel: Die Stadt sollte brennen. Menschenleben waren egal.

Darum verlangt das auch eine andere Bewertung. Das ist kriminell. Das ist gewalttätig. Das wird auf das Schärfste verurteilt. Da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, fernab aller politischen Unterschiede: Natürlich haben Menschen ein Recht, zu demonstrieren. Ich habe es eben gesagt. Da gibt es überhaupt nichts. Es gibt aber neben dem Recht auf Demonstration auch die Pflicht, wenn man demonstriert, sich von denen abzusetzen, die da Chaos verbreiten wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Der Kollege hat ja eben das Motto der Demonstration vorgetragen: Welcome to Hell. – Wenn man diese Überschrift der Hamburger Demonstrationen hört, finde ich das auch schon ein Stück beunruhigend. Da kann man klügere Titel wählen, glaube ich.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Wer hat das denn ge- nehmigt?)

Dann wird, wie eine Journalistin berichtet hat, durch das Mikrofon gerufen: „Kampf gegen das Schweinesystem“; „wir sollten ein unversöhnliches Zeichen des Widerstandes setzen“. – Das ist eine Sprache, die zu weit geht.

Eines will ich schon deutlich machen: Verantwortlich sind die Gewalttäter. Aber eine Mitverantwortung tragen auch diejenigen, die sich nicht abgrenzen, die sich nicht distanzieren. Diese Menschen haben auch eine Pflicht, sich darum zu kümmern. Ich bitte, auch das zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Es geht in dieser Aktuellen Stunde aber nicht nur darum, zu beschreiben, was war – das ist auch nicht mehr zu ändern –, sondern auch darum, zu überlegen, was man nun tun kann.

Ich will mit aller Vorsicht versuchen, diese Frage zu beantworten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es schon ein bisschen anmaßend, jetzt eine Lösung aus dem Ärmel zu schütteln und zu sagen: Das hätte man alles anders machen können. – Im Moment gibt es ja ein Menge Schlaumeier, die das alles wissen und gewusst haben. Da will ich mich nicht einreihen. Ich finde, dass wir eine gründliche Analyse

brauchen. Sie wird auch gerade erstellt. Es wird untersucht, was im Detail war, wo es gut gelaufen ist und was hätte besser laufen können.

Auf Ihren Hinweis, Frau Kollegin, man hätte die Informationen besser austauschen müssen, möchte ich entgegnen, dass wir dann auch in Ruhe darüber nachdenken sollten, wie wir insgesamt mit dem Datenaustausch umgehen. Ich habe doch den Eindruck, dass wir aus der Vergangenheit noch einige Defizite haben, die aufgearbeitet werden müssen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Kurz nach dem Gipfel wissen wir noch lange nicht alles. Deswegen will ich nur den Versuch einer Antwort machen.

Wichtig ist erst einmal – das ist klar –, dass man Extremismus, egal aus welcher Richtung, nicht unterschiedlich beurteilen darf.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Rechts, links oder islamistisch – das ist mir vollkommen egal. Wenn jemand Gewalt anwendet, hat der Staat sich darum zu kümmern, und zwar mit geballter Kraft.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben in Nordrhein-Westfalen – Gott sei Dank, glücklicherweise – keine linksautonomen Hochburgen wie andere Teile Deutschlands. Wir haben annähernd – es ist eben nach Zahlen gefragt worden – 1.000 Linksextremisten, die als gewaltorientiert gelten. Das ist aber auch keine kleine Hausnummer – zumal uns Erkenntnisse vorlagen, dass bis zu 800 von ihnen nach Hamburg reisen würden. Die Szene war darauf vorbereitet, den Gipfel unter Einsatz von Gewalt zu stören.

Deshalb – klare Antwort – sind die Kenntnisse, die wir hatten, von unseren Sicherheitsbehörden im Vorfeld weitergegeben worden und intensiv ausgetauscht worden. Alle Maßnahmen sind ergriffen worden. Auch ich habe Unterschriften geleistet, damit die Polizei und die Sicherheitsbehörden in dieser Frage handlungsfähig waren und entsprechend vorgehen konnten.

40 Vorbereitungstreffen hat es in Nordrhein-Westfalen gegeben. Sie waren bekannt und wurden beobachtet. Die Informationen wurden alle weitergegeben.

Trotzdem bleibe ich dabei: Man sollte vorsichtig sein mit einer schnellen Beurteilung, solange man es nicht weiß.

Es war eine große Zahl von ausländischen Linksextremisten angereist; das stimmt. Das heißt: Es ist ein europäisches Phänomen und nicht nur ein nationales. Islamismus, Linksextremismus und Rechtsextremismus machen nicht an Grenzen halt.

Wir brauchen mehr europäische Zusammenarbeit und Datenaustausch – dafür bedarf es zunächst einer Datenerfassung –, um in Zukunft darauf reagieren zu können. Wenn das eine Konsequenz dieses Ereignisses ist und alle Parteien sich da ein Stückchen mehr bewegen, dann sind wir aus meiner Sicht auf einem guten Weg.

Es wird mit Sicherheit darüber zu diskutieren sein, wie wir auch den Linksextremismus stärker beobachten können, ihn erfassen können und Daten sichern können. Da ist Handlungsbedarf gegeben. Mit Sicherheit werden die Sicherheitsbehörden, die Verfassungsschutz- und Polizeibehörden, auch über gezielte Maßnahmen nachdenken, wie wir gegen solche außergewöhnlichen gewalttätigen und aggressiven Aktionsformen vorgehen werden.

Ich sage Ihnen: Wir werden mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, verhindern, dass Polizistinnen und Polizisten in Lebensgefahr geraten. Deshalb müssen wir alles tun, was wir tun können, um sie zu schützen, wenn sie in solche Einsätze gehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe gerade bei einer Vereidigungsfeier erlebt, welchen Einsatz und welche Begeisterung Polizisten mitbringen. Danach habe ich mit Eltern geredet, die mir die Frage gestellt haben: Können Sie mir zusichern, dass meinem Sohn bzw. meiner Tochter nichts passiert, wenn er bzw. sie in einen solchen Einsatz geht? – Das kann man nicht 100%ig zusichern. Das ist die Wahrheit. Die Gefahren und die grenzenlose Brutalität sind einfach so unvorstellbar, dass man sich bestmöglich, aber mit Sicherheit niemals 100%ig vorbereiten kann.

Ich fand es schön, dass alle hier heute die Gewalt verurteilt haben. Vielleicht ist das ein Anfang für die weiteren Beratungen, wenn es dann um konkrete Maßnahmen geht. Ich hoffe, dass alle auch dann zur Verfügung stehen, wenn es darum geht, ganz konkrete Maßnahmen einzusetzen und ganz konkrete – auch schwierige – Entscheidungen zu treffen, um gegen solche Gewalttätigkeiten von Rechts- oder Linksextremisten und Hooligans gleichermaßen vorzugehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Ich darf für die SPD-Fraktion dem Kollegen Bialas das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst einmal sehr deutlich – gerade auch als ehemaliger Polizist – Folgendes sagen: Wer brandschatzt, wer plündert, wer Stadtteile verwüstet und wer vor allem

Polizistinnen und Polizisten an Leib und Leben gefährdet, gehört nirgends anders hin als hinter Gitter, und das nicht zu kurz.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und der AfD)

Wer Polizistinnen und Polizisten bei Demonstrationen angreift, beschießt und mit Molotowcocktails und Steinen bewirft, hat zeitlebens nichts mehr auf einer Demonstration verloren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und der AfD)

Es ist mit allen Mitteln und mit aller Kraft zu verhindern, dass diese Personen einen Demonstrationsort oder Orte im Umfeld von Demonstrationen erreichen. Diese Verbrecher haben dort nichts, aber auch rein gar nichts verloren.

Sehr geehrter Herr Minister Reul, seit mehreren Jahren war eines besonders stilprägend in NordrheinWestfalen, nämlich eine fast schon als zartfühlend zu bezeichnende Behandlung des Innenministers durch die Opposition. Innenminister werden hier in Nordrhein-Westfalen geradezu gehegt und gepflegt.

(Minister Hendrik Wüst: So wollen wir es hal- ten!)

Ich hoffe, das hat man Ihnen im Vorfeld mitgeteilt.

Wir dürfen Ihnen daher einen Ratschlag mitgeben: Vorsicht vor dem Herrn „Man müsste mal“-Minister de Maizière! Wenn es richtig problematisch wird und schiefläuft, dann ist er nicht weit. Da hat er seine Finger drin und zieht sie ganz schnell und geschickt zurück. Das macht er sehr geschickt. Er stellt sich als Erstes hin und erzählt, jetzt müsste aber endlich einmal etwas gemacht werden. Dabei ist er seit Jahren in der Verantwortung.

Bis 2005 stellte die SPD den Bundesinnenminister. Das merkte man manchmal nicht; aber das war schon ein Sozialdemokrat. In der Zeit wurde die bundesweite Datei linker Gewalttäter eingeführt. Diese Datei gibt es.

Seit 2005 stellt die CDU ständig den Innenminister. Von 2009 bis 2011 und seit 2014 wieder, also mehr als fünf Jahre, ist das „Man müsste mal“-Minister Thomas de Maizière.

Jetzt kommt die Erkenntnis, man müsste aber mal eine europaweite Datei haben und nun die Details dafür untereinander in Europa abklären. Wir haben das Schengen-Abkommen seit 1990, also seit 27 Jahren. Seitdem gibt es offene Grenzen. Zum Glück! Die Zuständigkeit dafür, unter diesen Bedingungen die innere Sicherheit in Deutschland vor einer Gefahr von außen zu schützen, liegt beim Bundesinnenminister.

Jetzt kommt die Idee, man müsste nun mal eine europaweite Gefährderdatei einführen und daran arbeiten. Das ist der Nachweis von Arbeitsverweigerung.

(Beifall von der SPD)