Dazu komme ich gleich noch. – Ich will das gar nicht im Nachhinein kritisieren. Nur: Die damalige Annahme, dass Sie jetzt etwas ganz Festes, Verbindliches machen und alle sich darauf verlassen können, war im Jahr 2017 schon nicht mehr gültig.
Deshalb muss das, was wir jetzt machen und einleiten, klar sein, abgewogen sein und alle Elemente berücksichtigen, damit die Menschen wirklich wissen, dass das, was wir uns jetzt vornehmen, bis zum Jahr 2038 gelten wird. Das ist das Ziel, vor dem wir jetzt stehen.
Diesen Zeitraum brauchen wir auch. CDU und FDP haben in der Regierung Rüttgers im Jahr 2007, damals mit Zustimmung der Grünen, gesagt: Wir steigen aus der Förderung der Steinkohle aus. – Auch das war damals für viele ein schmerzhafter Prozess. Es hat aber elf Jahre gebraucht. Am 21. Dezember 2018 ist das Ganze dann so abgefedert gewesen, dass die Menschen wirklich damit leben konnten und keiner ins Bergfreie gefallen ist.
Man kann das auch anders machen. Man kann es auch schnell und rigoros machen. Margaret Thatcher hat das in den 80er-Jahren in Großbritannien gemacht: Zechen geschlossen, Bergarbeiter entlassen, diejenigen, die demonstriert haben, mit berittener Polizei angegriffen und die Fördertürme einfach abgerissen, auch als Symbol, damit nichts mehr übrig bleibt, um den Gewerkschaften das Rückgrat zu brechen.
Das ist nicht der nordrhein-westfälische Weg. Die Regionen in Großbritannien, in denen man das so gemacht hat, sind heute diejenigen, in denen am stärksten für den Brexit gestimmt wurde.
Daran erkennt man: Sozialen Zusammenhalt sicherzustellen, so etwas behutsam zu machen und die Menschen aufzufangen, die dort arbeiten, ist eine nordrhein-westfälische Tugend, die wir hochhalten müssen – auch bei der neuen Entscheidung, die jetzt ansteht.
Der nun erreichte Konsens zum Ausstieg aus Braunkohle und Kohleverstromung war ein noch größerer Kraftakt. Denn die Lage bei der Braunkohle ist eine andere als bei der Steinkohle.
Die Steinkohle war seit Langem nicht mehr wettbewerbsfähig. Man hat am Ende entschieden, dass die Subventionen nicht weiter gezahlt werden.
Bei der Braunkohle wird aus politischen Gründen ein importunabhängiger, wettbewerbsfähiger heimischer Energieträger aus dem Markt genommen. Politik beschließt: Es werden die Arbeitsplätze von Tausenden, die auf eine Leitentscheidung vertraut hatten, abgebaut. Es werden moderne und leistungsfähige Kraftwerke abgeschaltet, die im internationalen Kontext hohe Umweltstandards erfüllen. Es wird eine bislang für unsere energieintensive Industrie wichtige Versorgungsbasis berührt. Es wird ein rasanter Strukturwandel im Braunkohlerevier in Kauf genommen.
Das tun wir, weil wir uns völkerrechtlich verpflichtet haben, die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten, weil wir etwas gegen den Klimawandel tun wollen. Das ist der politische Grund, den wir dann aber auch den Menschen unter diesem übergeordneten Ziel erklären müssen.
Deshalb besteht ein Unterschied zur Steinkohle. Wir haben bei der Steinkohle seit dem Schließen der ersten Zechen fast 50 Jahre gebraucht, um den Abbau auslaufen zu lassen. Seit dem Ergebnis der Kohlekommission sind gerade einmal 20 Tage vergangen. Deshalb muss das, was jetzt kommt, sehr sorgsam mit vielen besprochen und abgewogen werden. Man kann nicht 20 Tage nach einem solchen Beschluss bis in den letzten Punkt hinein eine Leitentscheidung vorlegen und ein Konzept vorgeben.
Deshalb will ich heute noch einmal deutlich machen, wie es überhaupt zu dieser Kommission gekommen ist. Eben hat jemand „Jamaika“ gerufen. Ja, in den Jamaika-Gesprächen ist darüber vier Wochen lang verhandelt worden – ohne jede Bewegung bei den offenen Fragen, die bestanden haben zu CO2Einsparung, Gigawatt, Zeitplänen und vielem anderen. Jamaika ist nicht an dieser Frage gescheitert. Aber Jamaika hat sie auch nicht gelöst.
Dann standen wir vor der Frage einer Großen Koalition. Ich habe damals die Energie-Arbeitsgruppe geleitet. Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, hat auf der sozialdemokratischen Seite gesessen. Wir haben gesagt: Wir hätten jetzt eine Mehrheit. Die Große Koalition hat eine Mehrheit und kann das per Mehrheit durchsetzen.
Aber dient es wirklich dem gesellschaftlichen Konsens, einfach per Mehrheit zu beschließen, und danach geht die Debatte weiter? Mit immer neuen Daten für einen Kohleausstieg wird die Auseinandersetzung nicht befriedet, weil jede Opposition das Ergebnis am Ende nicht akzeptiert.
Deshalb haben wir gesagt: Wir versuchen einmal, die deutsche Wirtschaft – BDI, BDA –, die deutschen Gewerkschaften – DGB, IG BCE und andere – und
die Umweltverbände – Greenpeace, BUND und weitere – zusammenzubringen und sie einen Konsens erarbeiten zu lassen, der zur gesellschaftlichen Versöhnung beiträgt.
Das ist ein anderes Modell, als nur politisch zu entscheiden. Politik muss jetzt entscheiden. Aber dass diese gesellschaftliche Versöhnung in dieser Kommission gelungen ist, ist eine große Leistung. Allen, die daran mitgearbeitet haben, müssen wir danken. Jeder musste Zugeständnisse machen. Aber das Ergebnis bietet die Chance, dass wir dieses gesellschaftlich zerstrittene Thema in Zukunft gemeinsam lösen können.
Deshalb brauchen wir jetzt einen Fahrplan, mit dem das gelöst wird. Denn die Folge der erratischen Energiepolitik der Vergangenheit hat Menschen verunsichert – in den Dörfern, die nicht wissen, was aus ihnen wird, bei den Beschäftigten, bei den Mitarbeitern in den Tagebauen und Kraftwerken.
Die Folgen haben sich nicht zuletzt auch im Hambacher Forst entladen – in Form der Proteste vieler Zehntausender Bürger, die sich gefragt haben, ob dieses Waldstück noch gerodet werden muss oder nicht.
Bei meinem Amtsantritt war der Hambacher Forst noch 200 ha groß. Das ist er übrigens bis heute. Früher waren es 4.100 ha. 3.900 ha wurden unter anderer Regierungsverantwortung abgeholzt: SPD,
Ich will daran klarmachen: SPD, GRÜNE, CDU, FDP – alle vier Parteien haben in den letzten 50 Jahren hier irgendwann Regierungsverantwortung getragen. Deshalb ist es keine parteipolitische Frage, ob der Hambacher Forst steht oder ob er nicht steht. Alle haben daran mitgewirkt, und alle können jetzt einen Beitrag zur Versöhnung bei diesem Thema leisten.
auch Sie, Frau Düker –: Wie kommen wir nun zurück auf den Pfad langfristig haltbarer Weichenstellungen – länger als 2016, ein Jahr später infrage gestellt?
Wie kommen wir dahin, Frau Düker, dass wir den Menschen verlässlich etwas sagen können? Wie können wir auch das Vertrauen in Verlässlichkeit wiederherstellen?
Wir als Landesregierung finden, dass das Ergebnis der Kommission dazu eine Basis sein kann. Die Landesregierung wird mit ihrer Arbeit deshalb auf dem Kommissionsergebnis aufbauen.
Wir wollen den Konsens aus Berlin in einen Konsens hier in Nordrhein-Westfalen und besonders vor Ort in den betroffenen Regionen übersetzen. Wir wollen den Konsens der Kohlekommission eins zu eins hier im Land umsetzen. Das ist unsere Herangehensweise an dieses Thema.
Die erste Voraussetzung dafür ist, dass zum gefundenen Konsens nun auch alle Beteiligten stehen. Es müssen insbesondere diejenigen, die in der Kommission mitgearbeitet haben, zum eigenen Ergebnis stehen. Es müssen auch diejenigen, deren Interessen in der Kommission vertreten wurden, zum Ergebnis stehen. Man darf nicht heute einen Kompromiss mittragen und morgen wieder die Maximalposition von gestern vertreten. Wenn es ein Konsens ist, dann muss sich auch jeder an diesen Konsens halten.
Wir leisten als großes Industrieland unseren Beitrag. Die Ziele des Klimaschutzgesetzes der Vorgängerregierung erreichen wir übrigens auch jetzt schon. Wir werden sie mit dem möglichen Abschalten von Kraftwerken in den nächsten Jahren weit übertreffen. Wir werden für den Klimaschutz weit mehr erreichen, als bisher im Blick war.
Für uns ist auch die Bezahlbarkeit für die Stromkunden wichtig. Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.
Uns ist außerdem wichtig, die 250.000 Arbeitsplätze der energieintensiven Industrien in Nordrhein-Westfalen im Blick zu haben. Denn nicht nur die Menschen im Rheinischen Revier, sondern auch die Arbeitnehmer bei Alu Norf, bei Evonik, bei Bayer und bei LANXESS, also in der chemischen Industrie, in der Stahlindustrie und in der Aluminiumindustrie, schauen auf das, was wir hier machen, und darauf, ob ihr Arbeitsplatz auch in Zukunft aufgrund bezahlbarer Energien im internationalen Wettbewerb Bestand haben kann.
Was heißt das Ergebnis nun für Nordrhein-Westfalen konkret? Ich will Ihnen darauf heute Antworten geben, soweit das möglich ist, und Ihnen an den Stellen, an denen das noch nicht möglich ist, einen Weg skizzieren, auf dem wir so schnell wie möglich zu Antworten kommen können.
Die Kommission macht bisher Empfehlungen. Sie stehen unter dem Vorbehalt der Umsetzung durch die Bundesregierung. Aber ich will auch hier sagen: 27:1 ist ein extrem konsensprägendes Ergebnis. Es gab eine einzige Gegenstimme. Diese Gegenstimme kam von einer Stadtverordneten aus der Lausitz, der im Bericht die Zusage fehlte, dass ein bestimmter
Deshalb habe ich gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der anderen Braunkohleländer darauf gedrungen, dass die Bundesregierung mit der Bundeskanzlerin an der Spitze sich schnell und umfassend zum Ergebnis der Kommission erklärt und bekennt.
Wir haben in zwei Runden – die erste war nicht ganz so verbindlich, die zweite dann schon verbindlicher – die Zusage erhalten, dass auch die Bundesregierung daran interessiert ist, dies umzusetzen. Es waren fünf oder sechs Bundesminister beteiligt: Umwelt, Wirtschaft, Inneres und andere.
Wir haben dann in der letzten Woche gemeinsam mit den Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg noch einmal mit der Bundeskanzlerin, den Fraktionsspitzen von CDU und SPD und unseren Landesgruppenabgeordneten im Deutschen Bundestag von CDU und SPD zusammengesessen. Alle waren der Meinung: Ja, das ist ein guter Weg; den können wir mitgehen. Es gab ein hohes Maß an Übereinstimmung.
Warum ist das so wichtig? Die Bundestagsabgeordneten werden am Ende als Erste ihre Hand für die neue Energiepolitik heben müssen.
Sie werden vor allem ihre Hand heben müssen für die Haushaltsentscheidungen. Das ist nicht die Bundesregierung, sondern das ist der Haushaltsgeber, der Deutsche Bundestag. Der wird sich zuerst damit beschäftigen, und danach werden wir hier im Landtag über die Frage einer neuen Leitentscheidung befinden.
Daran kann man schon erkennen: Die Zuständigkeit für die Energiepolitik liegt bei den Bundestagskollegen, liegt bei der Bundesregierung. Wir werden diejenigen sein, die das dann hier vor Ort in rechtliche Maßnahmen gießen werden.
Deshalb ist es wichtig, dass wir auch bereit sind voranzugehen. Minister Pinkwart war ja für uns in der Kommission dabei. Nordrhein-Westfalen hat von Anfang an gesagt: Wenn es dem Erfolg dient, sind wir als Land auch bereit, den ersten Schritt schon bis 2022 zu machen.