Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 56. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen oben auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; die Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung: Die Fraktionen haben sich bereits gestern darauf verständigt, die auf Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen durchzuführende dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung Drucksache 17/3776, das Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und weiterer wahlrechtlicher Vorschriften, als Tagesordnungspunkt 6 mit Redezeit Block 1 durchzuführen. Besteht hiergegen Widerspruch? – Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist die Tagesordnung entsprechend ergänzt.

Wir treten damit in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Nordrhein-Westfalen steht zu unserer Parla

mentsarmee

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/5695

Die Fraktionen von CDU und FDP haben mit Schreiben vom 8. April 2019 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die CDU-Fraktion dem Abgeordneten Panske das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beschluss der Berliner Landes-SPD, dass zukünftig keine militärischen Organisationen – also auch keine Jugendoffiziere – in Berliner Schulen gehen dürfen, hat mich verständnislos und betroffen gemacht, wie das sicherlich bei vielen anderen auch der Fall sein dürfte.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das hat mich insbesondere persönlich betroffen gemacht, weil ich selbst bis zur Übernahme meines

Mandates vor zwei hier im Landtag Jahren Berufssoldat und Offizier gewesen bin.

Betroffen bin ich vor allem deshalb, weil ich mich immer als Staatsbürger in Uniform verstanden habe,

(Beifall von der CDU und der FDP)

weil ich mit vielen Jugendoffizieren über eine lange Zeit hinweg eng zusammengearbeitet habe und weil ich selber über die Jahre für die andere Seite, die jetzt kritisiert wird – die Personalgewinnung der Streitkräfte in Nordrhein-Westfalen –, Verantwortung getragen habe. Ich bin genau so jemand, den die Berliner SPD aus Schulen ausschließen will.

(Zurufe von der SPD)

Weiter macht mich verständnislos und sehr betroffen: Was ist die eigentliche Botschaft dieses merkwürdigen Beschlusses, mit dem selbst führende Sozialdemokraten im Bund hadern? Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann hat dazu gesagt: Wer so einen Unsinn beschließt, sollte sich selbst von Schulen fernhalten. – Ich glaube, dem ist nicht viel hinzuzufügen.

(Beifall von der CDU, der FDP, Alexander Langguth [fraktionslos] und Frank Neppe [frak- tionslos])

Kommen wir zu dem Geist, der hinter diesem Beschluss steht – ein Geist, der mit unserer Bundeswehr nichts mehr gemein haben will, ein Geist, der unsere Bundeswehr in eine Ecke rückt, in die sie nicht gehört.

Die Bundeswehr, die ich erlebt habe und heute auch noch erlebe, ist eine verantwortungsvolle Truppe, eine demokratische Armee, die im Rahmen der inneren Führung das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform prägt, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht.

Sie ist eine Armee, die von Menschen mit einem klaren Menschenbild von Recht und Gesetz, die von unser aller Wertegefühl von Gut und Böse und die von einem klaren Ja zum Lebensschutz, zur Friedensbewahrung und zur Friedenssicherheit geprägt ist.

Das alles spricht der Beschluss der Berliner LandesSPD unserer Bundeswehr und insbesondere den Soldatinnen und Soldaten ab. Welche Wirkungen das haben kann, sehen wir: Ein Bündnis „Schule ohne Bundeswehr“ hat offen dazu aufgefordert, Angehörige der Bundeswehr von Besuchen in Schulen auszuschließen.

Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung aufgefordert, die Kooperationsvereinbarungen zwischen dem Land NRW und der Bundeswehr, die es seit elf Jahren gibt, aufzukündigen. Der Stadtvorsitzende der GEW in Münster,

ebenfalls SPD, hat gestern öffentlich über eine Zeitung ins gleiche Horn geblasen.

Meine Damen und Herren, dieser Geist darf nicht einfach hingenommen werden. Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

(Beifall von der CDU, der FDP, Alexander Langguth [fraktionslos] und Frank Neppe [frak- tionslos])

Daher geben wir ein klares Zeichen, eine klare Botschaft: Wir stehen zu unseren Streitkräften, zu ihrem Auftrag und zu den Soldatinnen und Soldaten. Sie verdienen unsere Anerkennung; sie verdienen unseren Respekt.

(Beifall von der CDU, der FDP, Alexander Langguth [fraktionslos] und Frank Neppe [frak- tionslos])

Die Bundeswehr ist doch eine Parlamentsarmee. Sie ist eine staatliche Institution. Ihr Auftrag geht aus dem Grundgesetz hervor. Ein Mandat für einen Einsatz erteilt doch kein Kommandeur, sondern der Deutsche Bundestag. Seit 1955 garantiert die Bundeswehr unserem Land und seinen Bürgern ein Leben in Freiheit, Demokratie, Wohlstand und Frieden.

Wenn diese Bundeswehr als staatliche Institution der Schule verwiesen werden soll, frage ich mich: Welches Staatsverständnis haben diejenigen, die das ernsthaft fordern?

(Beifall von der CDU, der FDP und Marcus Pretzell [fraktionslos])

Wenn sich Jugendoffiziere mit jüngeren Leuten über ihren Dienst, über ihren Auftrag und übrigens auch über ihren Auftraggeber, den Deutschen Bundestag – ich habe das eben gesagt –, unterhalten und mit ihnen diskutieren wollen, sollen sie das tun.

In diesem Beschluss drückt sich ein schlimmer Geist aus – ein wenig verblendet –, was den Auftrag und die wichtige Leistung betrifft, die die Jugendoffiziere bei der politischen Grundbildung junger Menschen in den Schulen erbringen; denn diese Jugendoffiziere, die ausgesperrt werden sollen, haben eben nicht den Auftrag, die Werbetrommel für einen unreflektierten Eintritt in die Bundeswehr zu rühren.

Nein, Jugendoffiziere sind Referenten für Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Der Besuch von Jugendoffizieren in Schulen kann zusätzlich zur Unterrichtsbehandlung einen wichtigen Beitrag leisten. Schülerinnen und Schüler sollen dazu befähigt werden, sich kritisch mit Fragen internationaler Verständigung und Zusammenarbeit sowie mit den unterschiedlichen Strategien von Friedenserhalt auseinanderzusetzen. Informieren, nicht rekrutieren – das ist der Auftrag von Jugendoffizieren.

Viele Schulen und Lehrer schätzen genau diesen offenen Diskurs, dieses lebendige Pro und Kontra mit

den Jugendoffizieren im Unterricht. Sie akzeptieren Akteure der politischen Bildung, oder sie sind Akteure der politischen Bildung und arbeiten mit den verschiedensten Trägern der politischen Bildung in Deutschland, auch in NRW, zusammen.

Dabei sind die Jugendoffiziere an den Beutelsbacher Konsens gebunden. Das heißt – das gilt auch für alle Lehrkräfte –, dass in den Schulen ein sogenanntes Kontroversitätsgebot und ein Überwältigungsverbot zugrunde gelegt werden.

Keiner kann also versuchen, die Schüler in der Meinungsbildung zu beeinflussen; sie sollen vielmehr dazu ermächtigt werden, sich eine eigene Meinung zu bilden. Es geht bei Gesprächen mit den Schülern nicht darum, ein geschöntes Bild von der Bundeswehr zu zeichnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe seit vielen Jahren den Eindruck, dass wir uns emotional immer ein Stück mehr von der Bundeswehr entfernen.

(Beifall von der CDU)

Fragen Sie sich selbst einmal: Wo findet Bundeswehr in der Gesellschaft überhaupt noch statt? Ja, beim Hochwassereinsatz und beim Schnee- und Sturmchaos – das hatten wir Anfang dieses Jahres auch – wird sie gebraucht, ob als SandsackträgerNotreserve, wenn die Deiche wackeln, oder beim Katastrophenalarm. Dann heißt es: Her mit der Truppe. Kriseneinsatz, Aufräumarbeit – die Truppe ist dann zur Stelle. Auch in NRW haben wir Erfahrung mit positiver Unterstützungsleistung.

Wenn aber alles vorbei ist, das Wasser abgelaufen

(Zuruf von der SPD: Haben wir vergessen!)

hören Sie zu, wenn Sie es vergessen haben –

und mit schwerem Gerät die Straße vom letzten Baumstamm frei gemacht worden ist, vergessen wir schnell, dass es die Bundeswehr noch gibt.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Wer hat denn die Wehrpflicht ausgesetzt? – Wei- tere Zurufe von der SPD)

„Ein freundliches Desinteresse“ hat der Bundespräsident seinen Bürgern mal ins Fahrtenbuch geschrieben. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns nicht diesem Geist der Ausgrenzung hingeben; denn die Bundeswehr ist fester Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ihre Redezeit.