Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

Das ist auch keine Frage nur von Muslimen, sondern das ist eine Aufgabe für uns alle. Das ist ganz wichtig. Wir brauchen dort neue Ansätze. Darauf müssen wir uns jetzt konzentrieren, auf diesen Aspekt genauso wie auf die eben erwähnten Aspekte.

Lassen Sie uns den Islam-Dialog auf neue Beine stellen. Lassen Sie uns schauen, dass wir mit allen Muslimen ins Gespräch kommen und im nächsten Schritt auch den interreligiösen Dialog voranbringen. Wir wollen weiter dafür kämpfen, dass NRW ein vielfältiges und friedliches Land bleibt. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Aymaz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wir alle, ausgenommen der Block ganz rechts außen, sind uns einig: Muslimisches Leben gehört zu Deutschland und auch zu NRW. Damit diese Aussage nicht zu leeren Worthülsen verkommt, ist es wichtig, den Austausch mit den Musliminnen und Muslimen zu verstetigen bzw. darauf zu achten, dass dieser Austausch auch verstetigt bleibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Insbesondere mit Blick auf die erschreckenden islamfeindlichen und rassistischen Angriffe in Deutschland ist es notwendig, unter anderem durch den gemeinsamen Dialog mit Muslimen ein klares Zeichen für die Pluralität in unserem Land zu setzen. Gut ist auch, dass mit der Einrichtung einer Koordinierungsstelle die Vielfalt des muslimischen Lebens erkannt wird und die vier muslimischen Dachverbände bei Weitem nicht alleine das breite Spektrum von Musliminnen und Muslimen repräsentieren.

Wir werden dem vorliegenden Antrag dennoch nicht zustimmen, sondern uns enthalten. Ich sage Ihnen auch gerne, warum. In der ausführlichen Aussprache im zuständigen Ausschuss konnten ganz zentrale Fragen für uns nicht geklärt werden. Sie, Herr Minister Stamp, lassen den Medien gegenüber stolz verlautbaren, dass mit der Einrichtung der Koordinierungsstelle in NRW bundesweit ein einmaliges Modell geschaffen worden sei und dass neben den religiösen Zusammenschlüssen nun auch Verbände und Vereine, die sich nicht in erster Linie religiös ausrichten, in das Dialogformat eingebunden würden.

Berufsverbände, Kunstvereine, Frauen und muslimische Pfandfindergruppen werden hier aufgezählt; sie sollen hinzukommen. Nach welchen nachvollziehbaren Kriterien diese ausgesucht werden, bleibt völlig im Unklaren. Ebenso wenig konnte die Frage beantwortet werden, nach welchen Kriterien der vorgesehene Expertenrat, der immerhin die Landesregierung zum Umgang mit alltäglichen Fragen des muslimischen Lebens beraten soll, und der sogar spontan auch mal Stellungnahmen für die Landesregierung erstellen soll, überhaupt zusammengesetzt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist eine sehr wichtige Stelle – bei der man jedoch absolut nicht weiß, wer darüber bestimmt, wer hineinberufen wird.

Außerdem setzt sich die Koordinierungsstelle zum Ziel – so heißt es in Ihrem Bericht –, innermuslimische Prozesse zu stärken. Ich muss gestehen, auch

ich wünschte mir in vielen Themenbereichen progressive innermuslimische Prozesse,

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

wenn es beispielsweise um Geschlechtergerechtigkeit geht oder wenn es darum geht, wie muslimische Gemeinschaften mit Schwulen, Lesben und Transgender umgehen.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das gilt auch für die Frage, ob Mädchen im Kindesalter ein Kopftuch tragen sollten oder nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da wünsche ich mir progressive und ganz klare Prozesse innerhalb der Gemeinschaft.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, genauso wie Religionsgemeinschaften die staatliche Sphäre zu achten haben, gilt nach unserem Neutralitätsgebot, dass der Staat eben nicht innerreligiöse Prozesse zu steuern hat.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Diese formulierte Zielsetzung ist eine klare Überschreitung des Neutralitätsgebots, das in unserer Verfassung – wir feiern gerade 70 Jahre Grundgesetz – ganz klar verankert ist. Zu dieser Frage hat sich die Staatssekretärin Güler schon mehrmals unglücklich geäußert.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

All diese Fragen habe ich in der Aussprache im Ausschuss auch dem zuständigen Ansprechpartner Herrn El-Mafaalani gestellt, aber keine befriedigenden Antworten erhalten. In diesem Zusammenhang finde ich es übrigens sehr schade, dass der von mir sehr geschätzte Ansprechpartner schon nach knapp einem Jahr Ihr Haus wieder verlässt und uns in diesen Fragen wohl nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Ich wünsche ihm von dieser Stelle aus bei seinen neuen Aufgaben viel Erfolg.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Minister, erlauben Sie mir zum Abschluss eine Frage, die mich wirklich sehr beschäftigt, und, wie ich glaube, viele andere auch. Vor Ihrem Amtsantritt im Jahr 2017sagten Sie: Wir werden mit DITIB so nicht mehr weitermachen. Wir werden den Dialog und die Zusammenarbeit nur mit solchen Verbänden suchen, die tatsächlich die Interessen der Muslime vertreten. – Sie sagten, mit dieser Kaste von Funktionären sei keine vernünftige Integrationspolitik zu machen. Ich finde, damals hatten Sie recht.

Ich frage Sie, Herr Minister Stamp: Was hat sich seit Ihrem Amtsantritt plötzlich so grundlegend verändert, dass Sie gar kein Problem mehr damit haben,...

Die Redezeit!

... mit einem Verband an einem Tisch zu sitzen und zu kooperieren, der in den letzten Monaten immer wieder, auch in NRW, unter Beweis gestellt hat, fern von demokratischen und freiheitlichen Prinzipien und gänzlich nur im politischen Interesse des Autokraten Erdogan zu handeln?

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Dass Sie diese Verbände jetzt wieder salonfähig machen, wird auch nicht dadurch besser, dass Sie die Pfadfinder mit hinzunehmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Aymaz. – Für die AfD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Walger-Demolsky jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Obwohl ich mich selbst als Agnostiker bezeichnen möchte, habe ich eine hohe Achtung vor all den Menschen, die sich zu einem Glauben bekennen. Richtig – Dialog ist eine Grundlage für gegenseitiges Verstehen, also auch für die Toleranz und die Freiheit, zu der sich unser Grundgesetz in Art. 4 ausdrücklich bekennt.

Mit der Religionsfreiheit sind zwei Formen der Freiheit gewährleistet: die positive und auch die negative Freiheit; also auch die Freiheit, einen religiösen Glauben nicht zu haben, ein religiöses Bekenntnis nicht abgeben zu müssen, religiöse Riten und Äußerungsformen nicht zu vollziehen und an ihnen nicht teilnehmen zu müssen.

Hier liegt schon der erste große Fehler in Ihrem Antrag. In der Betrachtung der Ausgangslage übergeht man ganz einfach die vermutlich 40 % der Menschen in NRW, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, und folglich findet sich im Folgenden keine Einladung an diese große Gruppe, die aber Teil eines sinnvollen Dialogs sein müsste, wenn es um gegenseitige Akzeptanz und gegenseitiges Verständnis gehen soll.

(Beifall von der AfD)

Es geht um präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus, Islam und Christenfeindlichkeit. Eine wachsende Verachtung der Menschen, die keiner Religion folgen, wird gar nicht thematisiert, und das, obwohl in den letzten Jahren deutlich erkennbar war, dass dies in manchen Religionen tief verwurzelt ist.

Da wir – aus meiner Sicht bedauerlicherweise – immer noch keine wirklich säkulare Gesellschaft sind,

ist es richtig, den Dialog seitens der Landesregierung neu zu ordnen. Eine geeignete Dialogplattform ist dabei durchaus wünschenswert. Diese seitens der Landesregierung anzustoßen, ist aufgrund der vielen Akteure, die daran teilnehmen sollen, auch erforderlich.

Es ist der richtige Weg, den Fehler der alten Regierung, nur mit wenigen zu sprechen, zu korrigieren. Leider machen aber auch Sie den Fehler, den Dialog vor allem auf die größte Minderheit auszurichten, anstatt einen Dialog mit allen Mitspielern abseits der Extremisten und Staatsgegner zu suchen.

(Beifall von der AfD)

Damit sind wir beim nächsten Problem dieses Formats. Erkennbar ist eben nicht der konsequente Ausschluss von Gruppierungen, die durchaus als extremistisch einzuordnen sind. Und dabei wäre es doch einfach, einen Blick in den Verfassungsbericht zu werfen und die beobachteten und als staatsfeindlich eingestuften Gruppen per se auszuschließen. Treffen würde das die Grauen Wölfe, die Muslimbruderschaft, Milli Görüs und andere – also auch Gruppierungen, die zum Teil im Zentralrat der Muslime organisiert sind.

Solange das der Fall ist, kann doch der Zentralrat, der in Ihrem Antrag aber als gesetzt gilt, kein geeigneter Gesprächspartner sein. Ist das fehlender Mut, einer großen Organisation, die auch in den Medien schnell Gehör findet, deutlich zu machen, was geht und was nicht geht? Eine größere Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium und dem Integrationsministerium wäre da – wie an allen Stellen – wünschenswert.

Zur DITIB wurde vieles gesagt. Ich bin nicht ganz sicher, ob es richtig ist, jede einzelne DITIB-Gemeinde vom Dialog auszuschließen. Richtig finde ich jedoch, die DITIB nicht als Organisation zuzulassen.

Ich hatte bei der Vorstellung übrigens den Eindruck – und dieser hat sich bei der Lektüre des Protokolls noch einmal bestätigt –, dass Herrn Professor ElMafaalani ein Teil dieser möglichen Defizite des Formats durchaus bewusst war und das Ganze aus diesem Grund auch relativ offen angelegt worden ist. Da eine der größten Gruppen, nämlich diejenigen, die sich zu keiner Religion bekennen, keine Repräsentanz bei diesem Dialog findet, wohingegen diejenigen, die als staatsfeindlich und extremistisch einzustufen sind, nicht konsequent ausgeschlossen werden, ist eine Zustimmung unsererseits unmöglich.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Frau Walger-Demolsky. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Dr. Stamp.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist ein Land der religiösen Vielfalt und das Bundesland, in dem die meisten Menschen muslimischen Glaubens leben. Es ist daher für Nordrhein-Westfalen von besonderem gesamtgesellschaftlichem Interesse, den Dialog mit den muslimischen Bürgerinnen und Bürgern zu stärken, neu zu entwickeln und auch weiterzuentwickeln.

Wir als Nordrhein-Westfalen-Koalition haben deshalb vereinbart, dieses Themenfeld neu auszurichten. Daran arbeiten wir intensiv. Der vorliegende Antrag wurde bereits im Integrationsausschuss und im Hauptausschuss ausführlich beraten, auch auf der Grundlage eines umfangreichen Berichts zu den Planungen des Integrationsressorts im Zusammenhang mit der Koordinierungsstelle Muslimisches Engagement in Nordrhein-Westfalen.

Um Ihnen eine Sorgen zu nehmen und vielleicht doch noch Ihre Zustimmung möglich zu machen, darf ich Ihnen – darüber freuen Sie sich sicherlich mit mir – die gute Nachricht überbringen, dass Professor ElMafaalani trotz seines Rufes an die Uni Osnabrück weiterhin die Koordinierungsstelle leiten wird. Er ist im Organigramm des Ministeriums sogar ein bisschen nach oben gerutscht; er ist jetzt nämlich unmittelbar beim Minister angesiedelt.