Wir sind – lassen Sie mich das noch einmal betonen – auf der Reise, auf einem langen und beschwerlichen Weg. Ein Industrie- und Wirtschaftsland wie Nordrhein-Westfalen umzubauen und bis zur Mitte dieses Jahrhunderts treibhausgasneutral zu machen, ohne dabei Wohlstand, Arbeitsplätze und die Annehmlichkeiten unseres modernen Lebens zu verlieren, ist nicht ganz so einfach, wie mancher es gerne glauben möchte. Es geht hier um mehr, als irgendwo ein Kraftwerk abzuschalten und ein paar neue Windräder oder Photovoltaikanlagen aufzustellen.
Aber – und auch das ist für uns ganz klar – wir machen uns auf diesen Weg. Wir sind auf diesem Weg, wir wollen Nordrhein-Westfalen zum innovativsten und klimafreundlichsten Industrie- und Wirtschaftsstandort der Welt machen.
Wir gehen diesen Weg, weil wir der Welt zeigen müssen, dass dies möglich ist; denn nur, wenn es hier in Nordrhein-Westfalen oder in anderen Industrieregionen gelingt, dann werden uns auch andere Regionen, Länder und Kontinente auf dem Weg folgen. Deswegen ist die Energieversorgungsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen eine wichtige Richtschnur, eine gut eine gut lesbare Karte auf unserem Weg.
Nordrhein-Westfalen geht beim Kohleausstieg voran, und wir werden bei der CO2-Einsparung bei den gesamtdeutschen Zielen ein großes Paket zu tragen haben. Bis 2022, also schon in wenigen Jahren, wird ein Drittel der gesicherten Leistungen abgeschaltet werden, ein Großteil davon in Nordrhein-Westfalen. Wir machen uns also auf den Weg.
Bis zum Jahr 2030 werden 26 Gigawatt Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Das ist eine große Herausforderung, und unsere Wirtschaft und die Industrie sind darauf angewiesen, dass wir dennoch zu jeder Zeit verlässlich ausreichend Strom in der nötigen Spannungsfrequenz zur Verfügung haben.
Daher brauchen wir den Stresstest für Versorgungssicherheit, der laut Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ vorgesehen ist, und er soll von der Bundesregierung zügig, und zwar schon 2020, entwickelt werden. Wir stellen uns ausdrücklich hinter diese Forderung in der Energieversorgungsstrategie.
Es auch wichtig, dass wir einen entsprechenden Investitionsrahmen bekommen; denn wir müssen für die Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke, die vom Netz gehen, gesicherte Leistungen zur Verfügung stellen, damit schon bald damit begonnen wird, Ersatzkraftwerke, Speicher und Flexibilitätsoptionen anzureizen.
Was hilft es uns, wenn wir Aluminium, Stahl, Zement, Papier und andere Erzeugnisse nicht mehr hier in Nordrhein-Westfalen produzieren? Wir brauchen nicht nur die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung, sondern auch diese Produkte für den Wohnungsbau, für das Windrad, für die Wasserflasche oder für die Tageszeitung. Daher ist für die Wirtschaft, für die Industrie, aber auch für jeden einzelnen von uns, der sein Handy aufladen möchte, der seinen Fernseher anschalten möchte, der den Kühlschrank laufen lässt, Versorgungssicherheit zu jedem Zeitpunkt extrem wichtig.
Wir möchten, dass Energieversorgungssicherheit auch in einem System, das immer mehr auf erneuerbaren Energien basiert, eine absolute Grundvoraussetzung für die Menschen in diesem Land ist, und Sie können sich sicher sein, dass wir diese Versorgung auch garantieren.
Wir gehen nun weg von Atom, Kohle und Mineralöl, und wir gehen hin zu Wind, Sonne, Biomasse, Wasser, Geothermie und Co. Im ersten Halbjahr 2019 haben erneuerbare Energien in Deutschland bereits erstaunliche 44 % der Stromversorgung zur Verfügung gestellt. Das ist ein Erfolg, auf dem wir aufbauen müssen.
In Nordrhein-Westfalen – das haben wir gerade gehört – strebt die Landesregierung ein starkes Wachstum von erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 an, und hierin unterstützen wir sie auch ganz ausdrücklich. Vor allem: Was bei den Photovoltaikanlagen in den letzten Jahren passiert ist, ist noch viel zu wenig. Da muss man sich überlegen, ob die Vorgängerregierung hier in ausreichendem Maße tätig war.
Das LANUV hat ermittelt, dass auf den Dächern in Nordrhein-Westfalen 68 Terawattstunden Strom aus Photovoltaik erzeugt werden könnten, und aktuell nutzen wir dieses Potenzial zu gerade mal 6 %. Wir müssen unbedingt besser werden, und ich möchte jeden, ob Privatperson oder Unternehmer, aufrufen: Bitte schauen Sie ins Internet, ins Solarkataster NRW, schauen Sie, ob Ihr Dach geeignet ist für Photovoltaik! In den meisten Fällen kann man den Ertrag gleich ausrechnen. Das ist wirtschaftlich, die Akzeptanz ist da, und es ist ein wichtiger Schritt für die Energiewende.
Bei der Nutzung von oberflächennaher Geothermie haben wir in Nordrhein-Westfalen ein Potenzial von 154 Terawattstunden im Jahr. Das entspricht bilanziell mehr als der Hälfte des jährlich anfallenden gebäudebezogenen Wärmebedarfs, und genutzt wird hiervon bisher 1 %. Da muss die Frage erlaubt sein, warum Rot-Grün in den letzten Jahren eigentlich so wenig getan hat, um dieses Potenzial zu nutzen.
Ich bin deswegen froh, dass wir mit der Energieversorgungsstrategie mutig in die Zukunft gehen und das Potenzial „Erneuerbare Wärme“ nutzen wollen. Auch dafür ist die Energieversorgungsstrategie ein sehr guter Aufschlag.
Energie muss aber nicht nur zuverlässig und zunehmend sauber verfügbar sein, sondern auch bezahlbar für Verbraucher, Mittelstand, Industrie und Verkehr. Ich bin nächste Woche bei einer Veranstaltung an der Universität Düsseldorf zum Thema „Energiearmut“. Da beschäftigen sich Verbraucher und Forscher einen ganzen Tag damit, wie wir mit dem Phänomen umgehen, dass einige Verbraucher mehr und mehr Schwierigkeiten haben, Strom, Heizung und Kosten für Mobilität zu bezahlen.
Wir haben mittlerweile einen der höchsten Strompreise in Europa. Gerade private Haushalte und der Mittelstand müssen die höchste Last schultern.
Eine Energiepolitik, die auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird, weil sie möglichst hohe Preise für Benzin, Diesel, Heizöl und Strom fordert, damit die Menschen weniger verbrauchen, weil sie sich den Verbrauch gar nicht mehr leisten können, halten wir für falsch.
Wir sind deswegen froh, dass sich die Landesregierung der Forderung der Fraktionen von CDU und FDP von April dieses Jahres anschließt, die Bundesregierung zu einer Senkung der Stromsteuer aufzufordern, möglichst auf den europäisch festgelegten Mindestsatz.
Wir sind ebenfalls froh, dass unser Ansatz aufgegriffen wurde, eine anteilige Finanzierung der EEGUmlage aus dem Bundeshaushalt zu erreichen und eventuell auch weitere Strompreisbestandteile.
Um es klar zu sagen: Strom, der in Deutschland immer mehr aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, muss billiger und darf nicht teurer werden, weil es sozial gerecht ist, weil es die Wirtschaft entlastet, weil es Elektromobilität, Wasserstofflösung und Speicher anreizt. Deswegen sind diese Vorschläge genau der richtige Weg.
(Marc Herter [SPD]: Das ist Sozialgerechtig- keit! Ja, sicher! Sie wissen doch, wie das Steu- eraufkommen aussieht! Stellen Sie sich doch nicht so dumm!)
Ich möchte einen Punkt aus der Energieversorgungsstrategie herausgreifen, den ich für besonders gelungen und fortschrittlich halte. Das ist der Aufbau einer nachhaltigen Versorgungsstruktur mit Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen.
und vor kurzer Zeit mit einem Wasserstoffauto bis zum Landtag fahren. Wir müssen von Folgendem ausgehen:
Importe von Energieträgern angewiesen sein. Anders wird unsere Energienachfrage nicht gedeckt werden können.
Wasserstoff kann dabei ein ganz wichtiger Langfristspeicher sein, egal ob für die Sektoren Verkehr, Industrie oder Heizen. Dass die Landesregierung nur eine „H2-Roadmap NRW“ und damit einen langfristigen ganzheitlichen und konsequenten Wasserstoffpfad entwickeln will, mit den Unternehmen Chancen erhalten und Investitionen in Produktentwicklung und Infrastruktur möglich werden, halten wir für eine sehr gute und zukunftsweisende Idee, bei der die Landesregierung unsere volle Unterstützung hat.
Aber ich merke, dass es Ihnen gerade nicht möglich ist, meinen Ausführungen weiter zu folgen. Sie können gleich noch mal hier ans Rednerpult gehen und darüber diskutieren.
Die Energieversorgungsstrategie sieht auch vor, dass die Sektoren Wärme und Mobilität eine wirksame CO2-Bepreisung erhalten. Wir haben das vor einigen Wochen schon in diesem Haus diskutiert. Wir haben auch morgen wieder eine Debatte dazu. Ich möchte dem nicht vorgreifen, aber vielleicht eine Anmerkung dazu machen.
Ich halte es für klug, in dieser Frage einen Konsens zwischen den Parteien zu suchen, die guten Willens sind, so wie es nun die Bundesvorsitzende der CDU, Frau Annegret Kramp-Karrenbauer, vorgeschlagen hat. Ein Kompromiss wird sowieso zwischen CDU und SPD auf Bundesebene erfolgen müssen, und ich fände es gut, wenn wir einen breiten gesellschaftlichen Konsens hinbekämen, und zwar auch mit den Liberalen und den Grünen.
In diesem neuen System wird es nicht gelingen, bei einer wie auch immer gelagerten CO2-Bepreisung alle Bürgerinnen und Bürger unter dem Strich als Gewinner dastehen zu lassen. Diese Ehrlichkeit gehört zur Debatte dazu, und ich lade ganz herzlich zum Dialog und zum Konsens ein.