Vor diesem Hintergrund eines Politikverständnisses der Kunst des Notwendigen und Machbaren begrüßen wir grundsätzlich das im Klimaschutzprogramm 2030 zum Ausdruck gekommene Engagement der Bundesregierung für den Klimaschutz, sehen aber in den einzelnen Maßnahmen – es sind ja sehr viele – doch Unterschiede und auch Kritikpunkte. Das kommt, wie ich finde, in dem Antrag von CDU und FDP ganz hervorragend zum Ausdruck.
Die überwiegende Zahl der Maßnahmen bedarf zunächst der weiteren Konkretisierung und insbesondere einer Wirkungsabschätzung, weil sie letztlich in unterschiedliche Richtungen auf das Klima wirken.
Die Bundesregierung hat mit dem Klimapaket die notwendigen Schritte eingeleitet, um das eigene Klimaschutzziel bis zum Jahre 2030, nämlich eine Verminderung der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 55 %, zu erreichen und gleichzeitig – das muss man vor allen Dingen der AfD-Fraktion in Erinnerung rufen – das im Rahmen der EU-Lastenteilung für 2030 vereinbarte nationale Treibhausgasminderungsziel für die derzeit eben noch nicht vom europäischen Emissionshandel erfassten Sektoren – im Wesentlichen sind das Gebäude und Verkehr – zu erreichen.
In diesem sogenannten Non-ETS-Bereich ist jeder EU-Staat gefordert, einen Beitrag zu leisten. Von einem nationalen Alleingang zur Minderung von Treibhausgasemissionen, wie es im Antrag der AfD behauptet wird, kann also keine Rede sein.
Für Deutschland – wir sind eingebettet in internationale Vertragswerke – liegt dieser Beitrag bei minus 38 % bis 2030, und zwar gegenüber 2005. Derzeit droht Deutschland, wenn wir nichts weiter unterneh
men würden, gerade bezogen auf diese beiden Bereiche, eine Strafzahlung in Milliardenhöhe. Das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen.
Die Frage ist: Wollen wir für das Nichterreichen von Zielen Strafen zahlen, oder wollen wir das Geld investieren, um einerseits dem Klimaschutzziel zu dienen und andererseits unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Industrie in das neue Zeitalter mitzunehmen, also vorauszugehen und die Vorteile dieser Klimaschutzmaßnahmen für unser Land nutzbar zu machen? Das steht hier zur Beratung und zur Abstimmung.
Mit Ihrer Haltung schaden Sie dem Standort Nordrhein-Westfalen und auch den Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen.
Laut Beschluss des Klimakabinetts soll als zentrale sektorübergreifende Maßnahme für die Sektoren Verkehr und Wärme ein nationales Emissionshandelssystem eingeführt werden. Die Landesregierung begrüßt, dass die grundsätzliche Entscheidung zugunsten eines langfristig mengengesteuerten Emissionshandelssystems für die Bereiche Gebäude und Verkehr getroffen wurde.
Aber wir kritisieren, dass der Einstieg in die Mengensteuerung jetzt nicht unmittelbar erfolgt – das hätte man natürlich sofort machen können –, sondern bis 2025 ein Festpreissystem vorgeschaltet ist. Das war sicherlich der Kompromiss, der zu finden war. Hier hätten wir uns den direkten Einstieg in ein zielführendes mengengesteuertes System gewünscht.
Frau Düker hat gefragt: Was tun Sie denn? Sie kritisieren nur, was machen Sie sonst? – Ja, wir sind tätig geworden. Wir haben uns schon im Laufe des Frühjahrs als erstes Bundesland in diese Debatte eingebracht. Da hatte der Sachverständigenrat im Auftrag der Bundesregierung sein Gutachten noch gar nicht vorgelegt. Wir haben uns mit den Sachverständigen ausgetauscht. Wir haben das Know-how, das im Land verfügbar ist, nutzbar gemacht und haben einen eigenen Antrag in den Bundesrat eingebracht, der vorsieht, dass wir die Mengensteuerung direkt einführen.
Wir haben in dem Antrag aus Nordrhein-Westfalen gleichzeitig gesagt, wie wir die Bürgerinnen und Bürger und vor allen Dingen die Industrie im Gegenzug entlasten wollen, und zwar auf eine sehr konkrete und unbürokratische Weise. Das kommt in dem Antrag von CDU und FDP zum Ausdruck.
Wir freuen uns, dass die Bundesregierung die Mengensteuerung ansteuert. Aber sie könnte es jetzt schon tun. Sie könnte damit noch wirksamer sein.
Unser Vorschlag liegt zur Abstimmung im Bundesrat. Da können Ihre Länder gerne zustimmen, meine Damen und Herren.
Wir hatten vor Kurzem im Ausschuss für Europa und Internationales eine Anhörung zur CO2-Bepreisung. Dort sind bezogen auf die von Ihnen im Bundesrat beantragte Maßnahme und auch in Bezug auf das, was die Bundesregierung vorhat, drei kritische Anmerkungen gemacht worden. Dazu würde ich Sie gerne nach Ihrer Beurteilung fragen.
Herr Remmel, das ist ein bisschen zu ausführlich. Sie müssen das in eine Frage kleiden. Es wird zu lang, wenn Sie noch die drei Punkte referieren.
Meine Frage bezieht sich auf die drei Kritikpunkte. Die muss ich nennen dürfen, weil ich sonst nicht fragen kann, Herr Präsident, mit Verlaub.
Der erste Kritikpunkt bezog sich darauf, dass es sich um ein europäisches Unikat handelt, dass es nirgendwo sonst in Europa einen nationalen Zertifikatehandel gibt. Der zweite Punkt ist, dass das gegenüber dem jetzigen Emissionshandel eine Vervierfachung der betroffenen Unternehmen bedeutet; es müssen also mindestens 10.000 Unternehmen Zertifikate bekommen. Der entscheidende Punkt ist, dass es offensichtlich einer Änderung des Grundgesetzes bedarf, weil es sich um eine neue Steuer handelt. Wie beurteilen Sie diese Kritikpunkte?
Ganz herzlichen Dank für die Frage, Herr Remmel. Wir hören in politischen Diskussionen immer wieder Einwände
von Gutachtern. Jeder hat hier seine Sichtweise. Wenn man nicht weiterkommt, dann macht man schon mal grundgesetzliche Bedenken geltend. Es kann vielfältige Meinungen geben, bis dann an entscheidender Stelle vielleicht verhandelt wird.
Ich will zu dem ersten Punkt Stellung nehmen. Wir haben gesagt, wir können national starten. Das ist in Europa durchaus möglich. Wir wollen in einer Koalition der Willigen andere in der Nachbarschaft dafür gewinnen, die sich einem solchen Handelssystem anschließen könnten und die in ihren Ländern überlegen, das selbst zu tun. Insofern sehe ich die europäische Anschlussfähigkeit gewährleistet.
Wenn Sie es mit einer Zahl von 10.000 Betrieben zu tun haben – seien es diese 10.000 –, dann sind die Handelsplätze, die wir dafür haben, zum Beispiel die Strombörse in Leipzig, die EEX, die heute schon den ETS-Handel mitorganisiert, absolut in der Lage, so etwas technisch zu organisieren. Das hat auch der Sachverständigenrat festgestellt. Nach meinem Kenntnisstand halte ich diese Einwände für absolut ausräumbar.
Ich halte das für weniger kompliziert als all das, was zum Teil von Ihrer Seite und bedauerlicherweise auch von der SPD vorgeschlagen worden ist. Sie sagen, man sollte auf der einen Seite CO2-Preise erheben. Auf der anderen Seite sollte man das dann aber im Sinne eines Gutscheins wieder an die Bürger auszahlen. Dann haben Sie es nicht mit 10.000 Beteiligten, sondern mit Millionen von Beteiligten zu tun. Dafür können Sie eigene Behörden aufbauen. Wir haben ein viel schlankeres System vorgeschlagen als das, was von Ihrer Seite kam.
Lassen Sie mich fortfahren. Ich komme zum Sektor „Gebäude“. Das ist für uns ein sehr wichtiges Thema und wird durch eine Vielzahl von Maßnahmen angesprochen, was wir sehr begrüßen. Hier soll die Förderung zunächst angehoben werden. Das wird sich auch für die Hausbesitzer in Nordrhein-Westfalen als positiv erweisen.
Die Landesregierung befürwortet dabei die Beibehaltung der bestehenden Gesetzesanforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden als einen Beitrag zu bezahlbarem Wohnen und Bauen; denn sie schützen die Bauherrinnen und Bauherren vor weiter steigenden Baukosten, die Mieterinnen und Mieter vor zu stark steigenden Mieten und schaffen zudem Planungssicherheit für Investoren und die am Bau beteiligten Unternehmen. Das ist gerade jetzt in einer Phase, in der Wohnraum dringend benötigt wird, von großer Wichtigkeit.
Anstelle einer weiteren Diskussion über Effizienzniveaus ist vielmehr endlich die zügige Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes notwendig. Da
mit ist die Zusammenführung der Energieeinsparverordnung und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes zu einem einheitlichen Regelwerk verbunden. Dies wird die Anwendung und den Vollzug erleichtern und im Rahmen von Quartierslösungen, wie wir sie für Nordrhein-Westfalen anstreben, neue Impulse zur Sektorkoppelung und zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung setzen und damit zum Gelingen der Energiewende insgesamt beitragen.
Im Sektor „Verkehr“ werden die im Programm vorgesehenen Maßnahmen dazu beitragen, alternative klimafreundliche Antriebe und Mobilität zu unterstützen. Die Bundesregierung folgt hier dem guten Beispiel Nordrhein-Westfalens mit dem Ausbau der nicht öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur seit dem Jahr 2017. Zusammen mit dem nationalen Emissionshandel zielen sie auf eine Verminderung des Einsatzes klimaschädlicher fossiler Kraftstoffe ab und fördern emissionsarme Mobilität.
Allerdings sind unserer Meinung nach weitere Schritte hin zu einem konsistenten Ordnungsrahmen erforderlich. Es muss genau analysiert werden, ob die Maßnahmen greifen und wo gegebenenfalls nachgesteuert werden muss.
Für die Automobilwirtschaft liegen im begonnenen Transformationsprozess sicherlich Herausforderungen, aber auch Chancen. Auch hier gilt: Es ist wichtig, dass wir gerade am Standort Nordrhein-Westfalen diese Chancen frühestmöglich aufgreifen.
Für uns als bedeutenden Industriestandort ist besonders wichtig, dass auch die Bundesregierung Klimaschutz als starken Innovationstreiber in der Industrie fördert. Maßnahmen wie die im Klimapaket angelegten Förderprogramme explizit für die energieintensive Industrie steuern deshalb in die richtige Richtung und stoßen bei uns auf fruchtbaren Boden. Schließlich sind wir schon in Sachen treibhausgasneutrale Industrie insbesondere mit unserer Initiative IN4climate.NRW sehr intensiv unterwegs.
Lassen Sie mich noch etwas zum Ausbau der Erneuerbaren sagen: Die Landesregierung hält es für unerlässlich, dass der weitere Ausbau insbesondere der Windenergie an Land stärker akzeptanzgesichert erfolgt, zumal wir ein deutschlandweites Akzeptanzproblem haben. Das wird jetzt von der Bundesregierung im Klimaprogramm offensichtlich gewürdigt.
Hierzu haben wir bereits zahlreiche Maßnahmen umgesetzt und weitere eingeleitet. Deshalb begrüßen wir es grundsätzlich, dass die Bundesregierung in ihrem Klimaschutzprogramm mit verschiedenen Maßnahmen die Akzeptanz für den Ausbau der erneuerbaren Energien erhöhen will.
Dazu gehört unter anderem die Anhebung des Ziels der Offshorewindenergie. Dafür haben wir uns sehr stark eingesetzt; ich habe es hier im Rahmen der
Wir begrüßen sehr die von uns auch geforderte Aufhebung des 52-Gigawatt-Deckels bei der Photovoltaik.
Wir erwarten, dass der vorgeschlagene Mindestabstand, der jetzt weiter auszufüllen ist, ein Schritt in die richtige Richtung darstellt, um zu mehr Planungssicherheit in den Ländern und Kommunen zu kommen.