Protokoll der Sitzung vom 14.09.2017

(Zuruf von der CDU: Sie ist schikaniert wor- den!)

Ja, die Ministerin ist eine von Ihnen. Aber genau das ist doch das Problem, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf: Bravo! – Zurufe von der CDU)

Auch diese Ministerin kann ihr Amt …

(Weitere Zurufe und Widerspruch von der CDU – Zuruf von der CDU: Nur Gewerk- schaftsbonzen! – Zurufe von der SPD: Hey! – Marc Herter [SPD]: Danke! – Zuruf von der SPD: Wo kriegen Sie denn Ihre Spenden her?)

Auch diese Ministerin kann ihr Amt nicht unbefangen ausüben. Auch in diesem Fall muss sich der Ministerpräsident die Frage gefallen lassen – ich zitiere die „Süddeutsche Zeitung“ –, „ob es klug ist, jemanden mit einem Ressort zu betrauen, in dem er oder sie zwangsläufig auf eigene Betriebsinteressen stößt“.

Die Ministerin ist angetreten, landwirtschaftliche Betriebe wie ihren eigenen gegen einen modernen Umwelt- und Verbraucherschutz zu verteidigen. Das ist ihre politische Mission – früher als Landwirtin, heute als Landwirtschaftsministerin. Das ist nicht nur ihre Überzeugung, das ist auch ihr Auftrag. Deshalb hat Herr Laschet Frau Schulze Föcking auch berufen.

Doch die Zeiten sind vorbei, in denen es noch akzeptabel war, Landwirtschaftsministerien als reine Lobbyministerien zu führen. Die Zeiten sind vorbei, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Unglaub- lich!)

Das geht nicht mehr, das wissen Sie doch selbst. Es geht auch nicht, dass ein Ministerium über Wochen damit beschäftigt ist, die Situation im Betrieb seiner Ministerin zu analysieren, zu rechtfertigen.

Doch dazu wird es immer wieder kommen. Diese ungesunde Verschränkung von Amt und Privatem ist in der Berufung der Ministerin schon angelegt. Der Ministerpräsident hätte doch Frau Schulze Föcking zur Wirtschafts-, Wissenschafts-, Finanzministerin, von mir aus auch zur Medienministerin ernennen können. Aber als Umwelt- und Landwirtschaftsministerin ist sie die falsche Person zur falschen Zeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Nach 78 Tagen Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen ist das erste Zwischenfazit ernüchternd. Schwarz-Gelb ist schon jetzt eine Koalition, die sich allzu oft durch Doppelmoral und einen Mangel an Wahrhaftigkeit auszeichnet – einen Mangel an Wahrhaftigkeit, meine Damen und Herren. Schwarz-Gelb ist eine Koalition der gebrochenen Wahlversprechen. Vor allem aber ist Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen das, was ein solches Bündnis schon immer und überall war: eine profane neoliberale Mitte-rechtsRegierung,

(Beifall von der SPD – Zurufe und Lachen von der CDU)

die Arbeitnehmerrechte, Mieterschutz, Umweltschutz als Zielscheiben für ihre Deregulierungsgeschosse benutzen will.

(Weitere Zurufe von der CDU)

Ich weiß, Sie hören das nicht gern; das habe ich ja gerade gemerkt. Dass jemand Ihre Politik beim Namen nennt, meine Damen und Herren von CDU und FDP, das fürchten Sie so sehr wie russische Spitzensportler den Dopingtest.

(Beifall von der SPD)

Deshalb haben Sie Ihrer Koalition ein Pseudonym verpasst, und deshalb bedient sich der Ministerpräsi

dent auch verschleiernder Begriffe. Nordrhein-Westfalen solle das soziale Gewissen der Bundesrepublik bleiben. Für den sozialen Ausgleich in Ihrer Marktentfesselungskoalition wolle die Union sorgen.

Dann schauen wir doch mal, was Ihre Koalition mit dem sozialen Gewissen zur Sozialpolitik verabredet hat, also jener Politik, die der Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lebenssituation von benachteiligten Menschen dienen und für gerechte Lebenschancen sorgen soll. Was haben Sie dazu verabredet? Nichts, gar nichts. Auf den 120 Seiten Ihres Koalitionsvertrages findet sich zur Sozialpolitik keine einzige konkrete Maßnahme. Entweder ist Ihnen die Sozialpolitik vollkommen egal, oder Sie konnten sich auf nichts einigen. Wahrscheinlich stimmt beides.

(Beifall von der SPD)

Auch gestern hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung kein Wort zur Sozial- und Arbeitsmarktpolitik verloren. Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik findet in Nordrhein-Westfalen anscheinend gar nicht mehr statt.

Wann hat es das schon mal gegeben, dass am Tag der Regierungserklärung behinderte Menschen vor dem Landtag für ihre Rechte und gegen die Regierung demonstrieren? Wann hat es das schon mal gegeben?

Es geht um die neue Landesbauordnung mit ihren Geboten für Barrierefreiheit, die diese Regierung ohne Grund auf Eis gelegt hat. Das hat diese Menschen mit Behinderung zu Recht aufgebracht; das empört sie. Das sollte Ihnen zu denken geben. Korrigieren Sie diese politische Fehleinschätzung – am besten ganz schnell. Dann können die Menschen mit Behinderung auch wieder ruhig schlafen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet, es ist doch peinlich.

(Zurufe von der CDU)

Ihr Gerede vom sozialen Gewissen und vom sozialen Ausgleich ist reine Camouflage. Sobald Sie konkret werden, fällt Ihnen die Tarnkappe vom Gesicht. Dann kann doch jeder erkennen, was Ihre Politik der Entfesselung tatsächlich ist. Es ist eine Politik der Entrechtung. Nirgendwo wurde das bisher so deutlich wie auf dem Feld des Mieterschutzes.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Die von Schwarz-Gelb angestrebte Entfesselung der Marktkräfte auf dem Wohnungsmarkt ist eine Entrechtung von über 10 Millionen Menschen, die in Nordrhein-Westfalen zur Miete wohnen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn das schwarz-gelbe Mieterentrechtungspaket Gesetz wird, werden viele Menschen mit drastischen Mieterhöhungen in wenigen Jahren zu rechnen haben.

(Zuruf von der AfD: Es werden viele Wohnun- gen gebaut!)

Dann werden ihre Mietwohnungen noch leichter in Eigentumswohnungen, Ferienwohnungen oder Büros verwandelt und ihre Kündigungsfristen bei Eigenbedarfskündigungen abgeschmolzen. Durch dieses Entrechtungspaket wird auch keine einzige zusätzliche Mietwohnung entstehen – vor allen Dingen keine, die für Normalverdiener bezahlbar ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zigtausende Menschen in Nordrhein-Westfalen werden sich ihre bisherige Wohnung nicht mehr leisten können. Die Wohnungsnot und die Mietpreissteigerungen in unseren Ballungsräumen sind ein Feuer, das Sie mit Benzin bekämpfen wollen. Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die schwarz-gelbe Koalition entrechtet die Mieter und empfiehlt allen Menschen, die sich ihre Wohnung dann nicht mehr leisten können, Eigentum zu erwerben, zum Beispiel auf dem Land. Dabei wolle man durch eine Bundesratsinitiative behilflich sein, die vielleicht irgendwann zu einem Grundfreibetrag bei der Grunderwerbssteuer führt.

Meine Damen und Herren, eines vorweg: Staatliche Hilfen zum Erwerb von Wohneigentum stehen auch in unserem Wahlprogramm. Sie sind richtig und notwendig.

(Zuruf von der CDU)

Für mehr als zwei Drittel aller Mieterinnen und Mieter in Nordrhein-Westfalen sind sie aber keine Hilfe, weil für sie Wohneigentum aufgrund ihres Einkommens, ihres Alters oder ihres Familienstandes nicht infrage kommt.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Ich spreche dabei von den Menschen in der unteren Einkommensskala, in der unteren Einkommenshälfte: von Rentnerinnen und Rentnern, von Alleinerziehenden, von Menschen mit Behinderung, von Studierenden und von jungen Menschen in der Berufsausbildung. Ich spreche aber auch von normalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Familien, deren Heimat Köln, Düsseldorf oder Münster ist. Sie wollen nicht wegziehen. Sie wollen guten und bezahlbaren Wohnraum in ihrer Heimat. Darauf haben sie auch ein Recht. Sie haben ein Recht auf die Regeln eines starken Staates, der sie dabei schützt, meine Damen und Herren, und sie nicht entrechtet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt muss ich noch einmal auf den schwarz-gelben Mangel an Wahrhaftigkeit zurückkommen. Ja, wir haben in unserer Regierungszeit die Grunderwerbsteuer angehoben –

(Zurufe von der FDP: Verdoppelt! Verdoppelt!)

wie übrigens CDU und FDP in anderen Bundesländern auch.

(Zurufe von der FDP)

Ja, zweimal angehoben.

(Zuruf von der FDP)