Ja. Doch nur drei Tage nach der Nominierung des Kabinetts – oder waren es vielleicht sogar noch weniger? – wollten der Ministerpräsident und sein designierter Verkehrsminister von ihren Versprechen nichts mehr wissen.
Das ist übrigens genau das, was unser Verkehrsminister Michael Groschek immer gesagt hat. Der Unterschied ist nur: Er hat das schon vor der Wahl getan. Er hat den Menschen die Wahrheit gesagt.
Ihr Versprechen war von Anfang an unhaltbar. Das haben Sie im Übrigen auch gewusst. Solange Sie das nicht eingestehen und sich nicht bei den Wählerinnen und Wählern dafür entschuldigen, solange ist jeder Staukilometer Ihr Staukilometer.
Zu Recht hat Norbert Walter-Borjans als Finanzminister immer betont, dass solide Finanzpolitik niemals nur Sparen und Kürzen sein darf, sondern zuallererst kluge Zukunftsinvestitionen verlangt. Trotzdem konnte er 2016 mit einem Haushaltsüberschuss abschließen.
Die Politik des ehemaligen Finanzministers war stets klar und eindeutig: Die Schuldenbremse gilt ab 2020. – Muss ich den Ministerpräsidenten daran erinnern, wie er hier als Oppositionsführer geschimpft und gepoltert hat, was das nur für ein Finanzminister sei, der nicht schneller und härter sparen wolle?
Ich habe es Ihnen damals gesagt, und ich sage es Ihnen auch heute: Norbert Walter-Borjans war ein herausragend guter Finanzminister.
Er war so gut, dass sein Nachfolger es nun genauso halten will wie er: Die Schuldenbremse soll erst ab 2020 gelten. – Dafür kritisiere ich Sie auch gar nicht. Sie wollen das Geld falsch ausgeben; das ist an anderer Stelle noch einmal zu bewerten, das ist ein anderes Thema.
Was ich Ihnen vorwerfe, sind Ihre selbstgerechte Doppelmoral und Ihr Mangel an Wahrhaftigkeit, meine Damen und Herren.
Was haben Sie vor allem Ihren Wählerinnen und Wählern nicht alles versprochen! Im Haushalt gäbe es ein strukturelles Defizit von 2 bis 3 Milliarden €, deshalb würden Sie jeden Euro an Mehrausgaben
mit Einsparungen in gleicher Höhe ausgleichen. Sie hätten durchgerechnete Kürzungsvorschläge in der Schublade, die Sie im Falle eines Wahlsiegs sofort umsetzen würden.
Und nun? Wo sind Ihre durchgerechneten Haushaltskürzungen? Es gibt sie nicht. Es gab sie nie. Das, was Sie hier jahrelang aufgeführt haben, war finanzpolitisches Laientheater und eine Wählertäuschung obendrein.
Ja, in aller Klarheit: Wir müssen heute feststellen, dass die Regierung Laschet keine Bodenhaftung hat. Ihr Überraschungssieg ist Ihnen wohl dermaßen zu Kopf gestiegen, dass Sie glauben, sich über viele Normen angemessenen Verhaltens einfach hinwegsetzen zu können.
Davon zeugen nicht nur Ihre Wortbrüche, sondern auch die Besetzung des Kabinetts. Die Entbindung des Ministers Holthoff-Pförtner von seiner Verantwortung für die Medienpolitik in Nordrhein-Westfalen war unausweichlich. Der Miteigentümer des größten Medienunternehmens in Nordrhein-Westfalen kann und darf nicht die Medienpolitik in diesem Land verantworten.
Jede Entscheidung, die er getroffen hätte oder an der er beteiligt gewesen wäre, hätte Auswirkungen auf den Wert seiner Unternehmensanteile gehabt, einen Wert, der in der „Rheinischen Post“ auf 250 Millionen € geschätzt wurde.
Jeder kleine Beamte und jede kleine Beamtin hat auch nur den Anschein zu vermeiden, sie oder er sei befangen. Wie konnten Sie, Herr Ministerpräsident, auch nur für eine Minute glauben, für einen Ihrer Minister gelte das nicht? Warum mussten erst namhafte Staatsrechtler die Berufung von Herrn HolthoffPförtner als „nicht legitim“, als „völlig untragbar“ und als „verheerend“ bezeichnen, bevor Sie Ihre Fehlentscheidung korrigiert haben? Warum?
Im Übrigen besteht der Missstand der Befangenheit Ihres Ministers noch immer; denn er ist noch immer Kabinettsmitglied. Sie, Herr Ministerpräsident, werden zu erklären haben, wie Sie Ihren Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten von allen Beratungen und Entscheidungen fernhalten, weil diese Auswirkungen auf seinen Medienbesitz und sein Vermögen haben werden. Damit meine ich auch Beratungen und Entscheidungen auf Bundes- und EUEbene.
Herr Ministerpräsident, Sie haben Herrn HolthoffPförtner eine ehrenwerte und verantwortungsbewusste Persönlichkeit genannt. Ich habe überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln. Ich kenne ihn gut.
Aber wie konnten Sie ihn dann in eine solche Lage bringen? Sie hätten wissen müssen, was auf Ihren Minister zukommt. Sie sind doch kein politischer Anfänger, Sie machen seit 30 Jahren Politik. Sie wissen, wie es um das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und politischen Eliten in diesem Land bestellt ist. Es ist fragil, es ist zerbrechlich, und trotzdem haben Sie geglaubt, sich über die ungeschriebenen Normen politischer Angemessenheit und Achtsamkeit hinwegsetzen zu können. Das ist unverantwortlich.
Dass die Berufung von Herrn Holthoff-Pförtner keine bedauerliche Unachtsamkeit, sondern Ausdruck einer zweifelhaften Haltung ist, zeigt auch die Berufung Ihrer Umwelt- und Landwirtschaftsministerin. Seitdem die Zustände auf ihrem Hof bekannt sind, gibt es viel Kritik. Es gibt aber auch Beistand: „Christina Schulze Föcking ist eine von uns“, rufen, schreiben, twittern viele Landwirte. – Das stimmt ja auch.