Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

Besonders interessant und sehr wichtig finde ich dabei die zunehmende Einbeziehung der sicherheitspolitischen Forschung in diese Überlegungen. Angesichts neuer technischer Formen von Gewalt und Kriegsführung ist der Bereich der naturwissenschaftlichen und technischen Friedens- und Konfliktforschung besonders weiterzuentwickeln.

Der Wissenschaftsrat konstatiert im Forschungsfeld eine starke praktische Ausrichtung. Der Bund ist naturgemäß aufgrund seiner außenpolitischen Aufgaben stark involviert; geht es doch in großem Maße um wissenschaftliche Politikberatung.

Es gibt bundesweit 32 Professuren, die das Thema in ihrer Denomination explizit genannt haben. In den über ganz Deutschland verteilten universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen arbeiten momentan ca. 95 Wissenschaftler. In der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung AFK, die sich als Fachgesellschaft versteht, gibt es ca. 300 Mitglieder.

Die nordrhein-westfälischen Einrichtungen, auf die wir stolz sind, sind im vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen aufgeführt. Hervorzuheben ist vielleicht das große Friedensgutachten, das als Jahrespublikation gemeinsam vom BICC aus Bonn, dem Leibniz-Institut der Hessischen Stiftung Frie

dens- und Konfliktforschung, dem Institut für Entwicklung und Frieden und dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg herausgegeben wird. Man sieht schon die bundesweite Zusammenarbeit.

Hier werden aktuelle Gewaltkonflikte analysiert, Trends der internationalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik aufgezeigt und Empfehlungen für die Politik gegeben. Wir haben es mit einem wichtigen Forschungszusammenhang zu tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist evident, dass die Bedeutung des Forschungsfelds „Friedens- und Konfliktforschung“ wächst und dass wir weiterhin und vermehrt wissenschaftlich abgesicherte Beratung brauchen, um in unserer nicht friedlicher, sondern eher unübersichtlicher werdenden Welt politisch angemessen und weitsichtig agieren zu können.

Wir sehen auch, dass in einer globalisierten Welt die Grenzen von Außen- und Innenpolitik verwischen, Stichwort: Migration.

In einer Zeit, in der die Politik als Aushandlung von Deals propagiert wird, in der Wahrheit eine Frage von Interpretation zu sein scheint und Fakten behauptet oder geschaffen werden, brauchen wir umso mehr eine Zusammenarbeit von Politik und methodisch reflektierter ideologiefreier Wissenschaft.

In den Konflikten geht es natürlich um Interessensausgleich. Vor allem aber sollte Politik das Gemeinwohl, das Weltgemeinwohl im Blick haben.

Papst Paul VI. hat bereits vor über 50 Jahren in seiner Enzyklika „Populorum progressio“ gesagt: „Entwicklung ist der neue Name für Frieden.“

Ich freue mich sehr, dass wir mit dem Wissenschaftsgutachten nun eine wichtige Diskussionsgrundlage haben, auf deren Basis wir das Gespräch mit unseren nordrhein-westfälischen Forschungseinrichtungen suchen können.

Es ist besser, miteinander zu reden, als übereinander. Deswegen schlage ich vor, dass wir die Vertreter der NRW-Institutionen bald zu uns in den Ausschuss einladen, um gemeinsam über die Schlüsse, die aus dem vorliegenden Gutachten des Wissenschaftsrats zu ziehen sind, zu diskutieren.

Es geht natürlich um Internationalisierung, Sichtbarkeit, Vernetzung und Forschungsförderung insbesondere der technischen und naturwissenschaftlichen Forschung – das ist gerade auch schon gesagt worden.

Dabei ist es sehr wichtig zu sehen, welche Aufgaben wir als Land haben, welche Aufgaben der Bund haben muss und was eine europäische Perspektive ist.

Dafür hätten wir den Antrag eigentlich nicht gebraucht. Wir finden dieses Thema sehr wichtig; wir stimmen natürlich der Überweisung zu. Ich freue mich sehr auf diese Debatte. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Nacke. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Schultheis das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! In der heutigen unübersichtlichen globalen Lage beschäftigt sich die Friedens- und Konfliktforschung mit Themen, die uns in NRW direkt, aber auch natürlich indirekt betreffen. Die Themen wurden genannt, Stichworte: bewaffnete Konflikte, Klima, Nutzung natürlicher Ressourcen und Migration.

Wir haben es hier mit einem Thema zu tun, das nicht neu ist. Deshalb ist es wichtig, den Aspekt der Umsetzung von Friedens- und Konfliktforschung mit in den Mittelpunkt zu nehmen.

Im wissenschaftlichen Diskurs der Bundesrepublik taucht die Friedens- und Konfliktforschung in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren als Reaktion auf die Pläne der atomaren Wiederbewaffnung auf.

Schließlich ist es Gustav Heinemann, der sich 1969 in seiner Antrittsrede als Bundespräsident für eine Stärkung der Forschung auf diesem Gebiet ausspricht.

Wie Sie sehen, ist die Friedensforschung schon immer auch ein sozialdemokratisches Thema gewesen. Es ist unser innerstes Anliegen. Ich sage das auch deswegen, weil es diese große Übereinstimmung, die heute herrscht, nicht immer gab – ich denke insbesondere an die Anfeindungen gegen das Stockholmer SIPRI-Institut. Da war es gerade von konservativer Seite aus nicht selbstverständlich, dass man die Friedens- und Konfliktforschung gemeinsam vorantreiben wollte.

In der Folge wird der Wissenschaftsrat um Empfehlungen für ein geeignetes Instrument gebeten. Die Umsetzung erfolgt dann 1970 mit der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung, welche 1983 in die Senatskommission für Friedens- und Konfliktforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft übergegangen ist.

Ebenfalls 1970/71 erfolgte die Gründung außeruniversitärer Forschungsinstitute in Hessen und Hamburg. 1994 folgte schließlich die Gründung des BICC in Bonn, an der die damalige Wissenschaftsministerin Anke Brunn sehr hohen Anteil hatte. Da ging es auch im Rahmen des Bonn-Berlin-Ausgleichs darum, neue Institute auf den Weg zu bringen.

Im universitären Bereich beteiligen sich neben den Hochschulen und den inneruniversitären Instituten auch eine Reihe von Professoren mit Lehrveranstaltungen und Forschungen aus den verschiedensten Disziplinen; darauf wurde bereits hingewiesen.

Das sind im Kern natürlich Politikwissenschaften, Rechtswissenschaften, Soziologie, außerdem auch Sozial- und Kulturwissenschaften, Pädagogik, Sozialpsychologie, aber eben auch Naturwissenschaft und Technik – ein wichtiges Feld, das sicherlich viel stärker noch in den Fokus genommen werden muss.

Die Friedens- und Konfliktforschung ist seit jeher ein Thema unterschiedlicher Disziplinen. Ihre komplexen Forschungsgegenstände umfassen ein breites Spektrum aktueller, nicht nur wissenschaftlich, sondern auch gesellschaftlich relevanter Themen.

Deshalb sprechen wir uns für die Einrichtung einer interdisziplinären Plattform des Austauschs aus. Vernetzung ist gefordert. In der Tat ist das auch die Einschätzung des Wissenschaftsrats. Hier ist auch erhebliches Verbesserungspotenzial, das es zu nutzen gilt – einmal um die Ressourcen zu bündeln, aber auch, um die Themenstellungen einander zuzuführen. Die interdisziplinäre Arbeit bedeutet auch Methodenpluralität; denn die Vielzahl der Fragestellungen erfordert eine interdisziplinäre Bearbeitung.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus ist es Aufgabe des Landes, beispielsweise regionale Kooperationen zu fördern und standortübergreifende Forschung und Projekte zu unterstützen.

Wir teilen den Antrag der Grünen im Kern und fordern insbesondere, wie schon gesagt, Vernetzung und Kooperation.

Die finanziellen Auswirkungen, die damit verbunden sein werden, hat hier bisher niemand quantifiziert. Es gibt auch keinen Haushaltsantrag der Grünen zu diesem Thema im Landtag. Allerdings werden wir in der weiteren Beratung darüber zu befinden haben.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen vor globalen Herausforderungen, internationalen Konflikten, aber auch nationalen Herausforderungen, deren Folgen auch wir spüren, die Auswirkungen auf unser gesellschaftliches Zusammenleben in Deutschland und Europa haben – wie die Klimakrise oder nationalistische Bewegungen, die internationale Abkommen und Institutionen infrage stellen.

Deshalb braucht Politik klare Analysen, um kluge und informierte politische Entscheidungen treffen zu können. Das heißt: Wir müssen das, was erforscht wird, auch umsetzen wollen und es nicht nur als wissenschaftliche Arbeit begreifen, sondern als aktive Politikberatung, die politische Entscheidungen begleitet. Darum wird es auch gehen, wenn wir eine stärkere Vernetzung herbeiführen.

Wir werden selbstverständlich der Überweisung des Antrages zustimmen und hoffen auf eine gute Beratung im zuständigen Fachausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schultheis. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP Frau Abgeordnete Beihl das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Man kann nicht oft genug betonen, in was für einer privilegierten Zeit wir in unserem Land leben. Denn wir leben in Freiheit, Wohlstand und vor allem Frieden. Dafür können wir sehr dankbar sein.

Dennoch beschäftigen uns zahlreiche internationale Konflikte. Diese Konflikte sind nie eindimensional, sondern hochkomplex – mit verschiedenen Akteuren, multiplen Interessen und vielschichtigen historischen Determinanten.

Unsere Institutionen der Friedens- und Konfliktforschung leisten für das Verständnis dieser Konflikte

einen essenziellen Beitrag – zum einen für die Zivilgesellschaft, zum anderen aber auch für die deutsche Politik.

Wir sind in NRW in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Unser Bundesland gehört zu einem der vier forschungsstärksten regionalen Zentren. Sowohl im Rheinland als auch im Ruhrgebiet gibt es universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen und Institute, die zu Frieden und Konflikten forschen.

An der Ruhr-Universität Bochum und an der Universität Duisburg-Essen können Studierende in international anerkannten Studiengängen ihren Studienschwerpunkt auf Friedens- und Konfliktforschung legen.

Als Ostwestfälin freue ich mich darüber, dass wir an der Universität Bielefeld das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung haben. Dort forschen derzeit rund 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an evidenzbasierten Vorschlägen und formulieren praktische Handlungsoptionen.

Das bereits 1996 gegründete Institut beschäftigt sich nicht nur mit Konflikten und deren Prävention, sondern auch mit Aussöhnung und Friedensstiftung. Dies zeigt beispielhaft, wie weit das Forschungsfeld reicht.

Vor dem Hintergrund dieser enormen Bedeutung haben wir als NRW-Koalition den Bericht des Wissenschaftsrats, der ja auch Grundlage des vorliegenden Antrags ist, mit großem Interesse gelesen. Das gute Zeugnis, das diesem wichtigen Forschungszweig ausgestellt wird, freut uns sehr, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Schaut man sich aber Ihren Antrag genauer an, so stellt man fest, dass er eine Sammlung von Forderungen beinhaltet, die aus unserer Sicht nicht zielführend sein können.

Zunächst ergibt sich aus dem Bericht des Wissenschaftsrats nämlich keine spezifische Forderung an das Land NRW. Die Forderungen sind mehrheitlich direkt an den Bund gerichtet.

Wir Freien Demokraten begrüßen, dass NRW bereits eigenverantwortlich Schwerpunkte in diesem Forschungsfeld setzt.

Wir können Ihrer Forderung, die Hochschulen in ihrer Mittelvergabe und ihrem Schwerpunksetzen zu beeinflussen, wenig abgewinnen. Das schaffen die Hochschulen selbst.

Dies macht auch der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen deutlich. Ein erheblicher Teil richtet sich nämlich an die Wissenschaft selbst und nicht an die Politik. Der Bericht definiert – mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich –: