Protokoll der Sitzung vom 27.11.2019

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Mir liegen hierzu keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache zu Teil a) Staatskanzlei.

Ich rufe auf:

b) Europa und Internationales

Als erstem Redner erteile ich für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Weiß das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Verwalten geht Ihnen über Gestalten. Dies war die damalige Bewertung meiner Fraktion und meine zum Haushaltsentwurf für 2019 vor ziemlich genau einem Jahr. Ich muss Ihnen gestehen, dass der vorliegende Entwurf für den Etat diese Einschätzung leider auch erneut verdient.

Hinter den in Haushaltsdebatten besprochenen kalten Zahlen stehen – das muss ich Ihnen nicht erklären, meine Damen und Herren: egal in welches Ressort Sie hineinschauen – lebendige Projekte und engagierte Menschen vor Ort. Eine verlässliche finanzielle Unterstützung ist eine unverzichtbare Säule, die die Europaaktiven und auch die in der Entwicklungspolitik Tätigen in NRW trägt.

Der Anspruch eines Haushaltsentwurfes muss damit synchron gehen. Es ist die Verpflichtung eines Ministeriums, den Verantwortlichen vor Ort Vertrauen und finanzielle Verbindlichkeit entgegenzubringen. Da ist es mit schierem Verwalten, mit geringem Gestaltungswillen beileibe nicht getan. Dabei würden die aktuell gut gefüllten Kassen des Landes für diesen Etat durchaus Ambitionen und Perspektive zulassen.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch den kleinen, aber wichtigen Zusatz, dass ein Grund dafür nicht nur die immensen Steuermehreinnahmen, sondern vor allem auch die schon von Vorrednerrinnen und Vorrednern erwähnten globalen Minderausgaben, beispielsweise im Bereich der Lehrkräfte, sind.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich begrüße beispielsweise, dass Sie knapp 200.000 Euro mehr für den Haushalt Europa veranschlagen. Das ist richtig und absolut begrüßenswert. Die Wichtigkeit wirtschaftlich gut aufgestellter grenzüberschreitender Regionen ist unbestritten. Die jährliche Aufstockung der Förderung in diesem Bereich kann jedoch nicht in jedem Entwurf den Kern einer ambitionierten Europapolitik bilden.

Konkret hätten wir uns etwa gewünscht, dass der Ausbau und die Stärkung kommunaler Städtepartnerschaften einen wichtigeren Platz in diesem Etat gefunden hätten. Ich erlebe immer wieder, dass insbesondere die seit Jahrzehnten bestehenden Partnerschaften einen wunderbaren und lebendigen Austausch herstellen. An dieser Stelle hätte es die Möglichkeit gegeben, mehr zu tun. Hier sind Sie jedoch den Änderungsanträgen der Opposition nicht gefolgt.

Entwicklungspolitisch wäre eine Erhöhung des zweckgebundenen Zuschusses für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit absolut sinnvoll

gewesen, um mit diesen Mitteln neue Impulse für die Partnerschaft NRWs mit Südafrika einzubringen.

Leider konnten wir bei keinem unserer Vorschläge mit Ihrer Unterstützung rechnen. Konkrete Maßnahmen, diesen Haushalt für die Zukunft gezielt mitzugestalten, tragen Sie nicht mit und bleiben dabei eigene Ideen schuldig. Da frage ich mich schon ernsthaft, welches politische Kalkül sich hinter der Ablehnung unserer Vorschläge und Impulse wirklich verbirgt.

Ich bin erneut gezwungen, mich zu wiederholen: Seit 2018 veranschlagen Sie jedes Jahr 100.000 Euro für die Evaluierung entwicklungspolitischer Maßnahmen. Wir fragen, wofür genau dieses Geld eigentlich auf die hohe Kante gelegt wird und wofür – das ist die viel interessantere Frage – diese Mittel alternativ genutzt werden könnten.

Darüber hinaus sehen Sie 1,2 Millionen Euro für die Schaffung der nordrhein-westfälischen Akademie für Internationale Politik vor. Der Umfang und das inhaltliche Konzept sind jedoch nicht eingehend erläutert worden. Unsere Universitäten in NRW – die sich in diesem Bereich tummeln und forschen – hätten bei einer Förderung in dieser Höhe sicherlich Purzelbäume geschlagen.

Gestatten Sie mir zum Ende des Jahres den Hinweis, dass wir uns aktuell in einem Zeitfenster befinden, in dem wir Europa besonders genau im Blick haben müssen. Die Europawahl ist vorbei und das allgemein gesteigerte Interesse an der Medienberichterstattung über Europa ist mittlerweile gedämpft. Wir thematisieren unser europäisches Projekt in unserer Gesellschaft nicht mehr in der gleichen Häufigkeit und Intensität. Wir befinden uns gewissermaßen in einem Aufmerksamkeitsloch.

Unserem Projekt Europa muss immer wieder ein langer Atem eingehaucht werden. Das lässt sich ebenfalls auf die Zukunft der Entwicklungspolitik in NRW übertragen.

Ihr Entwurf, meine Damen und Herren, verbleibt in vielen Teilen ohne wirkliche Perspektive, ohne echten Fahrplan, ohne tieferen Ehrgeiz und beinhaltet viele offene Fragen.

Vergessen Sie bitte nicht die, die sich im Kleinen oder im Großen um Europa und die Entwicklungspolitik verdient machen und dort mit einem Gestaltungswillen anpacken, der Ihnen bei diesem Haushaltsplanentwurf komplett fehlt.

Wir werden diesem Einzelplan deshalb nicht zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Krauß das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! 2020 liegt das Ende des Zweiten Weltkriegs 75 Jahre zurück; auch das berücksichtigt der vorliegende Entwurf für den Europahaushalt.

Als der erste nordrhein-westfälische Landtag am 2. Oktober 1946 in der Düsseldorfer Oper zusammenkam, stellte der damalige Ministerpräsident Amelunxen fest, dass sich Demokratie nicht über Nacht herstellen lasse.

Selbst heute ist der Bestand unserer Wertegemeinschaft noch keine Selbstverständlichkeit. 75 Jahre nach Kriegsende werden Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit vom Populismus attackiert. Der Ansatz für das Europakapitel setzt hingegen besonders darauf, den europäischen Gedanken lebendig zu entwickeln.

Herr Weiß, wenn Sie genau hingeschaut hätten: Wir gestalten. Nordrhein-Westfalen hat den Vorsitz der Europaministerkonferenz genutzt, um das Thema „Rechtsstaatlichkeit“ nach vorne zu tragen. Dieses Engagement für eine intakte unabhängige Rechtsprechung, Meinungs- und Pressefreiheit – der Wertekanon des Art. 2 des Lissabonner Vertrags – setzt der vorliegende Haushaltsentwurf um.

215 Europaschulen, die besondere Resonanz auf die Europawoche, die Aktivierung im regionalen Weimarer Dreieck, die Partnerschaften mit der Region Hauts-de-France und mit Schlesien, die Pionierleistungen in den Euregios, die Sie gar nicht erwähnt haben, Herr Weiß: Für dieses starke Fundament setzt der vorliegende Haushaltsentwurf ambitioniert entscheidende Akzente.

Das laufende Beneluxjahr demonstriert die Erfolgsgeschichte in Europas Kernregion: mitmenschlich, kulturell, wirtschaftlich. Es schafft Bewusstsein selbst in denjenigen gesellschaftlichen Schichten, die bisher distanzierter waren.

Diesen Schwung nimmt der vorliegende Etat auf. Dahin zu gehen, wo die Integration bisher weniger erfahrbar ist, ist die Voraussetzung für den Frieden in Wohlstand, für Freiheit und Einheit.

Auf dieser Welle liegt auch die Initiative „Europa – Erleben und Lernen“. Für den grenzüberschreitenden Austausch steht das Plus in diesem Haushalt.

Gerade in einer Zeit, in der Europa in der Welt am meisten gebraucht wird, stehen wir vor ganz großen Herausforderungen. Folgerichtig will NordrheinWestfalen mehr Europa. Das hat unser Ministerpräsident Armin Laschet am 2. April 2019, bei der Unterzeichnung der politischen Erklärung, besonders deutlich gemacht. Mit dieser Erklärung ist die Zusammenarbeit mit der Benelux-Union erneuert und vertieft worden.

Der vorliegende Entwurf des Europakapitels greift die Herausforderungen auf: proaktiv in einem komplizierten Kontext, mit akkurater Vorbereitung auf einen Brexit mit gradlinigen Positionen zum mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020.

NRW steht fest in dem Zusammenhalt von Ideen, Kultur und Religionsgeschichte in Europa in Überzeugung von Menschenwürde und in Verantwortung für unsere Schöpfung.

Der Klimawandel und das Wachstum der Erdbevölkerung sind immense Herausforderungen, und die Agenda 2030 verpflichtet sozial, ökologisch und wirtschaftlich.

Es gibt große Entschlossenheit, diese Energiewende auch voranzutreiben und bei der Klimaneutralität in sozialer Verantwortung mit wirtschaftlicher Vernunft schnell zu sein. Doch Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Armutsbekämpfung oder Friedensordnung verpflichten zur intensiven Zusammenarbeit weltweit.

Das Eine-Welt-Bewusstsein im Inland und die internationale Kooperation gehören essenziell zusammen. Das greift die Landesregierung auf.

Wir unterstützen, Herr Weiß, die Eine-Welt-Promotoren. Gerade die Partnerschaft mit Ghana stellt der Haushaltsentwurf auf eine feste Grundlage: nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, berufliche Bildung, Stärkung des Privatsektors, der Verwaltungsaustausch.

Für diese Partnerschaft finden wir viele Unterstützer in den Hochschulen und in den Schulen, in der Wirtschaft, in den IHKs, in den Kirchen. Aber auch breite Kreise der Zivilgesellschaft engagieren sich: Beispielsweise das Ghana-Forum oder das Engagement Global. Dafür sind wir dankbar.

Besonders zu würdigen ist das verstärkte Engagement unseres Bundeslandes in Israel für die Begegnungen, für die kulturelle und wirtschaftliche Kooperation, für die Jugend, für die Bildung, für die Erinnerungskultur. Das gilt auch für das NRW–Büro in Israel, das dafür ein besonderes Forum baut.

Sie sehen: NRW engagiert sich und wird sich auch weiter engagieren.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Herr Weiß, wir machen mehr, und wir machen vor allem mehr als die Vorgängerregierung; das können Sie an den Haushaltsansätzen erkennen.

Wichtig ist – darauf sind Sie auch eingegangen; das betrifft schließlich die Erhöhung des Gesamtansatzes für die internationale Zusammenarbeit – uns auch das Vorhaben der Gründung einer nordrheinwestfälischen Akademie für internationale Politik in Bonn, unserer Bundes- und UN-Stadt. Meine Damen und Herren, Sie mögen das kritisieren, aber auch das ist Standortpolitik für NRW.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die vorliegenden Ansätze für die Haushalte Europa und Internationales schaffen die Grundlage für Dialog und Beteiligung für den selbstverständlichen Bezug der Nachhaltigkeit, dies- und jenseits unserer Landesgrenzen im Denken und im Handeln. Daher stimmen wir zu, und zwar aus voller Überzeugung. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen hat nun der Abgeordnete Herr Remmel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns nur über die Zahlen des Haushalts unterhalten müssten – so haben wir es auch im Ausschuss diskutiert –, gäbe es eine große Übereinstimmung über fast alle Fraktionen des Hauses hinweg, was den Europahaushalt angeht und was die Europapolitik betrifft.

Insofern kann man jetzt eigentlich die Rede beenden. Man könnte solche Zahlen linksherum drehen, rechtsherum drehen. Vieles hat sich gegenüber der Zeit vor 2017 an den Zahlen nicht geändert; im Wesentlichen besteht also Kontinuität. Wir könnten alle zufrieden sein.

Aber so eine Haushaltsdebatte ist auch Anlass, darüber zu reden, was Anspruch und was Herausforderung an dieser Stelle ist, gerade im Bereich der Europapolitik.

Hier ist eine Landesregierung angetreten zu sagen: Wir wollen als großes Land in Europa eine viel größere Schlagkraft entwickeln. Wir wollen präsenter sein.

Dann müssen Sie aber genau hinsehen, an welchen Stellen das Land Nordrhein-Westfalen in Sachen Europapolitik wirklich präsent ist und in welcher Weise sich das Land einbringt.