Protokoll der Sitzung vom 28.11.2019

Sie haben an dieser Stelle eine Blaupause: Wir haben die Niedrigzinsphase genutzt – „Gute Schule 2020“, Investitionen in die Schulinfrastruktur –, machen Sie das an anderen Stellen auch. Stärken Sie die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen, und tun Sie auch etwas für die Menschen in Nordrhein-Westfalen!

Was gefährdet denn das Wachstum in NordrheinWestfalen? Eine Gefahr nicht nur für NordrheinWestfalen, sondern auch für den Bund sind sicherlich die außenwirtschaftlichen Problemstellungen.

Aus aktuellem Anlass möchte ich noch einmal auf den Brexit zu sprechen kommen. Das ist – das möchte ich gerne vorwegschicken – keine grundlegende Kritik am Ministerium, auch nicht am Minister und schon gar nicht an seinen Abteilungen, die für die Außenwirtschaft tätig sind.

Es ist vielmehr eine organisatorische Fragestellung und ein Thema der Landesregierung, wie man das organisiert. Sie haben sich entschieden, dies mit einem Brexit-Beauftragten zu machen. Natürlich kann

man darüber diskutieren, ob ein Mensch, der für einen Finanzdienstleister arbeitet, der richtige Mann ist, um das für Nordrhein-Westfalen zu tun. Diese Frage kann man sich sicherlich stellen.

Man kann natürlich auch die Frage stellen – und das würde ich nach dem Parteitag der CDU, nach all dem, was vorher passiert ist, auch tun –, ob denn dieser Mensch neben seiner fachlichen Qualifikation, die ich auch in Abrede stellen möchte, persönlich geeignet ist, diesen Job auszuüben.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Für so eine Stelle für Nordrhein-Westfalen ist das erste Gebot Loyalität. – Und dass dieser Mann illoyal ist, haben wir, glaube ich, letzte Woche deutlich gesehen.

(Beifall von der SPD)

In diesem Zusammenhang müssen wir aufhören, von Ehrenamtlichkeit zu sprechen. Herr Merz verdient sein Geld damit, dass er Netzwerke pflegt.

(Zuruf von der CDU)

Er pflegt Netzwerke, und aus diesen Netzwerken heraus generiert er Vorteile für sich und zukünftige Aufträge. Dadurch, dass er das für Nordrhein-Westfalen macht, kann er sein Netzwerk verdichten. Insofern kann man sagen: Er macht das vielleicht umsonst, aber sicherlich nicht ehrenamtlich.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Abschließend möchte ich sagen, dass wir hier häufig über wirtschaftspolitische Ansätze diskutieren. Ihre Ansätze sind klassisch: weniger Regularien, mehr Fläche, weniger Steuern, mehr Markt, weniger Staat.

Wir sagen: Wir brauchen auch in Nordrhein-Westfalen klare Vorgaben und verlässliche Regularien. Der Staat muss aktiver werden. Er muss Leitplanken setzen, innerhalb derer sich Nordrhein-Westfalen wirtschaftlich entwickeln kann. Dass dies funktioniert, hat doch gerade die Umweltwirtschaft in NordrheinWestfalen in den letzten Jahren sehr deutlich gezeigt.

In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir abschließend die Frage: Was ist eigentlich aus dem Umweltwirtschaftsbericht geworden? – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Sundermann. – Herr Rehbaum spricht nun für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Sundermann, Sie können über Herrn Merz sagen, was Sie wollen. Sie müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass wir seit den Brexit-Ankündigungen über 100 Ansiedlungen von

Firmen aus Großbritannien in Nordrhein-Westfalen verzeichnen können.

(Beifall von der CDU und der FDP – Michael Hübner [SPD]: Wo ist da der Beitrag von Herrn Merz? – Weitere Zurufe)

Bis zur Regierungsübernahme trug Nordrhein-Westfalen beim Wirtschaftswachstum regelmäßig die rote Laterne unter den Bundesländern. Die Arbeitslosigkeit betrug 7,5 %; 709.000 Menschen waren im Juli 2017 arbeitslos; Rot-Grün war krachend gescheitert.

Mit dem Regierungswechsel hat eine Aufholjagd begonnen. Trotz Handelskonflikten, Brexits, Manipulationsskandals in der Autoindustrie und abgeschwächter Konjunktur wächst die Beschäftigung in NordrheinWestfalen überdurchschnittlich.

Gegenüber Juli 2017 haben wir 83.000 Arbeitslose weniger. Das RWI spricht sogar von über 120.000 zusätzlichen Beschäftigten bis Ende 2019. Unser Wirtschaftswachstum liegt bei 0,3 % gegenüber 0,4 % im Bundesdurchschnitt, und, Herr Sundermann, die Industrie in Nordrhein-Westfalen wächst sogar überdurchschnittlich.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von Horst Becker [GRÜNE] und Mi- chael Hübner [SPD])

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, NordrheinWestfalen hat die rote Laterne abgegeben. NRW ist wieder da.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Wirtschaftswachstum ist kein Selbstzweck. Es geht um Beschäftigung für die Menschen, Zukunftssicherung für Familien. Eine starke Wirtschaft ist die Grundlage, um staatliche Aufgaben wie Sicherheit, Bildung, Gesundheit, Verkehrswegebau, Kultur, Innovationen und Investitionen in Klimaschutz zu meistern. Deswegen ist Wirtschaftspolitik ein Kernstück der NRW-Koalition.

Wir wollen, dass alle Branchen ihre Potenziale entfalten: die Industrie mit Chemie, Stahl, Aluminium, Glas, Papier, Handwerk und Mittelstand, Maschinenbau, Autozulieferer, Landwirtschaft, Lebensmittelherstellung, Energieanlagenbau, Tourismus, Gastronomie, Einzelhandel, Baugewerbe, Digitalwirtschaft, Kreativwirtschaft.

(Zuruf von der SPD)

Unsere Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen hat viele Standbeine, und jedes wird gebraucht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zu einer guten Wirtschaftspolitik gehören eine klare Haltung und eine Willkommenskultur für Unterneh

men. Unternehmen brauchen eine attraktive Infrastruktur: im Verkehr, bei der Energie und den Daten. Sie braucht Fachkräfte. Sie braucht Strom zu jeder Sekunde, viel Digitalisierung, wenig Bürokratie und schnelle Genehmigungen.

Ein Blick in die letzte Legislaturperiode zeigt, wie unterschiedlich Wirtschaftspolitik sein kann. Der Wirtschaftsminister der SPD sah sich gezwungen, seine wirtschaftspolitischen Leitlinien am ideologischen Widerstand im eigenen Kabinett vorbei ins Parlament zu bugsieren. Er sagte von sich selbst, er sei nur für rhetorische Aufgaben zuständig.

Die Wahrheit ist: Bei Rot-Grün war Wirtschaftspolitik immer nur Gedöns. Da nutzt es auch nichts, wenn die Grünen nun auf ihrem Parteitag beschließen, plötzlich Wirtschaft zu können. Wirtschaftskompetenz bekommt man nicht im Stuhlkreis beim Wochenendworkshop, man muss sie leben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von den GRÜNEN: Tätä! Tätä!)

Wir in der NRW-Koalition von CDU und FDP leben das erfrischende Gegenmodell selbstbewusster Wirtschaftspolitik für das größte deutsche Bundesland. Unser industriepolitisches Leitbild wird vom kompletten Kabinett getragen, und wir stellen Wirtschaftsminister Pinkwart 30 % mehr Mittel für ordentliche Wirtschaftspolitik zur Verfügung.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Zum Beispiel: 550 Millionen Euro für Wirtschaftsförderung, für Mittelstand, Handwerk und viele andere, 14 Millionen Euro für die Steinkohlerückzugsgebiete, mehr als 10 Millionen Euro für das Netzwerk „it’s OWL“ mit dem Megathema „Industrie 4.0“. Im Rahmen der Ruhr-Konferenz wurde das „Spitzencluster für industrielle Innovationen“ aus der Taufe gehoben, das im ersten Jahr mit 15 Millionen Euro gefördert wird. Hier geht es darum, den Wandel der Industrie und des Energiesystems voranzutreiben und den industriellen Kern des Ruhrgebiets zu stärken.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Herzlichen Dank!)

Der Tourismus boomt, da gibt es 30 % mehr Mittel. Die Mittel für den Klimaschutz und die Energiewende werden mehr als verfünffacht.

Wirtschaftspolitik ist ein zentrales Arbeitsfeld der Landesregierung, NRW kommt voran.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die NRW-Koalition stattet Minister Pinkwart und sein Team auch für 2020 mit einem Haushalt auf hohem Niveau aus. So wollen wir etwas bewegen. So kommen wir unserem Ziel näher, NRW als Wirtschaftsstandort Nummer eins zu positionieren. Über „Klimaschutz made in NRW“ sprechen wir in der nächsten Runde. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Rehbaum. – Jetzt spricht Herr Becker für Bündnis 90/Die Grünen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Unruhe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass dies der dritte Haushalt ist, den diese Koalition zu verantworten hat. Das heißt, Sie sind haushaltstechnisch über die Mitte Ihrer Zeit hinweg.

Wenn man dann schaut, was Sie alles versprochen haben und womit Sie gestartet sind – Sie wollten die Wachstumslokomotive in der Bundesrepublik sein, Sie wollten das Wirtschaftsland Nummer eins sein –, dann frage ich, wo Sie gelandet sind. Sie bedienen sich jetzt schon der Prognosen, Herr Rehbaum. Es sind nämlich keine Feststellungen, sondern es sind Prognosen des RWI – übrigens im Auftrag des Ministeriums –, das jetzt davon ausgeht, dass NRW 0,3 % Wachstum hat, der Bund 0,4 %. Ich wage das zu bezweifeln, und zwar begründet.

Das gleiche RWI hat nämlich als Schätzung – denn es läuft ja immer nach hinten, erst kommt die Schätzung, und zwei Jahre später folgen die richtigen Zahlen – im Sommer festgestellt: 0,1 % für NRW und 0,4 % für den Bund. Wenn jetzt im Jahresmittel als Prognose am Ende 0,3 % für die nordrhein-westfälische Wirtschaft herauskommen soll, müssten wir ja im zweiten Halbjahr weit über den Zahlen und dem Durchschnitt des Bundes liegen. Das wage ich zu bezweifeln.

Wir werden es ja im nächsten Jahr sehen. Dann werden wir diese Debatte weiterführen. Auf jeden Fall ist es eines nicht: Es ist nicht plötzlich ein Aufholen, es ist nicht plötzlich eine Lokomotive, sondern bestenfalls ein langsames Rollen auf das Abstellgleis. Das, was Sie uns immer vorgeworfen haben, praktizieren Sie hier und loben sich dafür. Das ist der Unterschied. Sie loben das, was Sie früher kritisiert haben.