Im Gegensatz zu Ihnen früher behaupte ich übrigens nicht, dass für die Wachstumsdelle die Landesregierung verantwortlich ist – schon gar nicht einzig und allein. Das wäre heute genauso unsinnig, wie es damals unsinnig war. Aber ich halte fest, dass zur Regierungszeit von SPD und Grünen das Wirtschaftswachstum in Nordrhein-Westfalen dreimal so stark war, wie es unter CDU und FDP heute ist, meine Damen und Herren. Ihre Entfesselungspolitik wirkt nicht. Das ist das Ergebnis.
Die Hygieneampel wurde als angebliches Bürokratiemonster abgeschafft, und zugleich wurde der Hygieneführerschein eingeführt. So viel Entfesselungspolitik kann ja nur beeindrucken, meine Damen und Herren.
Aber ich will Ihnen sagen, wo Sie etwas entfesseln können: Schaffen Sie endlich die Straßenausbaubeiträge ab, Herr Laschet.
Wir hören immer wieder aus Kommunen, dass 50 %, teilweise 70 % der von den Bürgern eingenommenen Gelder für Verwaltungsausgaben aufgewandt werden müssen, um diese Gebühren abzurechnen. Ihr neuer Gesetzentwurf, den Sie uns gleich zur Abstimmung vorlegen werden, sieht eine noch weitere Bürokratie vor, weil die Beamtinnen und Beamten jetzt Förderanträge stellen müssen, mehr Bürgerbeteiligung umsetzen müssen und Informationen geben müssen.
Wenn Sie etwas tun wollen, sollten Sie das ganze Gedöns abschaffen. Das hilft den Menschen mehr und ist die beste Entfesselung für Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren.
Aber noch viel schlimmer ist das, was Sie in Nordrhein-Westfalen im Augenblick in der Energiepolitik anrichten. Energiepolitik ist mehr denn je auch Industriepolitik. Das haben Sie aber offensichtlich noch nicht begriffen.
Verstehen Sie denn nicht, was für ein Fanal die Investitionsentscheidung von Tesla in Brandenburg gewesen ist? Der amerikanische Autokonzern Tesla will dort eine Autofabrik bauen. Der letzte ausländische Autokonzern, der in Deutschland einen Produktionsstandort gewählt hat, war Ford vor 93 Jahren. Teslas Ankündigung hat also eine enorm hohe symbolische Kraft und Wirkung. Mitten im Mutterland des Verbrennungsmotors errichtet der Vorreiter der Elektromobilität eine eigene Fabrik. Die Autos, die dort demnächst produziert werden sollen, werden ihren Nutzwert mindestens genauso sehr durch intelligente Software wie durch ausgeklügelte Hardware erhalten. Auch das ist ein Symbol für den Strukturwandel, den unsere Wirtschaft durchlaufen wird.
Ich will es Ihnen sagen: weil Tesla grünen Strom für seine Produktion braucht. Und den bekommt der Konzern in Brandenburg dank der Windenergie. In Nordrhein-Westfalen bekommt Tesla den grünen Strom nicht; denn hier macht die Landesregierung die Windenergie ganz gezielt kaputt, meine Damen und Herren.
Das ist ein Alarmsignal und ein Grund dafür, dass neue Arbeitsplätze an der Oder oder an der Elbe und eben nicht an Rhein und Ruhr entstehen.
Aber immerhin scheinen jetzt auch die schwarz-gelben Minister zu bemerken, dass die Zeit über Ihre Energiepolitik hinweggegangen ist.
Ich kann mich auch noch gut an die Auseinandersetzungen erinnern, die wir hier in der letzten Legislaturperiode über das rot-grüne Klimaschutzgesetz führen mussten. Kein anderes Gesetz wurde nach meiner Erinnerung so stark von der damaligen Opposition bekämpft wie dieses nordrhein-westfälische Klimaschutzgesetz. Armin Laschet nannte das Klimaschutzgesetz im Jahre 2014 hier im Landtag eine völlig unsinnige ideologische Spielwiese. Hendrik Wüst bezeichnete es in seiner unnachahmlichen Weise sogar als – Zitat – Schweinerei.
Tatsächlich prahlen Armin Laschet und Andreas Pinkwart heute damit, dass Nordrhein-Westfalen seine selbst gesteckten Klimaziele sogar übertroffen habe. Man könnte fast meinen, das damalige Gesetz sei Ihre Idee gewesen, Herr Laschet.
Das Problem ist nur, dass Ihre klimafreundlichen Reden tatsächlich nichts mit Ihrem Handeln zu tun haben. Ihr Kabinett hat eine Energieversorgungsstrategie vorgelegt, die nur aus Absichtserklärungen besteht. Bis 2030 sollen die Energieleistungen aus Wind und Sonne auf 10,5 bzw. 11,5 GW verdoppelt werden. – Schön und gut; aber wie soll das gelingen? – Still ruht hier der Wald oder der Wind.
Tatsächlich aber handeln Sie genau kontraproduktiv. Mit Ihrem Windenergieerlass und der Abstandsregelung von 1.500 m reduzieren Sie die verfügbare Fläche für Windenergie in Nordrhein-Westfalen um mehr als zwei Drittel. Damit sabotieren Sie die Energiewende in Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren.
Das wird Folgen für Investitionen und Arbeitsplätze haben. Tesla wird nicht der einzige Konzern bleiben, der von Investitionen in Nordrhein-Westfalen absieht, weil keine vernünftige Industrie- und Energiepolitik gemacht wird.
Herr Pinkwart schmückt sich zwar gerne mit schicken Start-ups und Marketingsprechblasen wie „Rheinland Valley“, aber die real existierenden Stärken des Landes blenden Sie leider völlig aus. Ich spreche vom industriellen Mittelstand in Ostwestfalen-Lippe, in Südwestfalen, im Münsterland, aber auch in Teilen des Ruhrgebiets. Hier müssen der digitale und ökologische Wandel gelingen. Diesen Wandel darf man nicht allein entfesselten Märkten überlassen.
Damit unser Automobilzuliefersektor in Südwestfalen den Wandel packt, brauchen wir eine aktive Industriepolitik mit massiven öffentlichen Investitionen in digitale Netze, in neue Energiesysteme, in neue Verkehrssysteme und in die Entwicklung neuer Technologien. Hier leistet die Landesregierung bislang nichts. Sie regieren an den Herausforderungen der Zeit vorbei. Ihre Wirtschaftspolitik ist leider eine Enttäuschung.
Eines der größten Probleme im Land NordrheinWestfalen, die überschuldeten Kommunen, gehen Sie ebenfalls nicht an. Von den 11.700 Kommunen in Deutschland sind rund 2.500 überschuldet. Allein
die Kassenkredite betragen 50 Milliarden Euro; die Hälfte davon entfällt auf nordrhein-westfälische Kommunen. Diese Regierung ist leider nicht bereit, sich dieses Problems auch tatsächlich anzunehmen.
Herr Laschet, Herr Lienenkämper, Frau Scharrenbach, das geht so nicht weiter. Nehmen Sie die Hände aus der Hosentasche, und zeigen Sie Eigeninitiative in der Entschuldungsfrage.
Noch nie war eine Lösung gemeinsam mit dem Bund so greifbar nah wie jetzt. Ich weiß, das ist schwierig zu lösen, auch mit dem Bund. Man muss schließlich die anderen Bundesländer unter einen Hut kriegen. Das ist nicht einfach.
Vor zwei Wochen war der Bundesfinanzminister zu Besuch im Landtag und hat ein Angebot unterbreitet: Der Bund ist bereit, 50 % der Kassenkredite der Kommunen zu übernehmen. Die einzige Erwartung des Bundes ist, dass sich das jeweilige Bundesland um die anderen 50 % kümmert. Die Hessen machen das bereits; sie haben die HESSENKASSE geschaffen.
Das Saarland hat den Saarlandpakt ins Leben gerufen. Nordrhein-Westfalen wäre der größte Nutznießer eines solchen Entschuldungsprogramms durch den Bund. Aber Sie versagen auf ganzer Linie. Das haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen nicht verdient, meine Damen und Herren.
Helfen Sie mit, die Kommunen zu entschulden. Damit helfen Sie den Menschen. Das würde dem Revier, das würde dem Ruhrgebiet übrigens weitaus mehr helfen als ein Dutzend Ihrer Ruhr-Konferenzen.
Ob mit einer auskömmlichen Kindergrundsicherung, ob mit einem Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde oder ob mit einem Zwang zur Tarifbindung: Wir könnten in sehr kurzer Zeit sehr große Erfolge gegen die Armut erzielen und die Kaufkraft deutlich steigern – und zwar nicht nur im Ruhrgebiet, aber insbesondere im Ruhrgebiet.
Wenn Sie sich in dieser Frage bewegen würden, hätten wir überwältigende Mehrheiten für diese Projekte im Deutschen Bundestag und auch im Landtag. Machen Sie also endlich etwas.
Wir brauchen jetzt ein Fortschritts- und Innovationsprogramm, damit wir in eine neue Zeit aufbrechen können. Wenn Sie schon unbedingt an der Schuldenbremse festhalten wollen, dann lassen Sie uns
doch zumindest darüber diskutieren, ob wir die Einnahmeseite nicht an anderer Stelle erhöhen können. Ich spreche hier von der Wiedereinführung der Vermögensteuer.