Protokoll der Sitzung vom 22.01.2020

Unabhängiger Journalismus, eine freie Presse, mediale Vielfalt sind zentrale Bestandteile einer demokratischen Gesellschaft. Private Medien genauso wie öffentlich-rechtliche Medien haben die Aufgabe, Wirtschaft und Politik zu kontrollieren und Missstände aufzudecken. Dass diese Funktion einigen Menschen in unserer Gesellschaft nicht passt, können wir mittlerweile fast täglich erleben.

Journalistinnen und Journalisten werden zunehmend bedroht, angegriffen, mit dem Tod bedroht. Dabei sind sie es, die in Zeitungen, in Verlagen, in privaten sowie in öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern in Deutschland über Jahrzehnte dafür gesorgt haben, unsere Demokratie zu stärken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nach dem Schrecken der Nazidiktatur sollte eine unabhängige Berichterstattung entstehen, die auf Fakten und nicht auf politischer Propaganda beruht. Dass diese Art von Journalismus der AfD nicht passt, verwundert nicht. Erst gestern hatte der NDR berichtet, dass der mutmaßliche Mörder des CDU-Regierungspräsidenten Lübcke doch nähere Verbindungen zur AfD hatte, als überhaupt bekannt war.

Verwundert und enttäuscht bin ich eher vom Agieren und Nichtstun des amtierenden Medienministers und Ministerpräsidenten.

(Zurufe von der CDU: Ah! – Michael Hübner [SPD]: Wo ist der überhaupt? Wo ist er denn?)

Herr Laschet hatte am 27.12. – Herr Schick hat es erwähnt – per Twitter zwei Tweets abgesetzt, in denen er das „Oma“-Lied des WDR kritisierte. Wie anfangs gesagt ist das völlig in Ordnung. Das kann man machen. Ich fand das Lied auch nicht gut. Dass Herr Laschet aber danach abgetaucht war, verstehen viele Menschen und auch viele Journalistinnen und Journalisten nicht.

Ein von rechts außen organisierter Shitstorm im Netz brach los. Drohungen gegen Journalistinnen und Journalisten wurden ausgesprochen. Rechtsextreme Organisationen demonstrierten vor dem WDR in

Köln. Nazis bedrohten Journalistinnen und Journalisten an ihren Wohnorten – einige erhielten Morddrohungen.

Wo war der Medienminister in dieser Situation? Was hat der Medienminister hierzu getwittert? Nichts! Anstatt sich vor die Journalistinnen und Journalisten zu stellen und klare Kante zu zeigen, kam gar nichts. Von einem Medienminister erwarten wir, dass er in solchen Situationen klar für die Pressefreiheit und den Schutz von Medienschaffenden eintritt, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Auch wenn Politikerinnen und Politiker versuchen, auf Journalisten Einfluss auszuüben, erwarten wir von einem Medienminister, dass er hier klare Kante zeigt.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wenn Ihre CDU-Parteifreundin Korte in einem offenen Brief WDR-Mitarbeiterinnen mit Namen nennt, Moderationsinhalte kritisiert und dann nachhaltige Konsequenzen fordert, erwarte ich, dass ein Medienminister einschreitet.

(Beifall von der SPD)

Dieser Brief wurde – das können Sie bei Twitter sehr gut verfolgen – von Ihren Freunden von der WerteUnion dankbar aufgenommen und verbreitet.

Herr Laschet hat sich dann vor zehn Tagen im „SPIEGEL“ geäußert, aber nicht, um das Thema „Pressefreiheit“ klarzuziehen. Nein, er hat eine Neiddebatte über Gehälter losgetreten, eine Neiddebatte nicht über die Gehälter von Intendantinnen und Intendanten, sondern über die Gehälter einfacher Redakteurinnen und Redakteure.

(Zuruf von der SPD: Unmöglich!)

Im Interview am 10. Januar sagte Herr Laschet – ich zitiere –:

„Die Einzigen, die da“

gemeint ist die Medienlandschaft –

„eine privilegierte Stellung haben, sind die Redakteure im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Jüngste Gutachten im Zuge der Beitragsdebatte bescheinigen ihnen überdurchschnittliche Gehälter. Alles ist staatlich garantiert, egal ob es einer schaut oder nicht: Der Sender sendet.“

„Egal ob es einer schaut oder nicht: Der Sender sendet“ – das kritisiert der nordrhein-westfälische Medienminister.

(Michael Hübner [SPD]: Peinlich, peinlich!)

Meine Damen und Herren, es ist Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, eben nicht nur Main

stream zu senden, sondern insbesondere in den Bereichen „Information“, „Bildung“ und „Kultur“ Inhalte anzubieten, die ein breites Spektrum von Zuschauerinnen und Zuschauern abbilden.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der AfD)

Ja, auch Politiker werden bezahlt, ob ihnen jemand zuhört oder nicht. Sogar beim Ministerpräsidenten ist das der Fall; er ist gerade nicht anwesend.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lisa- Kristin Kapteinat [SPD]: Er wird auch in Abwe- senheit bezahlt!)

Zu versuchen, Journalistinnen und Journalisten gegeneinander aufzuhetzen, indem Armin Laschet die Gehälter beim WDR als überdurchschnittlich kritisiert, wird der Rolle als Medienminister ganz und gar nicht gerecht. Die tariflich bezahlten WDR

Beschäftigten verdienen deshalb überdurchschnittlich, weil ein Großteil der Journalistinnen und Journalisten in diesem Land unterbezahlt ist und viele von einem Tarifvertrag nur träumen können.

(Beifall von der SPD)

Sollte sich der Medienminister nicht vielmehr dafür einsetzen, dass die Medienschaffenden in unserem Land vernünftig bezahlt werden, dass die Gehälter eine Unabhängigkeit garantieren?

Aber vielleicht muss ich auch Herrn Laschet in Schutz nehmen. Woher soll er wissen, wie es um die Medienschaffenden in NRW steht, wenn er anscheinend gar keine Zeit hat, sich mit seinem Medienressort auseinanderzusetzen? Armin Laschet ist bald zweieinhalb Jahre Medienminister und hat sich seitdem ein einziges Mal im Ausschuss für Kultur und Medien blicken lassen. Seit August 2017 hatten wir 39 Sitzungen des Medienausschusses, an denen er 38-mal nicht teilgenommen hat.

Niemand hat Herrn Laschet gezwungen, auch noch Medienminister in diesem Land zu sein. Das war seine eigene Personalplanung.

(Michael Hübner [SPD]: Das wollte er selbst! Das war sein Wunsch!)

Direkt nach Regierungsübernahme hatte er Herrn Holthoff-Pförtner zum Medienminister ernannt. Der ist jetzt Europaminister und heute auch nicht hier. Es ist der Herr Holthoff-Pförtner, der im Hauptberuf Verleger ist, dem 17 % der FUNKE MEDIENGRUPPE gehören,

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

der damit Anteilseigner von Radiosendern, Zeitschriften und wichtigen Tageszeitungen ist.

Nach massiver Kritik aufgrund möglicher Interessenkollisionen des Medienministers Holthoff-Pförtner und des Verlegers Holthoff-Pförtner musste Armin

Laschet ihm das Medienressort entziehen. Anstatt einen neuen und unabhängigen Medienminister einzusetzen, wollte Herr Laschet das wichtige Thema in seinem eigenen Ressort halten und machte sich selbst zum Medienminister. Was dabei herausgekommen ist, sehen wir jetzt.

Wenn nicht einmal der Medienminister unseres Bundeslandes hinter den Journalistinnen und Journalisten in Nordrhein-Westfalen steht, dann müssen wir als SPD-Fraktion umso deutlicher klarstellen: Journalistinnen und Journalisten sind ein wichtiger Pfeiler unserer Demokratie. Sie sind das Kontrollorgan für Wirtschaft und Politik. Sie decken Lügen auf, und sie sorgen für einen öffentlichen Diskurs. Deshalb sollen Journalistinnen und Journalisten ohne Einschränkungen arbeiten können. Deshalb verdienen sie es, angemessen bezahlt zu werden. Deshalb müssen sie auch vor Bedrohungen geschützt werden.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Darum fordern wir die Landesregierung mit unserem Entschließungsantrag dazu auf, ein klares Bekenntnis zur Pressefreiheit und zum unabhängigen Journalismus abzugeben, sich dafür einzusetzen, dass keine politischen Akteure Journalisten an ihrer Arbeit hindern, und sich für eine angemessene Bezahlung aller Medienschaffenden einzusetzen. Ergreifen Sie endlich die Initiative, um Medienschaffende besser gegen Bedrohungen zu schützen.

Das sind Themen, mit denen sich auch ein Medienminister in NRW auseinandersetzen sollte. Das Thema ist zu wichtig, um es weiterhin so zu vernachlässigen. Darum fordern wir Herrn Laschet auf: Setzen Sie endlich einen richtigen Medienminister ein, der sich um das Thema kümmert und der auch diesen Titel verdient. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Vogt. – Jetzt spricht Herr Nückel für die FDPFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Weg von der ideologischen Verhärtung hin zu Dostojewskis „Großinquisitor“ ist nicht weit. Ein gutes Beispiel dafür ist das Papier der AfD, über das wir nun reden, das Sie wichtigtuerisch mit den Worten „Gesetz zur stärkeren Verankerung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung in der Arbeit des Westdeutschen Rundfunks“ überschrieben haben. Eine Regelung zur Verankerung des Grundgesetzes in Ihren eigenen Reihen wäre, meine ich, die sinnvollere Idee gewesen. Stattdessen jetzt diese Geister

fahrt. Wie jede Institution hat auch der WDR mal Kritik nötig, aber er hat bessere Kritiker verdient, als Sie es sind.

Der Gesetzentwurf bezieht sich auf das vom WDRKinderchor gesungene Lied zur Oma als Umweltborstentier. Die harte Kritik für diese Entgleisung gegenüber älteren Menschen ist notwendig. Aber diese Geschichte kommt Ihnen jetzt gerade recht, um Ihr grundsätzliches Missbehagen gegenüber freien Medien zu artikulieren. Aufgrund dieses Liedes und verschiedener, zugegeben, blödsinniger Äußerungen von Mitarbeiterinnen des WDR – privat bei Twitter – träumt die AfD nunmehr von einem Verfassungsschutz mit einer Schnüffelabteilung „Horch und Guck“ beim WDR. Kurzum, Sie fordern einen Gesinnungs-TÜV. Das nenne ich Tribunalisierung als Heilige Inquisition.

Wenn man bedenkt, dass der Grundpfeiler der demokratischen Grundordnung unsere Verfassung und der Kern jeder demokratischen Gesellschaft die Presse- und Meinungsfreiheit ist, dann ist das schon ein starkes Stück, was Sie hier liefern. Das Ganze dann unter den Deckmantel der Stärkung der Grundordnung zu stellen, ist ein noch viel größeres und dreisteres Stück; denn der Gesetzentwurf greift ja genau diese Freiheit an. Putin und Erdogan würden sich höchstwahrscheinlich über diesen Entwurf freuen und jubeln.