Protokoll der Sitzung vom 23.01.2020

Zweitens: Strukturwandel. Mit einem Budget von 40 Milliarden Euro soll die Transformation der Reviere so gestaltet werden, dass dort nachhaltige Perspektiven für Wachstum und Beschäftigung entstehen. Die Instrumente, die notwendigen Strukturen und die Projekte sind im Gesetz angelegt.

Drittens: Sozialverträglichkeit. Die Kommission hat klare Empfehlungen für einen sozialverträglichen Kohleausstieg abgegeben. Das Anpassungsgeld, mit dem Härten für diejenigen, die heute noch in den Tagebauen und Kraftwerken beschäftigt sind, abgefangen werden, kommt. Es kommt so wie bei der Steinkohle. Damit ist auch im Rheinischen Revier klar: Niemand wird ins Bergfreie fallen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Viertens: Entschädigungen. Die Kommission hat Entschädigungen für die Kraftwerks- und Tagebaubetreiber empfohlen. Wenn die Politik aus Klimaschutzgründen Unternehmensvermögen entwertet, muss das entschädigt werden. Das ist ein wichtiges Signal für Investitionssicherheit am Standort

Deutschland.

Fünftens. Die Kommission hat klar gesagt, dass wir eine Kompensation von Strompreissteigerungen für die energieintensiven Industrien brauchen. Mit der Verabredung in der letzten Woche – das war eher ein Teil, bei dem wir ein bisschen drängen mussten – ist der Bundeswirtschaftsminister nun ermächtigt, wenn es nach der Abschaltung der Kernenergie und der Kohle für die stromintensiven Betriebe zu zu großen Belastungen im internationalen Wettbewerb kommt, Kompensationen zu zahlen.

Deshalb können sich aus meiner Sicht alle am damaligen Kompromiss Beteiligten wiederfinden: die Beschäftigten, die Region, die Energieversorger, die Industrie und auch die Umweltverbände.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Denn das Ergebnis ist eine massive CO2-Senkung in den nächsten Jahren. Bis 2022 – auf Deutsch: das ist in zwei Jahren –

(Christian Loose [AfD]: Wie viel denn?)

soll es eine Reduktion auf 15 GW geben. Wir haben Wort gehalten.

(Zuruf von der AfD)

Die Kommission hat gesagt: bis zu 15 GW bis 2022. Bis zum 31.12.2022 wird auf 15 GW Braunkohle reduziert – versprochen, beschlossen und jetzt durch diesen Kompromiss gehalten, eins zu eins umgesetzt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für das Jahr 2025 wollte die Kommission einen substanziellen Zwischenschritt mit 10 Millionen t CO2Emissionsminderung. Wir haben Wort gehalten. Mit

der Bund-Länder-Einigung wird die Emissionsminderung zum Jahr 2025 sogar 13 Millionen Tonnen CO2 betragen.

Zwischen 2023 und 2030 wird die Braunkohle auf 9 GW reduziert. In dieser Zeit, so war der Beschluss, werden wir 8,8 GW, also mehr als „auf 9 GW“, erreichen.

Bis 2038 soll komplett die letzte Kohle abgeschaltet sein. Auch das wird eingehalten. Wir haben sogar im Kanzleramt beschlossen – es gibt die beiden Messpunkte 2026 und 2029 –, wenn es möglich ist, den Termin auf 2035 vorzuziehen. Das kann man heute allerdings noch nicht beurteilen. Aber wenn die Versorgungssicherheit gewährleistet ist, kann es sogar noch schneller gehen als erst in 2038.

Wahr ist, dass nicht alle Wünsche mit dem Kompromiss erfüllt werden konnten. Die nun vorliegende Lösung ist trotzdem ein Quantensprung für den Klimaschutz in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Durch die frühzeitige Stilllegung der Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier werden 565 Millionen Tonnen CO2 eingespart – in Relation zu dem, was, wie man noch 2016 glaubte, der Versorgungssicherheit dient.

565 Millionen Tonnen – das ist mehr als Belgien, die Niederlande und Spanien jedes Jahr zusammen an CO2 emittieren, diese große Summe nur bei uns im Rheinischen Revier.

565 Millionen Tonnen – das entspricht der Menge CO2, die alle Pkws in Deutschland in fünf Jahren emittieren. Das macht die Größenordnung dessen deutlich, was hier in den nächsten Jahren passiert.

Möglich wird dies auch durch eine große Leistung der Arbeitnehmer, die sogar bereit sind, einem Vorruhestand, einer Verkleinerung ihrer Tagebaue und dem Schließen von Kraftwerken zuzustimmen, um diese gigantische Summe aufzubringen. Das dürfen wir nicht kleinreden. Das ist ein Riesensprung, den wir hier machen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das geht jetzt Schlag auf Schlag. Schon in diesem Jahr geht der erste Kraftwerksblock vom Netz. Sieben weitere Braunkohleblöcke folgen alleine bis Ende 2022: drei 300-MW-Blöcke an der Nord-SüdBahn zum April 2022, ein 300-MW-Block am Kraftwerk Weisweiler, Ende 2022 zwei 600-MW-Blöcke sowie die Brikettierung mit 120 MW. Fünf weitere Blöcke folgen dann bis 2030 – Weisweiler F, G, H, Niederaußem G und H – in die Sicherheitsbereitschaft.

Das ist keine theoretische Zahl, sondern das sind konkrete Kraftwerke, die jeder von uns kennt, die

nach und nach in den nächsten Jahren der Abschaltung zugeführt werden.

Wir saßen mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten zusammen. In Ostdeutschland ist eine ganz andere Stimmung im Hinblick auf die Kohle. Bis 2022 tragen wir in Nordrhein-Westfalen 100 % aller Stilllegungen. Bis Ende 2029 tragen wir noch einmal zwei Drittel aller Stilllegungen.

Das zeigt: Nordrhein-Westfalen geht voran. Wir sind Vorreiterland beim Klimaschutz und bei der Energiewende. Wir tun dies in Solidarität mit dem Osten, der es schwerer hat. Wir gehen so weit voran, dass man sagen kann: Kein Land in Deutschland wird so viel CO2 reduzieren wie wir in diesen Tagen und Monaten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danach bleiben bis zum endgültigen Ende der Verstromung nur noch die sogenannten BoA-Blöcke am Netz. Das sind die drei modernsten, leistungsfähigsten Kraftwerke überhaupt. Die sichern dann die Versorgungssicherheit in den letzten Jahren, bevor es zur Abschaltung kommt.

Man muss das einmal gesamtdeutsch sehen: Wir werden bis 2022 – das klingt so weit weg, ist aber in den nächsten 24 Monaten – nicht nur 3 GW Braunkohlekraftwerke bei uns stilllegen, sondern ebenfalls die letzten sechs Atommeiler abschalten. 8 GW Atomstrom plus 3 GW Braunkohlestrom macht 11 GW, die wir in den nächsten zwei Jahren vom Netz nehmen. Beim Atomstrom sind es Brokdorf, Grohnde, Gundremmingen, Neckarwestheim, Emsland und Isar 2. Diese Atomkraftwerke und die erwähnten Braunkohlekraftwerke werden Ende 2022 nicht mehr laufen.

In Nordrhein-Westfalen kommen noch Stilllegungen von Steinkohlekraftwerken hinzu, die ebenfalls in diesen Prozess hineingenommen worden sind.

Deshalb ist die Frage der Versorgungssicherheit nicht irgendein Luxus, sondern ist der Grundpfeiler unseres Wirtschaftsstandorts. Wir alle müssen darauf achten. Das tragen auch die Gewerkschaften vor. Sie gehen den Weg mit, sie denken an ihre Beschäftigten, aber sie fragen vor allem: Was ist denn mit den anderen Beschäftigten in den Industrien, die Strom brauchen? Wir müssen beides zusammenhalten. Das ist Maß und Mitte. Klimaschutz und Umweltverträglichkeit ist das eine, aber Arbeitsplätze und Wirtschaftsstandort sind das andere. Das ist genauso wichtig, und das müssen wir erhalten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der Ausstieg aus der Kohleverstromung wird 2038 abgeschlossen sein, vielleicht schon 2035. 2026 und 2029 wird noch einmal überprüft: Ist das so einzuhalten?

Führen wir uns den Effekt noch einmal mit zwei Zahlen vor Augen: Nach der Leitentscheidung des Jahres 2016 sollten noch mehr als 2 Milliarden Tonnen Braunkohle verstromt werden. Mit dem zwischen Bund und Ländern jetzt vereinbarten Stilllegungspfad werden es wahrscheinlich weniger als 950 Millionen Tonnen sein. Der Rest bleibt im Boden.

Das heißt aber auch: Die Kohlemenge, die für die Restlaufzeit der Kraftwerke benötigt wird, müssen wir bis Ende der 2030er-Jahre verlässlich sichern. Denn auch das ist Teil des Kompromisses. Aus welchem Tagebau die Kohle kommt, ist dafür zunächst einmal unerheblich, aber irgendwoher muss sie kommen.

Der Erhalt des Hambacher Forstes schränkt jetzt die Flexibilität in den Tagebauen ein. Das ist ja klar. Wenn mit einem Mal aus dem genehmigten Tagebau Hambach rund 1 Milliarde Tonnen Kohle nicht mehr gefördert wird, was 2016 eigentlich noch geplant war, dann muss der Rest der Kohle woanders herkommen. Das hat die Bundesregierung jetzt entschieden, und sie wird auch gesetzlich klarstellen, dass der Tagebau Garzweiler nahezu vollständig in Anspruch genommen wird.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das hat damit nichts zu tun!)

Das hat uns die Bundesregierung so vorgetragen, und das wird erforderlich sein. Das, was man hier verabredet hat, muss auch umgesetzt werden. Das trägt zur Klarheit bei.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist übrigens die Klarheit, die die Menschen in der Region erwarten. Ich habe heute Morgen noch mit dem Bürgermeister der Stadt Erkelenz, Peter Jansen, der hier auf der Besuchertribüne sitzt, genau über diese Frage gesprochen. Die Landesregierung erwartet von RWE, dass das Unternehmen sofort mit der Planung beginnt, wie die am Tagebaurand möglichen Entlastungen umgesetzt werden können.

Die Bundesregierung und das Unternehmen haben gemeinsam festgestellt, dass der Tagebau Garzweiler II aus energiewirtschaftlichen Gründen vollständig in den Grenzen der rot-grünen Leitentscheidung von 2016 zur Verfügung stehen muss und die Umsiedlungen daher fortgesetzt werden. Das ist eine logische Konsequenz.

Der Vorsitzende der SPD Nordrhein-Westfalen, Sebastian Hartmann, hat beispielsweise vor ein paar Tagen bestätigt, ihm fehle die Fantasie, sich vorzustellen – ich zitiere –, „wie auch noch auf die Kohle unter den Garzweiler-Dörfern für die Energiegewinnung verzichtet werden könnte.“ Das sind ehrliche Worte, denen ich mich anschließe.

Es muss jetzt auf das ankommen,

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

was die Gewerkschaften gestern gesagt haben. Mit „Gewerkschaften“ ist nicht nur die IG BCE gemeint, sondern das sind auch ver.di und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Dieser hat gesagt:

„Die geplante Umsetzung des Berichtes durch die Bundesregierung entspricht in den wesentlichen Punkten dem Ergebnis der Kommission.“

Er sagt auch: Das, was manche im Moment als angebliche Abweichung hochrechnen, ist weder faktisch noch sachlich begründet. Der Bericht wird eins zu eins umgesetzt. – Diese Klarheit der deutschen Gewerkschaften sollten wir auch in diesem Hause ernst nehmen und ihnen für den Beitrag danken.