Protokoll der Sitzung vom 23.01.2020

Er sagt auch: Das, was manche im Moment als angebliche Abweichung hochrechnen, ist weder faktisch noch sachlich begründet. Der Bericht wird eins zu eins umgesetzt. – Diese Klarheit der deutschen Gewerkschaften sollten wir auch in diesem Hause ernst nehmen und ihnen für den Beitrag danken.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Noch ein Wort zu Datteln 4 – das hat übrigens im Kanzleramt an diesem Abend so gut wie überhaupt keine Rolle gespielt –: Es wird kritisiert, dass das Kraftwerk nach einer Reparaturphase seinen Betrieb wieder aufnehmen soll; diese Entscheidung führe zu höheren Emissionen. Das geplante Kohleausstiegsgesetz beschreibt aber – das sagen auch die Gewerkschaften – klare Obergrenzen für Steinkohle. Bis 2022 sind 15 GW Braunkohle und 15 GW Steinkohle verabredet. Jetzt geht ein modernes, effizientes, steuerbares Kraftwerk ans Netz, und andere werden im Rahmen von Ausschreibungen reduziert. Dieses Ziel wird eins zu eins erreicht.

Deshalb sage ich: Jeder, der behauptet, mit dem Ans-Netz-Gehen von Datteln 4 werde mehr CO2 ausgestoßen, hat sich mit den Fakten nicht vertraut gemacht. So sagen es die Gewerkschaften, und sie haben recht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Noch einmal, weil Frau Düker gleich damit kommen wird: Es war verabredet, 15 GW Braunkohle und 15 GW Steinkohle bis 2022 abzuschalten. In Kurzform: Steinkohle geht raus, Datteln geht ans Netz, die Werte werden erreicht wie verabredet. Das ist eigentlich eine einfache Dreisatzrechnung, die jeder beherrschen sollte.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Das, was Sie in den letzten Tagen gemacht haben, und der Versuch, das zum neuen Kampfort zu machen, haben mit der Sache jedenfalls nichts zu tun. Das hat mit Strategie zu tun, aber nichts mit der Sache.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zum Schluss möchte ich den Blick auf das lenken, was für die Regionen erreicht wurde. Das mit dem Kohleausstiegsgesetz verbundene Strukturstär

kungsgesetz stellt in den nächsten 20 Jahren 15 Milliarden Euro für den Strukturwandel im Rheinischen

Revier und 660 Millionen Euro für die Kraftwerksstandorte im Ruhrgebiet, die Steinkohle haben und abschalten, zur Verfügung.

Gerade im Rheinischen Revier geht es darum, Modellregion in der Transformation zu werden. Ziel ist es, wirtschaftlichen Erfolg und Klimaschutz bestmöglich zu verbinden. Das Revier verfügt über alle Kompetenzen, um diese Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. Mit den Strukturhilfen, die jetzt zugesagt sind, stehen auch die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung.

Parallel dazu hat die Europäische Kommission inzwischen anerkannt, dass erfolgreicher Wandel nicht nur Beschlüsse zum Ausstieg benötigt, sondern auch eine aktive Förderung. Deshalb hat die Kommission am 14. Januar mit ihrem „Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa“ verschiedene Förderinstrumente für eine gezielte Förderung von solchen Regionen vorgestellt, deren Wirtschaft bislang von fossilen Rohstoffen und energieintensiven Industrien geprägt ist.

Wir – auch die Kollegen im Europäischen Parlament aus Nordrhein-Westfalen – haben für dieses Instrument in Brüssel gekämpft, um den Wandel bestmöglich zu gestalten. Das Rheinische Revier hat gute Chancen, zur Blaupause für den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt zu werden. Dazu brauchen wir eine neue Form der Wirtschaftsförderung, eine offensive Industriepolitik. Genau daran arbeitet die Region derzeit unter Hochdruck.

Was musste diese Region nicht alles in den letzten Jahren hören? Sie sei Klimamonster, Dreckschleuder, Luftverpester, die Region mit den ältesten Kraftwerken Deutschlands, welche eigentlich ins Museum gehörten.

Das wird jetzt so kommen; sie werden alle verschwinden. Diese Region wird die modernste und nachhaltigste Energie- und Industrieregion in Europa werden. Wir werden mit der gesamten Landesregierung, mit allen Ministerien – ähnlich wie bei der Ruhr-Konferenz –, die dazu einen Beitrag leisten können –

(Marc Herter [SPD]: Oh Gott!)

Kommunales, Umwelt, Verkehr und natürlich auch das Wirtschaftsministerium, das seit Jahren diesen Prozess vorbereitet hat –, die Strukturen schaffen. Wir werden daraus mit den kommunalen Akteuren, die dabei sind, die modernste Region Europas machen. Sobald das Gesetzgebungsverfahren im Bund abgeschlossen ist, wird die Umsetzung dieses Generationenprojekts beginnen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben dann in diesen Tagen – das soll meine Abschlussbemerkung sein – von Agora aktuelle Zahlen gehört, wie denn die Energiewende wirkt und wo

Deutschland steht. Die Große Koalition hat am Anfang – dafür hat sie viel Kritik erlitten – gesagt: So, wie das aussieht, werden wir die Klimaschutzziele 2020 nicht erreichen; wir tun jetzt aber alles, dass wir sie 2030 erreichen. So war die Einschätzung noch vor wenigen Monaten.

Jetzt kommt Agora und sagt uns – sie nennen das überraschend –, dass Deutschland von 2019 zu 2018 50 Millionen Tonnen CO2 weniger ausgestoßen hat. Der Referenzwert der Klimaschutzziele war immer 40 % Reduktion zu 1990, und wir liegen plötzlich bei 35 %, ziemlich nah dran an dem Ziel, was durch den europäischen Zertifikatehandel, über den sich manche am Anfang auch lustig gemacht haben, verabredet war: Es funktioniert alles nicht, wie soll es denn marktwirtschaftlich gehen?

Jetzt ist der Preis bei 25 Euro pro Tonne, und der hat dazu geführt, dass weniger Braunkohle verstromt wurde. Ich kann Ihnen die Zahlen nennen. Steinkohle ist um 30 % zurückgegangen, Braunkohle um 20 %, Erdgas dagegen um 10 % gestiegen, erneuerbare Energien um 8 %. Das ist der Mix. Wenn man sieht, wo es reduziert ist, ist es in Nordrhein-Westfalen reduziert worden.

(Monika Düker [GRÜNE]: Jetzt gehen die Er- neuerbaren aber runter!)

Frau Düker, Sie können dazwischenrufen. Sie waren kein Freund des Zertifikatehandels. Die Marktwirtschaft ist erfolgreich. Man sieht an diesem Beispiel, dass man so Energiewende gestalten kann.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb ist das die große Chance und die Hoffnung, dass mit diesem Eins-zu-eins-Umsetzen exakt die CO2-Reduktion, die versprochen war, der Konflikt möglichst beendet wird.

Das gilt für alle, die da weiter den Kampf machen wollen. Wir haben gestern eine Debatte über bedrohte Bürgermeister geführt. Der Bürgermeister von Kerpen sagt jetzt, er wolle nicht mehr antreten, weil man gedroht hat, wenn er sich nicht mehr um den Hambacher Forst kümmere, würde seine Familie bedroht. All diese Dinge sind nicht gut. Wir müssen jetzt innehalten, an der Reduktion der Ziele arbeiten.

Mein Appell an alle ist, jetzt zum friedlichen Diskurs zurückzukehren und die Chancen zu nutzen, die in diesem großen Konsens enthalten sind, den uns die Bundesregierung vorgeschlagen hat und dem wir sehr gern zugestimmt haben. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Laschet. – Ich eröffne nun die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Herter das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Es gibt schlüssige Momente in der Geschichte, die eine Gemeinsamkeit haben. Ihre Bedeutung wurde von den Zeitzeugen völlig verkannt. Manchmal sind die Momente gar nicht wahrgenommen worden.

Als am 6. August 1991 das World Wide Web online ging, stand das in keiner Tageszeitung. Selbst als das Erneuerbare-Energien-Gesetz von der rot-grünen Regierungskoalition im Jahr 2000, immerhin bis heute die strukturelle Grundlage für jeden Aufbau und Ausbau von erneuerbaren Energien, von Windkraft und Photovoltaik, bei uns im Land an den Start ging, galt das eher als Spezialthema für Nerds und für Energielobbyisten.

Ein ähnliches Schicksal wird gerade der vereinbarten Umsetzung der WSB-Beschlüsse zuteil. Nein, sie geraten nicht aus dem Fokus, aber ihre Bedeutung wird heute noch völlig verkannt.

Das wird sich ändern. Da habe ich keinen Zweifel. In 20 Jahren werden Ökonomen und Ökologen gleichermaßen die Umsetzung der WSB-Beschlüsse zu den politischen Schlüsselentscheidungen des frühen 21. Jahrhunderts rechnen – zu Recht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Als erstes Industrieland beendet Deutschland gleichzeitig die Nutzung von Atomkraft und steigt aus der Kohleverstromung aus.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Ein klarer Pfad ist dafür vereinbart worden. Wenig mehr als anderthalb Jahrzehnte geben wir uns dafür Zeit. Mit den vereinbarten Anpassungsgeldregelungen schaffen wir eine verlässliche Basis, damit dieser Ausstieg sozialverträglich organisiert werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kein Beschäftigter fällt ins Bergfreie. Das ist die Anerkennung für die Lebensleistung der Menschen im Rheinischen Revier und weit darüber hinaus.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP – Zuruf von Christian Loose [AfD])

Mit 40 Milliarden Euro wird der Strukturwandel in den betroffenen Regionen gefördert. Das ist gut investiertes Geld in neues Wachstum und neue Beschäftigung im Rheinischen Revier und an den Steinkohlestandorten in ganz Nordrhein-Westfalen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich verstehe jede Debatte um Detailregelungen. Sie sind richtig und sie sind notwendig. Auch die Wirkung von Symbolen ist mir keineswegs fremd. Aber fest steht doch zuallererst einmal: Das Ende der Stein

kohleverstromung in Deutschland ist am letzten Donnerstag besiegelt worden. Wir Sozialdemokraten halten das für richtig und für unverzichtbar.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir halten es aber ebenso für richtig und unverzichtbar, dass dazu die entsprechenden Begleitbeschlüsse gefallen sind: die Absicherung der Beschäftigten ebenso wie die Strompreisbremse für die Verbraucher durch die EEG-Reduzierung, die massive Förderung des Strukturwandels in den betroffenen Regionen, in den Städten und Gemeinden ebenso wie die Wettbewerbssicherung für die energieintensive Industrie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein schmückendes Beiwerk. Das ist Grundlage für eine gelingende Energiewende. Es ist Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg und die soziale Verantwortbarkeit der Energiewende, Grundlage für eine breite gesellschaftliche Akzeptanz und für einen wirksamen Klimaschutz. Es ist die Basis für diese Energiewende, nicht ein Beiwerk, nicht die Sahne obendrauf, sondern die Hefe im Teig der Energiewende, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Gesellschaftliche Akzeptanz, nein, Mitgehen bei den Veränderungen, die nun anstehen, leitet mich zu einem weiteren Gedanken: Offen gestanden kann ich mit dieser allgegenwärtigen Ausstiegsrhetorik immer weniger anfangen. Mehr noch: Die Menschen im Land können mit dieser allgegenwärtigen Ausstiegsrhetorik immer weniger anfangen.