Protokoll der Sitzung vom 12.02.2020

Die wahren Probleme liegen woanders. Ich darf nur an die Äußerungen von Bundesministerin Karliczek erinnern, nach denen 5G ja „nicht an jeder Milchkanne“ notwendig sei und man sich beim flächendeckenden Ausbau ruhig „ein bisschen Zeit“ lassen könne. Ich komme dann nicht umhin, zu fragen, ob zum Beispiel das Ruhrgebiet in den Augen der Deutschen Telekom oder auch der Telefónica eigentlich nur eine solche Milchkanne ist, und welche Zeitspanne durch die Karliczeksche Maßspanne „ein bisschen“ abgedeckt ist.

Auch hier ist die Landesregierung gefragt, schnell für klare Verhältnisse zu sorgen und im Interesse des Innovationspotenzials unseres Landes die Versorgung größerer Teile der Bevölkerung mit dem schnellen Mobilfunkstandard voranzutreiben. Dazu gehört

auch, im weiteren Verlauf die schnellstmögliche Abdeckung der einzelnen 5G-Standorte durch mehrere Anbieter sicherzustellen. Immerhin handelt es sich um einen Mobilfunkstandard. Es kann nicht von allen Reisenden und Pendlern verlangt werden, nach dem Vorbild von Herrn Minister Biesenbach eine Auswahl an Mobiltelefonen mit unterschiedlichen SIM-Karten bei sich zu führen, um bei Bedarf nach dem richtigen Anbieter für den aktuellen Standort zu greifen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sprechen wir über solche Schieflagen. Wenden wir die Zeit nicht für Überlegungen zu Road-Shows auf, die in Initiativen der Bundesregierung grundsätzlich mitgedacht sind. Anders: Fordern wir den ersten Schritt – den Ausbau – ein, bevor wir zum zweiten Schritt ansetzen. Ansonsten könnte es gut sein, dass wir ins Stolpern kommen.

Wir werden der Überweisung an den Ausschuss natürlich zustimmen und freuen uns auf die Diskussion. Bezüglich der weiteren Ausbauperspektiven und der sehr offensichtlichen Lücken in den Planungen kündige ich für meine Fraktion an, dass wir das weiterhin thematisieren und begleiten werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Watermeier. – Jetzt spricht Herr Matheisen für die FDP-Fraktion.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beitrag von Herrn Watermeier von der SPD hat gerade gezeigt, was das große Problem der SPD ist.

Wenn Sie sich darüber beschweren, dass wir in Nordrhein-Westfalen, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung, dass Professor Pinkwart und andere versuchen, durch die Digitalisierung die negativen Auswirkungen des Strukturwandels auszugleichen, dann haben Sie überhaupt nicht verstanden, wie man dieses Problem angeht.

Die Situation des Ruhrgebiets ist heute so, weil Sie in der Vergangenheit genau diese Politik betrieben haben. Es bringt nichts, Subventionen auszuschütten. Es bringt nichts, nach hinten zu schauen. Wir müssen vielmehr nach vorne schauen. Wir müssen die Digitalisierung als Chance begreifen und nach vorne treiben.

(Vereinzelt Beifall von der FDP und der CDU)

Genau das machen wir hier. Das klingt auch im Antrag an. Ich glaube auch, dass wir uns an der Stelle alle einig sind, dass dies eine riesige Chance bedeutet.

Ich finde es auch durchaus gut – das kann man anerkennend zu dem Antrag festhalen –, dass Sie sagen, hier müssten auch die ethischen Fragen und insbesondere die Akzeptanzfragen geklärt werden.

Das werden wir uns angucken, wenn es irgendwelche neuen Projekte in Deutschland gibt. Das ist jetzt nicht nur auf 5G bezogen. Da können wir uns den Verkehrsbereich angucken, wenn eine neue Bahnstrecke gebaut wird. Da können wir uns den Energiebereich angucken, wenn neue Stromtrassen gebaut werden sollen.

Überall gibt es Proteste, überall gibt es Skepsis, überall gibt es Angst.

Herr Kollege,...

Deswegen ist es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger an dieser Stelle ernst zu nehmen und dieses Thema entsprechend zu bedenken. Es bringt nichts, sozusagen kopflos loszurennen. Man muss das mit den Bürgerinnen und Bürgern machen. Genau das tun wir.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Watermeier?

Das ist nett. – Bitte schön, Herr Watermeier.

Herr Matheisen, es tut mir ja leid, Ihnen als Gelsenkirchener diese Zwischenfrage stellen zu müssen. Aber neulich wurde berichtet, dass der Standort Dortmund von allen deutschen Städten die beste LTE-Netzabdeckung hat. Wie können Sie erklären, dass dieser sehr gut netzabgedeckte Standort Dortmund beim 5G-Ausbau nicht prioritär betrachtet wird, der, wie Herr Pinkwart heute in einer Pressemitteilung mitgeteilt hat, ja auf das LTE-Netz aufsetzt?

Wir stehen am Beginn einer Entwicklung,

(Zurufe von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD] und Britta Altenkamp [SPD])

und diese Entwicklung treiben wir hier mit Vehemenz voran. Nichtsdestotrotz sind es private Netzbetreiber, die den Netzausbau durchführen. Und ich bin mir absolut sicher, dass Professor Pinkwart wie auch schon in der Vergangenheit weiter voranschreiten und in Gesprächen mit den Netzbetreibern Dinge nach vorne bringen wird.

(Zurufe von Britta Altenkamp [SPD] und Gordan Dudas [SPD])

Damit komme ich zurück zum Thema. Ich glaube, dass wir es nur gemeinsam mit den Netzbetreibern hinbekommen. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir das Thema „Akzeptanz“ gemeinsam angehen.

Mich freut sehr, dass es die Landesregierung beispielsweise geschafft hat, mit den Netzbetreibern Beschwerdestellen zu vereinbaren, die von diesen eingerichtet werden. Auf diese Weise werden die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst genommen. Und es freut mich auch sehr, dass die Landesregierung die Initiative ergriffen hat und ein Institut für Digitalisierungsforschung einrichtet, um genau diese Dinge zu erforschen.

Das ist genau das, was ich eben beschrieben habe: Es geht nicht gegen die Menschen, sondern es geht nur mit den Menschen. Insofern sind wir auf einem guten Weg.

Mich freut, dass wir das Thema diskutieren. Ihre Ansätze halten wir aktuell aber für falsch. Ich bin der Meinung, wir sollten es im Ausschuss diskutieren, und bitte deshalb um Überweisung. Wir werden dieser zustimmen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Matheisen. – Nun spricht Herr Tritschler für die AfDFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Moderne Mobilfunktechnologie ist schon heute aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Das ist eine Binsenweisheit.

Dabei vergessen wir allzu schnell, welch rasante Entwicklung wir in den vergangenen Jahren erleben durften. Noch vor weniger als 25 Jahren hieß das Handy liebevoll „Knochen“, war ein Elitenphänomen, passte kaum in die Hosentasche, und außer zu telefonieren konnte man damit nicht besonders viel machen.

Vor 13 Jahren erschien das erste iPhone und damit das erste massentaugliche Smartphone auf dem Markt. Während damals tatsächlich noch darüber diskutiert wurde, ob Internetanwendungen auf dem Mobilgerät überhaupt von Interesse seien, ist diese Frage inzwischen wohl sehr eindeutig beantwortet.

Die Mobilfunkanbieter tun sich seither schwer, mit der gewachsenen und weiterhin wachsenden Datenmenge Schritt zu halten. Vor wenigen Jahren surfte man noch mit 2G und 0,01 Mbit pro Sekunde. Heute erwartet man LTE mit 1.000 Mbit und in Kürze 5G mit

10 Gbit. – Freilich sind viele Landstriche immer noch in der mobilen Steinzeit.

Von Anfang an war die Mobilfunktechnik von Skepsis begleitet. Man sorgte sich, dass das Handy den Airbag im Auto auslösen könne. Vor Handys im Flugzeug hatte man sogar so viel Angst, dass man ihre Nutzung mit Gefängnisstrafe bedrohte. Heute bieten viele Airlines eigene Handynetze an Bord ihrer Flugzeuge.

Natürlich durfte auch eine Angst von Anfang an nicht fehlen: die deutsche Angst vor dem Strahl. Das Handy am Ohr sollte für Hirnkrebs sorgen, das Handy in der Hosentasche für Hodenkrebs oder zumindest für Impotenz.

Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die Partei, die solche irrationalen Ängste seit 40 Jahren zu ihrem Geschäftsmodell macht, sich nun um die mangelnde Akzeptanz von 5G sorgt. Ausgerechnet diejenigen, die die Angst vor dem Strahl seit Jahrzehnten propagieren, wollen jetzt mehr Funkstrahlen in der Luft haben.

Dabei wissen offenbar Ihre eigenen Parteifreunde vor Ort nichts von diesem plötzlichen Sinneswandel und protestieren beispielsweise im Märkischen Kreis munter gegen Mobilfunkanlagen. Und auch Ihr Vorfeld und insbesondere der BUND, meine Damen und Herren von den Grünen, ist wie so oft munter damit befasst, Halbwahrheiten und neue Ängste vor dieser Technologie in die Köpfe der Menschen zu pflanzen. Vielleicht fangen Sie da mal mit Ihrer Akzeptanzinitiative an, Herr Bolte-Richter.

(Beifall von der AfD)

Gleichwohl kann man Ihrem Antrag in Teilen zustimmen. Ja, der Mobilfunkausbau in Deutschland kommt zu schleppend voran. Auch das ist inzwischen eine Binsenweisheit. Wir sind auf einem Level mit Schwellenländern und nicht mehr auf Augenhöhe mit modernen Industrieländern.

Seit Jahren scheitert die Politik – auch grüne Politik – an einer vernünftigen Regulierung und Förderung des Mobilfunkausbaus. Daran sind nicht in erster Linie die Betreiber schuld. Das sieht man schon daran, dass genau dieselben Betreiber in anderen Ländern der Welt weit bessere und flächendeckendere Netze hinbekommen. Es liegt also offensichtlich an den Rahmenbedingungen.

Auch wenn er einige wichtige und richtige Punkte anspricht, zeigt Ihr Antrag leider, dass Sie das Problem nicht richtig angehen. Sie reden allein vom 5G-Ausbau, dabei träumen weite Teile unseres Landes immer noch von 4G oder gar von 3G. Aber das ist natürlich klar; denn auf die Grünen können und konnten die Menschen vom Land noch nie zählen. Sie sind eben die Partei der Großstädter.

Ein flächendeckender 5G-Ausbau ist auf absehbare Zeit leider unrealistisch, und das wissen Sie auch. Bitkom-Präsident Berg meinte dazu:

„Wir müssten einmal ganz Deutschland aufgraben, um die geforderte Flächendeckung herzustellen. Das ist schlicht nicht machbar und geht an den Realitäten des Mobilfunks vorbei.“

Und ob da Ihre Kreisverbände vor Ort mitgehen, liebe Grüne, wage ich zu bezweifeln. Denken Sie nur an die Mopsfledermaus.

Eine sinnvolle Politik würde auf vereinfachte Genehmigungsverfahren und auf mehr Frequenzvergaben setzen, die nicht auf maximale Einnahmen ausgerichtet sind, sondern auf Abdeckung – zum Beispiel nach dem Vorbild Frankreichs. Sie würde erst einmal dafür sorgen, dass flächendeckend 4G verfügbar wird.

All dem wird Ihr Antrag leider nicht gerecht. Der Überweisung an den Ausschuss stimmen wir aber natürlich gerne zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)