Protokoll der Sitzung vom 11.03.2020

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich zu unserer 83. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen willkommen. Mein Gruß gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien sowie den auf der Besuchertribüne befindlichen Praktikanten oder Mitarbeitern von Abgeordneten.

Für die heutige Sitzung haben sich 15 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, Sie sehen nicht nur an der Tagesordnung für heute, sondern auch an der leeren Besuchertribüne, dass die Auswirkungen des Coronavirus auch uns hier im Landtag eingeholt haben. Im Landtag sind wir als Abgeordnete, unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die Verwaltung und alle, die hier arbeiten, jetzt gefordert, unseren Beitrag zu leisten, das Infektionsrisiko und damit die Ausbreitung des Virus zu minimieren und sich und andere zu schützen.

Ich greife der Information durch die Landesregierung und der gleich stattfindenden Aussprache nicht vor. Doch ist es mir wichtig, zu sagen: Unser Land und dieses Parlament sind handlungsfähig. Dank Art. 60 der Landesverfassung bleibt es auch handlungsfähig.

Aber auch wir müssen uns auf die besondere Situation einstellen. Der „Parlamentarische Krisenstab Pandemie“, der sich aus Mitgliedern des Präsidiums und der Fraktionen zusammensetzt, hat gestern Nachmittag und heute Morgen getagt. Er wird die Lage regelmäßig neu bewerten.

Entsprechend den Empfehlungen des Robert KochInstituts hat er einstimmig beschlossen, dass im März und im April keine Besuchergruppen mehr im Landtag empfangen werden. Ferner hat er beschlossen, dass im März und April im Landtag keine Großveranstaltungen mit mehr als 150 Personen – Orientierungsgröße sind hier die Fraktionssitzungssäle – sowie keine Veranstaltungen parallel zum Plenum stattfinden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Maßnahmen dienen dazu, Risiken einer Ansteckung der Gäste und einer Weiterverbreitung des Virus zu minimieren. Sie basieren, wie ich gerade schon sagte, auf den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, die von der Bundesregierung und der Landesregierung geteilt werden.

Es sind geordnete Schritte aus Verantwortung. Wir sind es jenen Mitmenschen schuldig, die aufgrund ihres Alters oder ihrer Abwehrkräfte in besonderer

Weise darauf angewiesen sind, vor Ansteckung geschützt zu werden. Jeder von uns kennt jemanden, der in einer solchen Situation ist.

Wir werden stets zeitnah über die aktuellen Entwicklungen hier im Landtag informieren.

Lassen Sie uns nun in die Tagesordnung eintreten. Ich rufe auf:

1 Bericht der Landesregierung zum aktuellen

Stand zur Ausbreitung des Coronavirus

Unterrichtung durch die Landesregierung

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 2. März 2020 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag zu diesem Thema zu unterrichten.

Die Unterrichtung durch die Landesregierung erfolgt durch den Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Herrn Minister Laumann. Ich erteile ihm das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronapandemie stellt uns vor große Herausforderungen. Das gilt besonders für Nordrhein-Westfalen.

Ungefähr die Hälfte der in Deutschland Infizierten lebt bei uns in Nordrhein-Westfalen. Wir haben seit vorgestern zwei Todesfälle zu beklagen. Beide Opfer der Coronainfektion zählen zu den sogenannten besonders verletzlichen Gruppen; das sind Lebensältere und Vorerkrankte.

Es wird nicht gelingen, die weitere Ausbreitung der Infektion zu stoppen. Das sagen alle Fachleute. Wir müssen aber alles daransetzen, die Ausbreitung des Virus so gut wie möglich zu verzögern.

Je mehr Zeit wir gewinnen, desto besser ist die gute Versorgung der Erkrankten bei den niedergelassenen Ärzten, in unseren Krankenhäusern und auf den Intensivstationen gewährleistet.

Das gilt im Übrigen nicht nur für Coronaerkrankte, sondern für alle Patientinnen und Patienten.

In den betroffenen Regionen des Landes – in Arztpraxen, in Kliniken, bei den Rettungsdiensten, in Krisenstäben – wird zurzeit Beindruckendes geleistet, nicht selten am Limit. Dafür danke ich im Namen der ganzen Landesregierung allen Beteiligten.

(Allgemeiner Beifall)

In einer Krisenzeit ist bei uns eben nicht jeder sich selbst der Nächste. Der Nächste ist bei uns auch der andere, dem geholfen werden muss. Das ist gelebte

Solidarität in unserem Land. Darauf dürfen wir stolz sein.

Gerade in herausfordernden Zeiten müssen die Menschen auf die öffentlichen und staatlichen Institutionen vertrauen können. Das gilt jetzt in besonderem Maße für das Gesundheitswesen. Dieses Vertrauen in die Institutionen ist gerechtfertigt. Das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Vertrauen ist wesentlich dafür, dass wir die Herausforderungen gemeinsam bewältigen. Ich habe auch keinen Zweifel daran, dass wir die Herausforderungen bewältigen werden.

Für die Landesregierung gelten folgende ineinandergreifende Grundsätze:

Erstens. Die Ausbreitung des Virus ist so wirksam wie möglich einzudämmen und zeitlich zu verzögern.

Zweitens. Die verletzlichen Gruppen, also Lebensältere und Vorerkrankte, sind in besonderem Maße zu schützen. Bei ihnen ist die Gefahr schwerer Krankheitsverläufe am größten.

Drittens. Die kritische Infrastruktur, insbesondere das Gesundheitswesen, muss unter allen Umständen funktionsfähig bleiben.

Die Landesregierung hat im Gesundheitsministerium eine personell stark besetzte Coronastabsstelle eingerichtet, bei der Koordination und Informationsstränge zusammenlaufen. Jeden zweiten Tag kommt die Coronalage zusammen. Daran sind alle Ressorts und das Landeszentrum Gesundheit beteiligt. Arbeitsaufträge werden verbindlich vereinbart, protokolliert und abgearbeitet. Stabsstelle und Coronalage stehen in ständigem Austausch mit den Landes- und Bundeseinrichtungen, um einheitlichen Informationsstand und einheitliches Vorgehen sicherzustellen. Zweimal wöchentlich findet eine Telefonkonferenz unter Beteiligung des Innenministeriums mit den Regierungspräsidentinnen und dem Regierungspräsidenten sowie ihren Mitarbeiterstäben statt.

Leitentscheidungen werden im Kabinett getroffen. In jeder Sitzung wird von mir über die Lage und die Erfordernisse informiert. Wir erstellen einen täglichen Lagebericht. Er wird täglich über die Bezirksregierungen und die Stabsstelle breit versandt. Wir wollen eine transparente und objektive Information aller Beteiligten und der Öffentlichkeit. Auch die Landtagsabgeordneten bekommen diesen Lagebericht.

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auch den Medien danken. Ich finde, dass sachlich über das Geschehen berichtet wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben seit dem Ausbruch der Infektion im Kreis Heinsberg mit erheblichen materiellen und personellen Knappheiten zu kämpfen. Personelle Knappheiten sind vor allem dadurch bedingt, dass ärztliches

und pflegerisches Personal selbst unmittelbar oder mittelbar, nämlich als Kontaktperson, betroffen ist.

Zur Entlastung der Krankenhäuser habe ich daher an anderer Stelle frühzeitig erlaubt, dass von den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts an einer Stelle in Nordrhein-Westfalen abgewichen werden darf: Personen, die positiv getestet sind, aber keine oder nur geringfügige Krankheitssymptome aufweisen, müssen nicht stationär aufgenommen werden. Sie können in häuslicher Quarantäne von niedergelassenen Ärzten betreut werden. Das ist für die Krankenhäuser eine enorme Entlastung.

Im Kreis Heinsberg waren zeitweise mehr als 1.000 Personen in häuslicher Quarantäne, darunter eine Vielzahl von positiv Getesteten. Diese Regelung wurde inzwischen vom RKI nachvollzogen. Wegen der Schließung von Hausarztpraxen im Kreis Heinsberg gab es Engpässe. Sie konnten durch das Engagement des Deutschen Roten Kreuzes und Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen aufgefangen werden. Dafür danke ich.

Das Deutsche Rote Kreuz hat auf unsere Bitte unter anderem eine mobile Hausarztpraxis im Kreis Heinsberg eingerichtet. Die Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen haben bei Ärzten im Ruhestand nachgefragt, ob sie gegebenenfalls einsatzbereit seien. Darauf hat es ein tolles Echo gegeben. Dafür danke ich. Es ist ein gutes Gefühl, nötigenfalls darauf bauen zu können.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Den Bundesgesundheitsminister habe ich gebeten, die Personaluntergrenze für Pflegekräfte in Krankenhäusern für die Zeit der Coronaepidemie auszusetzen. Auch das ist mittlerweile erfolgt. Für die Pflegeheime, die wegen Corona in Not geraten, habe ich in einem Erlass geregelt, dass sie von der Fachkraftquote abweichen dürfen.

Bei den materiellen Knappheiten geht es vor allen Dingen um Schutzbekleidung und Schutzmasken. Bekanntlich sind die internationalen Märkte dafür mehr oder weniger zusammengebrochen.

Für den Moment geht es noch um ein Verteilungsproblem. Wir haben in vielen gemeinsamen Anstrengungen helfen können. So haben wir unter anderem Lieferungen von 7.000 Atemschutzmasken, knapp 3.000 Schutzanzügen und 2.000 Testsets in den Kreis Heinsberg über das Ministerium organisiert und vermittelt. Ich danke allen, die sich an der Versorgung beteiligt haben, dafür, dass sie uns dies möglich gemacht haben.

Größere Sorgen bereitet mir, dass wir aus einem Verteilungsproblem in ein Nachschubproblem kommen können. Das müssen wir natürlich verhindern. Um Ihnen die Dimension klarzumachen, um die es

geht, nenne ich hier nur eine Zahl: Eine Universitätsklinik braucht täglich 5.000 OP-Masken.

Schon bei diesem einfachen Artikel zeichnen sich mittelfristig Engpässe ab. Ich treffe mich morgen mit Vertretern der Textilindustrie, um Lösungen für das Problem zu finden, bevor es akut wird.

Wir sind in der Frage der Schutzbekleidung im Austausch mit Bund und Ländern. In der vergangenen Woche haben wir 1 Million Schutzmasken bestellt. Die Lieferung von weiteren 20.000 Schutzmasken, die von anderer Seite angeboten wurde, ist für diese Woche vorgesehen.

Ein Problem, dem wir uns jetzt widmen müssen, sind die im Land verfügbaren Beatmungsplätze. Ich bin darüber im Gespräch mit den Universitätskliniken und anderen Versorgern. Wir werden alles Erforderliche tun, um genügend Plätze für Coronainfizierte vorzuhalten – immer in der Hoffnung, dass sie nicht gebraucht werden.

Ich habe Ihnen diese Problemlagen geschildert, um deutlich zu machen, wie wichtig es ist, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und zu verzögern.

Wir haben deswegen die Empfehlungen des Bundesgesundheitsministers zu Großveranstaltungen sehr begrüßt. Bereits am Sonntag, wenige Stunden, nachdem der Bundesgesundheitsminister dies vorgeschlagen hat, haben der Ministerpräsident und ich gesagt, dass diese Regelung für Großveranstaltungen in Nordrhein-Westfalen umgesetzt wird.

Großveranstaltungen können in aller Regel nicht so organisiert werden, dass Ansteckungen unterbleiben. Es ist deshalb geboten, sie zu verschieben oder abzusagen oder Sportereignisse wie Fußballspiele ohne Publikum stattfinden zu lassen. Deswegen habe ich einen entsprechenden Erlass auf den Weg gebracht.